Medizinrecht

Versammlungsrecht, Radsternfahrt anlässlich der IAA, Teilbescheid, Untersagung der Durchführung auf Autobahnen

Aktenzeichen  M 13 S 21.4561

Datum:
1.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26072
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
GG Art. 8
BayVersG Art. 15 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Untersagung der Durchführung einer Versammlung auf Autobahnen durch die Antragsgegnerin.
Der Antragsteller, ein eingetragener Verein, möchte anlässlich der vom 7. bis 12. September 2021 geplanten Internationalen Automobil Ausstellung (IAA Mobility – IAA) am 11. September 2021 eine „Radsternfahrt“ in das Stadtgebiet der Antragsgegnerin durchführen. Dies teilte er der Antragsgegnerin zunächst mit E-Mail vom 6. Oktober 2020 vorab mit, wobei er von ca. 25.000 – 50.000 Teilnehmern ausging und als Thema und Anlass „die IAA und deren Greenwashing/Unglaubwürdigkeit, echte nachhaltige Mobilität, Verkehrswende, Klimawandel, Radverkehr sowie die bundesweit dringend notwendige Verbesserung der Radinfrastruktur und eine zeitnahe Umsetzung der vielen bundesweiten Radentscheide“ angab.
Unter dem … März 2021 zeigte er von 17 verschiedenen – in den Regierungsbezirken O. und S. gelegenen – Ausgangspunkten aus jeweils sich fortbewegende Versammlungen mit 1.000 (12 Routen) bzw. 5.000 (4 Routen) bzw. 500 (1 Route) Teilnehmern an (die Anzeigen und weitere Unterlagen wurden übersandt mit E-Mail vom …4.2021). Als Versammlungsthema gab er an: „MehrPlatzFürsRad! Bundesweit konsequente Umsetzung der Radentscheide; Radwege so gut wie Autobahnen; IAA/VDA vs. echte nachhaltige Mobilität; Greenwashing/Unglaubwürdigkeit Tempolimit; Planungs- und Baustopp von Autobahnen; Halbierung des Kfz-Bestands in den Städten; “. Die Streckenführung war teilweise über die Bundesautobahnen A…, A…, A… und A… vorgesehen.
In einer (weiteren) E-Mail vom … April 2021 nannte der Antragsteller die Bundestagswahl als zweiten Anlass für die Radsternfahrt, falls die IAA (Corona-) pandemiebedingt abgesagt werden sollte, und beschrieb Änderungen gegenüber dem bisher geplanten Verlauf.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration bestimmte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom … Mai 2021 als zuständige Kreisverwaltungsbehörde für die überörtliche Versammlung des Antragstellers.
Aus einer Gefahrenprognose zur Benutzung der Bundesautobahnen des Polizeipräsidiums München vom … Juli 2021 ergab sich unter anderem, dass bestimmte Teilstrecken ab der Auffahrt „… – München-F.-Süd“ auf die A… führten und sich dort vereinigten. Ab der Auffahrt „München B.“ würden somit 17.000 angezeigte Fahrradfahrer, im längsten Abschnitt etwa 11 km, auf der A… in das Stadtgebiet der Antragsgegnerin einfahren.
Weitere Teilstrecken würden ab der Auffahrt „7 – Fe. West“ auf die A94 auffahren und sich dort vereinigen. Ab dieser Auffahrt würden somit 7.000 angezeigte Fahrradfahrer etwa 6 km auf der A94 in die Stadt einfahren. Auf dieser Strecke verlaufe ebenfalls die sogenannte „Blue Lane“ der IAA.
Am … September 2021 sei wegen der ohnehin hohen Durchschnittszahlen des Verkehrsaufkommens der betroffenen Autobahnabschnitte (A… bei Gräfelfing: 2019 durchschnittlich innerhalb von 24 Stunden 105.039 Kfz in beide Fahrtrichtungen; A… Autobahnkreuz M.-Ost: 64.643 Kfz), des Urlaubsrückreiseverkehrs am vorletzten Ferientag der bayerischen Sommerferien und wegen des zu erwartenden höchsten Besucheraufkommens im Verlauf der IAA insbesondere auf den Bundesautobahnen mit einer erheblichen Verkehrsbelastung zu rechnen. Für die Versammlung würden Vollsperrungen der angezeigten Bundesautobahnen erforderlich sein, welche durch eine Totalausleitung des nachfolgenden Verkehrs realisiert werden müssten. Der dadurch eintretende Rückstau würde neben den eigentlich gesperrten Autobahnen über die Autobahnkreuze hinaus auch andere Autobahnabschnitte zum Erliegen bringen. Die vorgesehenen Bedarfsumleitungen würden innerhalb kürzester Zeit infolge Überlastung zum Erliegen kommen. Aus Sicherheitsgründen müssten Sperrungen der Gegenfahrbahnen oder zumindest starke Geschwindigkeitsbegrenzungen in Betracht gezogen werden. Trotz baulicher Trennung sei mit einer starken Ablenkung des Gegenverkehrs zu rechnen. Ein möglicher Verkehrsunfall mit Durchbruch oder Überflug der Mittelleitplanke würde fatale Folgen für die ungeschützte Versammlung haben. Neben diesen Gefahren für den Gegenverkehr sei bei jeder Teil- oder Vollsperrung mit erheblichen Gefahren für Verkehrsteilnehmer an den Sperrungen bzw. den dadurch entstehenden Stauenden zu rechnen. Selbst bei umfangreichen Sicherungsmaßnahmen im Vorfeld ereigneten sich an Stauenden in der Vergangenheit wiederkehrend Verkehrsunfälle, teils mit tödlichem Ausgang. Das Polizeipräsidium lehne deshalb die Durchführung der Versammlung unter Verwendung der Bundesautobahnen, nicht zuletzt werden der erheblichen Gefahren für Leib und Leben, ab.
Die A. GmbH des Bundes – Niederlassung Südbayern – (nachfolgend: Auto bahnmeisterei) erklärte in einer Stellungnahme (E-Mail) vom … Juli 2021, dass sie den geplanten Versammlungen auf den Bundesautobahnen A8, A9, A.. und A.. im Großraum M. nicht zustimme. Es bestünden erhebliche verkehrliche und sicherheitstechnische Bedenken.
Eine Demonstration auf den Autobahnen würde zu erheblichen Gefahren für die Si cherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs führen. Die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit und die Gewährleistung des Schutzes der Versammlungsteilnehmer würde eine Vollsperrung der Autobahnen in beiden Richtungen erfordern. Die Ausleitungen in beiden Fahrtrichtungen – die für die Dauer von mindestens 2-3 Stunden (Auf- bzw. Abbau der Sperreinrichtungen und Ausleitungen für die Dauer der Versammlung auf der Bundesautobahn, ggf. Reinigung der Strecke, Kontrolle der Strecke vor Verkehrsfreigabe, …) erfolgen müssten – seien auf Grund der Unfallgefahr durch Ablenkung vom Verkehrsgeschehen (Demonstrationsteilnehmer / Fahrradfahrer auf der Autobahn, Banner, Megaphone, Fahnen etc.) und der daraus resultierenden Gefahr eines Unfalls auf der Gegenfahrbahn erforderlich. Hierbei bestehe u.U. die Gefahr, dass Teile oder ganze Fahrzeuge auf den Demonstrationszug geschleudert würden. Die Gefahr eines Unfalls und deren Auswirkungen ließen sich auch mit einer angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung nicht ausschließen. Dies zeigten z.B. die Unfälle in geschwindigkeitsbegrenzten Bereichen einer Autobahn bzw. in Baustellen.
Das zu erwartende Verkehrschaos im nachgeordneten Straßennetz und die Rückstauungen auf der Autobahn stellten einen erheblichen und vermeidbaren Eingriff in die Verkehrssicherheit dar. Bei dieser Staubildung von zu erwartender Länge von ca. 515 km würden Unfallgefahren durch Auffahrunfälle an den Stauenden bzw. Längsverkehrsunfälle im Stau und damit Gefahren für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer entstehen. Ebenso bestehe eine Gefahr für Mensch (insbesondere bei Kleinkindern) und Tier in der in den Fahrzeugen zu erwartenden Hitze. Zudem befänden sich in den Bereichen der A… mehrere Kliniken und andere wichtige Einrichtungen.
Durch die Ferienenden in Bayern und Baden-Württemberg und den daraus resultierenden Rückreiseverkehren sowie den zu erwartenden Messeverkehr zur IAA sei an diesem Tag mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen zu rechen. Eine Klassifizierung dieses Mehraufkommens sei nicht möglich, da dieses auch vom Wetter und den weiteren Urlaubsströmen etc. abhängig sei bzw. die Verkehre zur IAA auf Grund fehlender Erfahrungen aus Vorveranstaltungen nicht bekannt seien.
Auf Grund der in den meisten betroffenen Bereichen vorhandenen Lärmschutzanlagen mit steilen Lärmschutzwällen bzw. -wänden entlang der Autobahnen seien im Fall einer Massenpanik (Stichwort Love Parade) bei den z.T. mehrere Tausend geplanten Demonstranten keine ausreichenden Fluchtmöglichkeiten nach außen vorhanden. In einem Teilstück der A… liege ein Autobahntunnel. Aus Gründen der Verkehrssicherheit und der Sicherheit für die Demonstrationsteilnehmer sei ein Begehen bzw. Befahren des Tunnels mit dem Fahrrad zu untersagen, da die betriebstechnischen Einrichtungen hierzu nicht ausgelegt seien und das Rettungswegekonzept nicht für diesen Benutzerkreis und die hohe Personenzahl konzipiert sei.
Der Antragsteller übersandte mit E-Mail vom … Juli 2021 eine „Skizzierung der Teilnehmer Verstärkung (Datum: …07.2021)“. Aus dieser ergibt sich u.a., dass der ausgewählte Abschnitt auf der A94 von 7.635 Teilnehmern benutzt werden soll (Länge des Radzuges: keine Angabe; ab P. straße: 9.400 Teilnehmer auf einer Zuglänge von 18.800 m; Durchlaufzeit: keine Angabe; P. straße: 1:15 h). Auf der A… soll die Anzahl der Teilnehmer durch Zuleitung über die Anschlussstellen von 1.474 (München-Freiham-Süd; Länge des Radzuges: 2.947 m; Durchlaufzeit: 0:11 h) über 8.263 (Gräfelfing; 8.263 m; 0:33 h) bis auf 14.822 (Blumenau; 14.822 m; 0:59 h) anwachsen. Die Gesamtzahl der Teilnehmer wird für die Schlusskundgebung am K.platz mit 31.745 angegeben.
In einem Gespräch mit der Antragsgegnerin und dem Polizeipräsidium am … Juli 2021 bot der Antragsteller im Rahmen der Kooperation an, auf die Nutzung der Autobahnen A8 und A9 zu verzichten und die Demozüge geeignet umzuleiten. Die Routen aus dem Norden würden dann über den Münchner Osten zur Messe und weiter über die A… zur (Schlusskundgebung nunmehr auf der) T. geführt, die Routen aus dem Süden direkt zur T. Hinsichtlich der (übrigen) Autobahnnutzung teilte der Antragsteller mit, voraussichtlich den Rechtsweg einschlagen zu wollen.
Mit E-Mail vom … Juli 2021 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Untersagung der Nutzung der Autobahnen A8, A9, A94 und A… im Wege eines Teilbescheids.
Der Antragsteller äußerte sich in einer Stellungnahme vom .. August 2021 im Wesentlichen dahingehend, dass die vollständige Untersagung der Nutzung aller geplanten Autobahnstrecken dem hohen Stellenwert des Grundrechts der Versammlungsfreiheit – insbesondere im direkten Vorfeld einer Bundestagswahl – nicht gerecht werde.
Die Polizei sei in ihrer Gefahrenprognose zum Teil von fehlerhaften Tatsachen ausgegangen. Auf der A… würden im längsten Abschnitt ab der Auffahrt „München Blumenau“ nicht 11 km gefahren, sondern bei großzügiger Betrachtung inkl. Zu- und Abfahrten max. 8,7 km, knapp gerechnet nochmal ca. 1 km weniger. Zudem werde von Teilnehmerzahlen ausgegangen, die deutlich über den angezeigten lägen (ab Freiham [8,7 km]: 1.474 Teilnehmer; ab Gräfelfing [5,8 km]: 8.263 Teilnehmer; ab Blumenau [3,5 km]: 14.822 Teilnehmer).
Die A94 und A… seien in erster Linie „Pendlerautobahnen“ und hätten für den Ferien- (Rück-) Reiseverkehr nur eine untergeordnete Bedeutung, wie die Daten der bayerischen Dauerzählstellen (BAYSIS) für die Jahre 2018, 2019 (Vor-Corona) und 2020 (Corona) für den Monat September zeigten. Die „durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke“ (DTV) sei dort unter der Woche ca. 20% bis 35% über den Werten von Samstag; die maximale Verkehrsstärke sei dort unter der Woche zu den typischen Berufsverkehrszeiten von 7-8 Uhr oder 17-19 Uhr und eben nicht am Wochenende. Insbesondere habe das letzte Sommerferienwochenende in den letzten drei Jahren dort keine extremen Verkehrsbelastungen gezeigt. Ergänzend komme hinzu, dass nur noch Bayern und Baden-Württemberg hier ihr Ferienende hätten. Aufgrund der Corona-Einreise- und Quarantäne-Regelungen und der unsicheren Entwicklung der Corona-Fallzahlen sei zudem davon auszugehen, dass Auslandsurlaube vielfach nicht ans Ferienende gelegt würden.
Für die A… stünden leistungsfähige Ausweichrouten zur Verfügung. Der zeitliche Mehraufwand von 8-14 Minuten sei ausnahmsweise (für die Dauer von maximal 2h) sicherlich zumutbar. Tages- und Wochenendausflugsverkehr komme in der Mehrheit gegen Nachmittag/Abend zurück und nicht um die Mittagszeit und sei von der Radsternfahrt höchstens peripher betroffen. Die IAA habe 9-18 Uhr geöffnet. Besucher dürften daher in der Mehrheit bereits am Vormittag anreisen, da sich sonst die Eintrittspreise nicht lohnten und kaum Zeit für die umfangreiche Ausstellung, sowohl am Messegelände als auch in der Innenstadt, bleibe. Für die Fahrt der Messegäste zwischen Messegelände und den Ausstellungsflächen in der Innenstadt dürfte mangels ausreichender Parkmöglichkeiten in der Innenstadt in der Regel die U-Bahn verwendet werden, zumal ein ÖPNV-Tagesticket automatisch im Messe-Ticket integriert sei.
Bei differenzierter Betrachtung zeige sich, dass bei den streitgegenständlichen Autobahnabschnitten der A94 und A… während der Versammlung eben nicht mit einer ungewöhnlich hohen Verkehrsbelastung zu rechnen sei.
Es sei nicht richtig, dass das von der Radsternfahrt umfasste Anliegen bzw. Thema auch ohne die Nutzung der Autobahn in gleicher Weise gegenüber der Öffentlichkeit kommuniziert werden könne. Der Antragsteller sei aufgrund seiner Erfahrung zwar formal Versammlungsanmelder und Veranstalter der Radsternfahrt, tue dies jedoch in enger Abstimmung mit einem großen Bündnis mit weiteren unterstützenden Organisationen. Dieses Bündnis habe anlässlich der IAA und der Bundestagswahl einen breiten Forderungskatalog im Kontext der Verkehrs- und Mobilitätswende im Sinne einer echten nachhaltigen Mobilität aufgestellt. Insbesondere seien dort Forderungen mit explizitem Autobahnbezug enthalten, wie das langjährig geforderte allgemeine Tempolimit auf Autobahnen und der Bau- und Planungsstopp von neuen Autobahnen und Bundesstraßen. Die Autobahn sei DAS Symbol deutscher Verkehrspolitik, welche eng mit Höchstgeschwindigkeiten und automobiler Freiheit verbunden sei. Beides sei in diesem Maße nicht mit der Halbierung des Autoverkehrs, der Klimaneutralität des Verkehrs und dem sofortigen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor vereinbar, ebenfalls Forderungen des Bündnisses. Der Autoverkehr als großes Ganzes und in allen seinen Facetten sei daher in besonderem Maße Adressat der Forderungen des Bündnisses. Es gehe also (im Gegensatz zu den bisherigen Radsternfahrten des Antragstellers) gerade nicht darum, zeitnah irgendwelche lokalen Radverkehrskonzepte umzusetzen und dafür die Aufmerksamkeit der Lokalpolitik zu bekommen. Anlässlich der Bedeutung und Aufmerksamkeit einer Bundestagswahl und einer internationalen Automobilausstellung begehre das Bündnis auch eine bundesweite und internationale Aufmerksamkeit. Die besondere Wirkung entstehe erst durch die Nutzung der Autobahn, da dies die Forderungen der Versammlung unterstreiche und hervorhebe. Die absurden Missverhältnisse in der Qualität von Autoinfrastruktur versus Geh- und Radinfrastruktur ließen sich mit einer Nutzung der Autobahn bei der Radsternfahrt besonders plastisch darstellen und für die Versammlungsteilnehmer erfahrbar machen. Mit den von der teilweise über Autobahnabschnitte geführten Radsternfahrt ausgelösten Behinderungen sowie den größtenteils davon betroffenen Autoverkehrsteilnehmern bestehe somit ein unmittelbarer Zusammenhang zu dem Versammlungsthema. Bei einer Demonstration gegen Abschiebung, Corona-Maßnahmen oder den Bau einer Konzerthalle würde das offenkundig nicht der Fall sein. Es sei zwar richtig, dass auf den gewählten Strecken kein unmittelbarer Ausbau geplant sei, aber z.B. auf der A… mit dem vierstreifigen Ausbau. Dort würde eine Demonstration aufgrund der noch höheren Verkehrsbelastung- und Auswirkungen allerdings erst Recht abgelehnt werden. Der Demonstrationszweck lasse sich nicht vollständig ohne die Nutzung der Autobahnen verwirklichen.
Es sei auch schlichtweg falsch, dass die Verkehrsbelange einer Bundesfernstraße grundsätzlich Vorrang vor Versammlungsinteressen genießen würden. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs seien Bundesfernstraßen nicht generell ein „versammlungsfreier Raum“.
Die Polizei verkenne auch, dass die gewählten Abschnitte der A94 und A… größtenteils innerorts bzw. in Gebieten mit Bebauung lägen, etliche reine Fußgängerbrücken von Zuschauern genutzt werden könnten und zudem etliche höhere Gebäude sowie parallel zur Autobahn gelegene (Wirtschafts-) Wege mit Sichtbeziehung zur Autobahn bestünden.
Die von der Polizei als erforderlich angesehene Vollsperrung würde sinnvollerweise am jeweiligen Kreuz mit der A… erfolgen. Hierdurch würde kein Rückstau erfolgen, weil der Verkehr über die hochleistungsfähige A… abgeleitet würde. Stauenden oder erheblich stockender Verkehr gehörten zum alltäglichen Bild von Autobahnen, insbesondere im Berufsverkehr und während der Ferienreisezeiten. Das Sichtfahrgebot erfordere jederzeit eine Geschwindigkeit, bei der auch bei unvorhergesehenen Ereignissen wie Stauenden rechtzeitig angehalten werden könne. Durch entsprechende Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit würden die Gefahren von und durch Auffahrunfälle weiter reduziert bis völlig vermieden werden können, so dass nicht mit schweren Unfällen oder Verletzten anlässlich der Sternfahrt gerechnet werden müsse.
Radfahrende gehörten mittlerweile zum alltäglichen Straßenbild und sorgten nicht oder nicht wesentlich für eine Ablenkung des Gegenverkehrs, auch wenn diese typischerweise nicht auf Autobahnen anzutreffen seien. Aufgrund der Größe/Länge des jeweiligen Demozugs müsse auch nicht zwingend zu Seite geschaut werden, wie dies bei einem lokalen Ereignis (Unfall) der Fall sein würde. Zur Vermeidung bzw. Reduzierung der Schwere von Auffahrunfällen, Durchbrüchen oder Überflügen über die Mittelleitplanke biete es sich an, die Geschwindigkeit des Gegenverkehrs erheblich auf z.B. 30 km/h zu drosseln. Das sei zwar untypisch für eine Autobahn, stelle gegenüber einer Totalsperrung aber das deutlich mildere Mittel dar. Dies würde auch vertretbar sein, da es sich nur um wenige betroffene Kilometer handele. Statt 5-8 Minuten würden für die Strecke ca. 15-20 Minuten benötigt. Eine Umfahrung würde für die Verkehrsteilnehmer deutlich zeitaufwändiger sein.
Auch die Autobahnmeisterei mache nur pauschale Ausführungen, dass es zu erheblichen Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, einem Verkehrschaos im nachgeordneten Straßennetz und Rückstauungen mit Auffahrunfällen an den Stauenden bzw. Längsverkehrsunfällen im Stau kommen würde. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb ein Rückstau von ca. 5-15 km nicht tragbar sein würde, zumal die Nutzung der beiden Autobahnabschnitte nur jeweils ca. eine Stunde erfolgen würde. Während der Vorbereitungszeit und der Zeit zum Abbau der Sperrung könne der Verkehr weiterfließen. Es sei daher nicht von einer Dauer von 2-3 Stunden auszugehen.
Die Ausleitung in beide Fahrtrichtungen sei nicht erforderlich, eine ggf. deutliche Geschwindigkeitsreduzierung auf der Gegenfahrbahn würde genügen. Bei bisherigen Raddemos sei es noch zu keinen „Gafferunfällen“ durch Ablenkungen auf der Gegenfahrbahn gekommen. Die Verkehrsteilnehmer könnten durch Gefahrenmeldungen in den Medien in den verbleibenden Wochen bis zur Sternfahrt auf die zeitweisen Sperrungen hingewiesen werden.
Ebenfalls nur pauschal sei der Einwand, dass im Falle einer Massenpanik wie bei der Love Parade in den betroffenen Lärmschutzanlagen keine ausreichenden Fluchtmöglichkeiten vorhanden seien. Die Situation sei nicht im Ansatz mit einer Fußgängerdemo oder der Love Parade vergleichbar. Aufgrund der extrem großzügigen Straßenbreiten würde immer nach vorne oder hinten geflohen werden können. Es sei zudem nicht ersichtlich, weshalb es zu einer Massenpanik kommen sollte. Das würde eher irregulär einen Ausnahmefall darstellen, der die Versammlungseinschränkung nicht rechtfertigen würde.
Bei der A… gehe die Polizei gegenüber den Versammlungsanzeigen von falschen Teilnehmerzahlen aus. Die angegebene Verkehrsbelastung zum Veranstaltungszeitpunkt von ca. 3.500 Kfz/Stunde möge zwar der höchste Wert im Laufe eines Samstags sein. Dieses Maximum liege aber deutlich unter den Zahlen des Berufsverkehrs mit regelmäßig bis zu 5.800 Kfz/Stunde. Zudem würde die Radsternfahrt größtenteils im Zeitraum 13:45-14:45 Uhr und damit nur teilweise während der Spitzenstunde von 1415 Uhr unterwegs sein. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb die Benutzung des Tunnels Gräfelfing aus Sicherheitsgründen zu untersagen sei. Der Tunnel biete mit drei durchgängigen Fahrspuren plus Standstreifen mehr als genug Platz für die dort geplanten 1.474 Teilnehmer. Er habe eine Länge von lediglich 280 m; damit sei das Ende von Anfang an erkennbar. Sollte es zu einer Rauchentwicklung kommen, würde dies schon vor der Einfahrt in den Tunnel erkennbar sein, insbesondere für die Ordner. Die bereits im Tunnel befindlichen Teilnehmer würden leicht umkehren oder an einer lokalen Rauchquelle vorbeifahren können, zumal der Tunnel ja auch für den Evakuierungsfall von mehreren ausgelasteten Reisebussen im Stau ausgelegt sein müsse. Es sei somit nicht ersichtlich, welche Gefahren hier eintreten sollten, weder für Versammlungsteilnehmer noch für Dritte.
Auch bei der A94 müsse an Samstagen eine deutlich geringere durchschnittliche Verkehrsbelastung betrachtet werden. Die angegebene Verkehrsbelastung zum Veranstaltungszeitpunkt von ca. 2.200 Kfz/Stunde möge zwar der höchste Wert im Laufe eines Samstags sein. Dieses Maximum liege aber deutlich unter den Zahlen des Berufsverkehrs mit regelmäßig bis zu 4.000-5.000 Kfz/Stunde. Zudem würde die Radsternfahrt größtenteils im Zeitraum 13:30-14:30 Uhr und damit deutlich vor der Spitzenstunde von 15-16 Uhr unterwegs sein. Die „Blue-Lane“ selbst könne auch ohne Nutzung der Autobahn während der Versammlung nicht betrieben werden, weil die innerstädtischen Straßenzüge der „Blue-Lane“ von der Radsternfahrt belegt seien. Im Rahmen der Kooperation würde sicherlich die Möglichkeit bestehen, die benötigten Alternativrouten zur A94 für den Autoverkehr von der Versammlung frei zu machen.
Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs würde nur in vertretbarem Maße beeinträchtigt werden. Es entstehe der Verdacht, dass versucht werde, die Auswirkungen möglichst groß zu schreiben, um die Versammlung ablehnen zu können. Dabei werde überwiegend die IAA vorgeschoben. Völlig unbewertet bleibe, ob die Nutzung der Autobahnen anstelle anderer Straßen nicht in Summe die geringeren Auswirkungen haben würde.
Die Antragsgegnerin erließ am … August 2021 einen Teilbescheid, mit dem sie die angezeigte Versammlung dadurch beschränkte, dass die Durchführung der Versammlung auf den Autobahnen A8, A9, A94 und A… untersagt wurde.
Die Autobahnnutzung solle in diesem Teilbescheid losgelöst von ggf. weiteren, insbesondere infektiologischen Beschränkungen, geregelt werden. Die Frage der Autobahnnutzung könne in diesem mehrere Landkreise betreffenden, hochkomplexen Versammlungsgeschehen gut isoliert betrachtet werden. Für eine frühzeitige Entscheidung über diesen Teilbereich sprächen auch Gründe des effektiven Rechtschutzes. Nach Abschluss aller weiteren, insbesondere der ausstehenden Streckenprüfung und der infektiologischen Prüfung (die erst kurz vor der Versammlung vorgenommen werden könne, wenn die Infektionszahlen und sonstige Parameter prognostiziert werden könnten), werde ein abschließender Bescheid erlassen.
Das Verbot zur Nutzung der Bundesautobahnen für die sich fortbewegende Versammlung in Form einer Radsternfahrt am … September 2021 sei notwendig, um die nach den bereits jetzt erkennbaren Umständen drohende unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zumindest zu mindern. Die festgesetzten Beschränkungen seien auch geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um einen störungsfreien Ablauf der Versammlung sicherzustellen.
Die Durchführung der Versammlung auf den betroffenen Bundesautobahnen führe, wie von der Autobahnmeisterei ausgeführt, auf den jeweiligen Autobahnabschnitten wegen Tunneln und Schutzwänden zu einer unmittelbaren Gefährdung von Leib und Leben der Versammlungsteilnehmer. Im Teilstück der A… München-Freiham-Süd – Gräfelfing liege der Tunnel Gräfelfing. Dieser werde als Autobahntunnel betrieben. Die betriebstechnischen Einrichtungen und das Rettungswegekonzept seien nicht für Radfahrer und die hohen Personenzahlen konzipiert. Zudem bestünden vor und nach dem Tunnel – auch in den weiteren Streckenabschnitten der A… – im Falle einer Massenpanik auf Grund der Trog-Situation, steilen Lärmschutzwällen bzw. -wänden keine Fluchtmöglichkeiten nach außen. Auch über weite Bereiche der A94 befänden sich Lärmschutzanlagen und Zäune neben der Fahrbahn, die keinen Fluchtweg nach außen zuließen.
Eine möglicherweise geringere Brandgefahr im Tunnelabschnitt bei Nutzung durch Fahrradfahrer statt Kraftfahrzeugen mindere die Gefahren im Fluchtfall nicht. Für einen solchen Fall brauche es auch kein brennendes Fahrzeug. Panik könne z.B. schon dadurch ausgelöst werden, dass es aufgrund eines Unfalls oder anderweitig verursachten Stockungen zu einem Halt komme. Es sei nicht auszuschließen, dass Teilnehmer dann nervös würden, weil sie nicht wüssten, warum der Zug mitten im Tunnel halte und sie sich eingeschlossen fühlten. Die Katastrophe der Loveparade dürfte zudem bekannt sein. Diese Situation könne zu Beklemmungsgefühlen und dann zur Panik führen. Autobahntunnel seien im Fluchtfall nicht dafür ausgelegt, dass mehrere hundert Personen zu Fuß geordnet den Tunnel verlassen könnten. Desorientierung und Panik könne dafür sorgen, dass der vermeintlich nahe Tunnelausgang nicht angesteuert werde und sich die Teilnehmer bei ihren Fluchtversuchen gegenseitig verletzten, zumal die Fahrräder zusätzlich im Weg sein würden. Die Autobahnmeisterei habe auf spezifische Nachfrage der Versammlungsbehörde noch einmal ausdrücklich betont, dass ein Befahren eines Autobahntunnels durch die Radsternfahrt eine gewichtige Gefahr für Leib und Leben der Teilnehmer darstelle. Die Versammlungsbehörde Berlin habe deshalb im Juni 2021 auch die Durchführung einer Berliner Radsternfahrt im Britzer Tunnel auf der A100 untersagt.
Darüber hinaus würde bei einer Autobahnnutzung durch die Radsternfahrt, wie vom Polizeipräsidium München ausgeführt, mit Auffahrunfällen zu rechnen sein, die neben zum Teil erheblichen Sachschäden auch zu Personenschäden bis hin zu tödlichen Ausgängen führen könnten. Diese Gefahr bestehe auch nicht nur abstrakt – die Polizei habe konkrete Zahlen von Unfällen an Stauenden auf den betroffenen Autobahnen dargelegt und plastisch ausgeführt, wie fatal sich solche Unfälle entwickeln könnten, auch wenn bereits vor der Vollsperrung entsprechende Sicherungsmaßnahmen getroffen würden. Es könne bei derartig bekannten Gefahren dann aber nicht darauf ankommen, dass sie zwar unmittelbar durch Dritte verursacht würden, das Versammlungsgeschehen allerdings die Ursache des Stauendes und damit die Ursache für die Gefahr gesetzt habe.
Die Vollsperrung beider Fahrtrichtungen stelle hierbei eine unumgängliche Sicherungsmaßnahme dar. Eine reine Begleitung und Sicherung durch Einsatzfahrzeuge würde aufgrund des „Überraschungseffektes“ und von „Gaffern“ auf den Gegenfahrbahnen zu erhöhter Unaufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer führen und dadurch die Gefahr von Unfällen auf den Gegenfahrbahnen maßgeblich erhöhen. Zuletzt habe die Versammlungsbehörde einen Motorradkorso über den Mittleren Ring begleiten und selbst feststellen können, wie massiv der Verkehr auf der Gegenfahrbahn beeinträchtigt worden sei. Die Verkehrsteilnehmer hätten trotz des – ähnlich dem geplanten Fahrradkorso – sich über eine lange Strecke erstreckenden und nicht punktuellen Geschehens auf der Gegenfahrbahn fast alle und zum Teil nicht nachvollziehbar abgebremst. Es sei zu Ausweichmanövern gekommen. Die Gefahrenlage auf einer Autobahn würde aufgrund der höheren Geschwindigkeit und des unerwarteten Ereignisses um ein Vielfaches größer sein. Hinzutreten würde im Falle eines Unfalls auf der Gegenfahrbahn die Gefahr durch herumfliegende Trümmerteile von der Gegenfahrbahn oder Leitplankendurchbrüche in die ungeschützte Versammlung hinein. Dem Überraschungseffekt könne auch nicht durch umfangreiche Information der Verkehrsteilnehmer im Vorfeld entgegengewirkt werden, da nicht sichergestellt werden könne, dass die Hinweise diese überhaupt erreichten und ob die notwendige Umsicht angewendet würde. Es sei zudem nicht zu erwarten, dass die Verkehrsteilnehmer dem Fahrradkorso keine Aufmerksamkeit schenkten, nur, weil sie ihn erwarteten.
Der Vorschlag, die Geschwindigkeit auf der Gegenfahrbahn deutlich, z.B. auf 30 km/h zu reduzieren, überzeuge nicht. Auch bei 30 km/h könnten durch Unaufmerksamkeit Unfälle geschehen. Zudem führe die Drosselung auf eine niedrige Geschwindigkeit erfahrungsgemäß nicht zu einem kontinuierlichen Verkehrsfluss. Je länger der gedrosselte Autozug werde würde, desto mehr würde sich der Verkehr nach hinten verdichten, was auch auf der Gegenfahrbahn zu einem Stauende führen könne, welches die bereits erwähnten Unfallgefahren mit sich bringen würde.
Als weitere Gefahrenquelle sei auf die von der Autobahnmeisterei aufgeführten Probleme aufgrund der zu erwartenden langen Stauzeit zu verweisen. Eine Ausleitung würde für ca. 2-3 Stunden vorgenommen werden müssen. Auch wenn die Versammlung wie vom Veranstalter geplant nur wenige Minuten bis zu ca. einer Stunde auf der Autobahn selbst verbringen würde, würde die Strecke vor Eintreffen der Versammlung mit deutlicher Vorlaufzeit zu sperren, zu prüfen und zu sichern sein. Die Durchfahrt könne sich zudem aufgrund von Verzögerungen vor Erreichen der Autobahn oder aufgrund von Unfällen zwischen den Versammlungsteilnehmern, Pannen oder Erschöpfung nach den zum Teil sehr langen und fordernden Radtouren verzögern. Nach vollständiger Durchfahrt der Versammlung müssten die Strecken zunächst überprüft werden, bevor sie wieder für den Verkehr freigegeben werden könnten. Bis dahin würden sich lange Rückstaus gebildet haben, die sich bekanntermaßen nur nach und nach auflösen würden. Während der gesamten Zeit würden die im Stau festsitzenden Verkehrsteilnehmer und transportierte Tiere je nach Witterungslage Hitze und eventuell Wassermangel ausgesetzt sein. Anhand der Durchlaufzeiten pro Stunde werde bereits ersichtlich, dass allein auf den betroffenen Autobahnen mehrere tausend Verkehrsteilnehmer beeinträchtigt sein würden. Diese Zahlen spiegelten aber noch nicht die zusätzlich zu erwartenden Zahlen für das Ferienrückkehrwochenende, den Zustrom zur IAA und die Beeinträchtigungen auf den Anschluss- und Ausweichstrecken wider. Die Versammlungsbehörde habe keinen Grund, an den Einschätzungen der Autobahnmeisterei zur Dauer der Sperrungen zu zweifeln. Wenn der Veranstalter hingegen meine, man könne direkt im Anschluss an das polizeiliche Schlussfahrzeug den normalen Autobahnverkehr wieder freigeben, verkenne er ganz offensichtlich die Gefahren des Schnellverkehrs, bei dem jeder Gegenstand auf der Fahrbahn zum Geschoss werden oder zu gefährlichen Ausweichmanövern führen könne.
Darüber hinaus würde die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch die notwendigen Vollsperrungen nicht mehr hinnehmbar belastet und der Verkehrsfluss zum Erliegen gebracht werden. Wie von der Autobahnmeisterei dargestellt, handele es sich um stark frequentierte Bundesautobahnen, die dem weiträumigen Verkehr dienten und eine Bündelungs- und Transportfunktion erfüllten. Im Falle einer Sperrung seien die umliegenden Bundesstraßen und Bedarfsumleitungen nicht für die Aufnahme einer solchen Verkehrslast ausgelegt. Dies würde unweigerlich zu Lieferverzögerungen führen, Rettungseinsätze könnten verzögert werden, Anwohner würden durch Ausweichversuche vermehrt durch Lärm und Abgase beschwert, auf den Ausweichstrecken würde das erhöhte Verkehrsaufkommen zu einer Steigerung der Verkehrsgefahren für andere Verkehrsteilnehmer und Verzögerungen durch stockenden Verkehrsfluss führen, was hochsummiert auf die Anzahl der Betroffenen zu berücksichtigen sei.
Das ursprüngliche Versammlungsthema habe Autobahnen noch nicht miteinbezogen;
mit der Aktualisierung des Themas seien nun auch Autobahnen berücksichtigt. Die Versammlung finde zeitgleich mit der IAA in München statt, welche der Anlass und das vornehmliche Thema der Versammlung sei. Bis auf die Forderung einer Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen (und weiteren Straßen) gehe es nicht zuvorderst um Autobahnen, sondern um eine generelle Verkehrswende und den Protest gegen die IAA. Ein konkreter Bezug zu den betroffenen Autobahnen sei auch beim aktualisierten Versammlungsthema nicht ersichtlich. Es gehe vielmehr darum, dass Radwege genauso wertig behandelt werden sollten wie Autobahnen. Auf den gegenständlichen Autobahnabschnitten seien keine Planungen für oder laufende Ausbaumaßnahmen vorhanden. Das Teilthema „Planungs- und Baustopp von Autobahnen“ habe somit eher allgemeine Bedeutung und keinen konkreten Bezug zu den von der Radsternfahrt betroffenen Autobahnen. Das Thema könne aus Sicht der Versammlungsbehörde auch ohne die Nutzung der Bundesautobahnen gegenüber der Öffentlichkeit kommuniziert werden. Dem Anliegen der Demonstration werde durch die Durchführung auf (oft parallel zu den betroffenen Autobahnen verlaufenden) Bundes-, Staats-, Kreis- und innerörtlichen Straßen (voraussichtlich der B2, B13, B304 und der M2. Straße) ebenso Rechnung getragen. Außerdem sei sie gerade dort von der Öffentlichkeit wahrnehmbar, wo der Versammlungsanmelder auch die Wirkung (eine zeitnahe Umsetzung kommunaler Radverkehrskonzepte) erzielen möchte. Die Versammlung werde zudem aller Voraussicht nach alleine aufgrund der Teilnehmerzahl und der Zusammenführung der Demonstrationszüge als Sternfahrt an Knotenpunkten der Stadtgrenze Münchens zu erheblichen Verkehrsbehinderungen im Stadtgebiet München sowie auf dem umliegenden Straßennetz führen. Diese Wirkung alleine werde die Aufmerksamkeit der Medien und der breiten Bevölkerung auf die Versammlung lenken.
Daher dürfte mit der Entfaltung einer entsprechenden Außenwirkung auch ohne eine Fahrt auf Autobahnen zu rechnen sein.
Bundesautobahnen seien „nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen bestimmt“. Das bedeute zwar nicht, dass es sich dabei grundsätzlich um versammlungsfreie Räume handele. Unter Berücksichtigung des besonderen Widmungszwecks des Versammlungsorts „Autobahn“ sei eine Einzelfallabwägung vorzunehmen, wobei Verkehrsinteressen ganz besondere Berücksichtigung finden müssten. Für die Autobahnen in München und Umgebung sei zu berücksichtigen, dass diese nicht wie einige Stadtautobahnen derart durch besiedeltes Gebiet führten, dass eine Wahrnehmung einer Versammlung durch die Bevölkerung im größeren Umfang oder überhaupt möglich wäre. Wie die Autobahnmeisterei für die betroffenen Abschnitte verdeutlicht habe, verliefen die Autobahnen zum Teil durch Tunnel oder seien auf langen Strecken durch Schallschutzwände von der anliegenden Bebauung getrennt. Soweit die Autobahnen streckenweise unter Brücken oder an parallel gelegenen Wegen entlangführten, handele es sich dort eben gerade nicht um Bereiche, die üblicherweise zur Kommunikation genützt würden, weil Autobahnen gerade nicht zum gemeinsamen Verweilen in unmittelbarer Nähe einladen würden. Zum Lärmschutz und zur Gefahrenabwehr seien genau die Bereiche, in denen Personen nahe an die Autobahn herankommen, abgeschirmt und geschützt. Weil man die Versammlung von einer Brücke aus auch würde sehen können, werde die Autobahn dadurch nicht zum kommunikativen Raum.
Im Rahmen der Abwägung und Gesamtwürdigung wird ausgeführt, dass die Untersagung der Nutzung der Autobahnen A8, A9, A94 und A… geeignet sei, die Gefahren für Leib und Leben der Versammlungsteilnehmer und Dritter aufgrund der notwendigen Vollsperrungen zu verhindern. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass auch die prognostizierten Verkehrsbeeinträchtigungen durch die Untersagung der Nutzung der Autobahnen zumindest gemindert werden könnten, weil sie trotz der durch die geplante Radsternfahrt zu erwartenden enormen Verkehrsbeeinträchtigungen abseits der Autobahnen immer noch einen Großteil des Verkehrsflusses aufnehmen könnten.
Die Maßnahmen seien auch erforderlich, mildere Mittel seien nicht ersichtlich. Insbesondere würden die dargestellten Beeinträchtigungen für jede Autobahn einzeln gelten. Die Gefahren durch Unfälle beim Auffahren auf ein Stauende bestünden für jede einzelne Autobahn. Alle in und um München betroffenen Autobahnen wiesen eine enorme Verkehrsdichte auf. Die genauen Zahlen könnten mangels vergleichbarer Daten nur prognostiziert werden. Die IAA finde zum ersten Mal in München statt; inwieweit die Corona-Pandemie den Ferienrückreiseverkehr beeinträchtige, könne noch nicht eingeschätzt werden.
Die Untersagung der Nutzung der Autobahnen sei auch angemessen, der Veranstalter werde durch sie nicht unangemessen beeinträchtigt. Die Versammlung könne auf anderen, großen, innenstadtnahen und verkehrswichtigen Straßen durchgeführt werden. Sie werde deshalb auch ohne Autobahnnutzung auf breite Beachtung in den Medien und der Bevölkerung stoßen, sicherlich auch, weil allein durch die Teilnehmerzahlen und die sternförmige Routenführung Interesse geweckt werde. Zudem werde die Radsternfahrt auch ohne Autobahnnutzung ein immenses Verkehrschaos in München verursachen, was seinen Beitrag zur Medienwirksamkeit leisten werde.
Abschließend sei zu berücksichtigen gewesen, dass das Versammlungsthema keinen durchschlagenden Bezug zur Nutzung der Autobahnen für den Versammlungszweck herstelle. Es gehe um die IAA und die Verkehrswende, nur nebensächlich um Autobahnen und eben nicht um konkrete Maßnahmen an den Münchner Autobahnen.
Insbesondere müssten die Rechte des Veranstalters dann zurücktreten, wenn durch das spektakuläre Auftreten zur Erregung einer öffentlichen Aufmerksamkeit die übrigen Verkehrsteilnehmer in ihrem Grundrecht nach Art. 2 GG über Gebühr beschränkt würden und sich dieser Grundrechtseinschränkung nicht oder nur kaum würden entziehen können (Art. 8 GG, negative Versammlungsfreiheit). Das Recht des Veranstalters, Ort, Zeitpunkt und Art der Versammlung selbst zu bestimmen, umfasse nicht auch die Entscheidung, welche Beeinträchtigungen die Träger kollidierender Rechtsgüter hinzunehmen haben. Die Interessen Dritter und der Schutz von Leib und Leben der Versammlungsteilnehmer und dritter Verkehrsteilnehmer überwiege gegenüber dem Interesse des Veranstalters an der Durchführung der Radsternfahrt am … September 2021 auf den Autobahnabschnitten in und um München auf der A8, A9, A94 und A…. Die Nutzung der Autobahnen für Versammlungszwecke sei folglich aus den vorgenannten Gründen zu versagen gewesen.
Am … August 2021 erhob der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid vom … August 2021 (M 13 K 21.4554).
Zusätzlich hat er am … August 2021 beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tag gegen den Bescheid vom … August 2021 insoweit anzuordnen, als darin die Durchführung der Versammlung am … September 2021 auf den Autobahnen A… und A94 untersagt wird.
Die Untersagung der Nutzung der A94 und A… erweise sich als unangemessener Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Antragstellers bzw. der Versammlungsteilnehmer. Die von Seiten der Antragsgegnerin angeführten Gründe seien nicht geeignet, eine konkrete Gefahrenprognose zu bejahen, die gestützt auf tatsächliche Anhaltspunkte bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts begründe. Insbesondere sei von der Antragsgegnerin eine nicht hinnehmbare Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Falle der Befahrung der A94 und A… durch die Teilnehmer der Radsternfahrt und die hierfür erforderliche Vollsperrung nicht hinreichend konkret und substantiiert dargelegt worden.
Zur Begründung wird über eine Darstellung des bisherigen Vorbringens des Antragstellers im Verwaltungsverfahren hinaus im Wesentlichen ausgeführt, dass die von der Autobahndirektion angegebenen stündlichen Belastungen nicht vom letzten Ferienwochenende des Jahres 2019 stammten, sondern vom ersten Wochenende danach. Die Verkehrsstärke zumindest dieses Samstags sei im Zeitraum 8-19 Uhr mehr oder weniger konstant gewesen. Die Aussage, dass es sich zum Versammlungszeitpunkt um die „höchste Verkehrsbelastung“ des Tages gehandelt habe, erwecke einen falschen Eindruck. Der Verkehr sei coronabedingt im Jahr 2020 jedoch deutlich zurückgegangen, was sich durch den langen Lockdown und beispielsweise Homeofficeregelungen auch im Jahr 2021 fortgesetzt habe. Coronabedingt werde es auch zu deutlich niedrigeren Besucherzahlen bei der IAA kommen. Die Zahl der Besucher an den Messeständen und bei den Diskussionsforen sei wegen der Abstandsregelungen begrenzt worden. Alle wesentlichen Programminhalte würden daher gestreamt und auf die website sowie in die sozialen Medien übertragen. Der Ticketverkauf verlaufe „bisher noch zurückhaltend“.
Der Antragsteller habe darüber hinaus die Route des Demozuges M1 – Nymphenburg zwischenzeitlich eigeninitiativ derart abgeändert, dass die B2 (B.-straße – L.-Straße) als Alternativroute für den Autoverkehr während der Sperrung der A.. auch tatsächlich vollumfänglich zur Verfügung stehe.
Der pauschale Vergleich mit der Massenpanik der Love Parade passe nicht. Am und im Tunnel Gräfelfing könnten mehr Ordner für die Einhaltung der Abstände sorgen. Es würden sich lediglich ca. 218 Teilnehmer gleichzeitig im Tunnel befinden. Zudem hätte die Antragsgegnerin als milderes Mittel die Radsternfahrt eine Ausfahrt hinter dem Tunnel Gräfelfing starten lassen können.
Es sei auch nicht davon auszugehen, dass es aufgrund von Unfällen zwischen den Versammlungsteilnehmern, Pannen oder Erschöpfung zu Verzögerungen komme. Der Antragsteller habe bereits ein Besenfahrzeug /Lumpensammler für beide Autobahnabschnitte organisiert und könne gegebenenfalls noch weitere Pkw zur Aufnahme von gestrandeten (Platten, Erschöpfung, o.ä.) Teilnehmern organisieren.
Der Vortrag der Antragsgegnerin zu dem im Juli 2021 veranstalteten Motorradkorso sei für den Antragsteller nicht nachprüfbar. Die Antragsgegnerin trage jedoch keinen konkreten Unfall vor, der sich aufgrund dieser Versammlung ereignet habe. Die Polizei habe die Bürger auch zuvor per Twitter vor möglichen Verkehrsbehinderungen gewarnt. Diese seien überschaubar ausgefallen, wie ein Sprecher der Polizei gesagt habe.
Entgegen dem Vortrag der Antragsgegnerin stellten die Autobahnen einen maßgeblichen Themenschwerpunkt der Versammlung dar, so dass ein konkreter Bezug anzunehmen sei. Derzeit seien in Bayern ca. 1.500 km neue Autobahn- und Bundesstraßen geplant – in München insbesondere der 8-streifige Ausbau der A… im Osten und der – wie kürzlich veröffentlicht worden sei – geplante Ausbau der A… bei Freiham zu Lasten eines Landschaftsparks bis 2028. Das Thema könne somit ohne die Nutzung der Autobahnen nicht wirksam kommuniziert werden.
Die Antragsgegnerin habe auch keine alternativen Strecken abgewogen. Die Autobahnnutzung werde im Vergleich zu der Nutzung alternativer Streckenführungen abseits, wo es unzählige Kreuzungen und Einmündungen und vielfach keinerlei Ausweichrouten für Anwohner gebe, zu einer geringeren Gesamtbeeinträchtigung führen. Denn würden die Versammlungsteilnehmer abseits der Autobahn fahren, würde dort immer auch der Quer- und nicht nur der Längsverkehr beeinträchtigt. Die Autobahn sei dagegen kreuzungsfrei.
Selbst wenn man Zweifel am Ausgang der Hauptsache würde hegen wollen, so müsse man im Rahmen der konkreten Interessenabwägung zu dem Ergebnis kommen, dass das Suspensivinteresse das Vollzugsinteresse hier überwiege. Er könne nicht belegt werden, dass es zu einer konkreten Gefährdung der Verkehrsteilnehmer oder Dritter oder zu einer erhöhten Gefahr für Sachschäden komme. Es sei noch nicht einmal eine Beeinträchtigung der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs konkret dargelegt.
Bereits am … August 2021 hat die Antragsgegnerin mit einer Schutzschrift beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Am 1. September 2021 teilte die Antragsgegnerin dem Verwaltungsgericht telefonisch mit, dass sie keine weitere Stellungnahme abgeben werde.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich an dem Verfahren nicht beteiligt.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des umfangreichen Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren sowie auf die von der Antragsgegnerin vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Teilbescheid der Antragsgegnerin vom … August 2021 enthaltene Untersagung der Durchführung der Versammlung auf den Bundesautobahnen A94 und A… ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, aber unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
1. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anordnen, wenn diese – wie hier gegen die Beschränkung einer Versammlung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, Art. 25 Bayerisches Versammlungsgesetz – BayVersG) – kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat.
Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage ist eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Suspensivinteresse am Eintritt der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs vorzunehmen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, für die in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs maßgeblich sind. An der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage besteht kein überwiegendes Interesse. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, weil die Klage zulässig und begründet ist, so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Bei offener Erfolgsprognose ist eine Interessenabwägung durchzuführen.
Dem Charakter des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht dabei grundsätzlich eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. Gersdorf, BeckOK VwGO, Stand 1.10.2019, § 80 Rn. 176). Zum Schutz von Versammlungen ist indes schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt (BVerfG, B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 18 m.w.N.).
2. Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz – GG) schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (hierzu und zum Folgenden BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 14 m.w.N.). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend. In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, bei der die Teilnehmer in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (stRspr, vgl. etwa BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 16).
Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden, wobei solche Beschränkungen im Lichte der grundlegenden Bedeutung des Versammlungsgrundrechts auszulegen sind. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind daher nur zum Schutz gleichrangiger anderer Rechtsgüter und unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (vgl. BVerfG, B.v. 21.11.2020 – 1 BvQ 135/20 – juris Rn. 6). Rechtsgüterkollisionen ist im Rahmen versammlungsrechtlicher Verfügungen durch Auflagen oder Modifikationen der Durchführung der Versammlung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, B.v. 24.10.2001 – 1 BvR 1190/90 – BVerfGE 104, 92 – juris Rn. 54, 63). Insoweit gilt die Regel, dass kollektive Meinungsäußerungen in Form einer Versammlung umso schutzwürdiger sind, je mehr es sich bei ihnen um einen Beitrag zum Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt (stRspr, vgl. BVerfG, U.v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83 – BVerfGE 73, 206 – juris Rn. 102).
Gem. Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
Der Schutz der „öffentlichen Sicherheit“ im Sinne von Art. 15 Abs. 1 BayVersG umfasst die gesamte Rechtsordnung und damit auch straßenverkehrsrechtliche Vorschriften, die die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs regeln (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.1989 – 7 C 50/88 – BVerwGE 82, 34 – juris Rn. 15). Kollidiert die Versammlungsfreiheit mit dem Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, ist – wie auch sonst – eine Abwägung der betroffenen Positionen zur Herstellung praktischer Konkordanz erforderlich. Wichtige Abwägungselemente sind dabei unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten, die Dringlichkeit der blockierten Tätigkeit Dritter, aber auch der Sachbezug zwischen den beeinträchtigten Dritten und dem Protestgegenstand. Stehen die äußere Gestaltung und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise eher sozial erträglich und dann in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Demgemäß ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob und wie weit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen Bezug zum Versammlungsthema haben (BayVGH, B.v. 4.6.2021 – 10 CS 21.1590 – juris Rn. 20; B.v. 13.11.2020 – 10 CS 20.2655 – juris Rn. 22; HessVGH, B.v. 30.10.2020 – 2 B 2655/20 – juris Rn. 5 unter Verweis auf BVerfG, B.v. 24.10.2001 – 1 BvR 1190/90 – BVerfGE 104, 92 – juris Rn. 64).
Auch Bundesfernstraßen sind, obwohl sie von ihrem eingeschränkten Widmungszweck her anders als andere öffentliche Verkehrsflächen nicht der Kommunikation dienen, sondern ausschließlich dem Fahrzeugverkehr, nicht generell ein „versammlungsfreier Raum“ (OVG NW, B.v. 30.1.2017 – 15 A 296/16 – juris Rn. 17, 19; HessVGH, B.v. 30.10.2020 – 2 B 2655/20 – juris Rn. 6; B.v. 9.8.2013 – 2 B1740/13 – juris). Zu berücksichtigen ist aber, dass jedenfalls Verkehrsinteressen im Rahmen von versammlungsrechtlichen Anforderungen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG erhebliche Bedeutung beigemessen werden darf (HessVGH, B.v. 30.10.2020 – 2 B 2655/20 – juris Rn. 6 für Bundesautobahnen). Das Interesse des Veranstalters und der Versammlungsteilnehmer an der ungehinderten Nutzung einer Bundesfernstraße hat je nach Lage der Dinge hinter die Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zurückzutreten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob es sich nach § 1 Abs. 3 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) um eine nur für den Schnellverkehr von Kraftfahrzeugen bestimmte Bundesautobahn handelt oder (nur) um eine Bundesstraße (OVG NW, B.v. 30.1.2017 – 15 A 296/16 – juris Rn. 19). Die Einstufung einer Straße als Bundesautobahn oder Bundesstraße entscheidet mit anderen Worten nicht darüber, ob auf dieser Straße grundsätzlich eine Versammlung stattfinden darf und entbindet Versammlungsbehörden und Gerichte nicht von einer Güterabwägung. Sie entfaltet allenfalls Indizwirkung für das Gewicht der gegen eine Versammlung sprechenden Interessen der Öffentlichkeit oder Dritter (BayVGH, B.v. 4.6.2021 – 10 CS 21.1590 – juris Rn. 21).
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte in einem Beschluss vom 4. Juni 2021 (10 CS 21.1590 – juris) über eine – erfolglos gebliebene – Beschwerde der damaligen Antragsgegnerin betreffend einen Fahrradkorso mit rund 200 Teilnehmern auf einer Länge von 700 bis 1.000 m über ein Teilstück einer Bundesstraße von etwa 1.100 m Länge in einer Zeit von etwa 10 Minuten zuzüglich Vorbereitungszeit und Abbau der Sperrung zu entscheiden (zuvor: VG Augsburg, B.v. 4.6.2021 – Au 8 S 21.1265 – BeckRS 2021, 16530). Das Versammlungsthema hatte insbesondere auch einen engen Bezug zur Mobilitätswende bezogen auf den Individualverkehr im Stadtgebiet der Antragsgegnerin hergestellt. Die Nutzung der Bundesstraße war explizit damit begründet worden, dass dort u.a. eine Schnellbuslinie verkehren und eine Busspur eingerichtet werden solle. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Beschluss unter anderem ausgeführt (Rn. 26 f.): 76 „[26] Auch das vom Verwaltungsgericht gefundene Abwägungsergebnis im konkreten Einzelfall wird mit dem Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Dabei weist der Senat zunächst darauf hin, dass die von der Antragsgegnerin angeführte Sperrung einer Bundesstraße für 30 Minuten keine zeitliche Grenze darstellt, oberhalb derer die Abwägung zwangsläufig zu Lasten der Versammlungsfreiheit ausfallen müsste. Die entsprechende Passage im Beschluss des Senats vom 13. November 2020 (10 CS 20.2655 – juris Rn. 27) betraf eine konkrete Abwägungsentscheidung im Einzelfall und ist nicht – wie die Antragsgegnerin meint – verallgemeinerungsfähig. Ausschlaggebend sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalls.
[27] Insofern ist der Antragsgegnerin zwar zuzugeben, dass unvermeidbare Beeinträchtigungen von Rechtsgütern Dritter durch staatliche Schutzmaßnahmen auch vor und nach der (regelmäßig kürzeren) eigentlichen Inanspruchnahme der Strecke durch die Versammlungsteilnehmer (hier unstreitig etwa 10 Minuten) in die Güterabwägung einbezogen werden müssen. Der Senat kann jedoch die Annahme der Antragsgegnerin, für die ungefähr zehnminütige Durchfahrt der Versammlungsteilnehmer müsse der Streckenabschnitt für rund 100 Minuten gesperrt werden, anhand der vorgelegten Stellungnahmen nicht hinreichend nachvollziehen. Die Stellungnahme der Verkehrspolizeiinspektion A. … vom 4. Juni 2021 listet zwar Maßnahmen auf, die in ihrer Gesamtheit ca. 100 Minuten in Anspruch nehmen dürften. Es ist aber nicht dargelegt oder für den Senat sonst ersichtlich, dass etwa während der Vorbereitungszeit (40 Minuten) und der Zeit zum Abbau der Sperrung (30 Minuten) der Verkehr nicht – wenigstens teilweise – weiterfließen könnte.“
In seinem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof oben zitierten Beschluss vom 13. November 2020 (10 CS 20.2655 – juris) ging es um einen Fahrradumzug mit 500 Teilnehmern. Nach Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (juris Rn. 24) wies „das Versammlungsthema einen unmittelbaren Bezug zur Nutzung des F…wegs“ auf. Dieser „F…weg“ sollte innerstädtisch auf einem Teilstück vom 750 m Länge von dem Fahrradumzug genutzt werden. Er führte dazu unter anderem aus (Rn. 27): 79 „Der Senat verkennt nicht, dass die Inanspruchnahme des F* …wegs durch die Versammlungsteilnehmer erhebliche Beeinträchtigungen der Leichtigkeit des Straßenverkehrs im Stadtgebiet der Antragsgegnerin und wohl auch darüber hinaus verursachen wird. Auch berechtigt die Versammlungsfreiheit als solche nicht ohne weiteres dazu, die von den Teilnehmern gewollte Verkehrswende ohne Rücksicht auf die Rechte Einzelner oder öffentliche Interessen gleichsam auf eigene Faust durchzusetzen. Solange die Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums durch diese Art der Versammlung in Dauer und Frequenz überschaubar, d.h. insbesondere auf einen relativ kurzen Zeitraum von ca. 30 Minuten begrenzt bleibt, sind die damit einhergehenden Beeinträchtigungen im Hinblick auf den hohen Wert der Versammlungsfreiheit einerseits und die Bedeutung des Versammlungsthemas für die öffentliche Meinungsbildung andererseits in einer demokratischen Gesellschaft jedoch noch hinzunehmen. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Veranstalter Sorge dafür tragen werden, dass der F* …weg von den Versammlungsteilnehmern zügig befahren und ohne vermeidbaren Zeitverzug wieder verlassen wird.“
3. An diesen Maßstäben gemessen ist die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Teilbescheid der Antragsgegnerin vom … August 2021 nicht wie beantragt anzuordnen.
Die Klage wird voraussichtlich keinen Erfolg haben, weil sich der Teilbescheid der Antragsgegnerin mit der Untersagung der Nutzung der Autobahnen A94 und A… als rechtmäßig erweist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) In formeller Hinsicht bestehen keine Bedenken gegen den Teilbescheid. Die Antragsgegnerin ist vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration hinsichtlich der vom Antragsteller angezeigten Radsternfahrt wegen der Betroffenheit der Regierungsbezirke Oberbayern und Schwaben mit Schreiben vom … Mai 2021 gemäß Art. 24 Abs. 4 Satz 2 BayVersG als überörtlich zuständige Versammlungsbehörde bestimmt worden. Der Antragsteller hatte im Rahmen der Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme und hat diese auch umfangreich genutzt (Stellungnahme vom *.8.2021).
b) Der Erlass eines Teilbescheids am … August 2021 zur Frage der Benutzung von Bundesautobahnen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es handelt sich um eine klar umgrenzte Fragestellung, die einer vorgezogenen verbindlichen Klärung zugänglich ist. Der Erlass des Teilbescheids vorab sollte es dem Antragsteller im Sinne der Gewährung effektiven Rechtsschutzes ermöglichen, diesen zu einem frühen Zeitpunkt gerichtlich überprüfen zu lassen, auch um ggf. noch rechtzeitig Umplanungen unter Aussparung der Autobahnabschnitte vornehmen zu können. Deswegen war in diesem Teilbescheid auch die Festlegung von Alternativrouten durch die Antragsgegnerin noch nicht notwendig. Erforderlich war jedoch die Untersagung aller ursprünglich angezeigten Autobahnabschnitte statt nur der A94 und A…, weil der Antragsteller im Kooperationsgespräch am … Juli 2021 einen Verzicht auf die A8 und die A9 zwar angeboten, aber noch nicht verbindlich erklärt hatte. Die diesbezüglichen Versammlungsanzeigen standen also noch im Raum.
c) In materiellrechtlicher Hinsicht ist die Kammer zunächst der Auffassung, dass es bereits an dem erforderlichen ausreichenden Bezug des Versammlungsthemas (mit seinen verschiedenen Unterthemen) zu der vom Antragsteller vorgesehenen Nutzung der von ihm konkret benannten Teilabschnitte der Bundesautobahnen A94 und A… fehlt. Dies räumt der Antragsteller auch selbst ein, indem er ausführt, dass auf diesen Strecken aktuell keine Ausbaumaßnahmen geplant wären, gegen die sich die Versammlung wenden könnte. Dass er – wegen der nochmals höheren Verkehrsbedeutung – selbst keine Chance sieht, auf der A… eine Versammlung gegen die dort geplanten Ausbaumaßnahmen abhalten zu können, entbindet ihn nicht von dem Erfordernis eines expliziten Bezugs des Versammlungsthemas zu den konkret ausgewählten Streckenabschnitten. Wollte man bereits bei den hier lediglich allgemein gegen bzw. hinsichtlich Autobahnen gehaltenen Themen einen für eine Versammlung erforderlichen konkreten Zusammenhang zu den Teilabschnitten der A94 und A… annehmen, würde das letztlich dazu führen, dass mit allgemeinen Autobahn- oder auch nur verkehrsbezogenen Versammlungsthemen – wie „Verkehrswende“ – jeglicher Nutzung willkürlich ausgewählter Autobahnabschnitte für Versammlungen auf diesen Tür und Tor geöffnet wäre.
d) Wollte man demgegenüber die Nutzung der konkreten Abschnitte der A94 und der A… als vom Versammlungsthema (gerade noch) umfasst ansehen, wäre – selbstständig tragend – auch ansonsten in materiellrechtlicher Hinsicht nichts gegen den Bescheid zu erinnern.
Die Antragsgegnerin hat die – hier allein relevante – Untersagung der Durchführung auf den Autobahnen A94 und A… als Beschränkung der Versammlung zutreffend auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG gestützt. Sie ist unter Berücksichtigung der plausiblen Stellungnahmen des Polizeipräsidiums München und der Autobahnmeisterei als fachkundiger, mit den örtlichen Verhältnissen bestens vertrauter Stellen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Gefahrenprognose gelangt, dass die Durchführung der Versammlung auf den angezeigten Abschnitten der Bundesautobahnen A94 und A… zu einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führen würde. Sie hat sodann ihr Ermessen ohne Rechtsfehler dahin ausgeübt, die Nutzung dieser Autobahnabschnitte für die Radsternfahrt vollständig zu untersagen.
Die Kammer nimmt zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zunächst vollumfänglich Bezug auf die ausführlichen und zutreffenden Gründe des Teilbescheids der Antragsgegnerin vom … August 2021 und macht sich diese zu Eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend gilt Folgendes: 88 aa) Die Radsternfahrt stellt in ihren hier streitgegenständlichen Teilen eine nicht mehr hinnehmbare Störung der öffentlichen Sicherheit dar. Dabei ist zunächst zu beachten, dass es sich hier – anders als in den zitierten Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs – nicht um einen Fahrradkorso handelt, der sich auf einer Route bewegt, die in einem ihrer Abschnitte über eine Länge von 1.100 m bzw. 750 m über eine Bundesfernstraße führt, sondern um eine Radsternfahrt über eine Vielzahl von Einzelrouten, die sich an bestimmten Stellen unterschiedlich vereinen und an zwei Stellen über zwei verschiedene Bundesautobahnen führen sollen.
Sowohl die geplante Teilnehmerzahl als auch die Länge der ausgewählten Autobahnabschnitte stellen sich vorliegend gegenüber den Verhältnissen in den oben dargestellten Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs als ungleich höher bzw. länger dar. Über die A94 sollen sich nach Angaben des Antragstellers ab der Anschlussstelle Riem über einen Autobahnabschnitt von 4,3 km Länge ca 7.858 Teilnehmer bzw. über eine Abschnittslänge von 3,2 km (ab der Anschlussstelle Moosfeld) ca. 13.871 Teilnehmer bewegen. Der Gesamtabschnitt über die A… soll ab der Anschlussstelle München-Freiham-Süd sogar 8,7 km lang sein. Hierbei sollen zunächst 1.474 Teilnehmer auf die A… auffahren. Selbst wenn der Tunnel Gräfelfing wegen seiner Problematik ausgeplant würde und die Teilnehmer erst ab der Anschlussstelle Gräfelfing auffahren würde, würden sich über 5,8 km Abschnittslänge geplant 8.263 Teilnehmer bewegen und ab der Anschlussstelle Blumenau über die restlichen 3,5 km 14.822 Teilnehmer.
Das würde auf jeder der beiden Bundesautobahnen für sich gesehen – selbst wenn die Gegenfahrbahnen unter Zurückstellung erheblicher sicherheitsrechtlicher Bedenken nicht vollständig gesperrt, sondern die Geschwindigkeit temporär auf 30 km/h reduziert würde – zu einer jeweils viel länger andauernden Beeinträchtigung – der Antragsteller geht selbst von jeweils etwa einer Stunde reiner Durchlaufzeit der Fahrradfahrer aus – führen als in den oben dargestellten Fällen, und damit auf jeder der beiden Abschnitte zu einer unverhältnismäßigen, nicht mehr vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit zu rechtfertigenden Behinderung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs führen. In der Gesamtbetrachtung der beiden Bundesautobahnen summieren sich diese Beeinträchtigungen nochmals.
Obwohl hier nicht direkt streitgegenständlich, darf nicht völlig außer Betracht bleiben, dass es noch zu einem weiteren Summeneffekt an Verkehrsbehinderungen durch die zusätzliche Belegung weiterer Straßen durch die Radsternfahrt kommen würde.
bb) Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, dass durch eine Fahrraddemonstration auf einer Bundesautobahn keine Bedenken hinsichtlich einer Gefährdung des Gegenverkehrs aufgrund einer Ablenkung bestünden (HessVGH, B.v. 4.6.2021 – 2 B 1201/21 – juris Rn. 13). Zwar handelt es sich bei einer Versammlung nicht wie bei einem Unfall um ein punktuelles Geschehen (das nur einen „kurzen Blick“ ermögliche, so dass „Gafferunfälle“ zu besorgen seien). Fahrraddemonstrationen stellen dennoch bislang immer noch ein für Autobahnen atypisches Geschehen dar. Mögen solche der Bevölkerung mittlerweile theoretisch bekannt sein, so stellt sich das unmittelbare Erleben eines – wie hier – mehrere Tausend Fahrradfahrer umfassenden Demonstrationszuges auf der Gegenfahrbahn einer Autobahn nach der allgemeinen Lebenserfahrung ganz anders dar, verbunden mit den von der Antragsgegnerin zu Recht angenommenen daraus resultierenden Gefahren.
4. Selbst, wenn man jedoch die Erfolgsaussichten der Klage hinsichtlich der Nutzung der A94 und der A… als offen ansehen würde, kommt die Kammer – wiederum selbstständig tragend – nach umfassender Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass es beim Sofortvollzug des ausgesprochenen Verbots der Nutzung der A94 und A… zu bleiben hat.
Offene Erfolgsaussichten der Klage gegen den Teilbescheid könnten allenfalls deswegen angenommen werden, weil sowohl die Gefahrenprognose der Antragsgegnerin – basierend auf den Stellungnahmen des Polizeipräsidiums und der Autobahnmeisterei – als auch die dieser entgegengestellten Annahmen des Antragstellers als mit Unsicherheiten behaftet angesehen werden könnten. Diese Unsicherheiten betreffen im Wesentlichen das am gegenständlichen Samstag zu erwartende allgemeine und zusätzliche Verkehrsaufkommen auf den betroffenen Autobahnen A94 und A…. Die Antragsgegnerin geht zum einen von einem erheblichen Rückreiseverkehr an diesem letzten Ferienwochenende in Bayern und Baden-Württemberg aus. Der Antragsteller setzt dem eine aus seiner Sicht niedrigere Verkehrsbelastung entgegen. Das allgemeine Verkehrsaufkommen sei bei diesen „Pendlerautobahnen“ samstags per se schon niedriger als werktags, der Rückreiseverkehr nach Baden-Württemberg spiele sich im Wesentlichen auf anderen Autobahnen ab und eine ins Gewicht fallende Anzahl von Urlaubern würde wegen Unsicherheiten im Hinblick auf die Corona-Pandemie ihre Rückreise ohnehin nicht erst auf das letzte Ferienwochenende legen. Die Antragsgegnerin nimmt zum anderen ein erhebliches zusätzliches Verkehrsaufkommen durch Besucher der IAA an, dass wegen des erstmaligen Stattfindens in München jedoch nicht sicher prognostiziert werden könne. Der Antragsteller setzt dem die Annahme entgegen, dass sich auch diesbezüglich die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen auswirken würden und die Besucherbewegungen ohnehin zu anderen Zeiten als die Radsternfahrt auf der Autobahn und dann auch noch überwiegend mit dem öffentlichen Personennahverkehr stattfinden würden. Der Kammer stehen demgegenüber im Rahmen des vorliegenden summarischen Verfahrens keine Möglichkeiten zur Verfügung, diese Unsicherheiten ad hoc wissenschaftlich fundiert aufzulösen.
Damit verbleibt es bei der durch die Einstufung der A94 und A… als Bundesautobahnen entfalteten Indizwirkung für das Gewicht der gegen die Versammlung sprechenden Interessen der Öffentlichkeit und Dritter, insbesondere der Verkehrsinteressen am ungehinderten Betrieb dieser Autobahnen unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Das Interesse des Antragstellers und der potentiellen Versammlungsteilnehmer an der ungehinderten Nutzung der A94 und der A… hat demgegenüber zurückzutreten.
Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit wird vorliegend auch nicht unangemessen beeinträchtigt. Die Radsternfahrt kann die in den Versammlungsthemen enthaltenen Anliegen auch ohne Nutzung der streitgegenständlichen Autobahnabschnitte gegenüber der Öffentlichkeit kommunizieren. Die erforderlichen Umplanungen stellen die Radsternfahrt als solche nicht grundlegend in Frage.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei die Kammer in Abweichung von der Empfehlung in Nr. 45.4 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit der ständigen Rechtsprechung des 10. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs folgt und den Auffangwert zugrunde legt (vgl. z.B. B.v. 4.6.2021 – 10 CS 21.1590 – juris Tenor III. und Rn. 31; B.v. 13.11.2020 – 10 CS 20.2655 – juris Tenor III. und Rn. 29). Da die Entscheidung die Hauptsache im Wesentlichen vorwegnimmt, besteht kein Anlass, den Streitwert gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu mindern (BayVGH, B.v. 26.3.2021 – 10 CS 21.903 – juris Tenor III. und Rn. 31). Allerdings war dieser Streitwert vorliegend für jeden der beiden Autobahnabschnitte der A94 und der A… festzusetzen. Auch wenn es sich um eine Radsternfahrt handelt, sind zwei örtlich vollständig getrennte Abschnitte dieser Radsternfahrt auf unterschiedlichen Routen betroffen, die auch Gegenstand gesonderter Anzeigen durch den Antragsteller waren.


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