Medizinrecht

Versammlungsverbot, unzureichende Gefahrenprognose

Aktenzeichen  AN 4 E 21.00885, AN 4 S 21.00886

Datum:
14.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 11976
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 8
BayVersG Art. 15
12. BayIfSMV § 7

 

Leitsatz

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2021 wird mit folgenden Maßgaben angeordnet:
– Die Versammlung findet ortsfest auf dem Volksfestplatz statt.
– Es dürfen maximal 3.500 Personen teilnehmen.
– Das Hygienekonzept der Antragstellerin wird eingehalten. Während der Versammlung sind für die ersten 50 Teilnehmer vier volljährige Ordner einzusetzen. Darüberhinausgehend ist für je angefangene 25 Teilnehmer ein weiterer Ordner einzusetzen.
– Die angemeldeten Kundgebungsmittel Bratwurststand, kalter Punsch Stand, Eiswagen, Hüpfburg, Trampolin kommen nicht zum Einsatz.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen das Verbot der für den 15. Mai 2021 von ihr angemeldeten und geleiteten Versammlung.
Die Antragstellerin zeigte am 24. März 2021 gegenüber der Antragsgegnerin eine zunächst für den 16. Mai 2021 und später auf den 15. Mai 2021 verlegte Versammlung zum Thema „Wo alles begann – Söder Stadelheim statt Berlin“ mit erwarteten 3.500 Teilnehmern an. Geplant war laut Versammlungsanzeige eine stationäre Versammlung an der W. Wiese von 14:30 Uhr bis 18:00 Uhr sowie ein anschließender Aufzug ab 18:00 Uhr mit der Strecke W. Wiese – W. Tal Übergang – B1.straße – S. Straße – R.platz – Lgraben – Kgraben – B2. straße – W Wiese.
Die Antragsgegnerin erließ am 7. Mai 2021 eine Allgemeinverfügung (Amtsblatt Nr. 9b), in der unter anderem weitergehende Regelungen gemäß § 25 der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) getroffen wurden. Diese Allgemeinverfügung hat auszugsweise folgenden Inhalt:
I.
Festlegungen:
(…)
7. Einschränkung von Versammlungen im Sinne des Art. 8 des Grundgesetzes
7.1 Die Teilnehmerzahl von Versammlungen, die nicht ausschließlich ortsfest stattfinden, wird auf maximal 200 Personen beschränkt.
(…)
II.
Ausnahmen:
Ausnahmen von den vorgenannten Beschränkungen können erteilt werden, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2021 verbot die Antragsgegnerin die angezeigte Versammlung (Ziffer 1) und verpflichtete die Antragstellerin, auf das Verbot umgehend nach Zugang des Bescheides auf allen Aufrufen und Hinweisen zur Versammlung auf Seiten im Internet und auf sozialen Netzwerken, die von der Antragstellerin oder der Vereinigung Querdenken … betrieben werden, hinzuweisen (Ziffer 2).
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin in einem Kooperationsgespräch am 5. Mai 2021 angegeben habe, dass am 15. Mai 2021 ein bundesweiter Aktionstag unter dem Motto „es-reicht-uns“ stattfinden werde, den sie unterstützen wolle. Die Teilnehmerprognose stütze sie darauf, dass andere Versammlungen stattfänden, an der Versammlung am 11. Oktober 2020 im Westpark 2.800 Personen und zuletzt nicht mehr als 850 Personen teilgenommen hätten.
Die Überprüfung der Versammlungslage am 15. Mai 2021 habe ergeben, dass in Süddeutschland keine anderen größeren Versammlungen mit dem Thema „es-reicht-uns“ oder „Querdenken“ angemeldet und im Internet und den sozialen Netzwerken nur Hinweise auf die hiesige Versammlung zu finden seien. Die Antragstellerin erklärte hierzu am 7. Mai 2021, dass andere Versammlungen noch angemeldet werden würden und sie weiterhin mit maximal 3.500 Teilnehmern rechne. Die Antragstellerin schlug einen Umzug mit 200 Teilnehmern auf einer von der Polizei festgelegten Strecke vor und teilte mit, dass die angefragten Redner …, … und … seien.
Am 11. Mai 2021 hätten zum bundesweiten Aktionstag am 15. Mai 2021 Versammlungsankündigungen in Mainz (Anmeldung zurückgezogen), Wiesbaden, Düsseldorf, Berlin, Bremen, Hamburg, Kiel und Schwerin festgestellt werden können. In Stuttgart sei eine Versammlung mit 2.000 Teilnehmern und in Bamberg mit 199 Teilnehmern angemeldet. Nach Auskunft des Kreisverwaltungsreferats München sei dort bisher keine Versammlung angemeldet worden.
Der Antragstellerin sei am 11. Mai 2021 mitgeteilt worden, dass es in Süddeutschland voraussichtlich keine weiteren größeren Versammlungen geben werde und dass deshalb die Gefahr bestehe, dass dies eine überregionale Versammlung werde. Die Antragsteller habe daraufhin den Volksfestplatz als Versammlungsort vorgeschlagen.
Die Versammlung am 15. Mai 2021 sei nicht mit den zuletzt ordentlich abgelaufenen Versammlungen der Antragstellerin oder anderen Gruppen zum Thema Corona vergleichbar, da an diesen weit unter 1.000 Personen aus der Region teilgenommen hätten. Bei der Versammlung am 15. Mai 2021 bestehe die konkrete Gefahr, dass es eine überregionale Großveranstaltung mit wesentlich mehr Teilnehmern werde. Hierfür sprächen die bewusste Einbindung in den deutschlandweiten Aktionstag „es-reicht-uns“, das wahrscheinliche Nichtstattfinden anderer größerer Versammlungen in Süddeutschland, die überregionale Bewerbung der Veranstaltung, der lange Bewerbungszeitraum, der hohe Aufruf der Versammlungsankündigung im Netz, die aktuelle Wirkungsbreite (Anzahl involvierter Kanäle/Gruppen), die angekündigten bekannten Redner und Teilnehmer (u.a. …und …*) sowie die erstmalige Flyerverteilung. Zudem solle das einjährige Jubiläum der Versammlungen gefeiert werden, aus denen Querdenken 911 hervorgegangen sei. Das Polizeipräsidium …gelange in seiner Gefährdungsprognose vom 11. Mai 2021 aufgrund dieser Indizien zu dem Ergebnis, dass mit einer deutlich erhöhten Teilnehmerzahl zu rechnen sei.
Aufgrund der Erfahrungen mit vergangenen Versammlungen der „Querdenker-Gruppierung“ (z.B. 13. März 2021 München, 20. März 2021 in Kassel), bei denen die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und Einhaltung des Mindestabstands nicht hinreichend beachtet worden sei, müsse damit gerechnet werden, dass auch bei dieser Versammlung gegen Infektionsschutzmaßnahmen verstoßen werde.
Der Umstand, dass die Antragstellerin die Prognose der Teilnehmerzahl von 3.500 auf die Versammlung am 11. Oktober 2020 im Westpark mit 2.800 Teilnehmern stütze, zeige, dass sich die Antragstellerin mit der Lageeinschätzung nicht ernsthaft auseinandersetze. Am 11. Oktober 2020 habe eine andere Infektions- und Rechtslage bestanden, seitdem habe sich der Widerstand gegen die Infektionsschutzmaßnahmen erheblich verstärkt. Die Mobilisierung hänge stark von der Örtlichkeit und den Rednern ab. Die anvisierten Redner gehörten zu den bekanntesten Rednern und Vertretern von Querdenken. Es könne deshalb mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Teilnehmerkreis signifikante Überschneidungen mit demjenigen vergangener Versammlungen in anderen Städten aufweise. Für die Beurteilung der Versammlung könnten daher auch Vorkommnisse bei zuletzt stattgefunden Versammlungen der Vereinigung Querdenken in anderen Städten herangezogen werden.
Versammlungen mit vielen überregionalen Teilnehmern in den vergangenen Wochen in mehreren Städten hätten gezeigt, dass die Bereitschaft zur Einhaltung der Infektionsschutzregeln kaum gegeben sei (z.B. 13. März 2021 München, Teilnehmerbeschränkung 500 Personen, anwesend 2.500; 20. März 2021 Kassel, Teilnehmerbeschränkung 6.000 Personen, anwesend 20.000; 3. April 2021 Stuttgart 2.500 angemeldete Teilnehmer, anwesend 10.000).
Das Schutz- und Ordnerkonzept sei auf die erwarteten 3.500 Teilnehmer ausgerichtet. Für mehr Teilnehmer stehe kurzfristig keine Möglichkeit zur Verfügung, die Infektionsschutzmaßnahmen umzusetzen.
Beschränkungen zur Örtlichkeit, Zeitdauer oder Teilnehmerzahl seien als mildere Mitte nicht geeignet, um die Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit durch die nicht vorhersehbaren epidemiologischen Folgen von Versammlungen in dieser Größenordnung abzuwehren. Zwar seien die von der Antragstellerin zuletzt durchgeführten Versammlungen ordentlich und gut geleitet gewesen und die Antragstellerin habe sich sehr kooperativ gezeigt, jedoch könne die Versammlung am 15. Mai 2021 nicht mit den zuletzt durchgeführten Versammlungen mit wesentlich weniger oder überwiegend regionalen Teilnehmern verglichen werden.
Die Verlegung auf eine andere Örtlichkeit (z.B. Volksfestplatz) würde die Missachtung der Masken- und Abstandspflicht nicht verhindern. Zudem bestehe für eine größere Fläche und mehr Teilnehmer kein ausreichendes Schutz- und Ordnungskonzept der Antragstellerin. Bei einer Beschränkung der Zeitdauer und Teilnehmerzahl bestünde die Gefahr, dass sich viele Menschen außerhalb des Versammlungszeitraums und -orts unter Missachtung der Infektionsschutzregeln unkontrolliert ansammeln und bewegen, was die Infektionsgefahr erhöhe.
Eine erhebliche Verstärkung der Polizeikräfte sei zur Abwehr der Gefahren für Leben und Gesundheit nicht geeignet. Durchsagen der Polizei würden bei großen überregionalen Versammlungen regelmäßig ignoriert. Wegen der absehbaren Infektionsgefahr für Polizeibeamte, der zu erwartenden Vielzahl an Verstößen und der Schwierigkeit der Umsetzung von Kontrollen sei dieses Mittel nicht gleich geeignet. Vielfache Platzverweis oder eine Auflösung der Versammlung durch die Polizei sei nicht in gleicher Weise zur effektiven Abwehr von Infektions- und Gesundheitsgefahren geeignet, da es dann bereits zu einer Verwirklichung der Gefahr gekommen sei.
Zu Ziffer 2 führte die Antragsgegnerin aus, dass die interessierten Versammlungsteilnehmer rechtzeitig vor der Versammlung über das Verbot informiert sein müssten, damit sie nicht umsonst anreisen würden und es zu einer großen Menschenansammlung und spontanen Aktionen komme.
Die Antragstellerin beantragt mit Schriftsatz vom 12. Mai 2021,
die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen die Ziffer 1 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2021 ist mit der gerichtlichen Maßgabe dahingehend anzuordnen, dass die Durchführung einer stationären Kundgebung am 15. Mai 2021 auf der W. Wiese oder dem Volksfestplatz gestattet wird,
die Antragsgegnerin ist auf eine Ausnahme gemäß Ziffer II der Allgemeinverfügung vom 7. Mai 2021 (Amtsblatt Nr. 9b) zu verpflichten, sodass der nicht ortsfeste Kundgebungsteil mit max. 1.000 Personen gestattet wird, wobei die 1.000 Personen in fünf Blöcken á 200 Personen aufzuteilen sind.
Zur Antragsbegründung führte die Antragstellerin aus, dass Ansteckungen auf Demonstrationen auch nach einem Jahr nicht bekannt seien. Wie die Erkenntnisse der Aerosolforschung des Robert-Koch-Instituts zeigten, gingen von Versammlungen unter freiem Himmel insbesondere bei Einhaltung der Abstandsregeln nahezu keinerlei Infektionsgefahren aus. Ansteckungen fänden quasi ausschließlich in Innenräumen statt. Die Antragsgegnerin behaupte immer wieder pauschal und unsubstantiiert, dass es zu einer Gefahr für Leib und Leben von unbeteiligten Dritten, Teilnehmenden und Polizeibeamten komme. Dies werde bestritten. Seit einem Jahr sei der Antragstellerin von allen ihr bekannten Teilnehmern kein einziger Fall eine Infektion bekannt.
Die Sieben-Tage-Inzidenz der Antragsgegnerin habe über mehrere Tage nicht zuverlässig beziffert werden können, sei jedoch in den vergegangenen Tagen stark gesunken. Zum 12. Mai 2021 liege die Sieben-Tage-Inzidenz der Antragsgegnerin bei 162,8 und sei damit in den letzten Wochen massiv gefallen. Alle Personen der höchsten Risikogruppe hätten im Gebiet der Antragsgegnerin ein Impfangebot erhalten (https://www. …de/region/ …-erneut-sorgen-doppelzahlungen-fur-hohen-inzidenzwert-1.11064992).
Angesichts der Tatsache, dass die aktuelle Bettenauslastung unterhalb der vorangegangenen Wellen liege, in 2020 lediglich 2% bzw. 4% der Betten mit COVID-19-Patienten belegt gewesen seien und zu keinem Zeitpunkt die Versorgung an ihre Grenzen gekommen sei (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2021/2-quartal/corona-gutachten-beirat-bmg.html), sei eine Belastung des Gesundheitswesens nicht zu befürchten. Alle in § 28 Abs. 3 IfSG definierten Parameter für die Einschränkung oder das Verbot einer Versammlung seien damit nicht erfüllt.
Bei der Gefahrenprognose könne auf vergangene Veranstaltungen Bezug genommen werden. Demzufolge müssten die Veranstaltungen vom 31. Januar, 20. Februar und 27. März 2021 für den stationären Kundgebungsteil und die Montagsspaziergänge vom 29. März, 5. April, 12. April, 19. April, 26. April und 3. Mai 2021 mit zwischen 60 und 650 Teilnehmern für den nicht ortsfesten Kundgebungsteil herangezogen werden. Die Antragstellerin machte sodann Ausführungen zu diesen Veranstaltungen unter Bezugnahme auf Polizeiberichte. Im streitgegenständlichen Bescheid schreibe die Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin ihre Versammlungen zuletzt sehr ordentlich geleitet habe. Die Antragstellerin agiere autark, mit tragfähigen Konzepten und Erfahrung einer Vielzahl nicht ortsfester Kundgebungen. Sie dürfen nicht in Mithaftung genommen werden, nur weil in anderen Städten andere Veranstalter ihren Pflichten nicht ausreichend nachgekommen seien. Basierend auf dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach für eine Versammlung am 1. Mai 2021 sei auch der Antragstellerin ein Aufzug mit 1.000 Personen in fünf Blöcken zu 200 Personen zu genehmigen. Die Antragsgegnerin sei insoweit zum Erlass einer Ausnahmegenehmigung nach Ziffer 2 der Allgemeinverfügung vom 7. Mai 2021 zu verpflichten.
Die Antragsgegnerin habe am 1. Mai 2021 zwei Versammlungen nicht verboten (Bikerdemonstration am Volksfestplatz mit 7.500 Teilnehmern sowie Versammlung des Bündnisses „…“ mit 2.000 bis 3.000 Teilnehmern), obwohl eine extrem hohe Teilnehmerzahl erwartet bzw. begründeter Anlass zur Auflagenverstößen bestanden habe. Auch in anderen Städten (z.B. Berlin) seien am 1. Mai 2021 Demonstrationen bewilligt worden, obwohl aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit klar gewesen sei, dass diese unfriedlich ablaufen würden. Anders als bei den Versammlungen am 1. Mai 2021 seien die Teilnehmer der streitgegenständlichen Versammlung friedliche Menschen des bürgerlichen Spektrums. Die Antragstellerin verwies hierzu auf einen Artikel des Tagesspiegels vom 10. Mai 2021 (https://plus.tagesspiegel.de/querdenken-das-sind-die-querdenker-antiauoritaer-gebildet-rebellisch-und-ueberwiegend-links-142400.html).
Auf der W Wiese stehe eine tatsächlich nutzbare Fläche von 40.000 m² zur Verfügung. Hier könnten sich unter Einhaltung der Mindestabstände 6.000 bis 12.000 Teilnehmer versammeln. Die W Wiese wäre bei Erreichen der zulässigen Höchstteilnehmerzahl problemlos von der Polizei abriegelbar, da lediglich wenige Gehwege bzw. Brücken gesperrt werden müssten. Für den Umzug sei eine Strecke gewählt worden, die durchgehend die breitesten zur Verfügung stehenden Straßen nutze. Auf dem Volksfestplatz stünden 60.000 m² für 9.000 bis 18.000 Teilnehmer (unter Einhaltung der Mindestabstände) zur Verfügung. Einer Verlegung an den Volksfestplatz stehe die Antragstellerin offen gegenüber.
Anstatt eines Verbots stehe mit der Beauflagung einer Höchstteilnehmerzahl ein geeignetes, milderes Mittel zur Verfügung. Die zur Verfügung stehenden Flächen würden bei weitem ausreichen, um die erwartete Teilnehmerzahl abzudecken. Eine wirksame Durchsetzung solcher Auflagen durch die Polizei sei gegeben, da der Zustrom auf die Örtlichkeiten problemlos gesteuert, abgegrenzt oder gestoppt werden könne.
Für die streitgegenständliche Versammlung würden 3.500 Personen erwartet. Im Gebiet der Antragsgegnerin seien in den vergangenen Wochen 50.000 Flyer verteilt worden. Für die Versammlung im Westpark im Oktober seien zehntausende Flyer verteilt worden, woraufhin 2.800 Menschen gekommen seien. Mitte März hätten bundesweit in jeder Landeshauptstadt Versammlungen der Organisation „Es reicht!“ stattgefunden. In München hätten 2.500, in Stuttgart 1.500 Personen und damit in Süddeutschland insgesamt 4.000 Personen teilgenommen. Am 15. Mai 2021 würden bundesweit Demonstrationen stattfinden (Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Hannover, Schwerin, Bremen, Wiesbaden). Durch die Konkurrenz sei auszuschließen, dass Teilnehmer bundesweit anreisen würden. In München sei um 16:30 Uhr am Harras eine Kundgebung genehmigt. Am 3. April 2021 habe in Stuttgart eine bundesweite Großdemonstration von Querdenker 711 stattgefunden. Trotz monatelanger bundesweiter Mobilisierung seien am Ende lediglich 10.000 Personen gekommen.
Der angeblich hohe Aufruf des Flyers stütze nicht die Prognose der Antragstellerin. Die Polizei stelle fest, dass die hohe Betrachtungszahl in Relation zur Veröffentlichungszeit (mehrere Wochen) zu würdigen sei. Der Flyer für die Versammlung am 20. Februar 2021 sei 75.000 Mal abgerufen worden, es seien 850 Personen gekommen. Der Flyer für die Versammlung am 24. März 2021 sei 52.000 Mal, ein weiterer Flyer 78.000 Mal betrachtet worden, es seien 550 Personen gekommen. Der Flyer für den Ostermontagszug sei 15.000 Mal betrachtet worden, es seien 250 Personen gekommen. Wenn der Flyer für die streitgegenständliche Versammlung über 100.000 Mal betrachtet worden sei, sage dies nichts über die reale Teilnehmerzahl aus. Die Flyerverteilung sei auch nicht erstmalig erfolgt, sondern bereits bei der Versammlung im Westpark.
Zur Bedeutung der Versammlung führte die Antragstellerin aus, dass am 16. Mai 2020 auf der W. Wiese die erste Demonstration stattgefunden habe. Dies sei der Beginn von Querdenker* … gewesen. Die W. Wiese habe Symbolkraft. Die Versammlung sei im höchsten Maße politisch (Reaktion auf „Maskendeals“, Finanzierung des Unternehmens der Ehefrau von … durch die bayerische Regierung) und wolle auch auf das anstehende Volksbegehren zur Abberufung des bayerischen Landtags aufmerksam machen.
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 14. Mai 2021,
der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsgegnerin weist in der Antragserwiderung unter anderem darauf hin, dass die Antragstellerin für die angemeldete Versammlung kein Hygienekonzept vorgelegt habe. Nach Kenntnis der Antragsgegnerin sei die Anmeldung für die Versammlung in Stuttgart am 15. Mai 2021 mittlerweile zurückgezogen worden.
Die Antragstellerin legte nach gerichtlicher Aufforderung mit Schriftsatz vom 14. Mai 2021 ein Hygienekonzept für die stationäre Versammlung auf der W. Wiese und den anschießenden Aufzug vor. Dieses sei in gleicher Weise auf den Volksfestplatz anwendbar. Dort sei die Zugangssteuerung sogar deutlich einfacher, da die Teilnehmer über die G1. Straße anreisen würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die schriftsätzlichen Ausführungen zur Antragsbegründung und Antragserwiderung, Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen das Versammlungsverbot hat in der Sache teilweise Erfolg (1.). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Ausnahme gemäß Ziffer II der Allgemeinverfügung vom 7. Mai 2021 für einen Aufzug mit maximal 1.000 Personen ist hingegen unbegründet (2.)
1. Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2021 hat in der Sache Erfolg.
a) Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage kraft Gesetzes – wie vorliegend gemäß Art. 25 BayVersG – entfällt, diese ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Ermessensentscheidung, bei der es zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage abwägt. Wesentliches – aber nicht alleiniges – Kriterium für die Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Ergibt die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Prüfung, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und das Hauptsacheverfahren damit voraussichtlich Erfolg hat, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Erweist sich der Verwaltungsakt hingegen als voraussichtlich rechtmäßig und das Hauptsacheverfahren damit als voraussichtlich erfolglos, überwiegt das öffentliche Vollziehungsinteresse, dem der Gesetzgeber in Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO generell den Vorrang eingeräumt hat, wenn nicht ausnahmsweise besondere Umstände des Einzelfalls eine abweichende Entscheidung rechtfertigen (vgl. zu allem BayVGH, B.v. 23.2.2012 – 14 CS 11.2837 – juris Rn. 38; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 146, 152 f., 158 f.). Bei offenen Erfolgsaussichten muss eine reine Interessenabwägung erfolgen (BVerwG, B.v. 29.4.1974 – IV C 21.74 – juris Rn. 8 f.; B.v. 17.5.2004 – 1 VR 1/04 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 9; Gersdorf in BeckOK, VwGO, 56. Ed., Stand: 01.10.2019, § 80 Rn. 187, 191; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 93).
b) Vorliegend überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin gegenüber dem öffentlichen Vollziehungsinteresse, da die in der Hauptsache noch zu erhebende Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 12. Mai 2021 voraussichtlich Erfolg haben wird.
aa) Bei summarischer Prüfung wird die in der Hauptsache noch zu erhebende Anfechtungsklage gegen das Verbot der Versammlung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) vom 5. März 2021 (BayRS 2126-1-16-G), zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Mai 2021 (BayMBl. Nr. 307) i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BayVersG voraussichtlich Erfolg haben, weil dieses rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihrem Versammlungsgrundrecht nach Art. 8 Abs. 1 GG verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
(1) Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen. In ihrer idealtypischen Ausformung sind Versammlungen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, bei der die Teilnehmer in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen – schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes – im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen. Als Abwehrrecht gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG bzw. Art. 113 BV den Grundrechtsträgern daher auch ein Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung. Die Bürger sollen damit selbst entscheiden können, wo sie ihr Anliegen – gegebenenfalls auch in Blick auf Bezüge zu bestimmten Orten oder Einrichtungen – am wirksamsten zur Geltung bringen können (BVerfG, U.v. 22.2.2011 – 1 BvR 699/06 – BVerfGE 128, 226 – juris Rn. 63 f.; U.v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 – BVerfGE 69, 315 – juris Rn. 61, 63).
Dieses Recht kann nach Art. 8 Abs. 2 GG für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Derartige Beschränkungen sind im Lichte der grundlegenden Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG auszulegen. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfG, B.v. 21.11.2020 – 1 BvQ 135/20 – juris Rn. 6 m.w.N.). Zu den mit der Versammlungsfreiheit prinzipiell gleichwertigen Rechtsgütern gehört insbesondere das Grundrecht Dritter auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Insoweit trifft den Staat überdies eine grundrechtliche Schutzpflicht, in deren Kontext auch zahlreiche zur Bekämpfung der gegenwärtig andauernden COVID-19-Pandemie von Bund, Ländern und Gemeinden ergriffene Infektionsschutzmaßnahmen stehen. Unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der insbesondere die Beachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls einschließlich des aktuellen Stands des dynamischen und tendenziell volatilen Infektionsgeschehens erforderlich macht, können zum Zweck des Schutzes vor Infektionsgefahren auch versammlungsbeschränkende Maßnahmen ergriffen werden (BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 16 m.w.N.).
In diesem Sinne hat die Versammlungsbehörde gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 12. BayIfSMV, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist, durch entsprechende Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sicherzustellen, dass zwischen allen Versammlungsteilnehmern ein Mindestabstand von 1,5 m gewahrt und jeder Körperkontakt mit anderen Teilnehmern oder Dritten vermieden wird, sowie dass die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben; davon ist in der Regel auszugehen, wenn die Versammlung nicht mehr als 200 Teilnehmer hat und ortsfest stattfindet. Sofern die Anforderungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 12. BayIfSMV auch durch Beschränkungen nicht sichergestellt werden können, ist die Versammlung zu verbieten (§ 7 Abs. 1 Satz 4 12. BayIfSMV).
Damit konkretisiert § 7 Abs. 1 12. BayIfSMV die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG, wonach die Versammlungsbehörde eine (öffentliche) Versammlung (unter freiem Himmel) beschränken oder verbieten kann, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist, sowohl auf der Tatbestandswie auch auf der Rechtsfolgenseite im Hinblick auf von Versammlungen unter freiem Himmel ausgehende Gefahren für die Gesundheit und das Leben Einzelner sowie den Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung (BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 16.4.2021 – 10 CS 21.1113 – juris Rn. 12; B.v. 11.9.2020 – 10 CS 20.2063 – juris Rn. 8).
Versammlungsverbote dürfen als tiefgreifendste bzw. stärkste Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG auch in Ansehung der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit für das demokratische und freiheitliche Gemeinwesen allerdings nur verfügt werden, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen und der hierdurch bewirkte Grundrechtseingriff insgesamt nicht außer Verhältnis steht zu den jeweils zu bekämpfenden Gefahren und dem Beitrag, den ein Verbot zur Gefahrenabwehr beizutragen vermag (BVerfG, B.v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 – Rn. 16; BayVGH, B.v. 16.4.2021 – 10 CS 21.1113 – juris Rn. 13 m.w.N.). Ein Versammlungsverbot scheidet nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit demnach aus, solange mildere Mittel wie versammlungsrechtliche Beschränkungen und der verstärkte Einsatz polizeilicher Kontrollen nicht ausgeschöpft oder mit tragfähiger Begründung ausgeschieden sind (BVerfG, B.v. 4.9.2009 – 1 BvR 2147/09 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 16.4.2021 – 10 CS 21.1113 – juris Rn. 13).
Die Versammlungsbehörde darf unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung und des verfassungsrechtlichen Ranges der Versammlungsfreiheit keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen, zumal ihr bei irriger Einschätzung noch die Möglichkeit einer späteren Auflösung verbleibt. Vielmehr sind als Grundlage der Gefahrenprognose konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BVerfG, B.v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81 – BVerfGE 69, 315 – juris Rn. 80; BayVGH, B.v. 16.9.2015 – 10 CS 15.2057 – juris Rn. 17). Speziell für die infektionsschutzrechtliche Gefahrenprognose verlangt § 7 Abs. 1 12. BayIfSMV, dass die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren insgesamt auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben. Dabei verlangt infektionsschutzrechtliche „Vertretbarkeit“ gerade keine völlige Risikofreiheit im Sinne einer absoluten infektionsschutzrechtlichen „Unbedenklichkeit“. Vielmehr muss die Behörde bei ihrer Prüfung eigene Überlegungen zur Minimierung von Infektionsrisiken anstellen und vor dem Erlass einer Beschränkung der Versammlungsfreiheit sich zunächst um eine kooperative, einvernehmliche Lösung mit dem Versammlungsveranstalter bemühen (BVerfG, B.v. 17.4.2020 – 1 BvQ 37/20 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 30.4.2020 – 10 CS 20.999 – juris Rn. 24).
(2) Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich das Versammlungsverbot voraussichtlich als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, da die Antragsgegnerin nicht genügend dargelegt hat, dass die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit der Versammlung durch Beschränkungen – ortsfeste Durchführung auf dem Volksfestplatz, Teilnehmerbeschränkung auf 3.500, Einhaltung des Hygienekonzepts der Antragstellerin, Einsatz einer ausreichenden Zahl von Ordnern – als mildere Mittel nicht gleich wirksam sichergestellt werden kann. Die Antragstellerin hat nicht hinreichend dargelegt, warum insbesondere die Beschränkung der Teilnehmerzahl und die Beschränkung auf eine ortsfeste Durchführung nicht ausreichen, um die Einhaltung der Infektionsschutzmaßnahmen, insbesondere Masken- und Abstandspflicht, zu gewährleisten.
Das Gericht geht zwar mit der Antragsgegnerin davon aus, dass aufgrund des weitgehenden Fehlens von Konkurrenzveranstaltungen im süddeutschen Raum am 15. Mai 2021 (angemeldete Versammlung in Stuttgart mit 2.000 Personen, mittlerweile zurückgezogen, und angemeldete Versammlung in Bamberg mit 199 Personen), der Zugkraft der deutschlandweit bekannten Vertreter der Querdenkerbewegung, welche auf der Versammlung reden oder zumindest an ihr teilnehmen sollen (* …, …, …*) und der wochenlangen Bewerbung der Versammlung in den sozialen Netzwerken und mittels Verteilung von 50.000 Flyern im Gebiet der Antragsgegnerin die Gefahr besteht, dass mehr als die erwarteten 3.500 Teilnehmer an der Versammlung teilnehmen werden. Insofern unterscheidet sich die für den 15. Mai 2021 geplante Versammlung von den meisten bisher durch die Antragstellerin durchgeführten Veranstaltungen im Gebiet der Antragsgegnerin. Diese wiesen zuletzt in der Spitze 850 Teilnehmer (20. Februar 2021 am Kornmarkt) bzw. 650 Teilnehmer (Montagsspaziergänge) auf. Die einzige Versammlung dieser Größenordnung führte die Antragstellerin im Oktober 2020 im Westpark durch. Seitdem hat die Erfahrung mit anderen Querdenken-Demonstrationen vor allem in München am 12. März 2021, in Kassel am 20. März 2021 und in Stuttgart am 3. April 2021 gezeigt, dass die Bereitschaft zur Einhaltung der Hygieneregeln auf größeren Versammlungen zunehmend abnimmt.
Mit zunehmender Teilnehmerzahl nimmt die Kontrollierbarkeit der Versammlung ab, das Eskalationspotential zu und wird es für die Ordner und die Polizei schwieriger, korrigierend einzugreifen oder gar die Versammlung aufzulösen, ohne gleichzeitig neue Infektionsgefahren zu schaffen. Zudem verleitet die Anonymität und die Möglichkeit des Abtauchens in einer großen Versammlungsmasse eher zur Missachtung bestehender Hygieneregeln. Den parallel mit der Teilnehmerzahl steigenden Gefahren kann jedoch durch eine Teilnehmerbeschränkung begegnet werden.
Es ist jedenfalls nicht erkennbar, warum bei einer Beschränkung der Versammlung auf eine ausschließlich ortsfeste Durchführung auf dem Volksfestplatz mit maximal 3.500 Teilnehmern eine effektive Durchsetzung der Masken- und Abstandspflicht durch die Antragstellerin, die Ordner und die Polizei nicht in einem infektionsschutzrechtlich vertretbaren Maße gewährleistet sein soll. Die Antragsgegnerin selbst bescheinigt der Antragstellerin im Bescheid, dass die Versammlungen zuletzt gut geleitet gewesen seien und die Antragstellerin sich sehr kooperativ gezeigt habe. Freilich hängt die Prognose, ob mit massiven Verstößen gegen die Masken- und Abstandspflicht zu rechnen ist, nicht nur von der Versammlungsleitung, sondern auch von den erwarteten Teilnehmern ab.
Die Personen, die zuletzt an den von der Antragstellerin durchgeführten Versammlungen im Gebiet der Antragstellerin teilgenommen haben, haben sich überwiegend an die Masken- und Abstandspflicht gehalten. Einzelne Verstöße gegen Infektionsschutzmaßnahmen müssen bei Veranstaltungen, die sich explizit auch gegen ebensolche Maßnahmen richten, erwartet werden. Erforderlich ist aber gerade keine völlige Risikofreiheit im Sinne einer absoluten infektionsschutzrechtlichen „Unbedenklichkeit“ (BVerfG, B.v. 17.4.2020 – 1 BvQ 37/20 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 30.4.2020 – 10 CS 20.999 – juris Rn. 24). Bei lebensnaher Betrachtung ist davon auszugehen, dass die Teilnehmer der vergangenen Versammlungen der Antragstellerin auch zu der Versammlung am 15. Mai 2021 kommen werden, bei der insbesondere das einjährige Jubiläum von Querdenken … gefeiert werden soll.
Soweit darüber hinaus weitere auch überregionale Teilnehmer zu erwarten sind (aufgrund der Zugkraft von Rednern wie …, der bundesweiten Bewerbung und des gleichzeitigen Stattfindens mit dem bundesweiten Aktionstag „es-reicht-uns“), ist nicht klar, um welche Personen es sich im Einzelnen handeln und wie hoch deren Bereitschaft zur Einhaltung bestehender Hygieneregeln sein wird.
Dass die Beschränkungen, insbesondere die Teilnehmerbeschränkung, durch die Polizei nicht durchgesetzt werden können, hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen. Es liegt auch keine qualifizierte polizeiliche Einschätzung vor, dass sie auch bei einer Beschränkung der Versammlung auf eine ortsfeste Durchführung mit maximal 3.500 Teilnehmern nicht in der Lage sein wird, die Einhaltung der Masken- und Abstandspflicht zusammen mit den Ordnern zu überwachen und ggf. durchzusetzen.
bb) Die im Tenor ausgesprochene Maßgabe als gerichtliche Beschränkung im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Nr. 1 BayVersG, dass die Versammlung mit maximal 3.500 Teilnehmern stattfindet, hält die Kammer vor dem Hintergrund für geboten, dass die Antragstellerin selbst mit nicht mehr als 3.500 Teilnehmern rechnet und ihr Hygienekonzept auf diese Zahl ausgelegt ist. Der Volksfestplatz, den die Antragstellerin als einen von zwei möglichen Versammlungsorten beantragt hat, ist nach Einschätzung des Gerichts für eine Versammlung dieser Größenordnung geeigneter als die W. Wiese. Die Antragstellerin hat im gerichtlichen Verfahren die Wahl zwischen den beiden Versammlungsorten in das Ermessen des Gerichts gestellt. Der rechteckige Volksfestplatz ist besser überschaubar als die lang gezogene W. Wiese. Während die W. Wiese im Norden durch die Pegnitz und im Süden durch Grundstücke begrenzt wird, bietet der Volksfestplatz mit der angrenzenden Grünfläche und der G2. Straße mögliche Pufferflächen. Zudem sind die Zugänge zum Volksfestplatz deutlich breiter als diejenigen zur W Wiese.
Die Beschränkung auf eine ausschließlich ortsfeste Durchführung der Versammlung ist erforderlich, da die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit eines Aufzuges nicht sichergestellt werden kann. Eine Beschränkung der Teilnehmerzahl für den mobilen Kundgebungsteil auf 1.000 Personen, wie von der Antragstellerin beantragt, kommt bereits deshalb nicht in Betracht, da nicht erkennbar ist, wie sichergestellt werden soll, dass sich lediglich 1.000 Teilnehmer der ortsfesten Versammlung auf den Weg machen und sich nicht alle dem Marsch anschließen. Im Übrigen haben die Beteiligten keine Wegstrecke für einen Aufzug ausgehend vom Volksfestplatz besprochen. Obwohl die Antragstellerin sich selbst mit einer Verlegung der Versammlung auf den Volksfestplatz einverstanden erklärt hat, hat sie für diesen Fall keine Versammlungsroute bezeichnet.
Die Maßgabe der Einhaltung des Hygienekonzepts der Antragstellerin und der Einsatz von Ordnern in der angegebenen Anzahl wird verfügt, da die Antragsgegnerin eventuell vor Versammlungsbeginn keine versammlungsbehördlichen Beschränkungen mehr erlassen kann und von einer infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit der Durchführung der ortsfesten Versammlung nur angesichts des kontrollierten Zugangs der Versammlungsteilnehmer zur und der kontrollierten Verteilung der Versammlungsteilnehmer auf der Versammlungsfläche sowie eines ausreichenden Einsatzes von Ordnern auszugehen ist.
Der Einsatz der angemeldeten Kundgebungsmittel Bratwurststand, kalter Punsch Stand, Eiswagen, Hüpfburg, Trampolin war zu untersagen, weil Nahrungsaufnahme und Hüpfaktivitäten ohnehin nicht essentiell für die öffentliche Meinungskundgabe sind, mit ihnen jedoch erhöhte Infektionsgefahren einhergehen. Beim Essen und Trinken müssen Mund-Nasen-Bedeckungen abgenommen werden. Stände mit Essen und Trinken, Hüpfburgen und Trampoline animieren die Versammlungsteilnehmer, häufiger ihren Standort zu wechseln und führen damit zu mehr Begegnungsverkehr, was wiederum die Gefahr der Unterschreitung der gebotenen Mindestabstände erhöht.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz1 VwGO gerichtet auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Ausnahme gemäß Ziffer II der Allgemeinverfügung vom 7. Mai 2021 für einen Aufzug mit maximal 1.000 Personen ist unbegründet.
a) Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung sind die Glaubhaftmachung (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes (BVerfG, B.v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 – juris Rn. 20; BVerwG, B.v. 22.9.2015 – 6 VR 2/15 – juris Rn. 8). Der Anordnungsanspruch ist der von der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren verfolgte materielle Anspruch (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 123 Rn. 25; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 123 Rn. 69 m.w.N.).
b) Die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Anspruchs auf Erteilung einer Ausnahme gemäß Ziffer II der Allgemeinverfügung vom 7. Mai 2021 nicht glaubhaft gemacht, da die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit eines Aufzuges nicht sichergestellt werden kann.
Nach Ziffer I.7.1 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 7. Mai 2021 wird die Teilnehmerzahl von Versammlungen, die nicht ausschließlich ortsfest stattfinden, auf maximal 200 Personen beschränkt. Nach Ziffer II der Allgemeinverfügung können Ausnahmen von der Beschränkung erteilt werden, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.
Die Frage, ob die mit der Einführung dieses Erlaubnisvorbehalts für bestimmte Versammlungsmodalitäten verbundene Umkehr des in Art. 8 Abs. 1 GG vorgesehenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses bezüglich der Erlaubnisfreiheit von Versammlungen mit Art. 8 Abs. 1 GG vereinbar ist, hat das entscheidende Gericht in seinem Beschluss vom 26. April 2021 (AN 4 S 21.00738 zur identischen Vorgängerregelung in der Allgemeinverfügung vom 17. April 2021) offengelassen. Da die Vereinbarkeit dieser Regelungstechnik mit höherrangigem Recht noch nicht geklärt ist, stellt das Gericht im Rahmen des nunmehr statthaften § 123 Abs. 1 VwGO (statt des bei einer „klassischen“ Beschränkung statthaften § 80 Abs. 5 VwGO) keine zu strengen Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs.
Auch unter Berücksichtigung dieser abgemilderten Anforderungen an die Glaubhaftmachung ist die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit eines Aufzuges am 15. Mai 2021 nicht sichergestellt.
Die Einhaltung der gebotenen Mindestabstände ist bei einem Aufzug schwieriger zu gewährleisten als bei einer ortsfesten Versammlung. Ein mobiler Aufzug stellt ein dynamisches Geschehen dar, weil er sich nicht gleichmäßig bewegt, sondern es regelmäßig je nach individuellem Gehtempo bzw. Entwicklung der Versammlung zu (unerwarteten) Stockungen, Beschleunigungen und Verschiebungen innerhalb der Gruppe der Versammlungsteilnehmer kommt, weshalb grundsätzlich die Gefahr besteht, dass es zu nicht unerheblichen Unterschreitungen des gebotenen Mindestabstandes kommt (BayVGH, B.v. 21.2.2021 – 10 CS 21.526 – juris Rn. 21). Auch die effektive Durchsetzung der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und des Abstandsgebotes ist bei einem Aufzug deutlich erschwert. Ein sich fortbewegender Aufzug ist nur eingeschränkt überblickbar und damit schwieriger zu kontrollieren. Ein korrigierendes Eingreifen durch Polizei und Ordner bei Verstößen gegen die Masken- oder Abstandspflicht kann ohne belastbares Hygienekonzept zu Stauungen und Stockungen und wegen des notwendigen Durchschreitens der Menge zu Unterschreitungen des gebotenen Mindestabstandes führen. Diese Probleme verschärfen sich mit zunehmender Teilnehmerzahl.
Wie bereits oben zur Maßgabe der ortsfesten Durchführung der Versammlung ausgeführt, ist die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit eines Aufzuges mit 1.000 Personen nicht sichergestellt (vgl. 1. b) bb)). Insbesondere weist das Gericht noch einmal darauf hin, dass sich dem Hygienekonzept nicht entnehmen lässt, wie verhindert werden soll, dass alle Teilnehmer der ortsfesten Versammlung und nicht lediglich 1.000 Personen an dem Aufzug teilnehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Da die vorliegende Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnimmt, wurde der Empfehlung in Ziffer 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 folgend der Streitwert auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Wertes angehoben.


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