Medizinrecht

Voraussetzung für Opferentschädigung

Aktenzeichen  S 30 VG 43/17

Datum:
25.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 37825
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
OEG § 1 Abs. 1 S. 1
BVG § 30 Abs. 1 S. 1 u 3, § 31

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 12.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2017 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig.
Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gibt demjenigen einen Anspruch auf staatliche Versorgung, der infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs gegen seine oder eine andere Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Auf das BVG wird verwiesen. § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG gebietet zur Prüfung des Anspruchs auf Beschädigtenrente die Beurteilung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolgen anerkannten körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen, S. 2 der Vorschrift. Nach § 30 Abs. 1 Satz 3 sind Vorübergehende Gesundheitsstörungen nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt nach § 30 Abs. 1 Satz 4 ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. § 31 BVG lässt einen Rentenanspruch ab einem GdS von 30 zu.
Vorliegend geht es um die Versorgung nach einem Angriff gegen eine andere Person.
Sie ist möglich, wenn das Miterleben einer Gewalttat ggf. unter Bedrohung der eigenen Person oder die Auffindung eines emotional nahestehenden schwer oder gar tödlich verletzten Menschen oder die unerwartete Nachricht vom gewaltsamen Tod eines Angehörigen bleibende Gesundheitsstörungen verursacht. Ganz grundsätzlich ist ein Versorgungsanspruch in solchen Fällen eine rechtlich und medizinisch sorgfältig begründungpflichtige Ausnahme, nicht jedoch eine erwartbare und lebenslange Regelleistung etwa im Sinne eines Schmerzensgeldsanspruches für die als selbstverständlich angenommene Beeinträchtigung der Lebensfreude durch den Verlust von Vater, Mutter, Partner oder Kind. Der in diesem Zusammenhang anerkannte sogenannte Schockschaden, wie ihn eine ältere Terminologie aus Zeiten vor der Definition der posttraumatischen Belastungsstörung immer noch nennt, setzt, wie die Bezeichnung schon sagt, einen schweren Schrecken voraus, der etwa bei hoch aggressiven und insbesondere bewaffneten Angriffshandlungen gegen eine Person in unmittelbarer körperlicher Nähe oder beim Auffinden einer schwer verletzten oder getöteten engen Bezugsperson auftreten kann.
Es ist nur allzu wahrscheinlich, dass nach einem solchen Ereignis mit dem Erleben von Gewalt, dem Hören von Schüssen und Geschrei, dem Anblick von schweren Verletzungen und Blut für eine gewisse Zeit eine krankheitswertige Übersensibilität gegenüber sämtlichen Signalreizen verbleibt, die etwa von Polizeiautos und Notarztwägen mit Blaulicht, von unsanften Rempeleien in der Öffentlichkeit, von plötzlichen lauten Geräuschen oder von blutenden Wunden ausgehen.
Ein solches Schockerlebnis hat der Kläger jedoch nicht erlitten. In einer Abstufung von eigener Verletzung über die miterlebte Verletzung anderer Personen handelt es sich vorliegend um ein nochmals abgeleitetes Miterleben im Sinne der Angst um Angehörige. Es steht außerhalb jeden Zweifels, dass die Sorge um Angehörige, von deren aktueller Gefährdung durch Flugzeugentführung, Terroranschlag, Amoklauf oder räuberischer Geiselnahme man gegenwärtig aufgrund von Handybotschaften oder Medien weiß, zu den größten vorstellbaren Stresssituationen gehört. Das Gericht kann den Kläger und seine Familie nur um Verständnis dafür bitten, dass der Schutzbereich des OEG hier seine Grenzen hat. Allein schon mit der von der Krankenkasse zu finanzierenden Psychotherapie lässt der Sozialstaat die Bürger und so auch den Kläger jedoch nicht allein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben