Medizinrecht

Zur Arzthaftung bei einer Darmspiegelung mit Darmperforation

Aktenzeichen  5 U 1216/15

Datum:
29.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 112715
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280 Abs. 1, § 282, § 241 Abs. 2, § 249, § 253, § 823

 

Leitsatz

1. Die Durchführung einer Koloskopie ist mit einem gewissen, wenn auch geringem, Risiko verbunden, trotz kunstgerechten Vorgehens eine Darmverletzung zu verursachen, wobei die Vornahme einer Polypentfernung dieses Risiko erhöht. Der Patient muss hierüber grundsätzlich aufgeklärt werden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Da die Durchführung einer Zweitkoloskopie im Abstand von drei Tagen zu einer Erstkoloskopie, die auch eine Polypektomie umfasst hatte, kein erhöhtes Perforationsrisiko mit sich bringt, brauchte der Patient hierüber auch nicht aufgeklärt zu werden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 O 8835/09 2015-06-11 Endurteil LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

I.
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11.06.2015, Az.: 4 O 8835/09, wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Dieses Urteil sowie das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11.06.2015 sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Gründe

II.
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11.06.2015 ist zulässig. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Der Senat unterstellt dabei den noch nicht verbeschiedenen Protokollberichtigungsantrag des Klägers als begründet, geht also davon aus, dass der vom Senat ergänzend angehörte Sachverständige Dr. … die fragliche Äußerung so getätigt hat, wie vom Kläger behauptet.
1. Nach ergänzender Beweiserhebung teilt der Senat insgesamt die Auffassung des Landgerichts, der Kläger habe Behandlungsfehler nicht bewiesen. Dies gilt insbesondere für den zweiten koloskopischen Eingriff am 23.10.2006.
a) Für einen Behandlungsfehler bereits bei der ersten Koloskopie am 20.10.2006 gibt es, wie das Landgericht zutreffend ausführt, keine Anhaltspunkte. Es steht schon nicht fest, dass die Darmperforation bereits bei diesem diagnostischen und zugleich therapeutischen Eingriff verursacht worden ist, wenngleich dies durchaus möglich ist (so der Sachverständige Prof. Dr. … in seinem Gutachten vom 02.06.2010; Bl. 90-96 d. A.), wobei dieser Sachverständige allerdings der Auffassung zuzuneigen scheint, die Perforation sei bei der zweiten Koloskopie aufgetreten (Anhörung vom 07.02.2011, Bl. 122-126 d. A.). Möglicherweise hat der Sachverständige Prof. Dr. … hiermit allerdings nur ausdrücken wollen, dass die Vollendung der Perforation am 23.10.2006 eingetreten ist, wie es der chirurgische Sachverständige Prof. Dr. … in seinem Gutachten vom 28.01.2012 auf Seite 18 (Bl. 172 d. A.) erläutert hat (Schwächung der Darmwand durch elektrothermische Polypenabtragung am 20.10.2006, letztliche Perforation durch Lufteinbringung am 23.10.2006). Der im Ermittlungsverfahren befragte Sachverständige Prof. Dr. … meinte in seinem Gutachten vom 12.09.2007 (Bl. 44 ff., insbesondere S. 51 d. beigezogenen Akten 250 Js 19662/07 der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth) sogar, an der Setzung der Perforation schon am 20.10.2006 bestünden „keine vernünftigen Zweifel“, weil die Perforationsstelle mit der Stelle der vorausgegangenen Polypentfernung übereinstimme (was in der Tat von der Formulierung des histologischen Befundberichtes zumindest nahegelegt wird). Im Widerspruch hierzu führte der Sachverständige Dr. … in seinem Ergänzungsgutachten vom 25.06.2014 -dort Seite 4 (Bl. 311 d. A.)- aus, es gebe allen Grund, daran zu zweifeln, dass es schon am 20.10.2006 zu einer Perforation gekommen sei. Aber auch dann, wenn davon ausgegangen wird, dass am 20.10.2006 zumindest die eigentliche Ursache der Perforation gesetzt worden war, etwa durch eine elektrothermische Schädigung der Darmwand, die erst in der Folgezeit -durch fortschreitende Nekroseeine Verbindung zwischen Darminnenraum und Bauchhöhle hat entstehen lassen, bedeutet dies nicht die Feststellung eines Behandlungsfehlers. Nach einhelliger Darstellung sämtlicher Sachverständiger – und dem Senat auch aus anderen Rechtsstreitigkeiten bekannt – ist die Durchführung einer Koloskopie mit einem gewissen, wenn auch geringem, Risiko verbunden, trotz kunstgerechten Vorgehens eine Darmverletzung zu verursachen, wobei die Vornahme einer Polypentfernung dieses Risiko erhöht. Dementsprechend wird ein Patient hierüber grundsätzlich aufgeklärt. Auch sprach medizinisch nichts dagegen, den entdeckten Polypen sogleich -im Vorschub des Endoskops-zu entfernen (Gutachten des Sachverständigen Dr. … vom 20.02.2014, Seite 5, Bl. 284 d. A.).
b) Die Feststellung des Landgerichts, auch hinsichtlich der zweiten Koloskopie am 23.10.2006 habe sich ein Behandlungsfehler nicht nachweisen lassen, ist nicht zu beanstanden. Sie stützt sich auf die einhellige Auffassung sämtlicher vom Landgericht befragter Gutachter. Danach gab es keinen Grund, zwischen der ersten Koloskopie und der zur Vervollständigung bestimmten zweiten Koloskopie einen größeren zeitlichen Abstand einzuhalten als im Streitfall geschehen. Der Umstand, dass bei dem ersten Eingriff auch ein Polyp entfernt worden war, stellt nach wiederum einhelliger Auffassung der Gutachter keine Kontraindikation bezüglich einer weiteren Koloskopie in kurzem zeitlichen Abstand dar. Der Sachverständige Dr. … hat in seinem Gutachten vom 25.06.2014 nach umfangreichem Literaturstudium seine Auffassung bestätigt, eine kurz zuvor durchgeführte Koloskopie mit Polypektomie werde nirgends als Kontraindikation für einen Zweiteingriff angesehen (Seite 9 des Gutachtens, Bl. 316 d. A.). Dies mag verwundern, denn die Vorstellung, eine elektrothermische Polypenentfernung könne eine Schwächung der Darmwand (ohne Perforation) verursachen, aus der sich bei einer weiteren Koloskopie in kurzem zeitlichen Abstand dann eine Perforation entwickeln könne, erscheint nicht nur einem medizinischen Laien durchaus plausibel, sondern offensichtlich auch dem Sachverständigen Prof. Dr. … (S. 18 seines Gutachtens vom 28.01.2012, bereits zitiert). Angesichts des vom Sachverständigen dargestellten völligen Fehlens entsprechender Warnhinweise oder gar der Darstellung einer entsprechenden Kontraindikation in der medizinischen Literatur sowie der von den Sachverständigen Prof. Dr. … und Dr. … übereinstimmend bekundeten Meinung, sie selbst hätten keinerlei Bedenken getragen, so vorzugehen wie der Zweitbeklagte, lässt sich aber nicht feststellen, dass das Vorgehen des Beklagten zu 2) einen Verstoß gegen den medizinischen Standard dargestellt hat.
Nicht näher befasst hat sich das Landgericht allerdings mit der Frage, ob es einen Fehler dargestellt hatte, die Zweitkoloskopie am 23.10.2006 vorzunehmen, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Untersuchungsbefund hinsichtlich des drei Tage zuvor entnommenen Polypen noch nicht vorlag. Freilich hatte der Kläger erstinstanzlich den Vorwurf, die Zweitkoloskopie sei zu früh erfolgt, nicht gerade auf diesen Gesichtspunkt gestützt, der allerdings nach Auffassung des Senats keineswegs fern liegt, wäre doch, wie in der Berufungsbegründung in nachvollziehbarer Weise dargelegt, bei einem anderen Vorgehen die Entscheidungsgrundlage für den Operateur der Notoperation verbessert worden, was im Fall des Klägers dazu geführt hätte, dass die Sigma-Teilresektion nicht unter onkologischen Gesichtspunkten hätte erfolgen müssen und wohl auch nicht erfolgt wäre. Der deshalb vom Senat ergänzend angehörte Sachverständige Dr. … hat jedoch ausdrücklich erklärt, dass in der medizinischen Literatur ebenso wie in der dem Sachverständigen bekannten Praxis -insbesondere in der eigenen Klinik des Sachverständigendiesem Gesichtspunkt keine Bedeutung beigemessen werde, weil das Risiko der Perforation sehr gering sei, andererseits das Hinausschieben des Zweiteingriffes bis zum Vorliegen des histologischen Befundes für den Patienten die Unbequemlichkeit mit sich bringe, erneut eine vollständige Darmreinigung durchführen zu müssen. Somit bleibt es auch unter dem zusätzlichen Gesichtspunkt des Nichtabwartens des histologischen Befundes bei der Verneinung eines Behandlungsfehlers am 23.10.2006. Dass eine Perforation nicht zwingend im Zuge der Koloskopie selbst erkannt werden muss, haben die Sachverständigen übereinstimmend ausgeführt, so dass dem Beklagten zu 2) auch unter diesem Gesichtspunkt kein Vorwurf gemacht werden kann, was auch für die Koloskopie vom 20.10.2006 gilt, sollte die Perforation hierbei eingetreten sein.
c) An der Richtigkeit der Feststellung des Landgerichts, die Notoperation am 23.10.2006 sei in ihrem konkreten Ausmaß indiziert gewesen, bestehen keine Zweifel. Diese Feststellung stützt sich auf die eindeutige Beurteilung des chirurgischen Sachverständigen Prof. Dr. … in seinem Gutachten vom 28.01.2012 (dort insbesondere Seiten 21 und 22, Bl. 175/176 d. A.). Entgegen der nun vom Kläger in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung zwang der Umstand, dass derDarm im Bereich der Perforationsstelle bereits entzündliche Veränderungen aufwies, wie aus dem Operationsbericht ersichtlich, zur Resektion eines gewissen Abschnitts des Darmes; ein bloßes Übernähen hätte nicht genügt. Bereits daraus ergab sich auch die Indikation zur Anlage des protektiven Ileostomas zum Schutz der Verbindungsstelle (Anastomose) während der Heilungsphase. Auch der Sachverständige Dr. … ist dieser Auffassung, wie er bei der ergänzenden Anhörung durch den Senat erläutert hat. Gleicher Meinung war bereits der Sachverständige Prof. Dr. … in seinem für die Staatsanwaltschaft erstatteten Gutachten. Mit der Resektion eines Darmabschnittes verbunden war -unabhängig von der Frage der onkologischen Indikationdie Entfernung der zugehörigen Lymphknoten, wie der Sachverständige Dr. … klarstellend dem Senat erläutert hat; die Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. … auf Seiten 21/22 seines Gutachtens vom 28.01.2012 sind insoweit missverständlich formuliert, als sie den Eindruck erwecken können, die Segmentresektion in der Form der sog. tubulären Resektion, nicht der onkologischen Resektion, umfasse die Lymphknotenentfernung nicht; diese ist aber auch bei der tubulären Resektion absolut üblich.
Dass angesichts der Ungewissheit über eine etwaige Malignität des kurz zuvor entfernten Polypen bei der Operation am 23.10.2006 die gegenüber der tubulären Resektion erweiterte onkologische Resektion durchgeführt wurde, ist, wie das Landgericht festgestellt hat, ebenso wenig zu beanstanden. Der Sachverständige Prof. Dr. … hat dieses Vorgehen ausdrücklich als dem Standard entsprechend bezeichnet; der Sachverständige Prof. Dr. … sprach von einem „umsichtigen Vorgehen“. Sollte die Resektionslänge von ungefähr 30 cm (wie dem histologischen Befund zu entnehmen) aus dem Gesichtspunkt der onkologischen Resektion gewählt worden sein, wäre bei der tubulären Resektion also ein kürzeres Darmstück entfernt worden – und damit auch ein kleinerer Teil des Lymphsystems -, so hätte sich dies für den Kläger nicht ausgewirkt (so der Sachverständige Dr. … bei der Anhörung durch den Senat). Dass die onkologische Resektion darüber hinaus, also unabhängig von der Länge des resezierten Darmabschnitts, einen größeren Eingriff in das Lymphsystem gegenüber der nicht-onkologischen Resektion bedeutete, kann der Senat dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. … nicht entnehmen. Sollte der Sachverständige Dr., wie mit dem Protokollberichtigungsantrag behauptet, sich dahin geäußert haben, dass der Operationsbericht vom 23.10.2006 ergebe, dass keine Segmentresektion erfolgt sei, bei der nur die Lymphgefäße des entfernten Darmteiles mitentfernt würden – d. h. tatsächlich größere Anteile des Lymphsystems entfernt worden seien -, bestünde zwar wohl eine Abweichung vom Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr.. An der Feststellung, dass der Eingriff am Nachmittag des 23.10.2006 in dem konkret erfolgten Umfang medizinisch indiziert war, könnte dies aber nichts ändern.
2. Auch hinsichtlich der Aufklärungsrüge schließt sich der Senat dem Landgericht an.
a) Da nach den Feststellungen des Landgerichts, gestützt auf die Aussagen der Gutachter, die Durchführung einer Zweitkoloskopie im Abstand von drei Tagen zu einer Erstkoloskopie, die auch eine Polypektomie umfasst hatte, kein erhöhtes Perforationsrisiko mit sich bringt, brauchte der Kläger vor dem Eingriff vom 23.10.2006 hierüber auch nicht aufgeklärt zu werden. Unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit der erteilten Eingriffseinwilligung ist es, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, auch nicht von Bedeutung, ob dem Kläger bereits vor der Zweitkoloskopie die Tatsache der Polypentfernung am 20.10.2006 mitgeteilt worden war, denn dies hätte zu der Entscheidung des Klägers, ob er die Zweitkoloskopie durchführen lassen oder sie zumindest zeitlich verschieben solle, unter medizinischen Gesichtspunkten nichts beizutragen vermocht. Die gegenteilige Argumentation des Klägers in der Berufungsbegründung unterstellt wiederum ein durch die Polypektomie verursachtes erhöhtes Perforationsrisiko, von dem aber, wie dargelegt, gerade nicht auszugehen ist.
b) Die Feststellung des Landgerichts, auch die Einwilligung des Klägers in den Eingriff am Nachmittag des 23.10.2006 sei in wirksamer Weise erteilt worden, ist nicht zu beanstanden. Der hierzu vom Landgericht vernommene Zeuge Dr., der das Aufklärungsgespräch mit dem Kläger geführt hatte, konnte sich an dieses Gespräch erinnern und gab an, mit dem Kläger sei ein „Vorgehen nach Befund“ vereinbart worden, wie es in derartigen Fällen stets erfolge. Dies wird durch die handschriftliche Eintragung des Zeugen in dem Aufklärungsbogen bestätigt und war im Fall des Klägers auch notwendig, da die Operateure nicht wissen konnten, welches Ausmaß die beim Kläger vermutete Peritonitis bereits haben werde und in welchem Umfang der Darm von den zu erwartenden entzündlichen Veränderungen betroffen sein werde, so dass nicht abzusehen war, welche operativen Eingriffe im Einzelnen sich als erforderlich erweisen würden. Dass der Zeuge den Kläger auch darauf hingewiesen habe, „gegebenenfalls.“ müsse nicht nur das perforierte Darmstück, sondern auch ein längeres Darmstück entfernt werden, wie in den Urteilsgründen auf Seite 10 ausgeführt, entspricht allerdings nicht den protokollierten Aussagen des Zeugen Dr.. Dieser hat -zum Fall des Klägers nicht passendausgeführt, bei dem Kläger habe eine Dickdarmgeschwulst vorgelegen, von der nicht bekannt gewesen sei, ob sie gutartig oder bösartig sei; im Sinne des Patienten habe ggf. diese Geschwulst entfernt werden müssen (Seiten 6 und 7 des Protokolls vom 18.02.2010). Sodann verwies der Zeuge auf den Aufklärungsbogen, in dem stehe, dass „gegebenenfalls.“ ein längeres Stück Darm entfernt werde, um die Geschwulst mit zu entfernen. Hier bezog sich der Zeuge ersichtlich nicht auf mündliche Äußerungen, die er selbst dem Patienten gegenüber getan habe, sondern auf eine vorgedruckte Passage auf Seite 1 des Aufklärungsbogens vom 23.10.2006, wo es unter „Operationsverfahren“ im Zuge der Beschreibung des möglichen befundabhängigen Vorgehens auch heißt, eine Geschwulst werde „möglichst sofort -mit Sicherheitsabstandentfernt“. Da der Polyp unklarer Dignität bereits am 20.10.2006 entfernt worden war, was die Operateure ausweislich des Operationsberichts auch wussten, traf diese Passage den Fall des Klägers ersichtlich nicht. Ein entsprechender Hinweis darauf, dass „gegebenenfalls“ ein längeres Darmstück entfernt werde, findet sich auch nicht in den handschriftlichen Anmerkungen zum Aufklärungsgespräch. Der Fall einer Darmperforation mit der Notwendigkeit der Entfernung eines Darmabschnittes wird in dem vorgedruckten Text nirgends angesprochen. Der Zeuge Dr. … hat jedoch auch angegeben, dass mit dem Kläger darüber gesprochen worden sei, möglicherweise müsse ein Stück Darm entfernt werden. Der Kläger wusste also, dass „befundabhängig“ auch die Entfernung eines gewissen Abschnitts des Darmes erfolgen werde, und hat sich mit seiner Operationseinwilligung auch hiermit einverstanden erklärt. Detaillierte Erläuterungen zum Unterschied zwischen einer sog. „tubulären Resektion“ und einer „onkologischen Resektion“ sind nicht erfolgt, waren aber auch nicht erforderlich. Die Sachverständigen haben erläutert, dass dieser Unterschied sich für den Patienten nicht auswirke. Operationstechnische Details, die für die Folgen des Eingriffs – im Sinne einer Belastung des Patienten – nicht von Bedeutung sind, müssen einem Patienten nicht ungefragt erläutert werden. Das gilt auch für die mit der Resektion eines Darmabschnittes verbundene Entfernung von Lymphknoten.
Mit der Berufungsbegründung behauptet der Kläger -abweichend von seinen ursprünglichen Darlegungen in der Klageschrift-, er sei dergestalt aufgeklärt worden, dass für den Fall, dass Hinweise auf ein Karzinom vorhanden seien, die Operation erweitert werden könne. Das bedeutet, wenn es zutrifft, nichts anderes, als dass sich der Kläger mit einer Operationserweiterung für den Fall eines Karzinomverdachts einverstanden erklärt hatte. Ein solcher Verdacht bestand zum Zeitpunkt der Operation durchaus. Die drei Tage zuvor entfernte Schleimhautwucherung hatte eine Größe, bei der eine maligne Entartung durchaus in Betracht zu ziehen war, wie der Sachverständige Prof. Dr. … in seinem Gutachten vom 28.01.2012 auf Seiten 20/21 sowie auf Seite 34 erläutert hat. Eine Entkräftung dieses Verdachts war zum Zeitpunkt der Notoperation am 23.10.2006 noch nicht erfolgt und konnte bei einer sich entwickelnden Peritonitis auch nicht abgewartet werden. Selbst auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens war deshalb das operative Vorgehen im Sinne einer „onkologischen Resektion“ von der erteilten Einwilligung gedeckt.
3. Widersprüche zwischen den Gutachten, die zu einer weiteren Sachaufklärung, insbesondere zur Erholung eines weiteren Gutachtens Veranlassung gäben, liegen nach Auffassung des Senats nicht vor. Wie vorstehend bereits im Einzelnen erörtert, bestehen zwar Meinungsverschiedenheiten zwischen den Sachverständigen zur Entwicklung der Perforation. Diese sind aber, wie ebenfalls dargelegt, weder unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Behandlungsfehlers noch unter dem Gesichtspunkt unzureichender Eingriffsaufklärung oder Risikoaufklärung von entscheidender Bedeutung und brauchten daher nicht ausgeräumt zu werden, abgesehen davon, dass der Senat die – nicht entscheidungserhebliche – eindeutige Klärung des Hergangs der Darmperforation auch von einer weiteren Begutachtung nicht erwartete.
Die Berufung erweist damit als insgesamt unbegründet und wird mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen.
Die Nebenentscheidungen beruhen im Übrigen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
Bei der Streitwertfestsetzung folgt der Senat dem Landgericht. Das Klagevorbringen enthält zwar keine konkreten Anhaltspunkte, die eine Bewertung des Feststellungsantrages mit 50.000,00 € rechtfertigen könnten. Da aber, wie es in der Klagebegründung heißt, der Haftpflichtversicherung der Beklagten in der vorgerichtlichen Korrespondenz der Schadensumfang ausführlich dargelegt worden ist, geht der Senat davon aus, dass die stillschweigende Hinnahme der Streitwertbemessung durch die beklagte Partei hierin ihren Grund hat, dass also der mögliche Erwerbsschaden des Klägers in Verbindung mit einem Haushaltsführungsschaden und weiteren Schadenspositionen einen Umfang erreicht, der die Bewertung mit 50.000,00 € rechtfertigt.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben