Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anfechtung eines Wohnungeigentümerbeschlusses

Aktenzeichen  484 C 28968/15 WEG

Datum:
5.7.2016
Fundstelle:
ZMR – 2016, 815
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG §§ 10 Abs. 3, Abs. 4, § 24 Abs. 4 S. 2, § 43 Abs. 1 Nr. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages
IV. Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt

Gründe

Die Klage ist zulässig.
Das Wohnungseigentumsgericht ist gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG zuständig. Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage. Jeder Wohnungseigentümer hat ein Recht auf ordnungsgemäße Verwaltung und auch ein Recht darauf, dass sämtliche gefassten Beschlüsse ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Daher besteht ein Beschlussanfechtungsrecht, unabhängig davon, ob bereits ein rechtskräftiger Vergleich abgeschlossen wurde, denn die Beschlussanfechtungsklage hätte mögliche Auswirkungen für etwaige Folgeprozesse.
Die Klage ist aber unbegründet.
Aus den von der Klagepartei vorgetragenen Gründen konnte der Beschluss nicht für ungültig erklärt werden. Die Beklagtenpartei hat unwidersprochen vorgetragen, dass sie die Ladung vom 20.10.2015 am selben Tage in die Briefkästen der Wohnungseigentümer eingeworfen hat. Damit ginge die Ladung rechtzeitig innerhalb der 14 Tagesfrist des § 24 Abs. 4 S. 2 WEG zu. Der von der Klagepartei erhobene Rüge der nicht rechtzeitigen der Ladung bezog sich lediglich auf den Fall, dass hier eine Ladung per Post erfolgt sei, jedoch nicht auf eine Ladung die durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt wurde. Die Ladungsfrist ist demnach eingehalten.
Der Beschluss ist auch nicht zu unbestimmt. Der Beschluss ist auszulegen. Hinsichtlich der Auslegung von Eintragungen im Grundbuch und der dort in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung, Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung ist bereits entschieden, dass maßgebend dabei der Wortlaut der Eintragung und ihr Sinn ist, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt; Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH NJW 1993, 1329; BGHZ 1991, 1613; Bärmann-Pick-Merle, §§ 10 Rdnr. 53;). Entsprechendes muss für die Auslegung von Eigentümerbeschlüssen gelten, die auch für Sondernachfolger gelten sollen. Denn sie wirken auch ohne Eintragung in das Grundbuch wie Grundbucherklärungen für und gegen sie gem. §§ 10 Absatz III, Absatz IV WEG. Es besteht daher wie bei der Gemeinschaftsordnung ein Interesse des Rechtsverkehrs, die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu können. Die Beschlüsse sind deshalb „aus sich heraus“ – objektiv und normativ – auszulegen (BayObLG, WE 1987, 14; KG, OLGZ 1981, Seite 307: Bärmann-Pick-Merle, §§ 23 Rdnr. 44). Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind, z.B. weil sie sich aus dem – übrigen – Versammlungsprotokoll ergeben (BGH, Beschluss vom 10.9.1998 – V ZB 11 – 98 in NJW 1998, 3713).
Durch den Beschluss wird gerade nicht der zwischen den WEG Mitgliedern und der ehemaligen Hausverwaltung abgeschlossene Vergleich genehmigt, sondern der Beschluss besagt lediglich, dass die Vergleichsverhandlungen von Rechtsanwalt … und Herrn … berechtigt waren, wobei die Betonung auf dem Wort „Vergleichsverhandlungen“ liegt. Wäre der bereits zu diesem Zeitpunkt abgeschlossene Vergleich genehmigt worden, so hätte dies ausdrücklich in dem Beschluss niedergelegt werden müssen, insofern als der der Vergleichswortlaut sich konkret aus dem Beschluss hätte ergeben müssen oder wenigstens auf eine Anlage, die den Vergleichstext beinhaltet, hätte Bezug genommen werden müssen. Da in dem Beschluss keinerlei Bezugnahme auf den Vergleichswortlaut erfolgt ist, wurde auch kein diesbezüglicher Vergleichsabschluss genehmigt. Lediglich die Verhandlungen wurden durch den Beschluss genehmigt. Dazu waren jedoch die Wohnungseigentümer berechtigt. Die Wohnungseigentümer haben einen weiten Ermessensspielraum, wie sie die Vergleichsverhandlungen führen möchten und können deshalb auch die Durchführung von Vergleichsverhandlungen genehmigen.
Die Klage war daher als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Mangels anderer Anhaltspunkte kommt hier der mittlere Regelstreitwert von 5.000 € zur Anwendung


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