Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung- Rechtsmäßigkeit einer Berichtigung des Melderegisters

Aktenzeichen  M 13 E 17.1775

Datum:
20.7.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 163009
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BMG § 6 Abs. 1 S. 1, § 9 Nr. 2, § 12, § 12, § 20, § 27 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten sich um die Rechtmäßigkeit einer Berichtigung des Melderegisters.
Durch eine Mitteilung des Kriminalfachdezernates 5 in … erfuhr die Antragsgegnerin, dass die Adresse „… Str. …, … …“ aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichtes … durchsucht worden ist. Bei der Durchsuchung sei festgestellt worden, dass der Antragsteller, seine Ehefrau und ein im Jahr 2014 geborenes Kind dort nicht wohnhaft seien. Es wurde weiter mitgeteilt, dass aufgrund weiterer Ermittlungen anderer Dienststellen die streitgegenständliche Wohnung an Medizintouristen untervermietet werde.
Der Antragsteller wurde am 22. September 2016 von Amts wegen von der Antragsgegnerin aus der Meldeadresse „… Str. …, … …“ abgemeldet.
Am 29. November 2016 und 20. April 2017 sprach der Antragsteller bei der Antragsgegnerin vor und gab an, dass er seit dem Jahr 2000 durchgehend mit seiner Familie in der streitgegenständlichen Wohnung wohnhaft sei. Er beantragte, dass seine Meldeverhältnisse dahingehend berichtigt werden. Dies lehnte die Antragsgegnerin ab.
Der Antragsteller erhob am 26. April 2017 Klage mit dem Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Melderegister dahingehend zu berichtigen, dass die durchgeführte Abmeldung des Klägers rückgängig gemacht werde, sodass der Kläger in der Anschrift „… Str. …“ in … ununterbrochen mit Wohnsitz gemeldet ist (Az.: M 13 K 17.1793). Gleichzeitig beantragt der Antragsteller,
die Antragsgegnerin vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, das Melderegister zu berichtigen, indem sie die am 22. September 2016 von Amts wegen durchgeführte Abmeldung des Antragstellers rückgängig macht, sodass der Antragsteller in der Anschrift … Str. … in … … ununterbrochen mit Wohnsitz gemeldet ist.
Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, dass der Antragsteller Mieter des Anwesens … Str. … im 4. Stock sei. Die Vermieterin sei die … … … … mbH. Der schriftliche Mietvertrag stamme vom 14. März 2000. Am 22. September 2016 sei der Antragsteller ohne Gelegenheit zur Stellungnahme durch die Antragsgegnerin von Amts wegen abgemeldet worden. Hintergrund sei ein Ermittlungsverfahren der Kriminalpolizei gewesen, welches am 22. September 2016 zu einer Wohnungsdurchsuchung der Wohnung geführt habe. Am 28. November 2016 habe der Antragsteller die Vermieterin um Ausstellung einer Vermieterbescheinigung ersucht, um eine Korrektur der fehlerhaften Abmeldung vorzunehmen. Die Vermieterin habe sich geweigert mit der Begründung, sie wäre lediglich nur verpflichtet, den Neueinzug in eine Wohnung zu bestätigen, nicht aber, eine Bestätigung während eines Mietverhältnisses auszustellen. Am 23. Februar 2017 habe der Antragsteller bei der Antragsgegnerin vorgesprochen, um eine Berichtigung des Melderegisters zu erreichen. Diese habe die Antragsgegnerin jedoch von einer Vermieterbestätigung abhängig gemacht. Mit Klage vom 8. März 2017 habe der Antragsteller beim Amtsgericht … Klage gegen die Vermieterin auf Ausstellung einer Vermieterbescheinigung erhoben. Über die Klage sei noch nicht entschieden. Am 20. April 2017 habe der Antragsteller erneut bei der Antragsgegnerin unter Hinweis auf die Klage beim Amtsgericht … bezüglich der Meldeverhältnisse vorgesprochen. Das Melderegister sei nicht berichtigt worden. Das Melderegister sei fehlerhaft. Der Antragsteller habe die Wohnung zweifelsfrei bezogen und benutzt. Dem stehe nicht entgegen, dass Polizeibeamte am 22. September 2016 gegen 8.00 Uhr morgens festgestellt haben wollen, dass der Antragsteller dort nicht wohne. Es sei nicht zutreffend, dass der Antragsteller die Wohnung deshalb nicht nutzte, weil er am 22. September 2016 dort nicht angetroffen worden sei. Entgegen der Aussage der Polizeibeamten seien in der Wohnung zahlreiche Gegenstände des Antragstellers, die eine Nutzung der Wohnung durch den Antragsteller belegten. Selbst wenn der Antragsteller am 22. September 2016 ausgezogen gewesen wäre, so bedeute dies nicht, dass er die Wohnung nicht mehr als Wohnsitz nutze. Bereits aus § 27 Abs. 2 Bundesmeldegesetz (BMG) ergebe sich, dass eine bis zu 6 Monate andauernde Unterbrechung der Nutzung einer Wohnung durch den Einwohner nicht bedeute, dass er von dort abzumelden sei. Ein Anordnungsgrund sei ebenfalls gegeben. Dem Antragsteller und seiner Familie drohten ohne die begehrte Anordnung wesentliche Nachteile. Das Standesamt in München habe zunächst dem Neugeborenen des Antragstellers wegen des fehlenden Wohnsitzes die Geburtsurkunde verweigert. Zudem habe sich das Standesamt München wegen der ungeklärten Meldeverhältnisse am 20. April 2017 geweigert, die deutsche Staatsbürgerschaft des Kindes in das Geburtenregister einzutragen. Dadurch habe kein Reisepass für das Kind ausgestellt werden können. Auch könne der Antragsteller derzeit seinen Personalausweis als österreichischer Staatsbürger nicht verlängern, da die dortigen Behörden eine Meldebescheinigung hierfür bräuchten. Darüber hinaus könnten eigene Ansprüche (wie beispielsweise Kindergeld, etv.) nicht geltend gemacht werden. Ladungen und Gerichtsentscheidungen seien im Übrigen hinsichtlich der seit Jahren anhängigen Verfahren immer an die streitgegenständliche Adresse zugestellt worden. Unzutreffend sei die Behauptung der Antragsgegnerin, der Antragsteller würde die verfahrensgegenständliche Wohnung illegal an Medizintouristen vermieten.
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 22. Mai 2017, den Antrag abzuweisen.
Die Abmeldung des Antragstellers, seiner Ehefrau und seines dreijährigen Sohnes von der streitgegenständlichen Wohnadresse sei von Amts wegen aufgrund einer Mitteilung des Kriminalfachdezernats 5 … erfolgt, wonach der Antragsteller jedenfalls seit dem 22. September 2016 dort nicht mehr wohne. Weil der derzeitige Aufenthalt des Antragstellers nicht ermittelt hat werden können, habe er nicht zur Klärung seiner Meldeverhältnisse befragt werden können. Die Polizei habe mit richterlichem Beschluss die Wohnung durchsucht. Bei dieser Durchsuchung hätten die Polizeibeamten keinerlei Hinweise auf eine Nutzung durch den Antragsteller gefunden. Insbesondere seien keinerlei Kleidungsstücke oder persönliche Gegenstände des Antragstellers gefunden worden. Ebenso wenig seien Hinweise darauf gefunden worden, dass die Ehefrau und/oder der dreijährige Sohn des Antragstellers die Wohnung benutzen könnten. Der Antragsteller habe daraufhin zweimal persönlich die Berichtigung des Melderegisters beantragt. Dem konnte jedoch nicht nachgekommen werden, da der Antragsteller keine Nachweise für seine der polizeilichen Mitteilung wiedersprechende Behauptung vorgelegt habe (§ 25 Nr. 2 BMG). Der vorgelegte Mietvertrag sei nicht geeignet, den tatsächlichen Aufenthaltsort nachzuweisen. Gerade im Fall des Antragstellers seien der Antragsgegnerin, Amt für Wohnen und Migration, mindestens acht durch ihn angemietete Wohnungen in München bekannt. Dies allein beweise, dass von einem bestehenden Mietverhältnis nicht auf den tatsächlichen Wohnort geschlossen werden könne. Der Antragstellerin sei im Übrigen nunmehr bekannt geworden, dass die Ehefrau des Antragstellers beim Gewerbeamt … am 15. September 2015 die „… Str. …“ in … als aktuelle Wohnadresse angegeben habe. Die Wohnungsgeberin des Antragstellers, die …, habe gegenüber der Antragsgegnerin bestätigt, dass der Antragsteller bei der Wohnungsübergabe anwesend gewesen sei, den Einzug bzw. die Nutzung im Sinne des Bundesmeldegesetzes habe sie jedoch nicht bestätigt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten (auch im Verfahren M 13 K 17.1793), insbesondere den Durchsuchungsbericht und die Lichtbildtafel vom 22. September 2016 sowie die eidesstattlichen Versicherungen des Antragstellers, ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag ist unbegründet. Hierbei kann offenbleiben, ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund geltend machen kann. Jedenfalls fehlt es an einer Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches.
Eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO darf nur ergehen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat danach sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Das Gericht kann jedoch dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache nur dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Es spricht ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit gegen einen Erfolg des geltend gemachten Begehrens in einem Hauptsacheverfahren. Zwar kann im gegenwärtigen Stand des Eilverfahrens der Ausgang eines etwaigen Hauptsacheverfahren noch nicht abschließend beurteilt werden, jedoch spricht der Akteninhalt überwiegend für die Richtigkeit der nach § 6 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BMG erfolgten Abmeldung, so dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Eintragung der von ihm begehrten Anmeldung in der „… Str. …“ gemäß § 9 Nr. 2 i.V.m. § 12 BMG hat.
Aufgrund der polizeilichen Feststellungen durfte die Meldebehörde davon ausgehen, dass der Kläger die im Melderegister gespeicherte Wohnung ab dem 22. September 2016 im melderechtlichen Sinne nicht mehr bewohnte und deshalb die Wohnung im Register zu löschen war.
Eine Anmeldung setzt das Beziehen einer Wohnung voraus. Hierbei handelt es sich um den Beginn der tatsächlichen Benutzung einer Wohnung. Eine Berechtigung zur Benutzung ist dabei unerheblich. Zusätzlich muss die Absicht bestehen, die Wohnung für einen nicht unerheblichen Zeitraum zu benutzen (vgl. insgesamt allg. VwV zur Durchführung des BMG, Nr. 17.1.1). Auszug bedeutet das tatsächliche, endgültige Verlassen einer Wohnung. Kein Auszug, sondern lediglich eine vorübergehende Unterbrechung der Benutzung einer Wohnung liegt vor, wenn die Absicht und die tatsächliche Möglichkeit bestehen, die Benutzung der Wohnung fortzusetzen (vgl. allg. VwV zur Durchführung des BMG, Nr. 17.2.2). „Beziehen“ bedeutet, dass der Betreffende tatsächlich in die Wohnung einzieht, sie also tatsächlich benutzt, und zwar – wie sich aus § 20 BMG ergibt – zum Wohnen und/oder Schlafen. Unter Wohnen ist zu verstehen, dass eine Wohnung für die Angelegenheiten des täglichen Lebens wie Aufhalten, Essen und Schlafen benutzt wird (Böttcher/Ehmann, MeldeG (seit 31.10.2015 außer Kraft) nunmehr BMG, Art. 13 Rn. 23).
Es kommt daher nicht, wie der Antragsteller meint, auf die Berechtigung zum Wohnen, also den Mietvertrag, an. Die Meldepflicht knüpft sich an rein tatsächliche Vorgänge. Die Berechtigung zum Beziehen bzw. zum Bewohnen einer Wohnung – sei es auf privatrechtlicher oder auf öffentlich-rechtlicher Grundlage – ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Der melderechtliche Wohnungsbegriff berücksichtigt allein die tatsächlichen und nicht die rechtlichen Verhältnisse.
Bei der streitgegenständlichen Wohnung handelt es sich um eine 1 ½ Zimmerwohnung mit ca. 43 m². Aus dem Durchsuchungsbericht der Polizei vom 22. September 2016 ergibt sich, dass der Name des Antragstellers am Klingelbrett und am entsprechenden Briefkasten angebracht war. Nachdem die Wohnung durch einen Schlüsseldienst um 8.00 Uhr morgens geöffnet wurde, stellten die Polizeibeamten fest, dass die Wohnung möbliert, gereinigt und unbewohnt war. Sowohl aus der Lichtbildmappe als auch aus den Feststellungen der durchsuchenden Beamten ergibt sich, dass die Wohnung nicht durch den Antragsteller mit Familie bewohnt wurde. Im freizugänglichen Bereich wurden keinerlei persönliche Gegenstände festgestellt und auch insgesamt machte die Wohnung den Eindruck einer Ferienwohnung, die zeitweilig vermietet wird. Keinerlei persönliche Gegenstände wie z.B. Kleidung, Spielzeug oder Kosmetikartikel wurden festgestellt, die auf eine dauerhafte Benutzung durch den Antragsteller hindeuten würden. Auch Lebensmittel als Gegenstände des täglichen Bedarfs waren nicht vorhanden. Dadurch ist belegt, dass der Antragsgegnerin seit diesem Zeitpunkt konkrete Anhaltspunkte für die Annahme vorlagen, der Antragsteller mit Familie halte sich nicht unter dieser gemeldeten Adresse auf.
Hat die Meldebehörde – wie hier – begründeten Anlass zu der Annahme, eine gemeldete Person halte sich nicht mehr unter der Meldeadresse auf, so genügen das spätere Bestreiten der Richtigkeit der meldebehördlichen Feststellungen seitens der von Amts wegen nach unbekannt abgemeldeten Person unter Vorlage bloßer Mietbestätigungen oder dergleichen nicht zur Glaubhaftmachung der Behauptung, sich im fraglichen Zeitraum tatsächlich vorwiegend im Sinne der melderechtlichen Vorschriften unter der Meldeadresse aufgehalten zu haben (vgl. OVG Saarlouis, B. v. 23.11.2006 – Az. 1 W 36/06 – juris). Dass der Antragsteller demgegenüber lediglich, teilweise auch durch eidesstattliche Versicherungen, pauschal behauptet, weiterhin unter der früheren Meldeadresse zu wohnen, genügt für ein substantiiertes Bestreiten der auf Tatsachen beruhenden Feststellung, dass der Antragsteller in der streitgegenständlichen Wohnung nicht wohnt, nicht. So wird beispielsweise weder durch den Antragsteller konkret aufgeführt, welche persönlichen Gegenstände in der Wohnung zu finden gewesen wären, noch eine Erklärung dafür abgegeben, warum der Kläger mit Familie am 22. September 2016 um 8.00 Uhr morgens in seiner Wohnung nicht anzutreffen gewesen ist. Auch die Annahmen des Antragstellers, er müsse nur den Willen haben, sich in der Wohnung niederzulassen, um dort melderechtlich zu wohnen, ist nicht richtig. § 27 Abs. 2 BMG ist auf die Konstellation des Antragstellers nicht anwendbar. Ebenfalls genügt es nicht für einen melderechtlichen Wohnsitz, wenn die Wohnung als „Zustelladresse“ verwendet wird.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand 2013).


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