Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Auskunftsrecht nach dem Zweckentfremdungsrecht

Aktenzeichen  M 9 K 19.227

Datum:
23.7.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31863
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZwEWG Art. 3 S. 1
ZeS § 12 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Soweit die Klage für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Soweit die Beteiligten die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO analog deklaratorisch einzustellen.
2. Im Übrigen hat die zulässige Anfechtungsklage keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Der Bescheid vom 18. Dezember 2018, nach Aufhebung der Zwangsgeldandrohung zu Protokoll, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage für die Aufforderung in Ziffer 1 des Bescheides ist Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ZwEWG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ZeS. Danach haben die dinglich Verfügungsberechtigten, Besitzerinnen und Besitzer, Verwalterinnen und Verwalter, Vermittlerinnen und Vermittler der Behörde die Auskünfte zu geben und die Unterlagen vorzulegen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Vorschriften des Gesetzes und dieser Satzung zu überwachen. Zwar enthalten weder Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ZwEWG noch § 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ZeS eine ausdrückliche Anordnungsbefugnis; aus der vorgesehenen Auskunftspflicht der Betroffenen folgt aber gleichsam die Befugnis der Behörde eine entsprechende Auskunftsanordnung zu erlassen (VG München, U.v. 12.12.2018 – M 9 K 18.4553 -, juris Rn. 29 ff. und U.v. 12.12.2018 – M 9 K 18.2459 -, juris Rn. 34; vgl. auch VG Freiburg (Breisgau), B.v. 20.5.2020 – 4 K 5017/19 – juris Rn. 52 zum nahezu Wortlaut gleichen dortigen Zweckentfremdungsrecht).
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anordnung sind erfüllt, da ein hinreichender Anfangsverdacht für eine Zweckentfremdung besteht und die Anordnung verhältnismäßig ist.
aa) Aus der Formulierung „erforderlich sind, um die Einhaltung (…) zu überwachen“ der Rechtsgrundlage folgt, dass ein hinreichender Anfangsverdacht für eine Zweckentfremdung als Tatbestandsvoraussetzung gegeben seien muss. Ermittlungen ins Blaue sind nicht von der Rechtsgrundlage umfasst. Vorausgesetzt wird ein personen- oder objektbezogener Anfangsverdacht (BayVGH, B.v. 20.5.2020 – 12 B 19.1648 – juris Rn. 91; BayVGH, B.v. 16.6.2021 – 12 CS 21.1413 – juris Rn. 11). Die der Behörde vorliegenden Anhaltspunkte im Tatsächlichen (vgl. BVerfG, U.v. 2.3.2010, „Vorratsdatenspeicherung“ – 1 BvR 256/08 -, BVerfGE 125, 260-385, Rn. 261) müssen auf eine drohende, hinreichend konkretisierte zweckentfremdungsrechtliche Gefahr hinweisen und damit den Schluss auf einen zeitlich absehbaren Sachverhalt zulassen, der auch einen hinreichend individualisierten Pflichtigen des Auskunftsverlangens erkennen lässt (vgl. BVerfG, B.v. 27.5.2020, „Bestandsdaten II“, – 1 BvR 1873/13 -, BVerfGE 155, 119-238 Rn. 148). Dabei kann die Behörde auch auf allgemeine oder konkrete Erfahrungen zurückgreifen (VG Berlin, U.v. 23.6.2021 – 6 K 90/20 -, juris Rn. 66).
Vorliegend ist ein personen- und objektbezogener Anfangsverdacht gegeben. Allein streitgegenständlich ist das Gebäude in der T.-str. 17. Die Beklagte durfte aufgrund der Aktenlage und dem Internetauftritt der Klägerin davon ausgehen, dass die Klägerin dort im Rahmen ihres Geschäftskonzeptes mit unterschiedlichen Modellen für die Unterbringung in den ca. 100 Wohneinheiten eine Nutzung betreibt, die einen hinreichenden Anfangsverdacht auf eine Zweckentfremdung begründet. Andere Anbieter sind im Anwesen nicht mehr tätig. Der mutmaßliche Zweckentfremder ist demnach namentlich bekannt und das Objekt ist ebenfalls konkret bezeichnet (vgl. für diese Voraussetzungen BayVGH, B.v. 16.6.2021 – 12 CS 21.1413 – juris Rn. 13). Nach Ansicht der Kammer ist dabei unerheblich, dass ohne genaue Kenntnis der derzeitigen Aufteilung der Räumlichkeiten im konkreten Gebäude das Vorliegen von mehreren Wohnräumen mit unterschiedlichen zweckentfremdungsrechtlichen Schicksalen nicht auszuschließen ist. Aufgrund des nach Aktenlage und insbesondere dem Internetauftritt der Klägerin betriebenen Geschäftskonzept der Klägerin für das gesamte Anwesen handelt es sich trotz der bis zu 100 möglichen Wohneinheiten hinsichtlich aller potentiellen Wohnräume um keine Ermittlung ins Blaue hinein. Es handelt sich nur um einen gewerblichen Anbieter, der in einem bestehenden Anwesen nach seinem Internetauftritt für alle Wohneinheiten ein zumindest ähnliches Geschäftskonzept anstrebt. Dieses Geschäftskonzept als Grund für die Gefahr einer Zweckentfremdung begründet einen Anfangsverdacht für das gesamte Anwesen.
Ein hinreichender Anfangsverdacht für eine Zweckentfremdung scheidet nicht deswegen aus, weil eventuell teilweise kein Wohnraum i.S.d. Zweckentfremdungsrecht vorliegen könnte. Denn es ist zu beachten, dass die Anforderung gerade auch der Prüfung des Vorliegens von Wohnraum dient. Erst mit aktuellen Bauplänen und Mietverträgen kann abschließend abgeklärt werden, in welchem Umfang Wohnraum i.S.d. § 3 ZeS vorliegt. Außerhalb der Anwendung des § 14 TMG (zum dort notwendigen positiven Feststehen aufgrund der dortigen Voraussetzung „im Einzelfall“ vgl. BayVGH, B.v. 16.6.2021 – 12 CS 21.1413 – juris Rn. 14) ist es für die Annahme einer konkreten Gefahr ausreichend, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise Wohnraum i.S.d. § 3 ZeS vorliegt. Deswegen muss für die Annahme eines Anfangsverdacht für die Zweckentfremdung noch nicht abschließend feststehen, ob alle im Gebäude vorhandenen vermieteten Einzelräume das Führen eines selbstständigen Haushalts ermöglichen und damit Wohnraum i.S.d. Zweckentfremdungsrecht sind. Die Rechtsgrundlage dient der Sachverhaltsermittlung. Die rechtlichen Anforderungen an den Grad der Konkretisierung des Verdachtes können nicht so weit gehen, dass praktisch bereits vorher feststehen muss, dass eine Zweckentfremdung vorliegt. Denn anderenfalls würde der gesetzliche Auskunftsanspruch eines sinnvollen Anwendungsbereichs beraubt.
Vorliegend besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass es sich bei den meisten Räumlichkeiten um Wohnraum i.S.d. Zweckentfremdungsrecht handelt.
Wohnraum im Sinne der ZeS sind nach § 3 Abs. 1 ZeS sämtliche Räume, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt sind. Dazu zählen auch Werks – und Dienstwohnungen sowie Wohnheime. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ZeS sind Räume objektiv zum Wohnen geeignet, wenn sie alleine oder zusammen mit anderen Räumen die Führung eines selbstständigen Haushalts ermöglich. Die subjektive Bestimmung (erstmalige Widmung oder spätere Umwidmung) trifft die Verfügungsberechtigte bzw. der Verfügungsberechtige ausdrücklich oder durch nach Außen erkennbares schlüssiges Verhalten (§ 3 Abs. 3 Satz 2 ZeS). Diese Definition von Wohnraum in der ZeS entspricht der von der Rechtsprechung entwickelten Definition des Wohnraums i.S.d. MRVerbG vor Geltung des ZwEWG und ist nach der Rechtsprechung des BayVGH, der die Kammer folgt, nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 26.11.2015 – 12 CS 15.2269, BeckRS 2015, 55607 Rn. 12, beck-online). Unter den Wohnraumbegriff im Sinne des Zweckentfremdungsrechts fallen damit alle Räume, die bei Inkrafttreten des Verbots der Zweckentfremdung sowohl nach Anlage und baulicher Ausstattung tatsächlich und baurechtlich (im Sinne materieller Baurechtsmäßigkeit) geeignet waren, auf Dauer bewohnt zu werden (st. Rspr.; vgl. nur BVerwG, U. v. 18.5.1977 – 8 C 44/76 – juris, BVerwG, U. v. 29.11.1985 – 8 C 105/83). Die vom Wohnungsbegriff im Rechtssinne vorausgesetzte objektive Eignung der Räume zum dauerhaften Bewohnen verlangt ausnahmslos als Mindestausstattung einen Kochraum bzw. Kochnische mit Entlüftungsmöglichkeit (vgl. Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBO), Wasserzapfstelle, Spülbecken und Anschlussmöglichkeit für Gas- oder Elektroherd, sowie eine Toilette und ein Bad. Wohnheime sind Wohngebäude, die in ihrer Gesamtheit dem Wohnen dienen, auch wenn die Einzelzimmer für sich isoliert betrachtet keine Wohnungen sind (vgl. Nolte/Thum in: Busse/Kraus, 142. EL Mai 2021, BayBO Art. 46 Rn. 8). Der Wohnraumeigenschaft steht nicht entgegen, dass Küche, Bad und Flur dann nur gemeinsam genutzt werden können (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 26.4.2019 – OVG 5 S 24.18 – juris Rn. 10).
Der Klägerin ist dabei zuzugestehen, dass zumindest zweifelhaft ist, ob es sich bei der mit Bauplan vom 24. April 1951 ursprünglich genehmigten Nutzung von Anfang an um ein Arbeiterwohnheim i.S.d. Zweckentfremdungsrechts gehandelt hat, oder um eine bloße Arbeiterunterkunft. Das Vorliegen eines Wohnheims könnte damals zunächst am Fehlen von ausreichenden Küchen zur gemeinschaftlichen Nutzung bzw. dem Vorhandenseien von Kochmöglichkeiten zur Einzelnutzung gescheitert sein. Nach dem klägerischen Vortrag nutzten die Arbeiter in der Anfangszeit ausschließlich die Kantine der K. M. AG. Im nachträglich ausgebauten Dachgeschoss ist allerdings schon eine Küche für die acht Apartments in den genehmigten Plänen vom 5. Juli 1960 vorgesehen. Für das Vorhandseien von ausreichenden Kochgelegenheiten im Übrigen spricht zudem, dass die Beklagte bereits am 12. Mai 1955 der K. M. AG die Schaffung von 97 Kleinwohnungen durch ihr Arbeiterheim nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Grundsteuerfreiheit und Gebührenfreiheit für den sozialen Wohnungsbau vom 28. November 1949 (GVBL. 1950, FMBl. 1950 S. 41) bestätigt hat. Diese Bestätigung stellt zwar selbst keine baurechtliche Genehmigung von Wohnungen dar, knüpft aber an eine solche an.
Letztlich ist aber nicht entscheidend, ob die ursprünglich baurechtlich genehmigte Nutzung eine Wohnnutzung i.S.d. Zweckentfremdungsrecht darstellt. Vielmehr führt auch die spätere tatsächliche Nutzung als Wohnraum i.S.d. § 3 ZeS zur Anwendung des Zweckentfremdungsrecht, wenn die subjektiven und objektiven Voraussetzungen erfüllt sind (spätere Umwidmung). Jedenfalls hierfür spricht einiges, sodass insoweit ein hinreichender Anfangsverdacht für eine Zweckentfremdung zu bejahen ist.
Die vereinzelt vorgelegenen Mietverträge zeigen, dass auch Wohneinheiten außerhalb des Dachgeschosses inzwischen über Kochgelegenheiten verfügen. Im vorgelegten Mietvertrag vom 26. Juni 1984 (Bl. 52 d. BA) wird ein Mietraum im Erdgeschoss mit Kochnische vermietet. Zudem wirbt die Klägerin für das „Arbeiterwohnheim“ mit teilweise vorhandenen Kochgelegenheiten. Als Indiz für das Vorhandensein von objektiv zum Wohnen geeigneten Räumen spricht auch, dass nach den Meldedaten und den Auskünften bei der Ortsermittlung vom 29. Juni 2018 Bewohner bereits seit Jahren dort die Räume nutzen und somit offensichtlich dort ihre Heimstatt im Alltag haben. Das Gericht kann sich dabei nicht vorstellen, dass bei einer Mietdauer von 6 Jahren (vgl. Bericht über die Aussage der 1. Person bei der Ortsermittlung vom 29. Juni 2018 Bl. 128 d. BA) keine für eine Wohnnutzung ausreichende Kochgelegenheit vorhanden ist. Welche Räume im streitgegenständlichen Gebäude ausreichen, um objektiv ein Wohnen zu ermöglich kann die Beklagte (und auch das Gericht) erst nach Vorlage der aktuellen Pläne und Mietverträge weiter beurteilen. Nur wenn es an der Möglichkeit einen selbständigen Haushalt zu führen seit dem 1. Januar 1972 ohne Unterbrechungen gefehlt hat, liegt nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 ZeS kein Wohnraum vor.
Das Vorliegen von Wohnraum ist ferner nicht nachträglich entfallen. Die bloße Behauptung, dass aufgrund des Vorliegens eines bauplanungsrechtlichen faktischen Industriegebiets nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 9 Abs. 1 BauNVO ein Wohnen nicht mehr zulässig ist, genügt nicht, um den Anfangsverdacht für eine Zweckentfremdung zu verneinen. Dabei gilt es festzuhalten, dass die streitgegenständliche T.-str. 17 weder im nach dem Flächennutzungsplan der Beklagten dargestellten Industriegebiet liegt noch dieser als bloß vorbereitender Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB) eine rechtlich verbindliche Aussage zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Wohnens nach § 34 BauGB trifft. Im Anwendungsbereich des Zweckentfremdungsrecht macht es daneben einen erheblichen Unterschied, ob ein Gebäude in einen absehbaren Nutzungskonflikt erstmals errichtet wird oder lediglich ein Negativattest aufgrund einer für eine Wohnnutzung nachteiligen Veränderung der tatsächlichen Gegebenheiten begehrt wird (BayVGH, B.v. 26.3.2018 – 12 BV 17.1765 – juris Rn. 176). Nachteilige Veränderungen begründen grundsätzlich keinen Anspruch auf ein Negativattest, wenn gegen diese bau-, immissionsschutz- oder zivilrechtlich noch vorgegangen werden kann. Sie können deswegen den Anfangsverdacht für eine Zweckentfremdung nicht ausschließen.
Der Anfangsverdacht für eine relevante Nutzungsänderung durch die Klägerin hin zu einer gewerblichen Fremdenbeherbergung ist gegeben.
Fremdenbeherbergung im Sinne des Zweckentfremdungsrechts bezeichnet die Überlassung von Wohnraum an Personen, die am Beherbergungsort nur vorübergehend unterkommen und die ihre (eigentliche) Wohnung typischerweise an einem anderen Ort haben. Für einen derartigen Aufenthalt ist ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes prägend. Es fehlt an einer „auf Dauer“ angelegten Häuslichkeit im Sinne einer „Heimstatt im Alltag“. Der Aufenthalt zeichnet sich vielmehr durch ein übergangsweises, nicht alltägliches Wohnen bzw. ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen aus. Maßgeblich ist insoweit das jeweils zu Grunde liegende Nutzungskonzept (BayVGH, B.v. 5.5.2021 – 12 CS 21.564 – juris).
Dabei ist mit der Beklagten von einer zweckentfremdungsrechtlich relevanten Nutzungsänderung auszugehen, da mit ausreichender Wahrscheinlichkeit jedenfalls durch eine spätere Umwidmung viele, vielleicht auch alle Räume zunächst Teil eines unter das Zweckentfremdungsverbot fallendes Wohnheimes waren. Der Internetauftritt und die durchgeführten Ortsermittlungen begründen inzwischen aber den Verdacht, dass kein Wohnheim i.S.d. des Zweckentfremdungsrecht mehr vorliegt, sondern eine gewerbliche Fremdenbeherbergung.
Für die Einordnung als Wohnheim oder als gewerbliche Fremdenbeherbergung kommt es maßgeblich auf das Nutzungskonzept des Betreibers an. Die inneren Absichten der Endnutzer sind nur ein Indiz. Deswegen ist für ein Wohnheim ein dokumentiertes Belegungskonzept als Teil des Nutzungskonzepts notwendig. Ohne eine entsprechende Selbstbindung und Dokumentation besteht die Gefahr, dass das Wohnheim zu einer bloßen Arbeiterunterkunft und einer zweckentfremdungsrechtlichen gewerblichen Fremdenbeherbergung wird. Ursprünglich gab es für das Wohnheim bezüglich der Art der Bewohner ein dokumentiertes Belegungskonzept in Form einer freiwilligen Selbstbindung. Die Zimmer wurden ursprünglich nur an Mitarbeiter der K. M. AG und deren Familien vermietet. Dieses Konzept wurde nach der Aktenlage, dem Internetauftritt und dem Ergebnis der Ortsermittlung offensichtlich geändert. Die streitgegenständliche Aufforderung zur Auskunft dient gerade dazu zu ermitteln, ob ein (anderes) ausreichendes Belegungskonzept noch vorhanden ist oder ob eine Vermietung an jedermann bzw. Fremde erfolgt und damit die Gefahr einer gewerblichen Fremdenbeherbergung in Form einer bloßen Arbeiterunterkunft bzw. vorübergehenden Unterkunft für jedermann besteht. Nach Ansicht der Kammer und zumindest der früheren obergerichtlichen Rechtsprechung, kann es dabei nicht allein auf die Möglichkeit ankommen, dass in den Räumen eine Heimstatt im Alltag begründet werden kann, sondern das Nutzungskonzept muss hierauf auch abzielen (insoweit zumindest missverständlich BayVGH, B.v. 5.5.2021 – 12 CS 21.564 – juris Rn. 5). Beim Zweckentfremdungsrecht handelt es sich um Sicherheitsrecht, wenn das Nutzungskonzept eines Betreibers einer potentiellen Übergangsform zwischen Wohnen und Fremdenbeherbergung die Gefahr einer Zweckentfremdung schafft, kann gegen diesen zweckentfremdungsrechtlich vorgegangen werden (VG München, U.v. 12.3. 2021 – M 9 K 20.4338 – juris Rn. 31). Der Betreiber kann dann verpflichtet werden, sein Nutzungskonzept insoweit zu ändern, dass ihm die Gefahr einer Zweckentfremdung nicht mehr zugerechnet werden kann. Je größer die durch das Nutzungskonzept geschaffene Gefahr durch die den Betrieb einer Übergangsform zwischen Wohnen und bloßer Unterkunft, desto größer sind die Anforderungen an die Sicherstellungspflichten des Betreibers. Soweit trotz ausreichender Sicherstellung dennoch einzelne Endnutzer entgegen dem Nutzungskonzept keine Heimstatt im Alltag in den Wohnräumen begründen, kann in diesen Fällen nur gegen die Endnutzer vorgegangen werden. Im Rahmen eines Wohnheims als potentieller Übergangsform zwischen Wohnen und Fremdenbeherbergung ist ein Belegungskonzept als Teil des Nutzungskonzepts eines Betreibers notwendig, um die Gefahr einer Zweckentfremdung zu verhindern. Bei einem Arbeiterwohnheim muss das Belegungskonzept auf eine Gruppe von Arbeitern abzielen, die typischerweise ihren Lebensmittelpunkt in die Wohnräume verlegen. Gerade die Ortsermittlung vom 29. Juni 2018 und der Internetauftritt der Klägerin zeigen aber, dass die Vermietung wohl nicht an einen im Voraus festgelegten Personenkreis erfolgt. Vielmehr erfolgt eine Vermietung scheinbar an jedermann. Die bloße Bezeichnung als „Arbeiterwohnheim“ ist keinesfalls ausreichend um ein Nutzungs- und Belegungskonzept eines Wohnheims i.S.d. Zweckentfremdungsrecht anzunehmen.
bb) Die Anforderungen sind verhältnismäßig. Die Anforderungen sind nicht aufgrund der Möglichkeit der Betretensanordnung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZeS unverhältnismäßig. Ortsermittlungen sind zwar ein taugliches Mittel der Sachverhaltsermittlung. Vorliegend sind diese aber weder gleich geeignet noch angemessener als die bloße Anforderung von Unterlagen und Auskünften. Aufgrund der Anzahl von ca. 100 potentiellen Wohnräumen i.S.d. des Zweckentfremdungsrechts ist eine Ermittlung über Ortsermittlungen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums für die Beklagte kaum möglich. Eine Ermittlung innerhalb eines überschaubaren Zeitraums ist aber gerade für eine effektive Gefahrenabwehr notwendig. Des Weiteren wäre die Beklagte ansonsten jeweils darauf angewiesen, dass im Zeitpunkt der Ortsermittlung ein Bewohner für jeden einzelnen Raum anwesend ist, um Eintritt zu allen Räumlichkeiten zu erhalten. Eine damit im Falle einer fehlenden Einwilligung verbundene Eingriff in den Schutzbereich des Art. 13 GG ist keinesfalls ein milderes Mittel als eine Auskunft. Die Anforderung ist ferner nicht deswegen unverhältnismäßig, weil die Erfüllung bei der Klägerin Kosten verursacht, für die kein Kostenerstattungsanspruch gegeben ist. Einen solchen Erstattungsanspruch sieht das Zweckentfremdungsrecht für Auskünfte nicht vor und auch im konkreten Fall führt trotz der voraussichtlich relativ großen Zahl an Mietverträgen der fehlende Kostenerstattungsanspruch nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Anforderung. Die Klägerin ist Nießbrauchnehmerin eines großen vermieteten Gebäudes in München. Die Kosten für das Zusammenstellen und Kopieren der Unterlagen zu den ca. 100 Wohnungen ist gegenüber dem Wert des Nießbrauchsrecht offensichtlich untergeordnet.
c) Da die Verhältnismäßigkeit bereits Tatbestandsvoraussetzung ist, ist die Anforderung nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ZwEWG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ZeS eine gebundene Entscheidung. Wenn der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage – Erforderlichkeit der Auskunft zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des ZwEWG – vorliegt, sind die Auskünfte zu erheben und Unterlagen herauszugeben (VG München, U.v. 12.12.2018 – M 9 K 18.4553 – juris Rn. 116). Ein Ermessen ist mangels Entscheidungserheblichkeit deswegen nicht zu überprüfen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die Beklagte wäre auch ohne die Aufhebung der Zwangsgeldandrohung nur zu einem geringen Teil unterlegen. Die Zwangsgeldandrohung hat nach Nr. 1.7.2 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und der am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen den Streitwert nicht erhöht, sodass es billigen Ermessen entspricht auch die Kosten des erledigten Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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