Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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Aktenzeichen  423 C 5615/20

Datum:
24.8.2020
Fundstelle:
ZMR – 2021, 755
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Beschluss Der Streitwert wird auf 16.537,08 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage zum gem. §§ 29a Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 2a GVG örtlich und sachlich zuständigen Amtsgericht München ist zulässig, jedoch unbegründet.
I. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Räumungs- und Herausgabeanspruch nach § 546 BGB, da die Kündigung vom 21.03.2019 das Mietverhältnis nicht beendet hat.
1. Die Kündigung vom 21.03.2019 ist formell wirksam, insbesondere ausreichend begründet. Nach § 573 Abs. 2 BGB sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters anzugeben, wobei hieran keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (BGH NZM 2011, 706).
Diesen Anforderungen genügt das streitgegenständliche Kündigungsschreiben. Der Kläger hat hier ausreichend dargestellt, dass die Wohnung vom Kläger und seiner Ehefrau anstatt der bisherigen Wohnung in Emmering genutzt werden soll, was mit der Arbeitssuche in München und Verwaltung von Wohneigentum in München begründet wurde.
Im Rahmen der formellen Wirksamkeit kommt es dabei nicht darauf an, ob diese Gründe auch tatsächlich geeignet sind, eine Eigenbedarfskündigung zu begründen.
2. Tatsächlich konnte der Kläger nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass solche Gründe gegeben sind.
Voraussetzung für eine Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist, dass in einer dem privilegierten Personenkreis zuzuordnende Person der ernsthafte und realisierbare Wille zur Eigennutzung vorliegt und die Person die Wohnung auch tatsächlich benötigt (Schmidt/Futterer, § 573 Rn. 44, 60, 91).
a) Soweit der Kläger die Kündigung damit begründet, er benötige die Wohnung für die Arbeitsplatzsuche, handelt es sich nicht um ein vernünftiges Nutzungsinteresse: Nach den eigenen Ausführungen des Klägers im Kündigungsschreiben gibt es als mögliche Arbeitgeber in München zwei Gesundheitsämter sowie mehrere Versicherungen bzw. medizinischtechnische Dienste von Krankenkassen. Es kann objektiv nicht als vernünftig betrachtet werden, allein für die Suche einer Arbeit, für die nur eine handvoll Arbeitgeber zur Auswahl stehen, einen Umzug vorzunehmen. Denn im Rahmen der Suche bietet dies allein für den kürzeren Weg zu Bewerbungsgesprächen einen Vorteil, der jedoch in keinerlei Verhältnis zum Aufwand eines Umzugs steht.
b) Soweit der Kläger angibt, die Verlegung des Wohnsitzes sei für eine eventuelle spätere Arbeitsstätte in München erforderlich, handelt es sich um eine unzulässige Vorratskündigung, da der Kläger im Kündigungsschreiben selbst zum Ausdruck bringt, dass es sich um eine ungewisse Erwartung handelt. Dass bereits eine konkrete Stelle in München in Aussicht steht, die der Kläger – jedenfalls nach eigenen Ausführungen – mit einiger Sicherheit erhalten wird, ist in der Kündigung nicht ausgeführt. Selbst wenn es sich hierbei um einen nachträglich entstandenen Umstand handeln sollte, was so nicht vorgetragen ist, kann dies die Kündigung insoweit nicht wirksam machen (Schmidt-Futterer/Blank BGB § 573 Rn. 257).
c) Dass der Kläger und seine Ehefrau nach den Ausführungen in der Zeugeneinvernahme auch deswegen in die streitgegenständliche Wohnung ziehen wollen, weil sie sich gerne in Richtung Stadt orientieren und das dortige kulturelle Angebot nutzen wollen, stellt zwar einen tragfähigen Grund für eine Eigenbedarfskündigung dar. Dieser war jedoch in der schriftlichen Kündigung nicht angeführt, dürfte jedoch kaum nachträglich entstanden sein, sodass eine Berücksichtigung nach § 573 Abs. 3 S. 2 BGB ausscheidet.
d) Jedoch kann die Kündigung grundsätzlich wirksam darauf gestützt werden, dass der Kläger in der Nähe des von ihm auch verwalteten Wohneigentums wohnen möchte.
Der Kläger trägt hierzu – von Beklagtenseite unbestritten und daher unstreitig – vor, dass er zwei Anwesen in der A.straße mit insgesamt 18 Wohneinheiten selbst betreut und verwaltet, für die ein erheblicher Investitionsstau besteht und bauliche Maßnahmen anstehen. Der Kläger fährt derzeit zweimal wöchentlich nach München, um sich um die Anwesen zu kümmern; wenn Baumaßnahmen beginnen, wird dies auch öfter notwendig sein.
Die Beklagten wenden hiergegen ein, dass bisher nicht ersichtlich sei, dass der Kläger auch dauerhaft in sein Wohneigentum einziehen wolle. Hausverwaltung werde mit geringem Aufwand betrieben. Die Bauvorhaben seien in der Kündigung nicht ausgeführt worden und könnten daher keine Berücksichtigung finden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt der Wunsch, Wohneigentum aus räumlicher Nähe zu verwalten, durchaus ein vernünftiges und nachvollziehbares Nutzungsinteresse dar. Hierfür ist weder erforderlich, dass eine Verwaltung nur aus der Nähe möglich ist, noch, dass es der Üblichkeit entspricht, in der selbstverwalteten Immobilie auch zu wohnen. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass es dem Kläger angenehmer ist, nicht zweimal wöchentlich zu den verwalteten Objekten in die Stadt zu fahren, vor allem, wenn Baumaßnahmen anstehen, die mehr Termine vor Ort erforderlich machen. Die Behauptung der Beklagten, es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger dauerhaft in die Wohnung einziehen wolle, ist nicht nachvollziehbar.
Auch ist insoweit unbeachtlich, dass der genaue bzw. größer werdende Umfang der Verwaltungstätigkeit nicht in der schriftlichen Kündigung dargelegt wurde. Denn das Kündigungsschreiben dient dazu, das geltend gemachte Interesse objektiv von anderen Kündigungsgründen abzugrenzen und zu unterscheiden. Nähere Einzelheiten hingegen kann der Vermieter im gerichtlichen Verfahren vortragen. Der Zweck der Vorschrift erfordert nur die Information des Mieters, nicht aber eine dem Räumungsprozess vorbehaltene Substanziierung der Kündigung nebst Beweisführung (Fleindl, NZM 2013, 7).
Zwar mag der hier vorgetragene Kündigungsgrund von vergleichsweise geringem Gewicht sein. Dies würde jedoch erst im Rahmen der Abwägung der Interessen von Mieter und Vermieter eine Rolle spielen, die Frage der Wirksamkeit der Kündigung bleibt zunächst unberührt.
e) Allerdings steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dieser Kündigungsgrund auch tatsächlich gegeben ist:
Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht weder aus den von Beklagtenseite vorgetragenen Auseinandersetzungen bzw. Meinungsverschiedenheiten zu Mieterhöhung und Reparaturkosten noch aus dem Sachvortrag der Klagepartei in diesem Verfahren dem Schluss der Beklagtenseite folgen kann, die Kündigungsgründe seien „an den Haaren herbeigezogen“. Das Gericht hält es für durchaus möglich und keinesfalls abwegig, dass der Sachverhalt genau so zutrifft, wie vom Kläger und dessen Ehefrau vorgetragen. Nämlich dass sie tatsächlich zur Vermeidung langer Wege zu Arbeitsstelle und selbstverwaltetem Wohneigentum wieder nach München ziehen wollen und der Kläger tatsächlich eine neue Stelle beim Gesundheitsamt so gut wie sicher in Aussicht hat.
Allein, eine volle, für eine entsprechende Verurteilung ausreichende Überzeugung konnte sich das Gericht nicht bilden.
Für die Bewertung der Beweisaufnahme und der Überzeugungsbildung des Gerichts gelten gemäß § 286 ZPO die folgenden Grundsätze: Eine Tatsache ist erst dann zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, wenn das Gericht von der Wahrheit der jeweiligen bestrittenen Tatsache überzeugt ist. Ein bloßes Glauben, Wähnen, Fürwahrscheinlichhalten berechtigen den Richter hingegen nicht zur Bejahung eines streitigen Tatsachenvortrags, wobei objektive Wahrscheinlichkeitserwägungen allenfalls Grundlage und Hilfsmittel für die Überzeugungsbildung des Richters sein können. Zwingend hinzukommen muss die subjektive persönliche Entscheidung des Richters, ob er die strittige Tatsachenbehauptung als wahr erachtet hat (BGH NJW 2014, 71; Zöller, ZPO, 33. Auflage 2020, § 286 Rn. 18).
Nach Anhörung des Klägers und Einvernahme seiner Ehefrau verbleiben Zweifel, ob die im Kündigungsschreiben angeführten Gründe tatsächlich vorliegen. Zwar gab es keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass das Gericht insoweit mit der Unwahrheit bedient wird. Andererseits konnten aber gewisse Bedenken nicht ausgeräumt werden:
So mutet die Begründung der Kündigung in erster Linie mit der Arbeitssuche in München tatsächlich etwas dünn an. Unabhängig davon, dass dies schon, wie oben ausgeführt, in rechtlicher Hinsicht keinen Eigenbedarf begründen kann, erscheint diese Begründung dürftig und bemüht.
Unzutreffend ist die Angabe im Kündigungsschreiben, der Kläger sei überraschend arbeitslos geworden. Vielmehr handelte es sich nach Angaben des Klägers in der persönlichen Anhörung nicht um eine unerwartete Kündigung, sondern um eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses, da das viele Pendeln eine gesundheitliche Belastung für den Kläger darstelle.
Schließlich sind auch die Ausführungen zur in Aussicht stehenden Stelle beim Gesundheitsamt nicht in jeder Hinsicht überzeugend. Nach Angaben der Zeugin gab es bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dort auch Disharmonien mit Kollegen, was für den Kläger nicht mehr tragbar gewesen sei. Gleichwohl möchte er dort nun wieder arbeiten, wobei hierfür ein förmliches Bewerbungsverfahren nötig ist, das noch nicht beschritten wurde. Der ist Kläger jedoch überzeugt, dort eine Stelle zu erhalten. Es kann durchaus sein, dass der Kläger zu einem früheren Arbeitgeber zurückkehren möchte, obwohl das Arbeitsverhältnis, jedenfalls in Hinblick auf Kollegen und das Pendeln, belastet war. Aber es erscheint doch zumindest ungewöhnlich.
In Zusammenschau dieser Umstände steht für das Gericht nicht fest, dass der Vortrag des Klägers unzutreffend ist – eine Überzeugung vom Gegenteil besteht jedoch auch nicht. Es verbleiben Zweifel, die der Kläger nicht ausräumen konnte.
Die Klage war daher abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Der Streitwert ergibt sich aus der Jahresnettomiete, § 41 GKG.


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