Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Berufung, Eintragung, Kaufvertrag, Rechtsmittel, Nachweis, Feststellung, Mitgliedschaft, Grundbuch, Miteigentumsanteil, Nutzungsrecht, Hinweis, Eigentum, Verband, Sicherung, Fortbildung des Rechts, Aussicht auf Erfolg, Die Fortbildung des Rechts

Aktenzeichen  2 U 2244/20

Datum:
8.12.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38983
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
Art. 164 EGBGB

 

Leitsatz

1. Streitigkeiten über die Mitgliedschaft in einem nicht körperschaftlich verfassten Verband aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der weiterhin eine eigene rechtliche Selbständigkeit besitzt, sind in einem Prozess mit den (vermeintlichen) Mitverbandsmitgliedern auszutragen; der (prozessfähige) Verband selbst ist insoweit nicht passivlegitimiert.
2. Das besondere Wesen der unter Art. 164 EGBGB fallenden Verbände besteht darin, dass ihren Mitgliedern ein bestimmter Anteil an den Nutzungen des Verbandsvermögens gehört, während das Eigentum an dem Grundstück oder das Nutzungsrecht entweder dem Verband selbst oder den Mitgliedern insgesamt in ihrer verbandsmäßigen Gebundenheit zusteht.
3. Zur rechtlichen Einordnung von Nutzungsrechten am Verbandsvermögen und zum Nachweis von deren Übertragung.

Verfahrensgang

2 U 2244/20 2020-10-20 Bes OLGNUERNBERG OLG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 02.06.2020, Aktenzeichen 16 O 8083/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.550,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten darum, ob der Kläger Mitglied des seit 1871 bestehenden Weideverbands M. ist.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 39 ff. d. A.) und die dortige Darstellung des Sach- und Streitstands sowie auf den Hinweis des Senats vom 20.10.2020 (85 ff. d. A.) Bezug genommen. Dies gilt auch hinsichtlich der in der Berufung von den Parteien gestellten Anträge.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 02.06.2020, Aktenzeichen 16 O 8083/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Insbesondere werden keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufgeworfen, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 20.10.2020 (Bl. 85 ff. d. A.) Bezug genommen. Die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 01.12.2020 (Bl. 103 ff. d. A.) geben zu einer Änderung keinen Anlass. Weshalb von einem radizierten Recht auszugehen ist, das mit dem Eigentum an bestimmten Grundstücken verbunden ist, unter welchen Voraussetzungen – wenn überhaupt – allenfalls ein Übergang des Rechts auf das Anwesen „St. Haus Nr. 1“ in Betracht kommt und weshalb selbst bei Annahme eines walzenden Rechts der Nachweis der Rechtsinhaberschaft vom Kläger nicht geführt wurde, zu alldem hat der Senat bereits Stellung genommen. Ergänzend ist im Hinblick auf die Gegenerklärung lediglich das Folgende auszuführen:
1. Der Beklagte ist nicht passivlegitimiert. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob eine Aufnahme in den Beklagten begehrt wird oder – wie hier – die Feststellung, bereits Verbandsmitglied zu sein. Denn es geht nicht um die vom personellen Bestand losgelösten Rechtsbeziehungen des Klägers zum Beklagten als Verband mit eigener Rechtspersönlichkeit. Die Frage seiner (behaupteten) Mitgliedschaft beim Beklagten betrifft vielmehr die Rechtsbeziehungen der einzelnen Verbandsmitglieder untereinander, die sich aus der Verbandsverfassung ergeben. Streitigkeiten über den personellen Bestand einer nicht körperschaftlich verfassten rechtsfähigen Personengemeinschaft können mit Rechtskraftwirkung nur zwischen den einzelnen Mitgliedern entschieden werden, weil sie unmittelbar die Grundlage des Gemeinschaftsverhältnisses betreffen.
2. Auch aus dem Vorbringen in der Gegenerklärung ergibt sich nicht, dass sich dem Grundbuch eine Übung dahingehend entnehmen ließe, dass Nutzungsrechte auf andere Grundstücke übertragen worden wären.
Zwar war im Grundbuch des Amtsgerichts Hersbruck von A. im Band yy auf Blatt yyy im Bestandsverzeichnis unter der laufenden Nummer 78 aufgrund einer Eintragung vom 31.07.1986 beim Flurstück mit der Nummer yyy „St. HsNr. 1“ vermerkt: „hierzu Miteigentumsanteil an FlSt. 1986, 1987, 1988, 1989 und 2011 (Best. Nr. 41)“. Nur weil es einen Miteigentumsanteil (der Verbandsmitglieder) an dem Verbandsgrundstück nicht gibt, kann nicht dem feststehenden juristischen Fachausdruck „Miteigentumsanteil“ ein anderer Wesensgehalt beigemessen werden. Entscheidend ist insbesondere, dass die Grundbucheintragung beim dienenden (Verbands-)Grundstück inhaltlich zu keinem Zeitpunkt verändert wurde. Hinzu kommt, dass die Eintragung vom 31.07.1986 auf den Veränderungsnachweis Nr. 306 zurückgeht, dem gerade keine Grundlage für den Vermerk „hierzu Miteigentumsanteil an FlSt. 1986, 1987, 1988, 1989 und 2011 (Best. Nr. 41)“ zu entnehmen ist (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 02.03.2001 – 13 T 7227/99 -, Seite 8 f. der Anlage B1). Unabhängig davon, dass die Vertragsparteien nicht die Rechtsmacht gehabt hätten, ein selbständiges Nutzungsrecht zu begründen, lässt sich Entsprechendes insbesondere weder dem notariellen Kaufvertrag vom 21.12.1961 (Anlage K11) noch der dazugehörigen Auflassung vom 20.04.1966 (Anlage K12) entnehmen.
Soweit in dem Vertrag vom 21.12.1961 ein „Gemeinderecht“ erwähnt ist, ist dies für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich (abgesehen davon, dass sich aus dem Wortlaut der Urkunde ergibt, dass dieses Recht mit veräußert wurde, weil sich der einschränkende Einschub über die „nicht mit verkaufte“ Fläche darauf nicht bezieht). Ein solches „Gemeinderecht“ kann nicht mit dem aus der Mitgliedschaft beim Beklagten resultierenden Nutzungsrecht gleichgesetzt werden. Sogenannte „Gemeinderechte“ sind altrechtliche Nutzungsrechte an Gemeindegrundstücken. Sie sind auf dem Gemeinde- oder früheren Ortsverband beruhende Berechtigungen, die bestimmten Anwesensbesitzern, unter Umständen auch anderen Berechtigten, als den sogenannten „Rechtlern“ aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Dorfgemarkung das unwiderrufliche und ausschließliche Recht verleihen, bestimmte Grundstücke, die im Eigentum der Gemeinde stehen oder an denen die Gemeinde ein dingliches Recht besitzt, zur wirtschaftlichen Ergänzung des eigenen Anwesens oder Haushalts regelmäßig wiederkehrend zu nutzen (Griziwotz/Saller, Bayerisches Nachbarrecht, 3. Aufl., Kap. D Rn. 72). Dergleichen steht im vorliegenden Fall nicht in Rede; Eigentümer der Grundstücke ist der Beklagte als Verband.
3. Die Liste, die der nicht rechtsfähige Weideverband M. über seine Mitglieder führt, vermag es nicht, die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten zu begründen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Mitglieder teilweise auch der Beklagten angehören. Unabhängig von der Frage der Entscheidungskompetenz trägt der Kläger schon nicht vor, dass irgendein konstitutiver Beschluss über den Mitgliederbestand gefasst worden wäre. Der Kläger will die Mitgliedschaft bei dem Beklagten aufgrund des Auseinandersetzung- und Tauschvertrags vom 09.02.1999 erworben haben. Dies würde einen (Satzungs-)Beschluss sämtlicher Mitglieder der Beklagten vor diesem Vertrag voraussetzen, dass die unselbständigen Nutzungsrechte fortan frei auf ein beliebiges Grundstück übertragbar sind.
Umstände, die einen vom Kläger geforderten nochmaligen richterlichen Hinweis gebieten könnten, werden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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