Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Beschlussmängelklage gegen die Gültigkeit mehrerer WEG-Beschlüsse

Aktenzeichen  30 C 2358/17 WEG

Datum:
15.11.2018
Fundstelle:
LSK – 2018, 44700
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 5 Abs. 2, § 14 Nr. 1, § 21 Abs. 4, Abs. 8, § 27 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft hat im Rahmen der Jahresabrechnung über seine tatsächlichen Ausgaben Rechnung zu legen, nicht aber eine Aufstellung über eingegangene Rechnungen zu erstellen. Ob der Verwalter die Ausgaben zu Recht getätigt hat, betrifft die Richtigkeit der Abrechnung demgegenüber nicht. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine bauliche Veränderung bedarf nur dann der Zustimmung aller Wohnungseigentümer, wenn alle über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus beeinträchtigt werden. Darunter fällt auch eine erhebliche nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks. Nicht jede optische Veränderung hat zwangsläufig einen Nachteil für die Wohnungseigentümer zur Folge. Veränderungen, die den optischen Gesamteindruck der Anlage verbessern oder jedenfalls nicht verschlechtern, wirken sich nicht nachteilig aus. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Außenfenster und Balkonbrüstungen sind nach § 5 Abs. 2 WEG zwingendes Gemeinschaftseigentum. Die Eigentümer können nur im Wege der Vereinbarung die Pflicht zur Instandsetzung und Instandhaltung gemeinschaftlichen Eigentums oder von Teilen davon sowie die Tragung der damit verbundenen Kosten einzelnen Sondereigentümern auferlegen. Für einen entsprechenden Beschluss fehlt es den Eigentümern demgegenüber an der erforderlichen Beschlusskompetenz. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der in der Eigentümerversammlung vom 08.09.2017 unter Tagesordnungspunkt 1 gefasste Beschluss wird hinsichtlich der Genehmigung der Jahresgesamtabrechnung und der Einzelabrechnungen für das Jahr 2016 insoweit für ungültig erklärt, als die Position „Kaltwasser + Kanalgeb.“ (Gesamtabrechnung zu 1.399,50 €) betroffen ist.
2. Der in der Eigentümerversammlung vom 08.09.2017 unter Tagesordnungspunkt 4 gefasste Beschluss (Instandsetzung der aktuell sichtbaren Beschädigungen der Einfassung (Hausseite) des Stellplatzes der Wohnung 2) wird für ungültig erklärt.
3. Es wird festgestellt, dass die in der Eigentümerversammlung vom 08.09.2017 unter den Tagesordnungspunkten 5 und 7 (künftiger Farbton für Anstriche der Fensteraußenseiten und künftige Kostentragung für die Farbe des Anstrichs der Fenster und des Balkones) gefassten Beschlüsse nichtig sind.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger 82 % und die Beklagten 18 % zu tragen.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagten können die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 14.723,73 € festgesetzt.

Gründe

I.
Das Amtsgericht Würzburg ist zur Entscheidung sachlich und örtlich ausschließlich zuständig, nachdem sich das Grundstück der Parteien in seinem Bezirk befindet, § 43 Nr. 4 WEG, § 23 Nr. 2 c GVG.
II.
Jahresabrechnung 2016 (TOP 1)
Die Wohnungseigentümer stimmten unter Tagesordnungspunkt 1 über die Jahresabrechnung 2016 für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2016 ab. Davon sind im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung sowohl der Kläger zu 2 als auch die Beklagte ausgegangen (Termin vom 08.05.2018, Bl. 204 ff. d.A.). Auch der Beklagte hat dies im Rahmen seiner informatorischen Anhörung im Termin vom 17.07.2018 (Bl. 227 ff. d.A.) letztlich bestätigt. Er war sich nicht mehr sicher, ob er über die Entlastung habe abstimmen lassen, glaube aber, dass dies so gewesen sei. Gleichzeitig erklärte er, dass die Jahresabrechnung 2016 zuvor Punkt für Punkt durchgegangen worden sei Für ihn sei bei einer Abstimmung über die Verwalterentlastung eine Abstimmung über die Jahresabrechnung impliziert. Die Parteien gehen damit letztlich übereinstimmend davon aus, dass über die Jahresabrechnung 2016 abgestimmt wurde. Das erscheint vor dem Hintergrund, dass nach der Tagesordnung die zuvor an die Eigentümerversammlung übersandte Jahresabrechnung Gegenstand von Tagesordnungspunkt 1 sein sollte und dass unter diesem Tagesordnungspunkt dann auch Beschluss gefasst worden ist, nachdem über den Inhalt der Jahresabrechnung beraten worden war, auch mehr als naheliegend.
Der Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung ist auch Gegenstand der Beschlussmängelklage. Klageanträge sind der Auslegung durch das Gericht zugänglich. Angefochten werden sollte der unter Tagesordnungspunkt 1 der Versammlung vom 08.09.2017 gefasste Beschluss. Der Klammerzusatz „Entlastung des Verwalters für die Jahresabrechnung 2016“ bezieht sich ersichtlich auf die entsprechende Formulierung im Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass sich die Beschlussmängelklage auf den unter diesem Tagesordnungspunkt tatsächlich gefassten Beschluss bezieht und der Klammerzusatz nur der näheren Kennzeichnung im Hinblick auf das Protokoll dienen sollte.
Für eine mangelnde Bestimmtheit des angefochtenen Beschlusses über die Genehmigung der Jahresabrechnung bestehen keine Anhaltspunkte. Maßgeblich ist insoweit nicht der Inhalt des Protokolles der Wohnungseigentümerversammlung, sondern der tatsächlich gefasste Beschluss. Dazu haben die Kläger im Einzelnen nichts vorgetragen. Der Kläger zu 2 hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung im Termin vom 08.05.2018 allerdings selbst erklärt, dass nur eine Version der Jahresabrechnung 2016 vorgelegen habe, über die abgestimmt worden sei und die im gerichtlichen Verfahren auch als Anlage K 3 vorgelegt worden sei. Auch die Beklagte bestätigte, dass die Jahresabrechnung 2016 vorgelegen habe, über die die Abstimmung gegangen sei. Auch vom Beklagten wurde das im Termin vom 17.07.2018 bestätigt. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung konnte es daher keinerlei Zweifel darüber geben, über welche Jahresabrechnung abgestimmt wurde. Die als Anlage K 3 vorgelegte Jahresabrechnung trägt im Übrigen das Datum 04.04.17. Dieses Datum ist auch im Rahmen der Angabe der Tagesordnungspunkte der Niederschrift über die Wohnungseigentumerversammlung unter TOP 1 vermerkt, und zwar als Datum der Übermittlung des Entwurfes der Jahresabrechnung. Bei dem von den Klägern monierten Punkt handelt es sich deshalb nicht um eine Frage der Bestimmtheit des Beschlusses, sondern der Formulierung des gefassten Beschlusses im Rahmen der Niederschrift, Wenn das Protokoll insoweit Unklarheiten aufweisen sollte, denen nicht eine tatsächliche Unklarheit im Rahmen der Beschlussfassung zu Grunde liegt, so ist das im Wege einer Berichtigung der Niederschrift klarzustellen. Sollten die Wohnungseigentümer etwa nur über die ihnen tatsächlich allein vorliegende, bestimmte Version einer Jahresabrechnung abgestimmt haben, könnte das Protokoll dahingehend ergänzt werden, dass den Wohnungseigentümern bei der Abstimmung der Entwurf der Jahresabrechnung vom 04.04.2017 vorlag oder dass ihnen der dem Protokoll beigegebene Entwurf vorlag. Die in der Versammlung tatsächlich zumindest konkludent erfolgte Bezugnahme auf den einzig und allein vorliegenden Entwurf würde so auch im Protokoll klargestellt werden. Unter mangelnder Bestimmtheit leidet ein solcher Beschluss aber nicht.
Die Jahresabrechnung 2016 war hinsichtlich der Position Kaltwasser und Kanalgebühr sowohl bezüglich der Jahresgesamtabrechnung als auch bezüglich der Einzelabrechnung für ungültig zu erklären. Das betrifft einen Betrag von 1.399,50 €. Unstreitig ist in dieser Position ein Betrag enthalten, der auf Kosten für eine Legionellenuntersuchung zurückgeht und daher den Warmwasserkosten zuzuordnen ist.
Der Vortrag zu den Allgemeinstromkosten ist demgegenüber bereits unschlüssig. Die Jahresabrechnung folgt dem Zufluss-/Abflussprinzip. Maßgeblich ist daher nicht, wann der Gemeinschaft welche Beträge in Rechnung gestellt wurden, sondern wann welche Beträge vom Konto der Gemeinschaft abgeflossen sind. Dazu tragen die Kläger bereits nicht vor. Entscheidend ist demnach, welche Betrage im Jahr 2016 für Allgemeinstrom aus dem Vermögen der WEG bezahlt worden sind. Darüber gibt die als Anlage K 5 vorgelegte Jahresrechnung des Energieversorgers keinen Aufschluss. Der Abrechnungszeitraum des Energieversorgers betrifft im Übrigen den Zeitraum vom 17.09.2015 bis zum 13.09.2016, wohingegen die Jahresabrechnung der WEG den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2016 betrifft. Die Jahresrechnung des Energieversorgers lässt unmittelbar daher keinen Rückschluss darauf zu, welche Beträge im Jahr 2016 vom Konto der Gemeinschaft abgeflossen sind Das stand zum Zeitpunkt der Rechnungstellung am 19.10.2016 abschließend noch überhaupt nicht fest. Die Vorgehensweise der Kläger, den Rechnungsbetrag des Energieversorgers mit dem in der Jahresabrechnung der WEG für das Jahr 2016 aufgenommenen Betrag zu vergleichen und bei einer Abweichung von einem Fehler auszugehen, greift jedenfalls zu kurz und geht am rechtlichen Kern der Sache – Zufluss-/Abflussprinzip – vorbei.
Dasselbe gilt für die Kabelanschlussgebühren. Es ist nicht entscheidend, welchen Betrag die Wohnungseigentümergemeinschaft dem Kabelanbieter schuldete, sondern welcher Betrag vom Konto der WEG an ihn bezahlt wurde. Der Verwalter hat im Rahmen der Jahresabrechnung über seine tatsächlichen Ausgaben Rechnung zu legen, nicht aber eine Aufstellung über eingegangen Rechnungen zu erstellen. Ob der Verwalter die Ausgaben zu Recht getätigt hat, betrifft die Richtigkeit der Abrechnung demgegenüber nicht.
Sanierung der Stellplätze
Der unter Tagesordnungspunkt 4 gefasste Beschluss über die Sanierung lediglich der aktuell sichtbaren Beschädigungen der Einfassung des Stellplatzes der Wohnung Nr. 2 (Hausseite) war für ungültig zu erklären. Ausweislich des Zusatzes im Protokoll nach der Beschlussfeststellung, wonach der Verwalter einen Handwerker suchen werde, die Arbeiten auszuführen (S. 26 Rs. d.A.) ist der Beschluss dahingehend zu verstehen, dass der Verwalter über das weitere Vorgehen inklusive der Suche eines Handwerkers ohne weitere Vorgaben zu entscheiden habe. Das widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Voraussetzung wäre, dass vorab mindestens drei Vergleichsangebote eingeholt werden, über die die Wohnungseigentümer sodann abzustimmen haben. Eine Ermächtigung an den Verwalter nach eigenem Ermessen darüber zu entscheiden, wer beauftragt wird, ist nicht ausreichend Vielmehr haben die Wohnungseigentümer selbst über das Ob und Wie der Maßnahme zu entscheiden. Der Beschluss enthält demgegenüber keinerlei nähere Vorgaben über die zu beauftragenden Maßnahmen Auch die Frage der Finanzierung ist nicht geklärt und im Beschluss nicht behandelt. Die Parteien haben auch nicht vorgetragen, dass ohnedies etwa ausreichende Instandsetzungsrücklagen vorhanden wären und die Finanzierung daher gesichert wäre.
Demgegenüber entsprach die Ablehnung des Beschlussantrags der Kläger ordnungsgemäßer Verwaltung. Auch der Beschlussantrag der Kläger entspricht den vorstehenden Anforderungen nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass es dem Kläger zu 2 bei seinem Beschlussantrag etwa allein darum gegangen wäre, den Verwalter zu beauftragen, Angebote einzuholen.
Künftiger Fensterfarbton „Ocker“
Der Beschluss war mangels hinreichender Bestimmtheit für nichtig zu erklären.
Eine Abänderung einer bisher bestehenden Farbe der Fenster stellt eine bauliche Veränderung i.S.v. § 22 Abs. 1 WEG dar. Eine solche ist hier zwar noch nicht beschlossen worden. Die Festlegung der Fensterfarbe für einen künftigen Anstrich ist aber darauf gerichtet, bei künftigen Fensteranstrichen die Außenfarbe verbindlich vorzugeben. Soweit die Farbe dabei von der bisherigen Farbe abweichen sollte, kommt dies einer Vorgabe für eine künftige bauliche Veränderung gleich und ist deshalb auch an § 22 Abs. 1 WEG zu messen.
Eine bauliche Veränderung bedarf aber nur dann der Zustimmung aller Wohnungseigentümer, wenn alle über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus beeinträchtigt werden. Darunter fällt auch eine erhebliche nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks. Ein Nachteil liegt vor, wenn sich die Veränderung erstmalig oder verstärkend objektiv nachteilig auf das optische Bild des Gebäudes auswirkt. Nicht jede optische Veränderung hat zwangsläufig einen Nachteil für die Wohnungseigentümer zur Folge. Veränderungen, die den optischen Gesamteindruck der Anlage verbessern oder jedenfalls nicht verschlechtern, wirken sich nicht nachteilig i.S.v. § 22 Abs. 1 WEG aus. Eine optische Veränderung muss nicht nachteilig sein, wenn bereits frühere Veränderungen zu einem uneinheitlichen Gesamtbild geführt haben, das durch die bauliche Veränderung nicht mehr verstärkt wird (Barmann/Merle, § 22 WEG, Rz. 190).
Im Rahmen des vom Gericht am 21.09.2018 durchgeführten Augenscheins am Anwesen der Parteien war festzustellen, dass die Fenster an den Wohnungen, die dem Beklagten gehören, Farbantragungen aufwiesen, die darauf schließen lassen, dass diese Fenster bereits einmal nachträglich gestrichen worden sind. Demgegenüber fehlten bei den Fenstern der Wohnung der Kläger solche Antragungen überwiegend. Lediglich am Wohnzimmerfenster waren gewisse Verlaufsspuren festzustellen. Dieses Fenster ist nach den Angaben der Kläger bereits einmal gestrichen worden. Auch ein nach Süden weisendes Fenster an der Wohnung der Kläger ist augenscheinlich bereits einmal nachgestrichen worden, weil dort Farbantragungen vorhanden waren. Die Farbe an den Fenstern des Beklagten kann demnach nicht die ursprünglich vorhandene Farbe sein. Der aktuelle Zustand der Fenster spricht vielmehr dafür, dass die Fenster in der Wohnung der Kläger außen die ursprüngliche Farbe aufweisen und womöglich mit dieser an den beiden genannten Fenstern auch nachgestrichen wurden, wodurch die nachgestrichenen Fenster etwas dunkler wirken.
Das Gericht konnte sich allerdings auch einen Eindruck dahingehend verschaffen, dass die farblichen Unterschiede zwischen den Fenstern sich auf den Gesamteindruck der Fassade nicht merklich auswirken Die Farbe der Fensterrahmen ist bei allen Wohnungen im Ergebnis in einem Braunton gehalten. Die Unterschiede äußern sich im Wesentlichen in gewissen Helligkeitsabstufungen oder Farbnuancen, die aber auch auf Witterungseinflüsse und auf das Nachstreichen einzelner Fenster mit zurückzuführen sein mögen. Hält sich ein künftiger Neuanstrich im Rahmen der bisherigen Farbgebung der Fenster – egal ob in der Farbe der Fenster der Wohnung der Kläger oder der Farbe der Fenster der Wohnungen des Beklagten – so wird sich das auf den Gesamteindruck von der Fassade nicht wesentlich auswirken.
Gleichwohl kann der Beschluss keinen Bestand haben. Der Richter hat die Parteien im Rahmen des Augenscheins darauf hingewiesen, dass fraglich sei, ob die Bezeichnung „Ocker“ hinreichend bestimmt sei. Die Farbe „Ocker“ weist ein weites Spektrum an Tönen bzw. Abstufungen auf. Der Beklagte B. erklärte auf Nachfrage, dass er mit der Farbe „Ocker“ einen Farbton meine, wie er an den Fenstern seiner Wohnung im Untergeschoss vorhanden sei (vgl. auch die Lichtbilder Bl. 195 bis 197 d.A.). Es kann dahinstehen, ob es sich bei diesem Farbton, wie der Beklagte meint, tatsächlich um die Farbe „Ocker“ handelt Der Beschluss war auch nicht dahingehend gefasst, dass die Farbe an den Fenstern des Beklagten B. künftig maßgeblich sein solle.
Angesichts einer großen Bandbreite an Nuancen des Farbtons „Ocker“ lässt sich aber anhand des angefochtenen Beschlusses eine konkrete Farbe für den künftigen Anstrich der Außenseite der Fenster nicht bestimmen. Erforderlich wäre etwa eine Bezeichnung anhand der Spezifikation eines bestimmten Herstellers oder die Bezugnahme auf ein Vergleichsobjekt, dessen Farbton zweifelsfrei feststeht. Eine eindeutige Festlegung ist umso mehr erforderlich, als bei künftigen Anstrichen, die nicht zeitgleich und innerhalb desselben Auftrags erfolgen, die Gefahr drohen würde, dass es doch wieder zu unterschiedlichen Farbtönen an den Fenstern (unterschiedliche Ockerfarbtöne oder was die Parteien jeweils dafür halten) kommt Damit fehlt es dem Beschluss an der erforderlichen Bestimmtheit. Er ist daher nichtig
Künftige Kosten der Farbe für den Anstrich der Fensteraußenseiten und der Balkone
Der Beschluss ist nichtig.
Außenfenster und Balkonbrüstungen sind nach § 5 Abs. 2 WEG zwingendes Gemeinschaftseigentum. Die Eigentümer können nur im Wege der Vereinbarung die Pflicht zur Instandsetzung und Instandhaltung gemeinschaftlichen Eigentums oder von Teilen davon sowie die Tragung der damit verbundenen Kosten einzelnen Sondereigentümern auferlegen. Für einen entsprechenden Beschluss fehlt es den Eigentümern demgegenüber an der erforderlichen Beschlusskompetenz. § 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2 WEG weist die Aufgabe der ordnungsgemäßen Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu, § 16 Abs. 2 verpflichtet sie zur anteiligen Tragung der hierfür anfallenden gemeinschaftlichen Kosten. Eine abweichende Regelung würde eine Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 S. 2 WEG erfordern (Bärmann/Merle, § 21 WEG, Rz. 108, 108 c). Eine solche liegt hier unstreitig nicht vor. Eine hinsichtlich der Kosten abweichende Regelung nach § 16 Abs. 4 WEG kann nach dem Wortlaut des Gesetzes nur für den Einzelfall beschlossen werden. Eine Kostenregelung im Einzelfall ist regelmäßig anzunehmen, wenn sie sich in der abschließenden Regelung der Kosten einer – im Zeitpunkt der Beschlussfassung dem Umfang nach erkennbaren – Maßnahme erschöpft und darüber hinaus nicht als Rechtsgrundlage für die Verteilung der Kosten künftiger Maßnahmen dient. Solange Art und Umfang einer künftigen Maßnahme im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht erkennbar sind, fehlt den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz zur abweichenden Regelung der Kostentragung (Bärmann/Becker, § 16 WEG, Rz. 128). Vorliegen betrifft der Beschluss die Regelung künftiger Kosten für den Kauf von Farbe. Eine konkrete Maßnahme stand zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht an. Es handelt sich demnach nicht um eine Einzelfallregelung. Es kann dahinstehen, ob überhaupt die erforderliche, qualifizierte Mehrheit nach § 16 Abs. 4 WEG erreicht gewesen wäre.
Die Behauptung der Beklagten, wonach sich der Beschluss nur auf freiwillige Maßnahmen der Wohnungseigentümer bezogen habe, findet im Wortlaut des Beschlusses keine Stütze. Beschlüsse sind objektiv und normativ auszulegen. Zwar ist dem Protokoll der Eigentümerversammlung zu entnehmen, dass der Beschlussfassung vorangehend über „außerplanmäßige Anstriche in Eigenregie“ (Bl. 26 Rs. d.A.) gesprochen wurde. Auch war den Eigentümern in der Versammlung ausweislich der Ausführungen im Protokoll bewusst, dass die Instandsetzung von gemeinschaftlichem Eigentum auf Veranlassung und auf Kosten der Gemeinschaft zu erfolgen hat. Der Beschlussantrag des Beklagten B., der in das Protokoll wörtlich aufgenommen wurde, geht dann aber über dieses eingeschränkte Verständnis hinaus und umfasst alle künftigen Fensteranstriche.
Auch wenn in Zukunft einem einzelnen Eigentümer durch Beschluss oder Vereinbarung gestattet werden würde, seine Fenster oder die Balkonbrüstung selbst zu streichen, würde es sich im Übrigen nach wie vor um eine Aufgabe der Gemeinschaft handeln und dem Eigentümer wäre die Farbe zur Verfügung zu stellen oder wären die Kosten hierfür zu erstatten. Das folgt aus § 16 Abs. 2 WEG. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Eigentümer zur Tragung dieser Kosten freiwillig bereit erklärt oder wenn bei Anstehen der Maßnahme für den konkreten Einzelfall eine Regelung nach § 16 Abs. 4 WEG getroffen werden würde.
Dass sich Tagesordnungspunkt 4 demgegenüber nur auf von einem einzelnen Eigentumer eigenmächtig veranlasste und somit widerrechtlich durchgeführte Anstriche beziehen würde – für die im Grundsatz ohnedies keine Pflicht zur Erstattung der Kosten besteht – lässt sich weder dem Beschluss noch den einleitenden Worten im Protokoll entnehmen.
Neubestellung eines Verwalters einschließlich des Abschlusses eines Verwaltervertrags
Der Beschluss ist nicht zu beanstanden.
Der Beschluss ist nicht nichtig. Er ist hinreichend bestimmt. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass sich der Wortlaut des Beschlusses aus dem von den Klägern allein zitierten Versammlungsprotokoll nicht ergibt. Dem Protokoll lässt sich nur die Beschreibung des Tagesordnungspunktes (Verwalterneubestellung und Abschluss eines Verwaltervertrages) entnehmen, nicht aber auch der etwaige Beschlussantrag oder der Wortlaut des gefassten Beschlusses. Das mag ein Mangel des Protokolls sein, lässt aber nicht auf einen (von den Klägern darzulegenden) Mangel des Beschlusses schließen. Soweit, wie vorliegend, eine abweichende Vereinbarung nicht besteht, ist die Aufnahme des Beschlusswortlautes keine Gültigkeitsvoraussetzung für den Beschluss Maßgeblich ist vielmehr, was in der Versammlung tatsächlich beschlossen und verkündet worden ist.
Unstreitig lagen den Eigentümern in der Versammlung die als Aktenkonvolut in Anlage K 10 (Bl. 46 ff. d.A.) zur Gerichtsakte gereichten Entwurfe von Verwalterverträgen der Hausverwaltungen vor. Diesen Vertragsentwürfen sind Name/Firma und Anschriften der Hausverwaltungen jeweils ohne weiteres zu entnehmen. Sie werden jeweils bereits im Eingang der Vertragsentwürfe aufgeführt. Einer darüber hinausgehenden, weiteren Beschreibung der Person des Hausverwalters bedurfte es zur Bestimmtheit des Beschlusses nicht. Die Person des Verwalters war durch die Angabe „(Bl. 56 d.A.) hinreichend klar und bestimmt. Auch die Konditionen des Verwaltervertrages ergeben sich aus den vorgelegten Entwürfen. Es lag jeweils pro Verwalter unstreitig auch nur ein Vertragsentwurf vor, so dass in der Versammlung nicht zweifelhaft sein konnte, über welche Verträge abgestimmt werden sollte und worauf sich die Abstimmung hinsichtlich des Verwaltervertrages des Verwalters Stumpf bezieht. Dass sich dies nicht auch aus dem Protokoll der Versammlung ergibt, weil dieses den Wortlaut des gefassten Beschlusses nicht erkennen lässt, spricht, wie ausgeführt, nicht dafür, dass auch der in der Versammlung tatsächlich gefasste Beschluss unbestimmt wäre. Der Wortlaut des Beschlusses muss in der Versammlung dabei nicht in ausformulierter Form vor der Abstimmung bereits feststehen. Es genügt, dass sich im Zusammenhang mit dem Verhalten des Versammlungsleiters ergibt, worauf sich der Beschluss bezieht. Hält etwa der Versammlungsleiter einen der Vertragsentwürfe nach oben und fragt, wer für diesen Vertrag stimme, so ergibt sich, dass sich die Abstimmung auf diesen Vertrag bezieht. Es bedarf nicht einer wörtlichen Fragestellung dahingehend, wer für den Vertrag vom … stimme. Auch ist es nicht zwingend erforderlich, einen Beschlussantrag zu verlesen und hierüber abstimmen zu lassen, mag dies im Hinblick auf die Frage der Klarheit, worüber Beschluss gefasst worden ist, auch wünschenswert sein. Der Niederschrift oder der Beschlusssammlung kann der Vertrag sodann als Anlage beigefügt werden, auf die verwiesen wird Auf diese Weise wird die Bestimmtheit der Beschlussfassung auch in der Niederschrift und in der Beschlusssammlung dokumentiert
Die Kläger zu 1 und zu 2 haben im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung im Übrigen selbst erklärt, in der Versammlung den Verwaltervertrag nicht unterschrieben zu haben, obwohl sie vom Beklagten B. hierzu aufgefordert worden seien. Das spricht dafür, dass auch über den Verwaltervertrag Beschluss gefasst wurde.
Der Beschluss entspricht auch ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Angabe der Bestellungsdauer ist nicht erforderlich. Ohne eine entsprechende Angabe gilt die gesetzliche Maximaldauer. Vorliegend ergibt sich jedoch im Wege der Auslegung unter Heranziehung des Verwaltervertrages, dass eine Bestellungsdauer von 3 Jahren beschlossen wurde, die auch der Laufzeit des Verwaltervertrages entspricht (vgl. § 1.3 des Verwaltervertrages, Bl. 56 d.A.). Die Vergütungshöhe lässt sich ebenfalls zwanglos aus dem Verwaltervertrag entnehmen, dort unter § 6.
Unter 6.1 ist ferner geregelt, dass sich die Vergütung auf 22 Euro pro Monat und Einheit beläuft Nachdem eine Differenzierung zwischen brutto und netto nicht vorgenommen ist, ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen vom Bruttobetrag auszugehen, den die Wohnungseigentümer effektiv auch zu bezahlen haben. Das Angebot des Hausverwalters liegt mit 22,61 € (brutto) über diesem Betrag. Zutreffend ist allerdings, dass der Hausverwalter für das Ablesen der Wärme- und Wasserzähler zum Jahresende einen nach Zeitaufwand bemessenen Betrag in Rechnung stellen kann mit einem Stundensatz von 60 Euro. Ab der 5. Anfahrt im Jahr steht ihm nach dem Vertrag auch Kilometergeld zu. Dies kann dazu führen, dass im Ergebnis hier etwas höhere Kosten entstehen als beim Hausverwalter. Allerdings steht den Wohnungseigentümern bei der Auswahl des Verwalters ein gewisses Ermessen zu. Sie müssen nicht das niedrigste Angebot auswählen (Bärmann/Merle/Becker, § 26 WEG, Rz. 62). Vorliegend liegen die Kosten beider Hausverwaltungen sehr eng beieinander und unterscheiden sich im Ergebnis nur geringfügig. Es war daher nicht ermessensfehlerhaft, dem Angebot der Hausverwaltung Stumpf gleichwohl den Vorzug zu geben.
Beschlussersetzungsantrag
Die Klage war insoweit abzuweisen. Das Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümer ist zu wahren. Sie haben vorrangig selbst über die Person des Verwalters zu entscheiden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie hierzu nicht in der Lage wären. Vielmehr haben sie in der Versammlung vom 08.09.2017 gerade einen Verwalter bestellt. Die Bestellung war auch nicht zu beanstanden, wie oben zum Beschluss unter TOP 12 ausgeführt. Selbst wenn dieser Beschluss für ungültig zu erklären gewesen wäre oder seine Nichtigkeit festzustellen gewesen wäre, würde sich aus diesem Umstand noch nicht ergeben, dass die Wohnungseigentümer dann nachfolgend nicht in der Lage wären, erneut über eine Verwalterbestellung zu entscheiden. Im Übrigen hat sich die Frage der Verwalterbestellung dadurch überholt, dass der bestellte Verwalter das Verwalteramt wieder niedergelegt hat. So oder so wäre daher von den Wohnungseigentümern daher erneut über die Verwalterbestellung zu beschließen. Anlass für eine gerichtliche Verwalterbestellung bestünde nur, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Wohnungseigentümer hierzu im Ergebnis effektiv nicht mehr in der Lage sind. So stehen die Dinge hier aber nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 und 709 ZPO.
Streitwert: § 49 a Abs. 1 GKG
Zu Streitwert und Kostenquote:
TOP 1: Gesamtinteresse: 9.464,46 €, 50 % hieraus sind 4.732,23 € 5-faches Einzelinteresse der Kläger ist mit 5 * 2.356,29 € höher
Beklagte unterliegen hinsichtlich eines Betrages von 1.399,50 €; Da beim Gesamtinteresse nur 50 % angesetzt worden sind, ist auch für die Unterliegensquote nur ein Anteil von 50 % heranzuziehen, also Unterliegen der Beklagten mit einem Betrag von 699,75 €.
TOP 4, Antrag der Kläger: geschätzte Sanierungskosten: 5.000,00 €; 50 % des Gesamtinteresses 2.500,00 €; 5-faches Einzelinteresse der Kläger: 5 * 78 / 300 * 5.000,00 € liegt mit 6.500,00 € darüber, daher Streitwert: 2.500,00 €
TOP 4, positiv gefasster Beschluss: geschätzte Kosten von 2.000,00 €; 50 % des Gesamtinteresses: 1.000,00 €; 5-faches Einzelinteresse der Kläger: 5 * 78 / 300 * 2.000,00 € liegt mit 2.600,00 € darüber, daher Streitwert: 1.000,00 €
Die Beklagten unterliegen insoweit mit 1.000,00 €.
TOP 5, Farbton „Ocker“ Streitwert: 500,00 €, weil noch keine konkrete Maßnahme beschlossen
Die Beklagten unterliegen insoweit mit 500,00 €.
TOP 7 (Kosten der Farbe): Streitwert: 500,00 €, weil noch keine konkrete Maßnahme beschlossen.
Die Beklagten unterliegen insoweit mit 500,00 €.
TOP 12 (Verwalterneubestellung, Verwaltervertrag): Kosten des Verwalters während der Bestellungszeit: ca. 1.400 € / Jahr; bei 3 Jahren: 4.200,00 €, 50 % hieraus sind 2.100,00 €; fünffaches Einzelinteresse der Kläger: 5 * 840 € = 4.200,00 €, liegt also darüber; Streitwert daher: 2.100 €
Beschlussersetzungsantrag: Kosten des Verwalters während der Bestellungszeit (5 Jahre), ausgehend vom Angebot: 5 * 1.356,60 = 6.783,00 € 50 % hieraus: 3.391,50; 5-faches Einzelinteresse der Kläger: 6.783,00, liegt also darüber, Streitwert daher: 3.391,50 €
Gesamtstreitwert: 14.723,73 €
Unterliegen der Beklagten mit 2.699,75 €; Unterliegensquote daher 18 %
Kläger tragen 82 % der Kosten, die Beklagten 18 %.


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