Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Beschwer bei Klage des Vermieters auf Beseitigung einer Antenne.

Aktenzeichen  31 S 21423/15

Datum:
1.2.2016
Fundstelle:
LSK – 2016, 130157
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1, § 522 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Wird die Klage des Vermieters auf Beseitigung einer durch den Mieter errichteten Satellitenempfangsantenne abgewiesen, richtet sich die Beschwer des Vermieters nach dem Wertverlust, den er durch eine aufgrund der Anbringung verursachte Substanzverletzung und/oder des optischen Gesamteindrucks seines Hauses erleidet. (amtlicher Leitsatz)
2. Bei einer ohne Substanzverletzung angebrachten Antenne mit einer nur geringen Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes der Hausfassade beläuft sich die Beschwer des Vermieters bzw. der Streitwert in der Regel nicht über 600,- Euro (vgl. § 511 Abs. 2 ZPO). (amtlicher Leitsatz)
3. Die Beschwer des Mieters ist von derjenigen des Vermieters eigenständig zu bewerten. Hierbei ist insbesondere dessen Informationsinteresse von Bedeutung. (amtlicher Leitsatz)
4 Für die Bemessung der Beschwer des Vermieters bei der Klage auf Beseitigung einer Antennenanlage ist allein der Wertverlust des Gebäudes aufgrund der Substanzverletzung maßgebend. Die Kosten der Beseitigung der Antennenanlage sind nicht in Ansatz zu bringen. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

LG München
31 S 21423/15
Hinweis gem. § 522 Abs. 1 ZPO
vom 01.02.2016
(Berufung wurde zurückgenommen)
Leitsätze:
Das Berufungsgericht hält die Berufung für unzulässig (§ 522 Abs. 1 ZPO). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt nicht sechshundert Euro (§ 511 Abs. 2 ZPO).
Bei der Prüfung, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes den für die Zulässigkeit der Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Betrag von 600 € übersteigt ist das Berufungsgericht nicht an eine Streitwertfestsetzung durch das erstinstanzliche Gericht gebunden (vgl. BGH, Beschluss vom 17.05.2006 – VIII ZB 31/05). Vielmehr ist der Beschwerdewert von der Kammer gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls festzusetzen.
Wird die Klage des Vermieters auf Beseitigung einer durch den Mieter errichteten Satellitenempfangsantenne abgewiesen, richtet sich die Beschwer des Vermieters nach dem Wertverlust, den er durch eine von der Satellitenempfangsantenne verursachte Beeinträchtigung der Substanz und/oder des optischen Gesamteindrucks seines Hauses erleidet (BGH, Beschluss v. 17.5.2006, VIII ZB 31/05: 300,- Euro; vgl. auch LG Cottbus, Urteil vom 26.02.2014 – 5 S 59/13: 300,- Euro; vgl. auch LG Berlin, Beschluss vom 04. Juni 1993 – 64 T 75/93: Insoweit wird in der Regel ein höherer Streitwert als 1.000 DM nicht anzunehmen sein; LG Bonn WM 1993, 648, 649: 1200,- DM; AG Brandenburg, Urteil vom 08. August 2014 – 31 C 304/13 mit zahlreichen weiteren Rspr.Nachweisen; Schmittmann JurBüro 1995, 510: der Wert von insofern 500,- EUR entspricht den üblicherweise hierfür angesetzten Beträgen).
Die anderen Ansichten (vgl. BGH a. a. O..) hält die Kammer für nicht überzeugend. Insbesondere hat ein allgemeines, etwa generalpräventives – rein theoretisches – Interesse hierbei unberücksichtigt zu bleiben (LG Bonn, Beschluss vom 11. Januar 1993 – 6 S 416/92: Gegenstandswert für das Berufungsverfahren 1 200,00 DM).
Etwas anderes würde indes für einen Mieter gelten, der zur Beseitigung der Antenne verurteilt worden ist. Bei der Bewertung seiner Beschwer, die von derjenigen des Vermieters eigenständig zu bewerten ist und somit abweichen kann (BGHZ 124, 313, 315 ff.; BGH, Beschluss vom 15. Juni 2005 – XII ZR 104/02, WuM 2005, 525, unter II 2; vgl. Thomas/Putzo 36. Aufl. 2015 § 3 Rn. 2; Zölller 30. Aufl. 2014 § 511 Rn. 13, 20; vgl. Wöstmann Münchener Kommentar zur ZPO 4. Auflage 2013 § 3 Rn. 4: „Angreiferinteresseprinzip“) kommt es auf die für die Beseitigung erforderlichen Aufwendungen an (LG Berlin, GE 2001, 1468) sowie auf das Interesse des Mieters am Empfang von zusätzlichen Fernsehprogrammen (vgl. LG Erfurt, GE 2001, 1467;offen gelassen in BGH, Beschluss vom 17. Mai 2006 – VIII ZB 31/059). Das Informationsinteresse der Beklagten hat für das mit der Berufung verfolgte Beseitigungsinteresse der Klägerin und somit für die Höhe des Beschwerdegegenstandes keine Bedeutung.
Für das Interesse des Vermieters ist ein zu erwartender Aufwand bei der Beseitigung der Antenne allenfalls mittelbar von Bedeutung, wenn man – bei einer mit der Anbringung der Antenne verbundenen Beeinträchtigung der Gebäudesubstanz – die auf die Wiederherstellung des Gebäudes entfallenden Kosten als Anhaltspunkt für die Wertminderung betrachtet.
Fehlt es – wie im vorliegenden Fall – an einer Substanzbeeinträchtigung, ist der Beseitigungsaufwand bei der Bemessung des Wertverlustes zu vernachlässigen. Unter dem Gesichtspunkt der Beseitigungskosten beeinträchtigt die Parabolantenne in einem solchen Fall den Wert des Gebäudes nicht mehr als jeder andere Gegenstand, den ein Mieter am Ende der Mietzeit möglicherweise vertragswidrig in den Mieträumen zurücklässt (BGH a. a. O.).
Somit ist vorliegend auf den Wertverlust, den das Gebäude durch die Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks des Anwesens erleidet, abzustellen, wobei dieser letztlich nur fiktiv sein kann. Überdies ist bei der heutigen Marktlage auch nicht davon auszugehen, dass ein etwaiger Erwerber den marktgerechten Preis deshalb drücken wird und drücken kann, weil sich eventuell an der Fassade des Anwesens eine oder mehrere Parabolantennen, angebracht jeweils von Mietern, befinden (so ausdrücklich LG München I, Beschluss vom 12. Oktober 1993 – 20 S 17880/92, 20 S 16565/93). Insbesondere handelt es sich hierbei auch um kein Merkmal, welches der Gebäudesubstanz dauernd anhaftet.
Sofern man jedoch ausschließlich auf die Kosten einer Entfernung abzustellen sollte (so z. B. LG München I a. a. O.. u. a.), würde der Streitwert ebenfalls nicht 600,- Euro übersteigen. Denn die streitgegenständliche Antenne ist ohne Substanzverletzung am Balkongeländer angebracht und deshalb ohne größeren Aufwand zu entfernen (vgl. LG München I a. a. O.: Streitwert und Berufungssumme jeweils 150,- DM; AG Lörrach, Beschluss vom 20. September 2011 – 4 C 1292/11: Beseitigungskosten nicht mehr als 100,- €).
Einen etwaigen Wertverlust erachtet die Kammer aufgrund der geringen Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes der Hausfassade jedenfalls als nicht mehr als 600,- Euro.
Auch wenn andere Kammern des LG München I oder auch andere Gerichte in ähnlichen Fällen einen höheren Beschwerdewert angenommen und somit die Zulässigkeit der Berufung bejaht haben, liegt dies in der Natur der Sache, da die Rechtspflege wegen der Unabhängigkeit der Richter konstitutionell uneinheitlich ist (BVerfG, Beschluss vom 03. November 1992 – 1 BvR 1243/88 -, BVerfGE 87, 273-282, Rn. 15) und kann kein maßgebliches Argument gegen die hier vertretene Auffassung sein. Denn auch diese Entscheidungen beruhen letztlich auf der Ausübung des richterlichen Ermessens bzw. einer Schätzung.
Für die Zulassung der Berufung besteht keine Veranlassung (§ 511 Abs. 4 ZPO). Die angefochtene Entscheidung bewegt sich im Rahmen der seitens der obergerichtlichen Rechtsprechung vorgegebenen Kriterien. Insbesondere wurden bei der Interessenabwägung die wesentlichen Abwägungsgesichtspunkte berücksichtigt. Im Übrigen handelt es sich um eine Bewertung bzw. Interessenabwägung im Einzelfall.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme vor Eingang der Berufungsbegründung bei Gericht ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 1,0 Gebühr (vgl. Nr. 1221 des Kostenverzeichnisses zum GKG) und nach deren Eingang von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).


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