Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Coronavirus, SARS-CoV-2, Erkrankung, Berufung, Jahresabrechnung, Zeitpunkt, Versammlung, Genehmigung, Anfechtungsklage, Veranstalter, Wirtschaftsplan, Revision, Verwalterin, Gefahr, Versammlungsleiter, Anlage, Fortbildung des Rechts, Kosten des Rechtsstreits, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

Aktenzeichen  1 S 8843/21 WEG

Datum:
18.5.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 18273
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

30 C 4404/20 WEG 2021-06-11 Urt AGAUGSBURG AG Augsburg

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 11.06.2021, Az. 30 C 4404/20 WEG, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a. Die auf der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft W2. Straße 7-14, … A. gefassten Beschlüsse zu TOP 6 (Beschlussfassung über die Sanierung des Balkons der Miteigentümer N., W3. Straße 10, Whg. Nr. 144 auf Grund von Undichtigkeiten), TOP 7 (Beschlussfassung über den Austausch der Brandschutzklappen in der Tiefgarage auf Grund von TÜV-Mängeln),
TOP 8.1 (Beschlussfassungen über die Sanierung der Fassade sowie über die teilweise Sanierung der Balkone (ca. 10% der gesamten Balkone) der Häuser W.-H.-Str. 9, 9a, 9b im Jahr 2021 sowie W.-H.-Str. 7, 7a, 7b + Tiefgaragenabfahrt im Jahr 2022),
TOP 8.2 (Beschlussfassungen über die Beauftragung eines Baufachmanns mit der Abwicklung der Arbeiten für die Fassadensanierung sowie der teilweisen Balkoninstandsetzung inkl. Untersuchung der Balkone),
TOP 9.1 und TOP 9.2 (Beschlussfassungen über die Instandsetzung bzw. Erneuerung der Kinderspielplätze) werden für ungültig erklärt.
b. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
c. Die Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Augsburg ist, soweit es nicht abgeändert wurde, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i. H. von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i. H. von 110% des vollstreckbaren Betrages aus diesem und dem in Ziffer 1 genannten Urteil des Amtsgerichts Augsburg abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.
Die Kläger und die Beklagten sind die Mitglieder der WEG W3. Straße 7-14, … A., die über 161 Wohnungseigentumseinheiten und 150 Tiefgaragenstellplätze verfügt. Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger alle in der Eigentümerversammlung vom 29.10.2020 gefassten Beschlüsse angefochten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der von den Parteien in 1. Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand im amtsgerichtlichen Urteil, die Klageschrift vom 27.11.2020, die Klagebegründung vom 17.12.2020, die als Anlage K 5 bzw. B1 vorgelegte Einladung zur Eigentümerversammlung vom 29.10.2020 nebst Tagesordnung sowie das als Anlage K 1 vorgelegte Protokoll der Eigentümerversammlung vom 29.10.2020 Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat der Klage mit Urteil vom 11.06.2021 stattgegeben und sämtliche Beschlüsse, welche auf der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft W4. Straße 7-14, … A. gefasst wurden, für ungültig erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Versammlung habe zwar nach den am 29.10.2020 geltenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der zum 29.10.2020 geltenden Siebten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (im Folgenden: 7. BayIfSMV) grundsätzlich abgehalten werden dürfen. Aufgrund der besonderen Pandemielage im Oktober 2020 hätte die Versammlung jedoch abgesagt werden müssen, nachdem die Kläger um deren Verlegung gebeten hatten. Den Klägern sei das Erscheinen zur Eigentümerversammlung nicht zumutbar gewesen, da am Tag der Versammlung der Inzidenzwert für Augsburg bei 250,68 gelegen habe. Auch wenn dies zum Zeitpunkt der Einladung zur Eigentümerversammlung, am 12.10.2020, als der Inzidenzwert für Augsburg noch bei 48,995 gelegen habe, für den Verwalter nicht vorhersehbar gewesen sei, müsse dieser, wenn sich die Inzidenzzahlen nachvollziehbar derart verändern würden, auf Bitten der Eigentümer die Eigentümerversammlung absagen. Die Teilnahme an der Eigentümerversammlung sei auch während der Corona-Pandemie eines der elementaren Kernrechte der Eigentümer. Für das Gericht sei es auch nachvollziehbar, dass einzelne Eigentümer aufgrund der Verschärfung der 7. BayIfSMV und der Allgemeinverfügung der Stadt Augsburg befürchteten, sich mit der Teilnahme an der Eigentümerversammlung ordnungswidrig zu verhalten. Es könne letztlich nicht sicher ausgeschlossen werden, dass bei Teilnahme der Kläger abweichende Beschlüsse gefasst worden wären. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe verwiesen.
Gegen das Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt, mit der sie ihren erstinstanzlich gestellten Klageabweisungsantrag weiterverfolgen.
Sie sind der Meinung, dass ein Anspruch der Kläger auf Absage der Eigentümerversammlung nicht bestanden habe und die Verwalterin zu einer Absage nicht verpflichtet gewesen sei. Die Versammlung habe, wie auch das Amtsgericht erkannt habe, nach der 7. BayIfSMV und der zum Zeitpunkt der Versammlung gültigen Allgemeinverfügungen der Stadt Augsburg mit maximal 25 Personen durchgeführt werden dürfen. Die Höchstzahl von 25 sei durch die anwesenden Eigentümer und Mitarbeiter der Verwaltung nicht erreicht worden. Auch die Kläger hätten daher an der Versammlung teilnehmen können, ohne dass diese hätte abgesagt werden müssen. Es habe ein Anspruch auf Durchführung der Eigentümerversammlung zum damaligen Zeitpunkt bestanden. Die Abwägung der Interessen der Eigentümer, die die Durchführung der Eigentümerversammlung gewünscht hätten, mit den Interessen der Eigentümer, die gegen die Durchführung gewesen seien, hätte zugunsten ersterer ausfallen müssen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Mehrheit der Eigentümer mit der Durchführung der Versammlung einverstanden gewesen sei. So lasse sich dem Protokoll der Eigentümerversammlung entnehmen, dass die Verwaltung auf den Wunsch dreier Eigentümer, die Versammlung abzusagen, hingewiesen habe, sämtliche anwesenden Eigentümer jedoch mit der Durchführung und Beschlussfassung einverstanden gewesen seien. Darüber hinaus hätte eine Vielzahl von Eigentümern durch Erteilung einer Vollmacht für die Eigentümerversammlung konkludent ihr Einverständnis mit der Durchführung der Versammlung und Beschlussfassung erklärt. Es hätten auch wichtige Punkte, insbesondere hinsichtlich der Fassadensanierung, zur Beschlussfassung angestanden, deren Verschiebung zu einer erheblichen Kostensteigerung geführt hätte. Auch hätte der Vermieter des Versammlungsraumes bei einer kurzfristigen Absage Anspruch auf die Miete gehabt, wodurch ebenfalls Mehrkosten entstanden wären. Den Klägern sei weder das Stimm- noch das Teilnahmerecht entzogen worden. Da sämtliche Beschlüsse auf der Versammlung einstimmig oder mit ganz überwiegender Mehrheit gefasst worden seien, hätte eine Teilnahme der Kläger an der Versammlung oder die Erteilung einer Vollmacht durch die Kläger keine Auswirkungen auf das Beschlussergebnis gehabt, weshalb ein etwaiger formeller Mangel jedenfalls für das Beschlussergebnis nicht kausal sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beklagtenvortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 08.09.2021 sowie die Schriftsätze der Beklagtenseite vom 12.01.2022 und vom 19.04.2022 Bezug genommen.
Die Beklagten beantragen,
1. Das Endurteil des Amtsgerichts Augsburg vom 11.06.2021 wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sind weiterhin der Auffassung, die Versammlung hätte aufgrund der hohen Coronafallzahlen in Augsburg und der zu dieser Zeit geltenden Ausgangsbeschränkungen nicht durchgeführt werden können, nachdem einzelne Eigentümer ausdrücklich um eine Verschiebung gebeten hatten. Richtig sei zwar, dass nach dem Wortlaut der zum Zeitpunkt der Versammlung geltenden Reglungen Eigentümerversammlungen mit bis zu 100 Teilnehmern erlaubt gewesen seien, da der bayerische Gesetzgeber bei den am 16. und 18.10.2020 erfolgten Änderungen der 7. BayIfSMV von der in § 5 II der 7. BayIfSMV mit Klammerzusatz (insbesondere Hochzeiten, Beerdigungen, Geburtstage sowie Vereins- und Parteisitzungen) gewählten Veranstaltungsdefinition die Vereins- und Parteisitzungen weggelassen habe. Die Stadt Augsburg, die in Ziffer 2 ihrer Allgemeinverfügung vom 13.10.2020 unter vollständiger Wiedergabe des Klammerzusatzes aus § 5 II der 7. BayIfSMV die Teilnahme auf 25. Personen beschränkt habe, habe diese Regelung am 20.10.2020 unter Verweis auf die zwischenzeitlich erlassene Verschärfung der BayIfSMV vom 16. und 18.10.2020 widerrufen. Dabei habe die Stadt Augsburg jedoch offensichtlich nicht beachtet, dass in den entsprechenden bayerischen Verordnungen die Partei- und Vereinssitzungen ohne Begründung ausgelassen waren. Auch wenn deshalb die Durchführung der Versammlung nicht bußgeldbewehrt gewesen sein sollte, hätte sie gleichwohl dem Sinn der Verordnung und damit ordnungsmäßiger Verwaltung widersprochen. Die von den Beklagten angeführten Kosten der Saalmiete würden bei der Abwägung gegen die Gefahr einer Coronaerkrankung für die Versammlungsteilnehmer nicht ins Gewicht fallen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Klägervortrags wird auf die Berufungserwiderung vom 22.12.2021 Bezug genommen.
Die Kammer hat den Parteien mit Verfügung vom 17.03.2022 Hinweise erteilt, auf die wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und alle sonstigen Aktenbestandteile Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet.
1. Maßgeblich für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits sind weiterhin die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung (im Folgenden: aF). Für das Verfahrensrecht ergibt sich das aus § 48 V WEG in der ab 01.12.2020 geltenden Fassung. Für die Anwendung der ab dem 01.12.2020 neuen materiellrechtlichen Vorschriften fehlt zwar jenseits von § 48 I-V WEG eine Übergangsvorschrift, so dass die ab dem 1.12.2020 geltenden Bestimmungen im Grundsatz auch auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte anzuwenden sind (vgl. Elzer in BeckOK zum WEG, 48. Edition, Stand 01.03.2022, Rn 29 zu § 48 WEG). Da die streitgegenständlichen Beschlüsse jedoch vor dem 01.12.2020 gefasst wurden, handelt es sich um einen abgeschlossenen Sachverhalt und ist ihre Gültigkeit auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden Rechtslage zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2021, Az: V ZR 163/20, juris Rn 5; Elzer in BeckOK zum WEG, 48. Edition, Stand 01.03.2022, Rn 31 zu § 48 WEG; Wicke in Grüneberg, 81. Aufl., Rn 5 zu § 48 WEG).
2. Danach ist die Klage zulässig, insbesondere sind die übrigen Wohnungseigentümer gem. § 48 V WEG i. V. mit § 46 I Satz 1 WEG aF unverändert richtige Klagegegner.
3. Die materiellen Ausschlussfristen des § 46 I Satz 2 WEG aF wurden durch die Klagepartei gewahrt. Mit ihren innerhalb der zweimonatigen Klagebegründungsfrist erhobenen Einwänden haben die Kläger jedoch nur zum Teil Erfolg.
3.1. Entgegen der Auffassung der Kläger und des Amtsgerichts sind die in der Eigentümerversammlung vom 29.10.2020 gefassten Beschlüsse nicht schon deshalb rechtswidrig und insgesamt für ungültig zu erklären, weil eine Eigentümerversammlung am 29.10.2020 aufgrund der damals bestehenden Pandemielage nicht hätte abgehalten werden dürfen und die Verwalterin verpflichtet war, die Versammlung abzusagen.
3.1.1. Das Gesetz enthält – auch in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung – abgesehen von § 24 I WEG aF (mindestens einmal im Jahr) keine Regelungen zu den Modalitäten wie Ort und Zeit der Wohnungseigentümerversammlung. Sofern auch die Gemeinschaftsordnung keine Bestimmungen hierzu enthält, steht es daher der zur Einberufung zuständigen Person zu, nach pflichtgemäßem Ermessen über die Modalitäten der Eigentümerversammlung oder deren nachträgliche Änderung zu entscheiden (vgl. Merle in Bärmann, 14. Aufl., Rn 51 zu § 24 WEG; Bartholome in BeckOK zum WEG, 48. Edition, Stand: 01.03.2022, Rn 76 zu § 24 WEG). Dabei muss der gewählte Zeitpunkt der Versammlung verkehrsüblich und zumutbar sein und darf den Eigentümern die Teilnahme an der Versammlung nicht ungebührlich erschweren (vgl. Merle in Bärmann, 14. Aufl., Rn 54a zu § 24 WEG; Bartholome in BeckOK zum WEG, 48. Edition, Stand: 01.03.2022, Rn 76 zu § 24 WEG). Insbesondere bei großen Wohnungseigentümergemeinschaften wie der streitgegenständlichen ist es jedoch nicht erforderlich, auf die individuellen Belange sämtlicher Wohnungseigentümer Rücksicht zu nehmen und den Termin für die Abhaltung der Eigentümerversammlung so zu legen, dass jeder Wohnungseigentümer, der dies wünscht, auch tatsächlich an der Versammlung teilnehmen kann (vgl. Riecke in Riecke/Schmid, 4. Aufl., Rn 24 zu § 24 WEG; Häublein in Staudinger, Neubearbeitung 2018, Updatestand: 31.07.2018, Rn 108 zu § 24 WEG; Zschieschack in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3. Aufl., § 4 Rn 27, 31). Denn dies würde die Abhaltung einer Wohnungseigentümerversammlung wesentlich erschweren, wenn nicht unmöglich machen.
3.1.2. Der vorliegend gewählte Zeitpunkt der Eigentümerversammlung am 29.10.2020 hielt sich auch im Hinblick auf die damals bestehende Pandemielage noch im Rahmen des der für die Einberufung der Eigentümerversammlung gem. § 24 I, II WEG aF zuständigen Verwalterin zustehenden Ermessens und war den Eigentümern zumutbar.
3.1.2.1. Die Durchführung der Versammlung war nach den zum damaligen Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Regelungen zulässig. Das gilt ungeachtet des Umstandes, dass, wie die Kläger vorgetragen und das Amtsgericht in den Gründen des angegriffenen Urteils festgestellt hat (§ 529 I Nr. 2 ZPO), die Sieben-Tage-Inzidenz auf dem Gebiet der Stadt Augsburg am 29.10.2020 bei 250,68 lag. Am 29.10.2020 galt die 7. BayIfSMV in der Fassung vom 23.10.2020. Diese beschränkte die Teilnehmer einer Wohnungseigentümerversammlung nicht, wie dies die Kläger zunächst in 1. Instanz vorgetragen haben, auf die Angehörigen von zwei Hausständen und höchstens fünf Personen. Bei der Wohnungseigentümerversammlung handelt es sich nämlich nicht um eine Zusammenkunft in privat genutzten Räumen und auf privat genutzten Grundstücken i. S. des § 3 der 7. BayIfSMV, sondern um eine Veranstaltung, die üblicherweise nicht für ein beliebiges Publikum angeboten oder aufgrund ihres persönlichen Zuschnitts nur von einem absehbaren Teilnehmerkreis besucht wird (wie Hochzeiten, Beerdigungen, Geburtstage sowie Vereins- und Parteisitzungen) bzw. um eine nicht öffentliche Versammlung i. S. des § 5 II der 7. BayIfSMV. Solche Veranstaltungen und nicht öffentliche Versammlungen waren mit bis zu 100 Teilnehmern in geschlossenen Räumen gestattet, wenn der Veranstalter ein Schutz- und Hygienekonzept ausgearbeitete hatte und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorlegen konnte. Soweit bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 100 gem. § 26 Satz 2 Nr. 1, 2. Halbsatz der 7. BayIfSMV i. V. mit § 25 Satz 2 Nr. 3 der 7. BayIfSMV der Teilnehmerkreis an nach § 5 II der 7. BayIfSMV zulässigen privaten Feiern, wie insbesondere Hochzeits- oder Geburtstagsfeiern oder ähnliche Feierlichkeiten, unabhängig vom Ort der Veranstaltung auf die Angehörigen von zwei Hausständen oder auf höchstens fünf Personen beschränkt war, fielen Wohnungseigentümerversammlungen nicht hierunter. Wie sich nämlich aus der Regelung in § 26 Satz 2 Nr. 1, 1. Halbsatz der 7. BayIfSMV entnehmen lässt, sollte die Beschränkung gem. § 26 Satz 2 Nr. 1, 2. Halbsatz der 7. BayIfSMV i. V. mit § 25 Satz 2 Nr. 3 der 7. BayIfSMV gerade nicht für sämtliche unter die Vorschrift des § 5 II der 7. BayIfSMV fallende Veranstaltungen und nicht öffentliche Versammlungen gelten, sondern nur für private Feiern. Eine solche ist die Wohnungseigentümerversammlung aber zweifelsohne nicht. Für die restlichen, dem § 5 II der 7. BayIfSMV unterfallenden Veranstaltungen und nicht öffentlichen Versammlungen galt daher bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 gem. § 26 Satz 2 Nr. 1, 1. Halbsatz der 7. BayIfSMV eine Beschränkung der Zahl der Teilnehmer auf höchstens 50 Personen. Aufgrund der klaren Unterscheidung zwischen privaten Feiern in §§ 25 Satz 2 Nr. 3, 26 Satz 2 Nr. 1, 2. Halbsatz der 7. BayIfSMV einerseits und den sonstigen Veranstaltungen i. S. der § 5 II der 7. BayIfSMV und § 15 der 7. BayIfSMV in § 26 Satz 2 Nr. 1, 1. Halbsatz der 7. BayIfSMV andererseits kann entgegen der Auffassung der Klagepartei auch nicht von einem Versehen des Verordnungsgebers und einer Regelungslücke ausgegangen werden. Vielmehr ging der Verordnungsgeber offensichtlich davon aus, dass bei privaten Feiern wegen der persönlichen Bekanntheit der Teilnehmer und einer möglichen Enthemmung im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln weniger gewährleistet werden könne und damit die Infektionsgefahr deutlich höher sei, als bei den sonstigen Veranstaltungen i. S. der § 5 II der 7. BayIfSMV und § 15 der 7. BayIfSMV. Damit durfte die Wohnungseigentümerversammlung abgehalten werden, solange nicht mehr als 50 Personen anwesend waren, was hier unstreitig nicht der Fall war.
3.1.2.2. Soweit die Kläger sich zunächst auf Ziffer 2. der Allgemeinverfügung der Stadt Augsburg vom 13.10.2020 gestützt haben, wonach abweichend von § 5 II Satz 1 der 7. BayIfSMV auf dem Stadtgebiet der Stadt Augsburg Veranstaltungen, die üblicherweise nicht für ein beliebiges Publikum angeboten oder aufgrund ihres persönlichen Zuschnitts nur von einem absehbaren Teilnehmerkreis besucht werden (insbesondere Hochzeiten, Beerdigungen, Geburtstage, Schulabschlussfeiern und Vereins- und Parteisitzungen) und nicht öffentliche Versammlungen nur mit bis zu maximal 25 Teilnehmern in geschlossenen Räumen gestattet waren, wenn der Veranstalter ein Schutz- und Hygienekonzept ausgearbeitete hatte und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorlegen konnte, war diese Bestimmung durch Ziffer 1. der Allgemeinverfügung der Stadt Augsburg vom 20.10.2020, wie die Kläger letztlich auch nicht bestreiten, mit Wirkung ab 21.10.2020 wieder aufgehoben worden, daher zum Zeitpunkt der Durchführung der Eigentümerversammlung nicht mehr gültig.
3.1.2.3. Die Teilnahme an der Eigentümerversammlung war den Eigentümern auch nicht deshalb unzumutbar erschwert, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft unstreitig aus über 50 Mitgliedern besteht, während, wie dargelegt, die Abhaltung der Eigentümerversammlung am 29.10.2020 nur mit maximal 50 Teilnehmern zulässig war. Vielmehr durfte sich die Verwalterin an der Zahl der zu erwartenden Teilnehmer orientieren, konnte daher zu der Versammlung einladen und musste diese auch nicht wieder absagen, solange nicht feststand, dass mehr als 100 bzw. ab dem 23.10.2020 mehr als 50 Teilnehmer persönlich anwesend sein würden (vgl. LG Frankfurt a. M., Urteil vom 17.12.2020, Sz: 2-13 S 108/20, ZWE 2021, 134, Rn 9; Zschieschack in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3. Aufl., § 4 Rn 11). Nachdem die Klagepartei aber selbst vorgetragen hat, in den vergangenen Jahren seien auf den Eigentümerversammlungen in der Regel lediglich zwischen 50 und 60 Eigentümer persönlich anwesend gewesen, lag es durchaus im Bereich des Möglichen, dass nicht mehr als 50 Personen zu der Eigentümerversammlung erscheinen würden und konnte es die Verwalterin daher hierauf ankommen lassen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass gem. § 24 I WEG aF (und neue Fassung) die Eigentümerversammlung grundsätzlich mindestens einmal im Jahr einzuberufen ist und die Wohnungseigentümer hierauf einen Anspruch haben. Seitens der Verwalterin wurde auf die Eigentümer auch weder in unzulässiger Weise dahingehend Druck ausgeübt, von einer persönlichen Teilnahme an der Versammlung abzusehen und stattdessen eine Vollmacht zu erteilen, noch bestand für die Eigentümer Anlass zu der Befürchtung, dass bei Erreichen einer Teilnehmerzahl von 50 aufgrund der gesetzlichen Beschränkung der Teilnehmerzahl weiteren Eigentümern der Zutritt zu der Eigentümerversammlung versagt und die Versammlung gegen ihren Willen ohne sie durchgeführt würde. Vielmehr wurde bereits in der Einladung darauf hingewiesen, dass die Versammlung abgebrochen und verschoben werden müsse, wenn mehr als die zugelassene Anzahl an Personen erscheine. Hieraus war für die Eigentümer ersichtlich, dass jedem, der dies tatsächlich wünschte, die Teilnahme an der Wohnungseigentümerversammlung auch ermöglicht werden sollte bzw. die Versammlung nicht durchgeführt würde, wenn die maximal zulässige Teilnehmerzahl von 50 überschritten werden sollte (vgl. auch LG Frankfurt a. M., Urteil vom 17.12.2020, Sz: 2-13 S 108/20, ZWE 2021, 134, Rn 10).
3.1.2.4. Die Abhaltung der Eigentümerversammlung am 29.10.2020 war den Eigentümern schließlich nicht wegen der zum damaligen Zeitpunkt bestehende Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus unzumutbar. Insoweit ist vielmehr zu berücksichtigen, dass nach der vom Gesetz- und Verordnungsgeber bei Erlass der 7. BayIfSMV in der ab 23.10.2020 geltenden Fassung getroffenen Abwägung und Gefährdungsbeurteilung am 29.10.2020, wie dargelegt, Veranstaltungen i. S. des § 5 II der 7. BayIfSMV – mit Ausnahme privater Feiern – auch in Gebieten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 abgehalten werden konnten, wenn die Teilnehmerzahl nicht höher als 50 war und vom Veranstalter ein Schutz- und Hygienekonzept eingehalten wurde. Ein individuell bei einzelnen Wohnungseigentümern bestehendes erhöhtes Risiko einer Ansteckung und Erkrankung stellt dagegen, wie auch sonst eine Erkrankung oder Verhinderung aus persönlichen Gründen, keinen Grund für die Absage der Wohnungseigentümerversammlung dar (vgl. Zschieschack in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3. Aufl., § 4 Rn 31).
3.2. Die in der Eigentümerversammlung vom 29.10.2020 gefassten Beschlüsse sind auch nicht für ungültig zu erklären, weil, wie die Kläger vorgetragen haben, der weit überwiegende Teil der von den in der Eigentümerversammlung vertretenen Wohnungseigentümern erteilten Vollmachten nicht im Original vorlag.
3.2.1. Soweit die Kläger vorgetragen haben, die erforderlichen Mehrheiten zu sämtlichen Tagesordnungspunkten seien nicht erreicht worden, wenn man die Stimmen der Wohnungseigentümer, deren Vollmachten nicht im Original vorlagen, nicht berücksichtigen würde, fehlt es schon an einem substantiierten Vortrag der hierfür darlegungs- und beweispflichtigen Kläger dazu, welche Vollmachten welcher Eigentümer nicht im Original vorlagen, wie diese zu den einzelnen Tagesordnungspunkten abgestimmt haben und wie die Abstimmung ohne deren Stimme ausgefallen wäre. Nachdem ausweislich des als Anlage K 1 vorgelegten Protokolls der Wohnungseigentümerversammlung vom 29.10.2020 ein Teil der Beschlüsse ohne Gegenstimmen zustande gekommen sind (TOP 4, TOP 5, TOP 8.31, TOP 8.3.2), ist es auch nicht richtig, dass sämtliche Beschlüsse nicht die erforderlichen Mehrheiten erreicht hätten, wenn die Stimmen der Wohnungseigentümer, deren Vollmachten nicht im Original vorlagen, nicht berücksichtigt würden.
3.2.2. Dass die Versammlung nicht gem. § 25 III WEG aF beschlussfähig war, haben die Kläger innerhalb der zweimonatigen Frist des § 46 I Satz 2 WEG zur Begründung der Anfechtungsklage schon nicht gerügt. Auch insoweit fehlt es im Übrigen an einem substantiierten Vortrag der hierfür darlegungs- und beweispflichtigen Kläger, welche Vollmachten welcher Wohnungseigentümer nicht im Original vorlagen und über welche Miteigentumsanteile diese Wohnungseigentümer verfügen.
3.2.3. Die Frage, ob und welche Vollmachten welcher Wohnungseigentümer mit welchen Miteigentumsanteilen im Original vorlagen, ist aber letztlich auch nicht entscheidungserheblich, weil nach den zwischen den Wohnungseigentümern getroffenen Vereinbarungen, insbesondere der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung, unstreitig eine Schriftform für die Vollmachtserteilung nicht vorgeschrieben ist. Daher kann die Vollmacht grundsätzlich wirksam auch per E-Mail, Fax oder sogar mündlich erteilt werden (vgl. Merle in Bärmann, 14. Aufl.; Rn 73 zu § 25 WEG). Zwar kann die Stimmabgabe des Vertreters, wenn dieser in der Eigentümerversammlung keine Vollmachtsurkunde vorlegen kann, gem. § 174 Satz 1 BGB zumindest durch den Versammlungsleiter zurückgewiesen werden (vgl. Merle in Bärmann, 14. Aufl., Rn 76 zu § 25 WEG). Die Zurückweisung der Stimmabgabe muss jedoch nach § 174 Satz 1 BGB unverzüglich, d. h. spätestens vor Zugang der Stimme beim Versammlungsleiter erfolgen. Eine unterlassene Zurückweisung kann entgegen der Auffassung der Klagepartei nicht nachträglich nach Zugang der Stimme nachgeholt werden (vgl. Merle in Bärmann, 14. Aufl.; Rn 76a zu § 25 WEG). Eine Zurückweisung von Stimmabgaben mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde im Original ist vorliegend unstreitig nicht erfolgt. Entgegen der Auffassung der Klagepartei bestand auch keine Verpflichtung der Verwalterin zur Zurückweisung von Stimmabgaben bei Nichtvorlage einer Vollmachtsurkunde im Original. Soweit die Wohnungseigentümer die Verwalterin mit ihrer Vertretung beauftragt und bevollmächtigt haben, was ausweislich des Protokolls bei der überwiegenden Zahl der in der Versammlung vertretenen Wohnungseigentümer der Fall war, war eine Zurückweisung der Stimmabgabe mangels Vollmachtsurkunde gem. § 174 Satz 2 BGB ohnehin von vornherein ausgeschlossen. Denn als der „Andere“ i. S. des § 174 Satz 2 BGB ist die Verwalterin selbst anzusehen, der gegenüber als Versammlungsleiterin (§ 24 V WEG aF) die Stimme abzugeben war.
3.3. Die in der Eigentümerversammlung vom 29.10.2020 gefassten Beschlüsse zu TOP 4 (Genehmigung der Gesamtabrechnung und der Einzelabrechnungen für 2019), TOP 5 (Genehmigung des Gesamtwirtschaftsplans und der Einzelwirtschaftspläne für 2020), TOP 10 (Genehmigung einer Vergütung des Verwalters zur Abgeltung des Zusatzaufwandes zur Erfüllung der Auskunftspflichten gemäß Zensusgesetz 2021) und TOP 11 (Anträge der Miteigentümer Erben) sind schließlich nicht aus den weiteren, von den Klägern innerhalb der zweimonatigen Klagebegründungsfrist des § 46 I Satz 2 WEG aF vorgetragenen Gründen für ungültig zu erklären.
3.3.1. Gegen die unter TOP 4 und TOP 5 gefassten Beschlüsse über die Genehmigung der Jahresabrechnung für 2019 und die Genehmigung des Wirtschaftsplans 2020 haben die Kläger lediglich eingewandt, es habe keine Notwendigkeit dafür bestanden, die Beschlüsse noch im Jahr 2020 zu fassen. Das führt jedoch nicht dazu, dass die Beschlussfassung fehlerhaft war. Denn den Eigentümern steht bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, was die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Regelung angeht, ein Ermessensspielraum zu, der gerichtlicher Nachprüfung weitgehend entzogen ist (vgl. Merle in Bärmann, 14. Aufl., Rn 30 zu § 21 WEG). Keinesfalls sind sie darauf beschränkt, nur die unbedingt notwendigen Beschlüsse zu fassen. Hinzu kommt, dass § 28 I, III, V WEG aF eine jährliche Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan sowie die Jahresabrechnung vorsieht. Es entspricht daher gerade den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung und besteht ein Anspruch der Eigentümer darauf, dass vor oder zu Beginn, jedenfalls noch vor Ablauf eines Wirtschaftsjahres über den Wirtschaftsplan und nach Ablauf des Wirtschaftsjahres noch im folgenden Kalenderjahr über die Jahresabrechnung ein Beschluss gefasst wird.
3.3.2. Soweit die Kläger gegen den zu TOP 10 gefassten Beschluss eingewandt haben, es habe keine Veranlassung zu der Beschlussfassung bestanden, weil der Zensus für 2021 abgesagt worden sei, hat die Beklagtenseite zutreffend darauf hingewiesen, dass die Verschiebung des Zensus um ein Jahr erst mit Gesetz zur Verschiebung des Zensus in das Jahr 2022 vom 03.12.2020 erfolgt ist und zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung noch nicht festgestanden hat. Unabhängig davon steht den Wohnungseigentümern, wie zuvor bereits dargelegt, bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums grundsätzlich ein Ermessen zu, was Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Regelung angeht, das gerichtlicher Nachprüfung weitgehend entzogen ist (vgl. Merle in Bärmann, 14. Aufl., Rn 30 zu § 21 WEG). Sie sind daher nicht darauf beschränkt, nur diejenigen Maßnahmen zu beschließen, die unbedingt notwendig sind und zu deren Vornahme sie verpflichtet sind.
3.3.3. Von den bereits unter Punkt 3.1 und 3.2 behandelten Rügen abgesehen haben die Kläger konkrete Einwände gegen die beiden zu TOP 11 gefassten Beschlüsse nicht erhoben.
3.4. Demgegenüber entsprechen die in der Eigentümerversammlung vom 29.10.2020 gefassten Beschlüsse zu TOP 6 (Beschlussfassung über die Sanierung des Balkons der Miteigentümer N., W3. Straße 10, Whg. Nr. 144 auf Grund von Undichtigkeiten), TOP 7 (Beschlussfassung über den Austausch der Brandschutzklappen in der Tiefgarage auf Grund von TÜV-Mängeln), TOP 8.1 (Beschlussfassungen über die Sanierung der Fassade sowie über die teilweise Sanierung der Balkone (ca. 10% der gesamten Balkone) der Häuser W4.-Str. 9, 9a, 9b im Jahr 2021 sowie W4.-Str. 7, 7a, 7b + Tiefgaragenabfahrt im Jahr 2022), TOP 8.2 (Beschlussfassungen über die Beauftragung eines Baufachmanns mit der Abwicklung der Arbeiten für die Fassadensanierung sowie der teilweisen Balkoninstandsetzung inkl. Untersuchung der Balkone), TOP 9.1 und TOP 9.2 (Beschlussfassungen über die Instandsetzung bzw. Erneuerung der Kinderspielplätze) nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, weil den Eigentümern, wie die Kläger innerhalb der zweimonatigen Klagebegründungsfrist des § 46 I Satz 2 WEG aF auch im Kern vorgetragen haben, mit der Einladung keine ausreichenden Informationen zur Verfügung gestellt und ihnen rechtzeitig vor der Beschlussfassung weder Angebote zu den beschlossenen Instandhaltung- und Instandsetzungsmaßnahmen zugeleitet noch zumindest die Eckpunkte der vorliegenden Angebote (Anzahl der erholten Angebote, Namen der anbietenden Firmen, Angebotshöhe) bekannt gegeben wurden.
3.4.1. Eine ordnungsgemäße Beschlussfassung kann es – unabhängig von der ausreichenden Bezeichnung des Gegenstandes der Beschlussfassung (§ 23 II WEG) – im Einzelfall erfordern, den Wohnungseigentümern schon in der Einladung zur Eigentümerversammlung Informationen zur Verfügung zu stellen, um ihnen eine inhaltliche Befassung mit dem Beschlussgegenstand und eine ausreichende Vorbereitung auf die Eigentümerversammlung zu ermöglichen. Das kann etwa bei der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung und den Wirtschaftsplan oder über eine namhafte Sonderumlage für umfangreiche Sanierungsmaßnahmen der Fall sein. Wann es erforderlich ist, den Wohnungseigentümern bereits vor der Eigentümerversammlung Unterlagen oder bestimmte Informationen zur Verfügung zu stellen, hängt von dem Beschlussgegenstand und den auszuwertenden Unterlagen bzw. Informationen ab (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2020, Az: V ZR 110/19, juris Rn 11).
3.4.2. Im Streitfall war durch die Verwalterin bei der Einladung zur Eigentümerversammlung zudem zu berücksichtigen, dass wegen der bestehenden Pandemiesituation einzelne Eigentümer es voraussichtlich eher vorziehen würden, nicht persönlich zur Eigentümerversammlung zu erscheinen und stattdessen die Verwalterin oder einen anderen Wohnungseigentümer mit ihrer Vertretung zu bevollmächtigen. Daher war es hier im besonderen Maße erforderlich, die Eigentümer bereits vor der Eigentümerversammlung innerhalb der Einladungsfrist des § 24 IV Satz 2 WEG aF möglichst umfassend über die zur Beschlussfassung anstehenden Punkte zu informieren, um jedem Eigentümer eine Abwägung aller für und gegen ein persönliches Erscheinen in der Eigentümerversammlung sprechenden Gesichtspunkte zu ermöglichen und um den Eigentümern, die nicht persönlich erscheinen wollten, auch die Möglichkeit zu geben, bei der Vollmachtserteilung konkrete Weisungen zu geben.
3.4.3. Eine hinreichend umfassende Information enthält das Einladungsschreiben vom 12.10.2020 und die diesem beigefügte Tagesordnung hinsichtlich der eingangs genannten Tagesordnungspunkte (TOP 6, TOP 7, TOP 8.1, TOP 8.2, TOP 9.1 und TOP 9.2) indessen nicht. Aus der Einladung und der Tagesordnung geht zwar hervor, über die Durchführung welcher Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen abgestimmt werden sollte und mit welchen Kosten etwa zu rechnen war. Es ergibt sich hingegen aus der Einladung nicht, ob für die einzelnen Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen überhaupt bereits konkrete Angebote vorlagen, wie viele Angebote und durch welche Firmen gegebenenfalls für die einzelnen Maßnahmen abgegeben wurden und in welchem Umfang gegebenenfalls die Angebotshöhen voneinander abwichen. Diese Informationen brauchten die Eigentümer jedoch, um eine Entscheidung darüber treffen zu können, ob und welche Angebote sie zum Zwecke des Vergleichs gegebenenfalls einsehen möchten. Auch hätte es zur Einholung weiterer Erkundigungen und Informationen insbesondere über die Zuverlässigkeit und die Qualität der Arbeit der anbietenden Firmen, beispielsweise durch eine Internetrecherche, deren vorherige Bekanntgabe gegenüber den Eigentümern bedurft. Schließlich war es auch für die Erteilung einer Vollmacht und etwaiger Weisungen gegenüber dem Vollmachtnehmer wichtig zu wissen, ob eine Auswahlmöglichkeit unter verschiedenen Anbietern bestand. Hiermit mussten die Eigentümer vor allem bei der unter TOP 8.1 beschlossenen Fassaden- und Balkonsanierung, für die ausweislich des Protokolls tatsächlich drei Angebote, nämlich der Fa. Ehle, der Fa. Jurc & Steck und der Fa. Krezyiu, vorlagen, auch nicht unbedingt rechnen, nachdem die Fassaden und Balkone der Häuser 8, 10, 12 und 14, wie die Beklagten vorgetragen haben und sich gleichfalls aus dem Protokoll ergibt, bereits im Jahr 2019 saniert worden waren und es sich daher bei der Sanierung der Fassaden und der Balkone der restlichen Häuser um einen reinen Folgeauftrag hätte handeln können, für den weitere Angebote anderer Firmen nicht mehr erholt wurden. Allein der pauschale Hinweis auf Seite 4 unten der Tagesordnung, dass alle Angebote und Stellungnahmen, nach vorheriger Terminabsprache, in den Büroräumen der Verwalterin eingesehen oder per E-Mail angefragt werden könnten, konnte die danach erforderliche Information der Eigentümer nicht ersetzen und war hierfür nicht ausreichend.
3.5. Soweit die Eigentümer unter TOP 8.3 und TOP 8.4 eine gemeinsame Sanierung der Fassaden und Balkone der Häuser W4.-Str. 7, 7a, 7b, 9, 9a, 9b + Tiefgaragenabfahrt im Jahr 2022 abgelehnt haben, greift der von Klägerseite erhobene Einwand, es habe an einer ausreichenden Information der Eigentümer zu den vorliegenden Angeboten gefehlt, nicht durch, da die Durchführung einer Sanierungsmaßnahme ja gerade nicht beschlossen wurde und die Negativbeschlüsse keinerlei Sperrwirkungen für die Zukunft entfalten, sondern sich in der bloßen Ablehnung des gestellten Beschlussantrags erschöpfen (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2012, Az: V ZR 174/11, juris Rn 5; Bartholome in BeckOK zum WEG, 48. Edition, Stand: 01.03.2022, Rn 33-35 zu § 23 WEG; Hermann, BeckOGK zum WEG, Stand 01.03.2022, Rn 89 zu § 23 WEG). Insbesondere ist es im Falle einer unzureichenden Information der Eigentümer grade sachgerecht und entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, von einer Durchführung der Maßnahme vorerst abzusehen und einen hierzu gestellten Beschlussantrag abzulehnen. Die gegen diese Beschlüsse gerichtete Anfechtungsklage war daher abzuweisen und das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung entsprechend abzuändern.
III.
1. Die Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz und die Kosten des Berufungsverfahrens waren gem. § 92 I ZPO bzw. §§ 97 I, 92 I ZPO gegeneinander aufzuheben. Die Bewertung der einzelnen Beschlüsse erfolgte dabei übereinstimmend mit den Ansätzen des Amtsgerichts.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
3. Die Revision war gemäß § 543 I Nr. 1, II ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich ist. Es ging nur um die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen reinen Einzelfall.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde bereits durch in der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2022 verkündeten Beschluss auf 71.310,00 € festgesetzt.


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