Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Eigentümerversammlung: Einladungsmangel bei Übersendung von Vollmachtsvordrucken?

Aktenzeichen  36 S 14711/20 WEG

Datum:
4.11.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47065
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 23, § 24, § 28

 

Leitsatz

1. Es stellt einen Ladungsmangel dar, wenn der Einladung ein Vollmachtsformular beiliegt, dass nur Mitglieder des Verwaltungsbeirats als Vollmachtsnehmer vorsieht, weil so der unzutreffende Eindruck erweckt wird, dass nur die dort genannten Personen mit der Vertretung in der Eigentümerversammlung bevollmächtigt werden dürfen. (Rn. 44 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für eine Kausalität eines derartigen Ladungsmangels ist Vortrag dazu erforderlich, dass konkret ein Eigentümer sich durch den irreführenden Hinweis von einer zulässigen Vertretung hat abbringen lassen. (Rn. 47 – 52) (redaktioneller Leitsatz)
3. Inwieweit Einzelpositionen in der Jahresabrechnung zusammengefasst werden können, ist eine Frage des Einzelfalls, wobei kein kleinlicher Maßstab angelegt werden darf. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

484 C 22248/19 WEG 2020-10-08 Urt AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 08.10.2020, Az. 484 C 22248/19 WEG, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beschluss Nr. 221 (19/08) der Eigentümerversammlung vom 27.11.2019 zu TOP 3 wird hinsichtlich der Genehmigung der Einzelabrechnungen 2018 für ungültig erklärt.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagten 49% und die Klägerin 51%.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Parteien bilden die rubrizierte WEG.
Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnung Nr. … sowie des TG-Stellplatzes Nr. … und des Hobbyraums … mit insgesamt 67,1474/10.000 MEA.
Es handelt sich um eine Anlage aus dem Jahr 1966, die mit Teilungserklärung vom 07.02. 2001(Anl. B 1) aufgeteilt worden ist. In dieser heißt es auszugsweise: „IX. Wohnungseigentümerversammlung (…) 7.
(…)
Ein Wohnungseigentümer kann sich in der Eigentümerversammlung durch einen anderen Wohnungseigentümer, seinen Ehegatten oder sonstige Dritte vertreten lassen. Der Vertreter – ausgenommen der Ehegatte – bedarf der schriftlichen Vollmacht (…).
Jede Wohnungseigentümerversammlung ist beschlussfähig, unabhängig von der Zahl der anwesenden oder vertretenen Stimmen.
(…)
XVII. Getrennte Abrechnungsgemeinschaften
1. Es sollen getrennte Abrechnungsgemeinschaften gebildet werden und zwar
a) für die Wohnungen, die das Hochhaus … bilden samt den Hobby- und Kellerräumen sowie einschließlich der Wohnungen, die durch eine etwaige Aufstockung entstehen
b) die Wohnungen in den fünf Häusern … … bis …, samt Hobby- und Kellerräumen einschließlich der Wohnungen, die durch eine eventuelle Aufstockung entstehen
c) für die Tiefgarage einschließlich der bei einer Erweiterung entstehenden Stellplätze
d) und, sobald errichtet., für die Gebäulichkeiten, die auf dem Teilungsgrundstück weiter errichtet werden.
Die Abrechnung der Kosten und Lasten soll für jede Abrechnungsgemeinschaft getrennt erfolgen, soweit eine getrennte Erfassung möglich ist.
2. Bei Abstimmungen, die wirtschaftlich ausschließlich Belange einer Abrechnungsgemeinschaft betreffen (z.B. Bewirtschaftungskosten oder allgemeine Ausgaben), sind nur die Mitglieder dieser Abrechnungsgemeinschaft stimmberechtigt, soweit dies gesetzlich zulässig ist.
(…)
In der (nicht streitgegenständlichen) Eigentümerversammlung vom 12.09.2017 wurde beschlossen, die außenseitige Befahranlage an der Ost-/Süd-/Westseite des Hochhauses … bis zum 31.10.2018 abzubauen.
Mit Schreiben vom 28.10. 2019 (Anl. K 7), dem die Anlage „Vollmacht“ (Anl. B 3) beigefügt war, lud die Verwaltung zur streitgegenständlichen Eigentümerversammlung vom 27.11.2019 (Anl. K 2).
In dem Einladungsschreiben heißt es auszugsweise:
„(…) Gemäß Ziffer IX.7 der GO ist jede Eigentümerversammlung, unabhängig von der Anzahl der anwesenden oder vertretenen Stimmen, beschlussfähig.
Im Falle Ihrer Verhinderung empfehlen wir Ihnen, sich vertreten zu lassen. Für die Erteilung der Vollmacht verwenden Sie bitte den beliegenden Vordruck, den Sie entweder unmittelbar an den Vollmachtnehmer aushändigen oder zu unseren Händen senden können (…)“.
Die Vollmacht lautet auszugsweise:
„Hiermit bevollmächtige ich (…), das Mitglied des Verwaltungsbeirats der Eigentümergemeinschaft … – … in … (…) uns/mich in der Eigentümerversammlung am 27.11.2019 zu vertreten und das Stimmrecht für mich/uns auszuüben (…)“
In der Eigentümerversammlung vom 27.11.2019 wurden u.a. die hier streitgegenständlichen Beschlüsse zu TOP 3 (JA 2018) u. TOP 9 (Abbau der Befahranlage an der Ost-, Süd- und Westseite des Hochhauses … durch die Firma … gem. Angebot vom 27.11.2019) gefasst. Die Befahranlage wurde zwischenzeitlich vollständig abgebaut.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der in 1. Instanz gestellten Anträge wird im Übrigen auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils vom 08.10.2020 (Bl. 104/117 d.A.) sowie ergänzend auf die Anfechtungsbegründungsschrift vom 27.01.2020 (Bl. 6/15 d.A.), die als Anlage B 1 vorgelegte Ablichtung der Teilungserklärung vom 07.02.2001, das als Anl. K 7 und B 3 vorgelegte Einladungsschreiben mit Anlage „Vollmacht“, die als Anl. K 2 vorgelegte Niederschrift der Eigentümerversammlung vom 27.11.2019 sowie die als Anlage K 3 vorgelegte Jahresgesamt- und einzelabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2018 Bezug genommen.
Das Amtsgericht München hat mit Endurteil vom 08.10.2020 die Beschlüsse zu TOP 3 u. TOP 9 für ungültig erklärt und dies damit begründet, dass die Beschlüsse an einem formellen Ladungsmangel leiden würden. Der Einladung sei nämlich kein Blankovollmachtsformular beigeheftet gewesen, sondern ein Formular, mit dem nur den Mitgliedern des Verwaltungsbeirats Vollmacht erteilt werden konnte, was den – unzutreffenden – Eindruck erwecke, dass eine entsprechende Beschränkung bestehe. Die Kausalität dieses Mangels für die Beschlussfassung sei zu vermuten. Den Beklagten sei es nicht gelungen, Beweis für die fehlende Kausalität zu führen; bloßes Bestreiten reiche insoweit nicht aus.
Gegen dieses, dem Beklagtenvertreter zu 1) am 08.10.2020 zugestellte Urteil hat der Beklagtenvertreter zu 1) mit Schriftsatz vom 09.11.2020, eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und die Berufung sodann mit Schriftsatz vom 08.01.2021 (Bl. 131/142 d.A.) begründet.
Die Beklagtenpartei zu 1) trägt im wesentlichen – neben der umfassenden Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Ausführungen – vor wie folgt:
„Aus dem Einladungsschreiben ergebe sich nicht, dass abweichend von der dort genannten Bestimmung in Ziffer IX der GO plötzlich erstmals die Vertretung von Wohnungseigentümern auf die Mitglieder des Verwaltungsbeirats beschränkt sein solle. Es werde lediglich empfohlen, sich vertreten zu lassen, und gebeten, den beiliegenden Vordruck zu verwenden. Jeder Wohnungseigentümer könne durch einen Blick in die GO einfach feststellen, durch wen er sich vertreten lassen kann. Der „Eindruck“, den das Amtsgericht in seinem erstinstanzlichen Urteil annehme, könne aus der konkreten Gesamtsituation nicht entstehen, was sich schon dadurch zeige, dass 11 Wohnungseigentümer, darunter auch die Klägerin selbst, sich in der Eigentümerversammlung anderweitig hätten vertreten lassen. Das Amtsgericht vermische die Frage, ob überhaupt ein Ladungsmangel vorliege – wie nicht – mit der Frage, ob ein Ladungsmangel ursächlich für das Beschlussergebnis geworden sei. Ob überhaupt ein Ladungsmangel vorliege, sei bereits fraglich. Selbst wenn man einen solchen annehmen würde, müsse die Klagepartei zunächst darlegen und beweisen, dass der Ladungsmangel ursächlich war, d.h., dass die 69 Wohnungseigentümer, die bei der Eigentümerversammlung nicht anwesend und nicht vertreten waren, eigentlich einen Dritten mit ihrer Vertretung beauftragen wollten, davon aber wegen des Einladungsschreibens abgesehen haben. Insoweit liege fristgerecht nur ein pauschaler und unsubstantiierter Vortrag der Klagepartei ohne Beweisangebot vor; der erst in der Berufungsinstanz erfolgte Vortrag bzgl. des Miteigentümers … sei verspätet. Weiter sei die Klägerin von dem behaupteten Ladungsmangel gar nicht selbst betroffen und könne sich deshalb auch nicht darauf berufen. Formelle Fehler hätten bei der Beschlussfassung nämlich keine Drittwirkung, die Betroffenen würden durch die Nichtausübung des Anfechtungsrechts auf die Einhaltung der Formalie verzichten.“
Die Beklagten zu 1) beantragen
1. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 08.10.2020, Az. 484 C 22248/19 WEG, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beschluss Nr. 221 (19/08) der Eigentümerversammlung vom 27.11.2019 zu TOP 3 wird hinsichtlich der Genehmigung der Einzelabrechnungen 2018 für ungültig erklärt.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagten 49% und die Klägerin 51%.
Die Klägerin beantragt
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt – neben der Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag – im wesentlichen die folgende Ansicht:
Das Amtsgericht gehe zutreffend von einem Ladungsmangel aus. Das dem Einladungsschreiben beigegebene Formular stehe in Widerspruch zu Ziffer IX.7 der GO. Es werde der Eindruck erweckt, dass zur Erteilung einer wirksamen Vollmacht nur der Vordruck verwendet werden dürfe. Über den tatsächlichen Inhalt von Ziffer IX.7 der GO werde nicht informiert. Mindestens der Miteigentümer …, der sich sonst immer von der Miteigentümerin … habe vertreten lassen, habe dies in der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung wegen des Einladungsmangels nicht getan. Ohne den Ladungsmangel wäre der Beschluss anders ausgefallen, da die 69 nicht erschienenen Eigentümer die Argumentation der Klägerin gestützt und für andere Beschlussergebnisse gesorgt hätten. Die Klagepartei sei auch betroffen, da es sich um nicht ordnungsgemäß zustande gekommene Beschlüsse handele.
Die Kammer hat zur Sache am 04.11.2021 mündlich verhandelt und den Parteien Hinweise erteilt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.11.2021 verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.11.2021.
II.
Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.
1. Die Beschlussfassung erfolgte am 27.11.2019 und damit ebenso wie die Klageerhebung und Berufungseinlegung vor Inkrafttreten des WEMoG am 01.12.2020. Anwendbar ist sowohl in verfahrensrechtlicher, als auch in materiellrechtlicher Hinsicht ausschließlich altes Recht.
1.1. Verfahren, die – wie hier – bei Inkrafttreten des WEG in der Fassung des WEMoG anhängig waren, werden nach den §§ 43 ff. a.F. behandelt. Dies gilt auch für Verfahren, die sich im Instanzenzug befinden (BeckOGK/Skauradszun, 1.6.2021, WEG § 48 Rn. 20-22). Dass bereits bei Inkrafttreten der neuen Vorschriften am 1.12.2020 anhängige Verfahren nach den bis dahin geltenden Bestimmungen zu Ende geführt werden, ist ein einleuchtender Ansatz, der es allen Beteiligten im Sinne der Rechtssicherheit erlaubt, das mit Beginn des Rechtsstreits eingegangene Risiko nicht durch nachträgliche Änderungen dessen formaler Abwicklung zu verändern (MüKoBGB/Krafka, 8. Aufl. 2021, WEG § 48 Rn. 12).
1.2. Die neuen materiellrechtlichen Regelungen dürfen auch nicht rückwirkend bei der Beurteilung von Beschlüssen angewandt werden, die vor dem 1.12.2020 gefasst wurden. Die Gültigkeit solcher Beschlüsse ist auf Grundlage der im Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden Rechtslage zu beurteilen (BGH Urt. v. 16.07.2021 – V ZR 163/20, BeckRS 2021, 21810 Rn. 5, beckonline; vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 48 Rn. 18).
2. Die Berufung der Beklagtenpartei zu 1) wurde frist- und formgerecht gemäß §§ 517, 519 ZPO und unter Beachtung der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eingelegt. Die Beklagten zu 2) und 3) werden zwar nicht vom Beklagtenvertreter zu 1) vertreten und haben auch selbst keine Berufung eingelegt. Die Rechtsmitteleinlegung erfordert aber kein einheitliches Vorgehen. Die Anfechtungsbeklagten sind prozessual notwendige Streitgenossen (BeckOK BGB/Scheel, 59. Ed. 1.11.2020, WEG § 45 Rn. 14). Ein notwendiger Streitgenosse kann ein ihn beschwerendes Urteil hinnehmen. Die übrigen Streitgenossen sind deshalb nicht an der Durchführung eines Rechtsmittels gehindert; eine einheitliche Sachentscheidung wird dadurch gewährleistet, dass die Streitgenossen, die von der Einlegung eines Rechtsmittels abgesehen haben, in der bisherigen Parteirolle als Kläger oder Beklagter an dem Verfahren weiter zu beteiligen sind (vgl. BGH, NJW 2016, 716 Rn. 10, beckonline).
3. Die zulässige Berufung ist auch begründet.
Die Anfechtungsklage ist insgesamt zwar zulässig, im hier noch streitgegenständlichen Umfang aber nicht begründet. Die zu den TOPen 3 und 9 gefassten Beschlüsse entsprechen insoweit jedenfalls nicht aus den fristgerecht vorgetragenen Gründen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
Zur Begründung im Einzelnen ist aus Sicht der Kammer Folgendes auszuführen:
3.1. Einhaltung der Anfechtungsfrist:
Zutreffend geht das Amtsgericht München zunächst davon aus, dass die Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1, S.2 WEG a.F., deren Einhaltung das Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen hat, vorliegend gewahrt wurde.
1) Die Anfechtungsfrist ist nur dann eingehalten, wenn die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung erhoben, also an die beklagten (übrigen) Wohnungseigentümer zugestellt worden ist, vgl. §§ 253, 261 ZPO. Darlegungs- und beweispflichtig insoweit ist die Klagepartei (vgl. BGH, NZM 2009, 199, 201). Diese hat vorliegend zur Überzeugung des Gerichts die Einhaltung der Anfechtungsfrist nachgewiesen.
2) Die Zustellung der Klage an den Beklagtenvertreter erfolgte zwar erst am 09.03.2020 und damit (weit) nach Ablauf der Anfechtungsfrist am 27. 12. 2019. Die Zustellung wirkt aber auf den maßgeblichen Zeitpunkt zurück, wenn sie im Sinne von § 167 ZPO „demnächst“ erfolgt. Dies ist dann der Fall, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen – gegenüber dem für die Zustellung ohnehin erforderlichen Zeitraum – unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Als hinnehmbar wird regelmäßig eine Verzögerung von bis zu 14 Tagen angesehen, gerechnet ab Ablauf der Anfechtungsfrist (BeckOGK/Skauradszun, 1.9.2021, WEG § 45 Rn. 14).
3) Bei Zugrundlegen dieser Kriterien erfolgte die Zustellung hier „demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO.
Der Kläger darf – wie hier – die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses durch das Gericht abwarten (BGH NZM 2016, 53; LG Düsseldorf ZMR 2015, 778), muss aber auf etwaige Streitwertanfragen (hier: Beschluss v. 05.01.2020, Bl. 4/5, EB: 15.01.2020) zeitnah antworten, was hier im Rahmen der Klagebegründung vom 27.01.2020 (Bl. 6/15) auch geschah. Erfolgt keine Kostenanforderung durch das Gericht, muss der Kläger nach einer angemessenen Frist von maximal drei Wochen bei Gericht mündlich oder schriftlich nachfragen (BeckOGK/Skauradszun, 1.9.2021, WEG § 45 Rn. 17). Der Klägervertreter hat hier zwar nicht nach dem Ablauf der dreiwöchigen Frist bei Gericht nachgefragt, sondern die erst nach einer weiteren Woche erfolgte Kostenanforderung abgewartet. Dadurch ist aber keine Verzögerung von mehr als 2 Wochen gegenüber dem für die Klagezustellung ohnehin erforderlichen Zeitraum eingetreten. Auf die gerichtliche Anforderung hin ist der Vorschuss zeitnah einzuzahlen. Bei der Bestimmung des ohnehin für die Einzahlung erforderlichen Zeitraums steht der Partei in der Regel eine Erledigungsfrist von einer Woche zur Einzahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses zu, wobei sich der Zeitraum nach den Umständen des Einzelfalls angemessen verlängern kann (BGH NJW-RR 2019, 976 Rn. 9). Der Adressat der Kostenanforderung ergibt sich aus den landesrechtlichen Kostenregelungen: Ist verfahrensfehlerhaft die Anforderung beim Anwalt eingegangen, sind daraus entstandene Verzögerungen – die regelmäßig mit drei Tagen anzusetzen sind – der Partei aber nicht zuzurechnen (BGH NJW 2015, 2666 Rn. 8); heute lassen die Regeln aber zumeist die Zustellung an den Anwalt zu. Auch bei verfahrensfehlerfreier Anforderung über den Anwalt ist gleichsam eine dreitägige Frist für Prüfung und Weiterleitung anzusetzen (BGH NZM 2018, 173 Rn. 8). Vorliegend hat das Amtsgericht zwar bereits mit Beschluss vom 28.01.2020 den Streitwert auf € 35.310,70 festgesetzt und am selben Tag verfügt, die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses förmlich anzufordern. Diese Vorschussanforderung ging dem Klägervertreter aber erst am 24.02.2020 zu, sodass der Eingang der Vorschusszahlung am 02.03.2020 bei der Justizkasse noch innerhalb der Frist (bis 5.3.2020) erfolgte.
4) Die Vorschussanforderung ist dem Klägervertreter in Anwendung § § 174 Abs. 3 und Abs. 4 S.2 bis 4, 130a Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2 ZPO über dessen besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) elektronisch zugestellt worden, und er hat das Empfangsbekenntnis elektronisch zurückgesandt (Bl. 18 d.A.). Im Falle der Zustellung eines Schriftstücks an einen Rechtsanwalt durch Empfangsbekenntnis (§ 174 Abs. 1 ZPO) ist die Zustellung nicht schon mit dem Eingang in der Kanzlei als bewirkt anzusehen, sondern erst dann, wenn der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gegen sich geltend zu lassen, und dies auch durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses bekundet. Zustellungsdatum ist also der Tag, an dem der Rechtsanwalt als Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegengenommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2012 – IX ZB 303/11, NJW 2012, 2117 Rn. 6; Beschluss vom 12. Januar 2010 – VI ZB 64/09, NJW-RR 2010, 417 Rn. 9).
5) Das elektronisch zurückgesandte Empfangsbekenntnis erbringt nach Maßgabe der § 371a Abs. 1, § 416 ZPO als privates elektronisches Dokument ebenso wie ein auf dem Postweg zurückgesandtes Empfangsbekenntnis Beweis sowohl für die Entgegennahme der in ihm bezeichneten Schriftstücke als auch für den Zeitpunkt von deren Empfang.
Der Klägervertreter hat durch die Rückübermittlung des mit dem Zustellungsdatum 24.02.2020 versehenen elektronischen Empfangsbekenntnisses bescheinigt, dass er (erst) unter diesem Datum Kenntnis vom Zugang dem in dem Empfangsbekenntnis genannten Dokument erlangt hat.
6) In dem EB ist als Dokument zwar nur pauschal „Anschreiben“ aufgenommen, aus der von der Klagepartei vorgelegten Anl. K 11 ergibt sich aber als Betreff „KOST-Ausdruck Kostenübersicht“.
7) Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben ist zwar zulässig. Er setzt aber voraus, dass die Beweiswirkung des § 174 Abs. 1 und 4 ZPO vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können; hingegen ist dieser Gegenbeweis nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2012 – IX ZB 303/11, NJW 2012, 2117 Rn. 6 mwN, Beschluss vom 12. September 2012 – XII ZB 642/11, NJW 2012, 3378 Rn. 13 mwN); (BGH Beschluss vom 24.3.2021 – LwZB 1/20, BeckRS 2021, 10258 Rn. 9, beckonline). Diese strengen Anforderungen sind hier nicht erfüllt.
3.2. Ladungsmangel:
Ein Ladungsmangel ist hier wegen der zumindest irreführenden Formulierung des Einladungsschreibens samt beigefügter Vollmacht zwar als solcher gegeben, die Klagepartei hat aber nicht fristgerecht innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist schlüssig vorgetragen, dass die nicht erschienenen und nicht vertretenen Eigentümer gerade wegen des Ladungsmangels von der Erteilung einer Vollmacht an einen Dritten abgesehen haben.
8) Die Ladung ist fehlerhaft.
Die Einberufung zur Eigentümerversammlung muss zumindest den Tagungsort, die Anfangszeit der Versammlung und die Tagesordnung enthalten sowie die Person des Einberufenden erkennen lassen. Sie muss so formuliert werden, dass jeder Wohnungseigentümer erkennen kann, über welche konkreten Angelegenheiten Beschlüsse gefasst werden sollen.
Die Einberufung braucht regelmäßig zwar nicht den Hinweis auf eine Vertretungsmöglichkeit oder einen Stimmrechtsausschluss zu enthalten. Erfolgt jedoch ein derartiger Hinweis, so muss die Regelung zur Vertretung oder zum Stimmrechtsausschluss zutreffend wiedergegeben werden (Bärmann/ Merle, 14. Aufl. 2018, WEG § 24 Rn. 32).
Dies ist hier nicht der Fall. Das Einladungsschreiben enthält keinen allgemeinen Hinweis auf die Teilungserklärung, sondern verweist nur im Zusammenhang mit der Beschlussfähigkeit auf die Teilungserklärung; die gewählte Formulierung (“Gemäß Ziffer IX.7. Der Gemeinschaftsordnung ist jede Eigentümerversammlung, unabhängig von der Anzahl der anwesenden oder vertretenen Stimmen, beschlussfähig“) liest sich wie ein zusammenfassendes Zitat (nur) der entsprechenden Regelung. Zudem ist die die Teilungserklärung zitierende Passage über die Beschlussfähigkeit durch einen Absatz optisch deutlich getrennt von der Regelung über die Vertretung und Vollmachtserteilung, für die wiederum kein entsprechender Verweis auf die Teilungserklärung erfolgt. Stattdessen wird nur empfohlen, sich vertreten zu lassen, und gebeten, den beiliegenden Vordruck zu verwenden, der ausschließlich Mitglieder des Verwaltungsbeirats benennt. Nach dem Erklärungsempfängerhorizont dürfte dies so zu verstehen sein, dass nur die dort genannten Personen mit der Vertretung in der Eigentümerversammlung bevollmächtigt werden dürfen.
9) Ein unrichtiger Hinweis kann jedoch nach fristgerechter Anfechtung nur dann zur Ungültigerklärung der in der einberufenen Versammlung gefassten Beschlüsse führen, wenn sich der Hinweis auf die jeweiligen Beschlussergebnisse ausgewirkt hat (vgl. Bärmann/Merle, 14. Aufl. 2018, WEG § 24 Rn. 32). Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, die regelmäßig einer geordneten und optimalen Ermessensausübung und dem Minderheitenschutz dienen, sind in der Regel nur dann erheblich und führen nur dann zur Anfechtbarkeit und Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses, wenn sich der Verstoß auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat (vgl. LG München I Endurteil v. 10.10.2018 – 1 S 2806/18, BeckRS 2018, 42024; MüKoBGB/ Hogenschurz, 8. Aufl. 2021, WEG § 23 Rn. 71).
Bei der Feststellung der danach bei formellen Beschlussmängeln grundsätzlich erforderlichen Kausalität wendet die ständige Rechtsprechung in unterschiedlichen Formulierungen und mit im Einzelfall unterschiedlichen Anforderungen den Erfahrungssatz (tatsächliche Vermutung) an, dass von der Ursächlichkeit so lange auszugehen sei, bis der Beweis des Gegenteils zweifelsfrei erbracht sei. Damit trifft den Beklagten der Anfechtungsklage zwar grundsätzlich die Darlegungslast für die Tatsachen und Hilfstatsachen, aus denen sich die Unbeachtlichkeit des formellen Mangels ergibt.
Vom Anfechtungskläger ist aber zuvor eine Darlegung dazu zu erwarten, wie er sich ohne den Verfahrensmangel verhalten hätte, etwa dass er nur wegen des verspäteten Zugangs der Einladung nicht an der Eigentümerversammlung teilnehmen konnte, welche weiteren Vorbereitungsmaßnahmen er bei ordnungsgemäßer Beschlussankündigung noch hätte einholen wollen oder auch, welche Argumente er angesichts eindeutiger Mehrheitsverhältnisse gegen die Entscheidung der Mehrheit hätte geltend machen wollen (MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl. 2021, WEG § 23 Rn. 71; vgl. LG München I, ZWE 2016, 42; so wohl auch BGH, Urt. v. 02.07.2021, V ZR 201/20, ZWE 2021, 409). Der Ladungsmangel kann sich nur dann auf das Beschlussergebnis ausgewirkt haben, wenn der Eigentümer der Versammlung ferngeblieben ist und auch keinen Vertreter entsendet hat und dies auf der unterbliebenen Ladung beruht. Ein Einfluss des Ladungsmangels auf das Beschlussergebnis ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer ohnehin nicht zur Versammlung kommen wollte oder konnte und die Entsendung (irgend-) eines Vertreters für ihn ohnehin nicht in Frage kam. Der Klägerin – die selbst kein Mitglied des Verwaltungsbeirats, sondern die Miteigentümerin … bevollmächtigt hatte – müsste zur Schlüssigkeit der Klage also zumindest vortragen, dass ein Ladungsmangel vorliegt, (jedenfalls) ein anderer Wohnungseigentümer zur Versammlung nicht erschienen ist und keinen Vertreter entsendet hat und einen Vertreter geschickt hätte, wenn er ordnungsgemäß, also unter korrekter Angabe der Vertretungsmöglichkeiten, eingeladen worden wäre.
Erst dann greift in einem zweiten Schritt die Vermutung, dass die Rechtsverletzung ursächlich für das Beschlussergebnis geworden ist. Die Vermutung ist gerechtfertigt, weil der Kläger nicht wissen kann, wie die anderen Eigentümer gestimmt hätten, wenn die Meinungsbildung in der Versammlung unbeeinflusst von Verfahrensfehlern abgelaufen wäre. Daher tritt dann eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Frage ein, ob die vom Kläger nachgewiesene kausale Beeinflussung der Meinungsbildung oder Stimmenausübung Auswirkung auf das Beschlussergebnis hatte. Erst dann tragen die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, der angefochtene Beschluss wäre genauso gefasst worden, wenn der Kläger in der Versammlung vertreten gewesen wäre. Wenn ein Kläger aber fristgerecht nicht einmal behauptet, dass er oder ein anderer Wohnungseigentümer sich bei Unterbleiben der irreführenden Angaben in der Einladung in der Eigentümerversammlung hätte vertreten lassen, dann kann sich der Einberufungsfehler auch nicht auf das Beschlussergebnis ausgewirkt haben (vgl. Vandenhouten in: Niedenführ/SchmidtRäntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Aufl. 2020, § 24, Rn. 36).
Ein den vorstehend formulierten Anforderungen entsprechender schlüssiger Vortrag der Klägerin erfolgte bzgl. der nicht erschienenen Wohnungseigentümer, die sich auch nicht haben vertreten lassen, nicht fristgerecht binnen der materiellrechtlichen Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1, S. 2 WEG a.F. Der fristgerechte Vortrag („Es ist also nicht ausgeschlossen, dass aufgrund der einschränkenden, von der WEGVerwaltung vorformulierten Vollmacht ein Wohnungseigentümer von der Erteilung einer Vollmacht für einen Dritten abgesehen hat“, Hervorhebungen durch Unterzeichner) ist lediglich pauschal und allgemein und bewegt sich ausschließlich im Bereich des Spekulativen. Der (bestrittene) konkrete Vortrag hinsichtlich des Miteigentümers … (unter Benennung der Miteigentümerin … als Beweismittel für die internen Vorgänge der Entscheidungsfindung des Miteigentümers …) erfolgte erstmals in der Berufungsinstanz.
10) Auf die noch wenig diskutierte aber – auch nach Auffassung der Kammer – durchaus praxisrelevante Frage, ob ein Wohnungseigentümer sich im Rahmen einer Anfechtungsklage auch dann erfolgreich auf einen formellen Beschlussfehler berufen kann, wenn der Verfahrensverstoß – wie hier – nicht den Kläger selbst, sondern einen anderen Eigentümer betrifft (Drittwirkung von formellen Beschlussmängeln), muss daher vorliegend nicht eingegangen werden.
3.3. TOP 3 (nur noch: Jahresgesamtabrechnung)
Die insoweit fristgerecht vorgetragenen Anfechtungsgründe können eine Ungültigerklärung nicht rechtfertigen.
11) Soweit die Klägerin moniert, dass keine Darstellung der Forderungen und Verbindlichkeiten erfolge, greift diese Rüge nicht durch. Der Inhalt der Jahresabrechnung ist in § 28 Abs. 3 WEG a.F. zwar nicht ausdrücklich geregelt. Die Abrechnung ist jedoch Ausfluss der Rechenschaftspflicht des Verwalters, deren Inhalt sich nach § 259 Abs. 1 BGB bestimmt. Nach dieser Vorschrift muss die Abrechnung eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben für das betreffende Wirtschaftsjahr enthalten. Die Gesamtabrechnung ist keine handelsrechtliche Bilanz und keine Gewinn- und Verlustrechnung. Mit der überwiegenden Ansicht ist sie vielmehr grundsätzlich als reine Einnahmen- und Ausgabenrechnung anzusehen. Danach hat der Verwalter alle tatsächlich in dem abzurechnenden Wirtschaftsjahr erzielten Einnahmen und getätigten Ausgaben einzustellen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Rechtsgrund für eine Zahlung in der betreffenden Rechnungsperiode gelegt wurde, oder ob tatsächliche Auswirkungen auch spätere Jahre betreffen können. Rechnungsabgrenzungen sind grds. nicht vorzunehmen. Forderungen und Verbindlichkeiten – auch aus früheren Jahresabrechnungen – sind gerade nicht zu berücksichtigen (Bärmann/Becker, 14. Aufl. 2018, WEG § 28 Rn. 114-115a).
12) Die Ausführungen der Klagepartei im Schriftsatz vom 26.05.2020 bzgl. der nicht detaillierten Darstellung periodenfremder Einnahmen auf S. 8 der Jahresabrechnung sind schon deswegen nicht zu berücksichtigen, weil die „Zielrichtung“ dieses Vortrags (periodenfremde Einnahmen ausgewiesen, aber nicht detailliert, sondern als Summe) eine andere ist als die des fristgerechten Vortrags in der Klagebegründung (Fehlen der Darstellung von Forderungen und Verbindlichkeiten). Es handelt sich also nicht um die – zulässige – weitere Konkretisierung eines fristgerecht im Kern geltend gemachten Anfechtungsgrundes, sondern um ein Nachschieben von Gründen. Das Nachschieben von Gründen ist aber ausgeschlossen; nach Ablauf der Begründungsfrist vorgetragene Anfechtungsgründe sind unbeachtlich. Damit wird verhindert, dass die gesetzliche Begründungsfrist unterlaufen werden kann (vgl. BGH NJW 2009, 999 u. NJW 2011, 2202 Rn. 18; LG München I BeckRS 2013, 15023).
13) Auch die Rügen der Klagepartei, dass das Abrechnen von Ausgaben für Sondereigentum nicht zu Lasten der Gemeinschaft erfolgen dürfe
14) Die Klagepartei kann sich weiter nicht erfolgreich darauf berufen, dass die Forderungen und Verbindlichkeiten oder die unberechtigten Ausgaben „entweder nicht korrekt ausgewiesen oder nicht schlüssig/verständlich dargestellt“ werden.
15) Forderungen und Verbindlichkeiten sind in der vorliegenden Jahresabrechnung – korrekterweise – gar nicht dargestellt und können daher auch nicht unschlüssig/unverständlich sein.
16) Die als unberechtigt monierten Ausgaben sind zwar nicht separat in der Jahresabrechnung dargestellt, sondern jeweils Teil eines umfassenderen Rechnungspostens („Lfd. Instandhaltung Hs. … bzw „Sonstige Kosten T2 – 12“). Dies ist hier i.E. aber unschädlich. Die Gesamtabrechnung muss die unterschiedlich zu verteilenden Kostenpositionen zutreffend aufschlüsseln (BGH NZM 2017, 77); die Bezeichnung der Bestandteile und vor allem der einzelnen Positionen ist wichtig, damit die Eigentümer erkennen, was überhaupt dargestellt wird und welche Arten von Kosten in welcher Höhe angefallen sind und verteilt werden. Es können aber in der Regel nicht alle Ausgaben einzeln aufgeführt werden, weil die Abrechnung sonst unübersichtlich würde. Gleichartige Kosten werden addiert und unter einem unterscheidungskräftigen Begriff in die Abrechnung aufgenommen. Die Eigentümer müssen durch die Bezeichnung erkennen können, in welchem Zusammenhang oder aus welchem Rechtsgrund die Kosten entstanden sind (LG Karlsruhe ZMR 2013, 469 zu Sonderhonoraren des Verw.; vgl. Bärmann/Pick/Emmerich, 20. Aufl. 2020, WEG § 28 Rn. 89). Eine Aufschlüsselung von Kostenbeträgen ist nur insoweit erforderlich, als es im Einzelfall einem berechtigten Informationsbedürfnis entspricht; zur Straffung der Abrechnung genügt eine Aufgliederung nach Kostenarten, die schlagwortartig gekennzeichnet sind; eine Bezugnahme auf bestimmte Belege oder gar eine Aufgliederung nach Buchungsdatum, Gegenstand, Belegnummer und Betrag ist nicht erforderlich (Niedenführ in: Niedenführ/Schmidt-Räntsch/ Vandenhouten, WEG, 13. Aufl. 2020, § 28, Rn. 72). Inwieweit Einzelpositionen zusammengefasst werden können, ist eine Frage des Einzelfalls, wobei kein kleinlicher Maßstab angelegt werden darf (LG München I, Urteil vom 29. April 2010 – 36 S 9595/09 -, Rn. 16, juris). Die Kammer geht daher bereits davon aus, dass die gewählte Zusammenfassung den vorgenannten Anforderungen genügt.
Dies kann i.E. allerdings offenbleiben, da auch insoweit kein schlüssiger Klagevortrag gegeben ist. Es ist nämlich zunächst einmal Sache der Klägerin, sich durch Einsicht in die Abrechnungsunterlagen oder im Rahmen eines Auskunftsverlangens gegenüber der Verwaltung darüber zu informieren, wie sich die einzelnen Positionen zusammensetzen (vgl. LG München I, Urteil vom 16. November 2015 – 1 S 23501/14 WEG -, Rn. 6, juris). Dies hat die Klägerin offensichtlich auch getan, die Sachkontenblätter eingesehen und damit auch im Verfahren genau benennen können, um welche Einzelpositionen es sich handelt.
3.4. TOP 9:
17.) Die Klägerin hat insoweit zunächst fristgerecht bemängelt, dass diese Angelegenheit nur die Belange der Teileigentümergemeinschaft „Hochhaus“ (…) betreffe und daher auch nur von dieser hätte beschlossen werden dürfen. Dies trifft nicht zu.
18.) Vorliegend handelt es sich um eine Mehrhausanlage. Dieser Begriff findet sich im WEG zwar nicht, generell wird darunter aber die Situation verstanden, dass eine in Wohnungs- und/oder Teileigentum aufgeteilte Anlage aus mehreren Gebäuden besteht, die derart voneinander abgegrenzt und ausgestattet sind, dass Verwaltungsmaßnahmen oder Gebrauchsregelungen in dem einen Gebäude durchgeführt werden können, ohne die Interessen der Eigentümer von Einheiten in den anderen Gebäuden zu tangieren. Dies können sowohl oberirdische (Hochbauten) als auch unterirdische Gebäude (zum Beispiel Tiefgarage) sein (vgl. Rüscher, ZWE 2011, 308, beckonline). Bei sog. Mehrhausanlagen erfolgt in der Gemeinschaftsordnung eine Separierung von Stimmrechten, Nutzungsbefugnissen, Kostentragung und Abrechnung je nach Baukörper. Mehrere, jedoch nicht sämtliche Wohnungseigentümer werden also nochmals in einer gesonderten Gruppe zusammengefasst. Diese „Unter Eigentümergemeinschaften“ werden allein durch individuelle Gestaltung der Gemeinschaftsordnung ins Leben gerufen und vom WEG – das allein ein Grundstück mit nur einem Baukörper im Blick hatte – nicht erfasst (BeckOGK/Falkner, 1.12.2020, WEG § 9a Rn. 39, 40). Eine Rechtsfähigkeit besteht allein für die „Gesamtgemeinschaft“, nicht aber für die Untergemeinschaften. Die Untergemeinschaft ist keine Gemeinschaft im Sinne des WEG, ein Verwalter, das Verwaltungsvermögen und eine Gesamtabrechnung sind nur im Rahmen der „GesamtGemeinschaft“ möglich. Allein die Gesamt-Gemeinschaft kann rechtsgeschäftlich handeln und Verträge abschließen. Die Untergemeinschaft ist einzig das Produkt der Gemeinschaftsordnung, die dadurch eine zusätzliche Verwaltungsebene für die Eigentümergemeinschaft schafft (BeckOGK/Falkner, 1.12.2020, WEG § 9a Rn. 41). Den Untergemeinschaften können in der Gemeinschaftsordnung Befugnisse etwa in Bezug auf das Rechnungswesen der Wohnungseigentümergemeinschaft eingeräumt werden, indem entweder auf einer einheitlichen Eigentümerversammlung ein Stimmverbot für die übrigen Wohnungseigentümer eingreift (zu einer derartigen Regelung in der Gemeinschaftsordnung vgl. BGH ZWE 2020, 386 Rn. 14) oder den Untergemeinschaften in „ihren“ Angelegenheiten Beschlusskompetenz und das Recht zu „Teilversammlungen“ eingeräumt wird (zu einer Gemeinschaftsordnung dieses Inhalts vgl. BGH WuM 2018, 100 Rn. 21 ff. = ZWE 2018, 124; vgl. BGH, ZWE 2021, 363 Rn. 7, beckonline).
19.) In der hier maßgeblichen TE finden sich in Ziffer XVIII. Regelungen zu „getrennten Abrechnungsgemeinschaften“.
20.) In XVIII.1 wird nur bestimmt, dass und welche Abrechnungsgemeinschaften gebildet werden sowie, dass „die Abrechnung der Kosten und Lasten für jede Abrechnungsgemeinschaft getrennt erfolgen soll, soweit eine getrennte Erfassung möglich ist“. Eigene Mitwirkungsrechte der „Untergemeinschaften“ setzen im Hinblick auf das „Rechnungswesen“ eine ausdrückliche, eindeutige Regelung in der Gemeinschaftsordnung voraus. Es genügt nicht, wenn eine Gemeinschaftsordnung lediglich vorsieht, dass die Untergemeinschaften weitgehend verselbständigt sein oder – wie hier – dass die Kosten getrennt ermittelt und abgerechnet oder eigene Rücklagen gebildet werden sollen. Hierdurch wird im Zweifel lediglich die Gestaltung der gemeinschaftlich zu beschließenden Jahresabrechnung dahingehend geregelt, dass abtrennbare Kosten der Untergemeinschaften und die Erhaltungsrücklage hausbezogen dargestellt werden müssen (BGH, Urt. v. 16.7.2021 – V ZR 163/20; ZWE 2021, 363, beckonline).
21.) Die Regelung in XVIII.2 sieht vor, dass bei Abstimmungen, die wirtschaftlich ausschließlich Belange einer Abrechnungsgemeinschaft betreffen (z.B. zu Bewirtschaftungskosten oder allgemeinen Ausgaben), nur die Mitglieder dieser Abrechnungsgemeinschaft stimmberechtigt sind. Der Anwendungsbereich dieser Regelung ist vorliegend bereits deswegen nicht eröffnet, weil in TOP 9 vorgesehen ist, dass die Finanzierung der Maßnahme aus der Instandhaltungsrücklage erfolgt, sodass wirtschaftlich nicht nur die Belange der Abrechnungsgemeinschaft … betroffen werden.
22.) Die Frage, ob die Regelung in XVIII.2 der TE eine eigenständige Beschlusskompetenz für die Abrechnungsgemeinschaften begründet oder nur einen vereinbarten Stimmrechtsausschluss vorsieht, kann daher als nicht entscheidungserheblich offen bleiben. Lediglich ergänzend weist die Kammer deswegen insoweit darauf hin, dass sie stark dazu tendiert, einen vereinbarten Stimmrechtsausschluss anzunehmen:
Die Gemeinschaftsordnung ist Bestandteil der Grundbucheintragung. Maßgebend für ihre Auslegung sind ihr Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt, weil sie auch die Sonderrechtsnachfolger der Wohnungseigentümer bindet. Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 20. November 2015 – V ZR 284/14, BGHZ 208, 29 Rn. 9 mwN). Dabei müssen Abweichungen von der gesetzlichen Verteilung der Aufgaben, Kompetenzen und Kosten klar und eindeutig aus der Gemeinschaftsordnung hervorgehen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2017 – V ZR 102/16, ZWE 2017, 367 Rn. 14 mwN; BGH Urt. v. 10.11.2017 – V ZR 184/16, BeckRS 2017, 139453 Rn. 1214, beckonline). Dies spricht gegen die Annahme, dass in Nr. XVIII.2 eine eigenständige Beschlusskompetenz geregelt werden soll. Schon der Wortlaut der Regelung legt es vielmehr nahe, dass es sich um einen vereinbarten Stimmrechtsausschluss handeln soll („Bei Abstimmungen (..) sind nur die Mitglieder dieser Abrechnungsgemeinschaft stimmberechtigt (…)“). Stimmen bei einem gegenständlich beschränkten Stimmrecht alle Wohnungseigentümer ab, ist der Beschluss richtigerweise regelmäßig lediglich anfechtbar (so auch LG Hamburg BeckRS 2016, 5630 = ZMR 2016, 223 (226)) und eine Aufhebung unterbleibt mangels Kausalität, wenn der Beschluss auch nur mit den Stimmen der Berechtigten so zustande gekommen wäre (BeckOK WEG/Müller, 46. Ed. 1.10.2021, WEG § 10 Rn. 23.1). Ob dies hier der Fall ist, ist strittig, muss aber nicht entschieden werden.
23.) Der fristgerechte Vortrag der Klägerin, wonach drei Vergleichsangebote fehlen würden, war bereits nach Aktenlage teilweise widerlegt, da neben dem beschlossenen Angebot der Firma … vom 27.11.2019 bereits nach der Einladung ein früheres Angebot der Firma … vom 16.05.2019 vorgelegen hatte. Die Klagepartei hat ihren entsprechenden Vortrag in der Berufungsverhandlung nach der informatorischen Anhörung der Beklagten zu 2) auch ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten. Soweit die Klägerin weiter vorträgt, dass die Angebote der Einladung nicht beilagen bzw. untereinander nicht vergleichbar seien, erfolgte dieser Vortrag erstmals in der Replik und damit verspätet. Ein Nachschieben von Anfechtungsgründen ist – wie bereits ausgeführt – nicht zulässig.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
5. Die Streitwertfestsetzung erfolgte bereits in der mündlichen Verhandlung vom 04.11.2021.
6. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung …


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