Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Eintritt in das Mietverhältnis nach Tod des Lebensgefährten

Aktenzeichen  0102 C 1109/18

Datum:
16.1.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 38198
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 563, § 985

 

Leitsatz

Voraussetzung für § 563 BGB ist ein auf Dauer angelegter gemeinsamer Haushalt, hierfür ist die Meldung beim Einwohnermeldeamt zwar ein Indiz, erforderlich ist aber eine umfassende Beweiswürdigung. (Rn. 12 – 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung im 1. OG Mitte des Anwesens in … an die Klägerin herauszugeben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, hinsichtlich der Hauptsache (Herausgabe) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.200,00 € und hinsichtlich der Kosten in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 31.03.2019 gewährt.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.808,84 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend auch begründet.
I.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Herausgabe der verfahrensgegenständlichen Wohnung gegen den Beklagten gemäß § 985 BGB.
Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnung, der Beklagte ist Besitzer. Der Beklagte hat kein Recht zum Besitz, insbesondere ist der Beklagte nicht gemäß § 563 Abs. 1 S. 3 BGB in das zwischen der verstorbenen E… K… und der Klägerin bis zu deren Tod bestehende Mietverhältnis eingetreten.
Es ist dem insoweit beweisbelasteten Beklagten nicht gelungen nachzuweisen, dass er mit der verstorbenen Mieterin einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt geführt hat. Der Beklagte selbst behauptet zwar, er habe mit E… K… in der Wohnung gelebt und diese während ihrer schweren Erkrankung gepflegt. Zudem wurde der Vollstreckungsbescheid vom 22.05.2000 adressiert an „W… S… E… K…“ zugestellt und der Beklagte ist ausweislich der Melderegisterauskunft vom 10.09.2018 seit. 12.10.2012 in der Wohnung gemeldet.
Die vernommenen Zeugen D… und L… T… sind zudem offensichtlich davon ausgegangen, dass der Beklagte in der Wohnung der E… K… gewohnt habe. Der Zeuge L… T… gab an, er vermute, dass der Beklagte in der Wohnung der Frau K… gewohnt habe. Er habe ihn öfters gesehen und gehört. Gesehen habe er ihn auf dem Balkon, wobei der Beklagte zurück in die Wohnung gegangen sei, wenn er bemerkt habe, dass er gesehen worden sei. In einem über mehrere Jahre gehenden Zeitraum habe er den Beklagten etwa 10-11 mal gesehen. Reden gehört habe er den Beklagten und E… K… etwa einmal im Monat. Als Grund dafür, weshalb er aufgrund der von ihm geschilderten Umstände davon ausgehe, dass der Beklagte selbst in der Wohnung wohnt und die verstorbene E… K… dort nicht lediglich besucht habe, gab der Zeuge an, dass der Beklagte die Wohnung nie verlassen hätte, wobei er nicht ausschließen konnte, dass dies möglicherweise auch einmal nicht mitbekommen haben könnte. Einkaufen gegangen sei die E… K… davon, dass diese später pflegebedürftig gewesen sei, habe er nichts mitbekommen.
Die Zeugin D… T… gab an, dass die ganze Nachbarschaft gewusst habe, dass der Beklagte bei Frau K… gewohnt habe. Der Beklagte sei auch in der Wohnung geblieben, wenn diese einkaufen gegangen sei, da sie ihn auch dann husten gehört habe, wenn sie zuvor Frau K mit einer Einkaufstasche habe gehen sehen. Die E… K… habe jedoch, wenn sie diese gebeten habe, dem Beklagten einen Gruß auszurichten, geantwortet, dass „ja, wenn er mal wieder zu Besuch ist“. Es sei in der Nachbarschaft auch erzählt worden, dass Frau K… der Mutter des Beklagten versprochen habe, sich um den Beklagten zu kümmern.
Die Zeugin W… gab an, bei einem Termin mit einer Gerichtsvollzieherin 2012 habe die E… K… die Nachfrage, ob der Herr S… in der Wohnung sei, verneint. Als die zuvor abgeschlossene Schlafzimmertür im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung geöffnet worden sei, habe sich der Beklagte im Schlafzimmer befunden. Auf Nachfrage habe er geäußert, dass er zu Besuch sei. Am Klingelschild habe der Name des Beklagten nicht gestanden. Sie und eine Kollegin hätten den Beklagten dann aufgefordert, sich nochmal im Büro zu melden, da sie davon ausgegangen sei, dass der Beklagte, wenn er nirgendwo gemeldet sei und sich in der Wohnung der Frau K… aufhalte, sich dort eventuell anmelden und dort wohnen wolle.
Dass die Zeugen, an deren Glaubwürdigkeit keinerlei Zweifel bestehen und die ihre Wahrnehmungen und auch die Schlüsse die sei daraus gezogen haben glaubhaft geschildert haben, aus den unterschiedlichen Wahrnehmungen jeweils den Schluss gezogen oder jedenfalls vermutet haben, dass der Beklagte in der Wohnung der Frau K… lebt ist nachvollziehbar, nicht jedoch der einzige mögliche Schluss. Vor dem Hintergrund, dass sämtliche Zeugen jedenfalls einen Umstand geschildert haben, der gegen ein Wohnen des Beklagten in der Wohnung spricht – der Zeuge T…, dassiln die Wohnung gehen nach Bemerken eines anderen, die Zeugin T… die Äußerungen der Frau K…, über den Besuch des Beklagten und die Zeugin W…, die Äußerungen des Beklagten, er sei nur zu Besuch – genügen die Angaben der Zeugen jedoch nicht, um nachzuweisen, dass der Beklagte sich nicht lediglich in der Wohnung der verstorbenen E… K… aufgehalten bzw. – worauf die Angaben der Zeugen hindeuten, sich dort versteckt hat – sondern dort tatsächlich mit dieser einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt geführt hat.
Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die im Raum stehende lange Dauer und die Tatsache, dass der Beklagte seit 2012 auch in der Wohnung gemeldet war, grundsätzlich für die Annahme eines auf Dauer angelegten gemeinsamen Wohnens sprechen. Anhaltspunkte für einen gemeinsamen Haushalt sind jedoch nicht nachgewiesen. Insbesondere konnten die Zeugen keine Angaben hinsichtlich der Pflege der Frau K… durch den Beklagten machen. Gegen die Annahme eines gemeinsamen Haushaltes spricht zudem, dass der Beklagte und die verstorbene Frau K… einen solchen offensichtlich bis zum Tod der Frau K… selbst verleugnet haben, was sich auch darin widerspiegelt, dass der Name des Beklagten sich nicht am Klingelschild stand. Der Begriff der gemeinsamen Haushaltsführung deutet darauf hin, dass der Mieter und die weitere Person über den Aufenthalt in der Wohnung hinaus im Haushalt zusammen wirken, zusammen entscheiden und zusammen die Kosten tragen in Bezug auf die typischen und evtl. auch außergewöhnlichen Pflichten, die in einem Haushalt anfallen (Reinigung, tägliches Einkaufen, Nahrungszubereitung, Anschaffung von größeren Haushaltsgegenständen, Versorgung und Pflege in Krankheitsfällen etc.)(Schmidt-Futterer/Streyl BGB § 563 Rn. 38). Für diese über das in einer Wohnung wohnen hinausgehende Anforderungen, fehlt es an Nachweisen.
Nachdem vor diesem Hintergrund der Beklagte nicht in das Mietverhältnis zwischen der verstorbenen E… K… und der Klägerin eingetreten ist, hat diese einen Anspruch auf Herausgabe der Wohnung gegen den Beklagten.
Ein über die Herausgabe hinausgehender Anspruch auf Räumung besteht nicht, da der zwischen den Parteien kein Mietverhältnis bestand und bei einem Anspruch der sich lediglich auf § 985 BGB stützen lässt, lediglich die Besitzverschaffung, nicht jedoch eine Räumung geschuldet ist (Schmidt-Futterer/Streyl BGB § 546 Rn. 8). Insoweit war die Klage daher abzuweisen.
Dem Beklagten war gemäß § 721 ZPO eine den Umständen nach angemessene Frist Räumungsfrist zu gewähren, damit er Gelegenheit hat, sich eine andere Wohnung zu suchen. Bei der Bemessung der Frist wurde davon ausgegangen, dass es dem Beklagten bei Entfaltung angemessener Bemühungen trotz der bereits erfolgten Räumung aufgrund von Mietrückständen möglich ist, sich in etwa 2 1/2 Monaten eine andere vergleichbare Wohnung zu beschaffen. § 721 ZPO ist auch anwendbar, wenn der Eigentümer vom unberechtigten Besitzer Herausgabe verlangt (MüKoZPO/Götz, 5. Aufl. 2016, ZPO § 721 Rn. 2).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf 92 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das Verlangen der Räumung neben der Herausgabe fällt insoweit nicht ins Gewicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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