Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Erfolglose Klage gegen die Fälligstellung sowie die erneute Androhung eines – nunmehr erhöhten – Zwangsgeldes

Aktenzeichen  AN 9 K 17.01417, AN 9 K 17.01497

Datum:
13.3.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 6424
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
BayVwZVG Art. 23 Abs. 1 Nr. 2, Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, S. 4, Abs. 3 S. 3, Art. 36 Abs. 1 S. 2, Abs. 6 S. 2, Art. 37 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Eine Vergnügungsstätte und nicht lediglich eine Wettannahmestelle, die darauf angelegt ist, Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszuzahlen, liegt vor, wenn die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung, insbesondere durch das unmittelbare Nebeneinander von Wettannahmestelle und Liveübertragung von Sportereignissen mit gastronomischem Angebot dazu animiert werden, sich dort länger aufzuhalten, die Sportereignisse, auf die sie gewettet haben, in Liveübertragungen auf Fernsehmonitoren zu verfolgen und weiter an den angebotenen Wettspielen teilzunehmen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässigen Klagen sind unbegründet.
Aufgrund der beiderseitigen Verzichtserklärungen des Klägervertreters mit Schriftsatz vom 28. Februar 2019 sowie mit Schriftsatz der Beklagten vom 5. März 2019 konnte durch das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung getroffen werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Anfechtungsklage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung in Höhe von 15.000,00 EUR sowie die Feststellungsklage, dass das fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR nicht fällig geworden ist, haben keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2016, in dem der Klägerin eine Nachfrist von einem Monat ab Zustellung dieses Bescheides bestimmt sowie für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000,00 EUR angedroht wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das mit der Zwangsgeldfestsetzung als Fälligkeitsmitteilung im Schreiben der Beklagten vom 20. Juni 2017 zur sofortigen Zahlung fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR ist fällig geworden.
Die erneute Zwangsgeldandrohung mit Nachfristsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 Abs. 1 und 3 Satz 2 und 36 BayVwZVG. Es liegen sowohl die allgemeinen (Art. 18 ff. BayVwZVG) als auch die besonderen (Art. 29 ff. BayVwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Der der Vollstreckung zugrundeliegende Grundverwaltungsakt, die Nutzungsuntersagung der Beklagten vom 3. Mai 2017, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung auf Grund seiner Bestandskraft vollstreckbar. Die Pflicht zur Unterlassung der untersagten Nutzung stellt sich als Pflicht zu einem Unterlassen im Sinne von Art. 31 BayVwZVG dar, zu deren Erfüllung das Zwangsgeld gemäß Art. 31 Abs. 1 BayVwZVG das richtige und auch das mildeste Zwangsmittel darstellt. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 15.000,00 EUR ist im Hinblick auf Art. 31 Abs. 2 Satz 2 und 4 BayVwZVG nicht zu beanstanden. Die Monatsfrist zur Unterlassung der untersagten Nutzung erscheint angemessen im Sinn des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG. Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG können Zwangsmittel solange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG ist eine erneute Androhung eines Zwangsmittels erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Klägerin ist ausweislich der im Rahmen der Ortseinsichten vom 14. Juni 2017 und 31. Juli 2017 durch die Bauordnungsbehörde der Beklagten getroffenen Feststellungen und der dort angefertigten Lichtbilder der Nutzungsuntersagungsverpflichtung aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 3. Mai 2017 ersichtlich nicht nachgekommen.
Die Nutzungsuntersagung im Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2017 betrifft die Nutzung der gegenständlichen Räume im Erdgeschoss des Anwesens …straße … in … als Wettbüro, das heißt ausweislich der Gründe dieses Bescheids als gewerbliche Nutzung in Form einer Vergnügungsstätte. Die Nutzungsuntersagung beruht darauf, dass die betriebene Nutzung als Wettbüro im Hinblick auf die ursprünglich genehmigte Ladennutzung mit Lager und Werkstatt eine baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstellt und die Nutzung als Wettbüro in Form einer Vergnügungsstätte im vorliegenden Fall wegen bauplanungsrechtlicher Unzulässigkeit nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist.
Die Nutzung wurde durch die Klägerin, die ausweislich der Gewerbeanmeldung seit dem 20. Januar 2017 Betreiberin des Wettbüros gewesen ist, auch nicht vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 3. Mai 2017 aufgegeben. Dies ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen und angefertigten Lichtbildern durch Mitarbeiter der Bauordnungsbehörde der Beklagten im Rahmen der Ortstermine am 25. Januar 2017 sowie am 6. April 2017 in dem streitgegenständlichen Anwesen.
Vergnügungsstätten sind besondere Gewerbebetriebe, die in unterschiedlicher Weise unter Ansprache des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- und Sexualtriebs der kommerziellen Freizeitgestaltung und der Zerstreuung dienen (vgl. Röser in König/Röse/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 7 Rn. 16). Eine Vergnügungsstätte und nicht lediglich eine Wettannahmestelle, die da-rauf angelegt ist, Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszuzahlen, liegt demnach dann vor, wenn die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung, insbesondere durch das unmittelbare Nebeneinander von Wettannahmestelle und Liveübertragung von Sportereignissen mit gastronomischem Angebot dazu animiert werden, sich dort länger aufzu-halten, die Sportereignisse, auf die sie gewettet haben, in Liveübertragungen auf Fernsehmonitoren zu verfolgen und weiter an den angebotenen Wettspielen teilzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2016 – 9 ZB 14.1146 – juris; B.v. 21.5.2015 – 15 CS 15.9 – juris Rn. 14; B.v. 25.4.2013 – 15 ZB 13.274 – juris).
Wie die Feststellungen bei den Ortseinsichten am 25. Januar 2017, 6. April 2017, 14. Juni 2017 und am 31. Juli 2017 zeigen, wurde auch die Nutzung als Wettbüro durch die Klägerin in Form einer Vergnügungsstätte unverändert fortgesetzt. Dies ergibt sich aus der bei den Ortsbesichtigungen festgestellten umfangreichen Außenbeklebungen der Schaufenster mit den Aufschriften „…“ sowie der Ausstattung der Räumlichkeiten mit diversen Wettannahmeterminals, zahlreichen Monitoren an den Wänden für Liveübertragungen von verschiedenen Sportveranstaltungen und -ereignissen, der sonstigen Ausstattung in Form von Sitzgelegenheiten, die zum längeren Verweilen einladen sollen und letztlich dem festgestellten tatsächlichen Betrieb.
Das zum Zeitpunkt der Baukontrollen in den gegenständlichen Räumen betriebene Unternehmen stellt nach Überzeugung des Gerichts ein Wettbüro in Form einer Vergnügungsstätte dar, da sowohl die Gelegenheit zur Wettannahme in Form der Wettannahmeterminals, um Tippscheine auszufüllen, abzugeben oder um Gewinne abzuholen, als auch ein Anreiz zum Verbleiben in Form der Sitzgelegenheiten und Theke, aber auch auf Grund der vorhandenen Unterhaltung durch Sportübertragungen auf den Monitoren. Die Größe der als Wettbüro genutzten Räume im Erdgeschoss des Anwesens von ca. 125 m² spricht sogar für eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte. Insbesondere ist die für ein Wettbüro typische Ausstattung der Räumlichkeiten, wie sie bereits bei den zahlreichen Ortsterminen vor Erlass der Nutzungsuntersagungsverfügung vom 3. Mai 2017 festgestellt wurden, nach wie vor vorhanden. Zudem sind ohne Veränderung die Außenbeklebungen der Schaufenster im Erdgeschoss des Anwesens mit der Aufschrift „…“ angebracht, die die Kunden unmissverständlich zur Abgabe von Wetten einladen.
Nach den eigenen Ausführungen der Klägerin ist sie seit der Gewerbeanmeldung vom 20. Januar 2017 Betreiberin des Gewerbes im Anwesen …straße … in … gewesen.
Daraus ergibt sich ein Verstoß der Klägerin gegen die bestandskräftige Nutzungsuntersagung aus dem Bescheid vom 3. Mai 2017, so dass das in dem bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2017 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR verbunden mit einer Nachfristsetzung von einem Monat ab Zustellung des Bescheides verwirkt war, weshalb die Feststellung der Fälligkeit dieses Zwangsgeldes in dem Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2017 rechtmäßig ist, Art. 31 Abs. 3 Satz 3, 23 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG.
Nach den unbestrittenen Ausführungen der Beklagten wurde die Androhung des Zwangsgeldes von 10.000,00 EUR der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 8. Mai 2017 zugestellt, sodass die Monatsfrist zur Nutzungsaufgabe am 8. Juni 2017 abgelaufen ist. Aufgrund der Feststellungen der Bauordnungsbehörde der Beklagten im Rahmen des Ortstermins am 14. Juni 2017 wurde die Nutzung der Räumlichkeiten in dem Anwesen …straße … als Wettbüro nicht aufgegeben, sondern der Betrieb unverändert fortgeführt. Es befanden sich zu dieser Zeit auch drei Kunden in der Wettannahme.
Nach Überzeugung des Gerichts steht darüber hinaus fest, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids der Beklagten vom 20. Juni 2017 der Verstoß gegen die Nutzungsuntersagung durch die Klägerin, andauerte und somit die Rechtsgrundlage für ein weiteres bauaufsichtliches Einschreiten in Form einer erneuten Fristsetzung mit Androhung eines erneuten, maßvoll erhöhten Zwangsgeldes in Höhe von 15.000,00 EUR rechtmäßig war, da entsprechend der Vorschrift nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels in Höhe von 10.000,00 EUR erfolglos geblieben ist.
Zu Recht durfte die Beklagte zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 20. Juni 2017 immer noch davon ausgehen, dass die Klägerin als Betreiberin des Wettbüros in den streitgegenständlichen Räumlichkeiten Hauptmieterin und Hauptverantwortliche und damit Adressatin des Bescheides ist.
Nicht durchgreifen kann die Klägerin mit ihrem Argument dahingehend, dass der Mietvertrag zwischen ihr als Mieterin und der … GmbH als Vermieterin durch außerordentliche Kündigung seitens der Klägerin zum 31. Mai 2017 beendet worden sei, das sich aus dem Bestätigungsschreiben der … GmbH vom 23. März 2017 ergebe.
Nach Überzeugung des Gerichts hat die Klägerin das Wettbüro als Betreiberin unverändert weitergeführt. Entscheidend ist hierbei zunächst, dass die Klägerin keinen Betreiberwechsel gegenüber der Beklagten aus eigenem Antrieb angezeigt hat bzw. der Beklagten hierzu entsprechend ihrer Mitwirkungspflicht Unterlagen vorgelegt hat. Aus den bereits genannten umfangreichen Darstellungen und angefertigten Lichtbildern der Beklagten im Rahmen der durchgeführten Ortstermine ergibt sich, dass im Erdgeschoss des Anwesens die Schaufensterbeklebungen mit der Aufschrift „…“, die den Kunden zur Abgabe von Wetten einladen sollen, unverändert angebracht sind.
Die Klägerin als bisherige Betreiberin und Mieterin war verpflichtet, einen Mieterwechsel bzw. Wechsel in der Eigenschaft des Betreibers zeitnah gegenüber der Beklagten als zuständige Baubehörde anzuzeigen und anhand von entsprechenden Unterlagen nachzuweisen.
Nicht ausreichend war diesbezüglich, dass die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 18. Juli 2017 der Beklagten mit Übersendung des Formblattes über die Gewerbeabmeldung mitgeteilt hat, dass sie ihr Gewerbe bereits am 7. Juni 2017 abgemeldet habe. Erstmals im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 15. November 2017 erklärte die Klägerin, dass der zwischen ihr und der … GmbH als Vermieterin geschlossene Mietvertrag durch außerordentliche Kündigung seitens der Klägerin zum 31. Mai 2017 beendet worden sei und belegte dies mit einem Bestätigungsschreiben der Kündigung, datiert vom 23. Mai 2017 und unterschrieben von der … GmbH. Demgegenüber wurden ohne Angabe von nachvollziehbaren Gründen seitens der Klägerin weder der mit der … GmbH bestehende Mietvertrag noch die außerordentliche Kündigung der Klägerin vorgelegt. Die Klägerin ist in dem gerichtlichen Verfahren vielmehr eine Erklärung dafür schuldig geblieben, warum sie der Vorlage nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt nachgekommen ist, sodass die Beklagte zum entscheidenden Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides zu Recht davon ausgehen durfte, dass die Klägerin nach wie vor Mieterin und Hauptverantwortliche des Wettbüros ist, insbesondere nachdem die Klägerin vor Erlass der Nutzungsuntersagung ordnungsgemäß mit Schreiben der Beklagten vom 6. März 2017 angehört und ihr damit mitgeteilt wurde, dass sie weiterhin als Betreiberin des Wettbüros in Anspruch genommen werden soll.
Weiterhin spricht für die Annahme der Klägerin als Betreiberin auch die Tatsache, dass die umfangreichen Beklebungen der Schaufenster im Erdgeschoss des Anwesens nach wie vor vorhanden waren. Der Vortrag, dass mit einem Folgemieter noch keine Verständigung hinsichtlich einer Übernahme der Schaufensterbeklebungen getroffen werden konnte und die Beklebungen auch dem Sichtschutz dienten, steht dem nicht entgegen, sondern würde eine entsprechende Klarstellung durch die Klägerin im Rahmen der Anhörung als nötig erscheinen lassen, um nicht von dieser zurecht als Betreiberin weiterhin angesehen zu werden.
Damit waren die Klagen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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