Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Erfordernis eines Schlichtungsverfahrens bei wohnungseigentumsrechtlicher Streitigkeit um Beseitigung einer baulichen Veränderung

Aktenzeichen  80 C 106/19 WEG

Datum:
22.7.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 48155
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Fürstenfeldbruck
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGZPO § 15a Abs. 1 Nr. 2
BaySchlG Art. 1 Nr. 2 lit. e
BayAGBGB Art. 46
BGB § 906, § 1004
WEG § 13, § 14

 

Leitsatz

Auf eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit um die Beseitigung der Erhöhung einer Mauer zwischen zwei Sondernutzungsflächen findet die Regelung in Art. 46 BayAGBGB mit der Folge entsprechende Anwendung, dass es vor Erhebung der Klage eines Wohnungseigentümers der Durchführung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens gem. § 15a Abs. 1 Nr. 2 EGZPO iVm Art. 1 Nr. 2 lit. e BaySchlG bedarf. (Rn. 12 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Gründe

Die Klage ist bezüglich Ziffer 1 unzulässig und bezüglich Ziffer 2 und 3 unbegründet und war daher abzuweisen.
1. Insoweit ist die Klage unzulässig. Unstreitig wurde ein Streitschlichtungsverfahren nach dem Bayerischen Schlichtungsgesetz nicht durchgeführt. Die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach Artikel 1 Nr. 2 e Bayerisches Schlichtungsgesetz, § 15 a Abs. 1 Nr. 2 EGZPO ist erforderlich, da es sich vorliegend um eine nachbarrechtliche Streitigkeit im Sinne von Artikel 46 AGBGB handelt.
Artikel 46 AGBGB ist einschlägig, streitgegenständlich ist hier bei Ziffer 1 der Klage die Frage der Erhöhung einer Kommunmauer. Unstreitig befindet sich die streitgegenständliche Mauer auf einer Fläche zwischen der Sondernutzungsfläche der Kläger als auch der Sondernutzungsfläche der Beklagten, unabhängig davon, ob sie jetzt 4 bis 5 cm, wie die Beklagten meinen oder 6 cm wie die Kläger meinen, mehr auf die Sondernutzungsfläche der Kläger hinein ragt. Im Ergebnis ist diese streitgegenständliche eine Mauer im Sinne von Artikel 46 AGBGB. Natürlich stimmt es, dass es sich hier nicht, wie die Klagepartei zu Recht schreibt um zwei Grundstücke, sondern lediglich um eines handelt, da es ich ja um eine WEG handelt. Es geht nur um ein Grundstück. Es ist aber Artikel 46 AGBGB analog anzuwenden. Die Voraussetzungen der Analogie liegen vor. Eine derartige Vorschrift wie Artikel 46 AGBGB findet sich nicht im WEG. Insoweit handelt es sich auch um eine planwillige Regelungslücke. Strukturell besteht derselbe Regelungsbedarf wie in Artikel 46 AGBGB.
Der sachliche Regelungsbereich des Artikel 46 AGBGB, die den widerstreitenden Nutzungsainteressen von (Grundstücks-) Nachbarn zum Ausgleich bringen soll, ist hier gleichwohl eröffnet. Denn die Vorschrift ist entsprechend anzuwenden, unerheblich ob es sich um zwei Grundstücke im Sinne des Grundbuchrechtes oder ob es sich um zwei Sondernutzungsrechte/Sondereigentume, hier Sondernutzungsrechte, handelt. Letztlich ist die Anwendbarkeit der Vorschrift dieselbe, egal, ob man Sondernutzungsrechte (oder gegebenenfalls auch Sondereigentumsrechte) auf beiden Seiten der Mauer hat, oder separate Grundstücke im grundbuchrechtlichen Sinne. Die Interessenlage ist dieselbe. Hier wird auch genau der Fall des Artikel 46 AGBGB relevant, die Kläger wenden sich ja gerade gegen die Erhöhung der zwischen ihnen errichteten Kommunmauer. Die Interessenlage ist also identisch. Artikel 46 AGBGB ist daher analog anzuwenden. Gerade auch wegen § 4 der Teilungserklärung dürfen die streitgegenständlichen Eigentümer mit ihrem „dinglich-gegenständlich abgrenzbaren Gebäudeteil“ grundsätzlich nach Belieben verfahren und jede andere Einwirkung hierauf ausschließen, dieses zeigt, dass das Sondereigentum, auch in der Wahrnehmung des Rechtsverkehrs, als eine Art Ersatzgrundstück fungieren soll, vergleich auch LG Dortmund, 1 S 282/16, Urteil vom 11.07.2107, ZMR 2018, 247 ff, zitiert nach Juris sowie BGH-Urteil vom 25.10.2013, V ZR 230/12, NZM 2014, 37 f, zitiert nach Juris. Auch der Aspekt der Schutzbedürftigkeit spricht für die Annahme einer planwidrigen Regelunglücke, vergleich auch BGH, a.a.O.. Es sind keine Gründe ersichtlich, auch nicht, die Spezialregellungen des WEG, warum für das Verhältnis der Sondereigentümer untereinander nicht auf die grundsätzlichen nachbarrechtlichen Regelungen zurückzugreifen wäre. Es ist kein Grund ersichtlich, den Wohnungseigentümer von der Gütepflicht auszunehmen. Das Gesetz sieht keine Einschränkung für WEG-Verfahren vor. Auch ist der Gesetzeszweck des Schlichtungsverfahrens der, die Sozialbeziehungen der Parteien durch eine einvernehmliche Regelung wiederherzustellen. Dieses gilt im besonderen Maß, gerade auch für Wohnungseigentümer, die räumlich oft näher beieinander liegen, als es entsprechende Grundstücksnachbarn von grundbuchrechtlichen Grundstücken sind. Im Umkehrschluss muss da die Vorschrift umso mehr für Wohnungseigentümer gelten.
Die Interessenlage ist nach Auffassung des Gerichtes hier dieselbe. Es ist die Sozialbeziehung zwischen den Parteien wiederherzustellen und zu erhalten, was eher durch eine einverständlich getroffene zukunftsorientierte Regelung erfolgen kann, als durch eine gerichtliche Entscheidung. Überdies kann auch durch das Erfordernis des obligatorischen Schlichtungsverfahrens auf lange Sicht die Verfahrens- und Gerichtskosten verringert werden, nämlich dadurch, dass für bestimmte typisierte Konflikte, ein derartiger Konflikt ist eine die der Wohnungseigentümer über die Grenzbebauung, dieser Streit dem Schlichtungsverfahren zugeführt wird. Auch weite Teile des Schrifttums sprechen sich für eine vorbehaltlose Anwendung des Schlichtungsverfahrens auf Wohnungseigentümer aus, vergleich nur Engelhard im Münchner Kommentar-BGB, 7. Auflage, § 34 Rd.-Nr. 31 und Roth in Bärmann, WEG, 13. Auflage, Vorbemerkung zu § 43 ff Rd.-Nr. 8. Soweit das Schrifttum ein obligatorisches Schlichtungsverfahren für WEG-Streitigkeiten über den Gebrauch des Wohnungseigentums ablehnt, so tragen diese Gründe nicht. Zum einen fehlt es an einer Begründung, vergleich etwa Wicke in Palandt, BGB, vor § 43 Rd.-Nr. 2, 77. Auflage. Es ist auch nicht ersichtlich, wie z. B. Then in Spielbauer/Then, WEG, 2. Auflage, vor § 43 Rd.-Nr. 3 meint, dass ein vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren lediglich für den Fall des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGZPO vorgesehen sei. Diese im Schrifttum Einschränkung kann im Hinblick darauf, dass der sachliche Umfang der obligatorischen Schlichtung sich auf die Regelungen des § 906 BGB, 910 BGB, 911 BGB, 923 BGB und der Artikel 43 bis 54 a g BGB beschränken, vergleich Artikel 1 Bayerisches Schlichtungsgesetz, auch nicht mehr nachvollzogen werden. § 15 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 geht daher ins Leere. Die Gründe, warum der Landesgesetzgeber in Bayern den § 15 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 e g ZPO wieder „leer“ hat laufen lassen, sind aber nicht die, dass die Vorschrift nicht insgesamt analog auf Wohnungseigentümer anzuwenden wäre. Es fehlt vielmehr nun den Vertretern die Auffassung, dass die Regelungen nicht auf Wohnungseigentümer anzuwenden wären, die Argumentationsgrundlage. Nicht erklärlich ist zudem, warum ein Unterschied gemacht werden sollte.
Da ein Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt wurde, ist die Klage unzulässig. Diese Voraussetzung ist nicht nachholbar. Auch kommt es bei der Frage, ob ein vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren obligatorisch ist oder nicht, nicht auf die formale Wahl der Anspruchsgrundlage an, sondern lediglich auf den materiellen Gehalt der jeweilig vertypten Konfliktlage, vergleich auch LG Dortmund a.a.O.
Das Schlichtungsverfahren entfällt auch nicht deswegen, weil die Klagepartei vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten verlangt, für deren Geltendmachung ein Schlichtungsverfahren nicht vorgesehen ist, Vergleich auch LG Dortmund, Urteil vom 08.06.2017, 1 S 451/15, zitiert nach Juris sowie BGH Urteil vom 07.07.2009, VI ZR 278/08, ebenfalls zitiert nach Juris.
2. Im Übrigen, Ziffer 2, ist die Klage unbegründet und war daher abzuweisen. Daher war auch der Antrag Ziffer 3 auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten abzuweisen.
a) Ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagten auf Zahlung von 856,56 € besteht nicht. Zum einen haben die Kläger nicht bewiesen, dass sie diesen Betrag vorbezahlt haben. Die Vorlage eines Überweisungsbelegs reicht dafür nicht. Die Beklagten haben die Erfüllung bestritten. Allenfalls wäre eine Freistellung beantragbar, was nicht erfolgte. Eine Anspruchsgrundlage der Kläger für die Kosten für den, unstreitig von den Beklagten entfernten Dachanschluss der Dachentwässerung der Kläger, in Höhe von 856,56 € ist nicht ersichtlich. Es fehlt an einer Anspruchsgrundlage. Es fehlt auch an einem Schaden. Die Kläger haben sich im Termin auf die Anspruchsgrundlage § 1004 BGB gestützt. Das Gericht sieht hier keine Eigentumsbeeinträchtigung. Unstreitig haben die Beklagten Veränderungen an ihrem Dach vorgenommen und haben dadurch, die Dachentwässerung der Kläger, die über das Grundstück der Beklagten, insoweit der unwidersprochene Vortrag der Beklagtenpartei, erfolgte, unterbrochen. Nach § 4 der Gemeinschaftsordnung können aber Änderungen vorgenommen werden. Unstreitig sieht es das Gericht, dass die Dachentwässerung bislang allein über das Grundstück der Beklagten erfolgte (nach gegebenenfalls Umgestaltung durch die Kläger in der Vergangenheit). Auf Grund der Regelung des § 4 der Teilungserklärung sieht es das Gericht aber nicht so, dass die Kläger einen Anspruch darauf hätten, dass dieser Zustand derartig verbleibe. Vom Sinn und Zweck der Regelung ist es so, dass die Parteien eigenständige Einheiten darstellen sollen, was sich gerade auch aus § 4 der Teilungserklärung ergibt. Ganz deutlich ergibt sich Selbiges auch aus § 1 Abs. 3 (Umfang der Nutzung) der Teilungsordnung. Es ist nicht ersichtlich, dass in der Teilungserklärung der eine Eigentümer im Übermaß die wirtschaftliche Fläche des anderen nutzen können sollte. Daher ist nicht ersichtlich, dass die Kläger einen Anspruch darauf hätten, dass der Zustand fortbesteht, dass sie ihr Dach über das Dach der Beklagten entwässern. Im Rahmen einer Dachneugestaltung, die die Beklagten nach § 4 der Teilungserklärung durchführen durften, haben die Beklagten, das ist unstreitig, die Dachentwässerung der Kläger abgetrennt. Dieses stellt aber keinen Schaden dar, da die Kläger keinen Anspruch im Sinne einer Ermessensentscheidung auf Null darauf haben, dass die Dachentwässerung so wie bisher durchgeführt wird. Auch aus § 14, § 13 WEG, und auch aus § 10 WEG ergibt sich kein derartiger Anspruch. Es ist nicht ersichtlich, und das haben die Kläger auch nicht vorgetragen, dass die Regenableitung zwingend über das Grundstück der Beklagten, wie bisher erfolgen müsste. Aus der Tatsache, dass die Kläger für einen (geringen) Preis von 856,56 € einen Dachanschluss haben bewerkstelligen können, ergibt sich, dass technisch gesehen einen Dachentwässerung durchaus über das Grundstück der Kläger machbar ist. Eine Schadensersatzpflicht sieht das Gericht nicht. Wirtschaftlich sind die Kläger für ihr Eigentum verantwortlich, § 1, § 4 der Teilungserklärung.
b) Auch in Höhe von 476,29 € besteht kein Anspruch. Unstreitig haben die Beklagten am Dach gearbeitet. Die Klagepartei hat allerdings darzulegen und beweisen, und daran fehlt es nach Überzeugung des Gerichtes hier, dass hierdurch der klägerseits behauptete Schaden entstanden sei. Insoweit fehlt es an substantiiertem Vortrag der Klagepartei. Die Beklagtenpartei hat substantiiert bestritten, hier für eine Schadenverursachung verantwortlich zu sein und hat auch angeführt, dass wegen der fehlerhaften Unterdeckung des Daches der Kläger, für welches die Kläger verantwortlich sind, es jetzt zu einem Schaden gekommen sei. Insoweit hat die Klagepartei es versäumt, entsprechenden Vortrag substantiiert nachzuschieben. Zwar trägt die Klagepartei im noch vor dem Termin eingegangen Schriftsatz vom 28.06.2019 vor, dass genau zu dem Zeitpunkt, als die Dachziegel entfernt gewesen seien, es heftig geregnet habe und es so zu einem Wasserschaden an der Holzbalkendecke, Fehlbodenkonstruktion im Dachbereich, gekommen sei. Ein Bestreiten, dass der Wasserschaden durch eine angebliche Unterdeckung entstanden sei, reicht nicht, da die Klagepartei ja darlegungs- und beweispflichtig ist. Insoweit ist der Vortrag nicht substantiiert genug. Ein Gutachten war nicht einzuholen. Der Vortrag der Klagepartei bezüglich des zeitlichen und örtlichen Zusammenhangs reicht noch nicht aus, um einen Anspruch zu begründen.
3. Die Kostenfolge beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Verkündet am 22.07.2019


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