Aktenzeichen 414 C 22911/18
Leitsatz
Kommt es aus einer über dem Mietgegenstand liegenden Wohnung zu einem Feuer, durch deren Bekämpfung auch die Wohnung des Mieters so stark beeinträchtigt wurde, dass sie insbesondere wegen der Löschwasserschäden unbewohnbar wird, steht dem Mieter kein Anspruch gemäß § 555a Abs. 3 BGB auf Erstattung der Aufwendungen für eine Ersatzunterkunft während der Zeit der Instandsetzung zu, denn diese getätigten Aufwendungen sind adäquat kausal auf den Wohnungsbrand zurückzuführen und nicht auf die zeitlich danach vorgenommenen Erhaltungsmaßnahmen i.S. von § 555a Abs. 1 BGB. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.
3) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 53.661,22 € festgesetzt.
Gründe
1) Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig nach § 29 a Abs. 1 ZPO und § 23 Nr. 1 GVG. Für den geltend gemachten Feststellungsanspruch besteht ein Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO, weil nicht ersichtlich ist, dass die Kläger eine voll bezifferbare Leistungsklage erheben könnten.
2) Zum geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen nach § 555 a Abs. 3 BGB gemäß Anlagen K 7-20 in Höhe von € 19.021,22:
a) Den Klägern steht kein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Aufwendungen für Unterkunft zu. Denn die Beklagten haben, wie das Gericht in den Terminen v. 17.04.2019 und 29.05.2019 den Klägern erläutert hat, zutreffend vorgetragen, dass die von den Klägern getätigten Aufwendungen adäquat kausal auf den Wohnungsbrand zurückzuführen sind, und nicht auf zeitlich danach vorgenommene Erhaltungsmaßnahmen i.S. von § 555 a Abs. 1 BGB. Zwar ist es richtig, dass zunächst unerheblich ist, auf welche Ursachen der zu behebende Schaden und die damit notwendige Erhaltungsmaßnahme zurückgeht (Schmidt-Futter, Mietrecht, 13. Auflage 2017, Rn 3 a. E zu § 555a BGB). Richtig ist auch, dass nach § 536 BGB bei Vorliegen eines Mietmangels wegen Störung des Äquivalenzverhältnisses auch ohne Verschulden des Mieters die Miete automatisch von Gesetzes wegen gemindert ist. Ein Vergleich zu einer wohnungseigentumsrechtlichen Vorschrift zeigt aber, dass doch eine wertende Betrachtung erforderlich ist. Nach § 14 Nr. 4 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, das Betreten und die Benutzung der in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zu gestatten, soweit dies zur Instandhaltung und zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist; der hierdurch entstehende Schaden ist zu ersetzen. In seiner Entscheidung v. 16.11.2018 – V ZR 171/17 hat der BGH (Rn 11) deutlich gemacht, dass auch beim verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch nach § 14 Nr. 4 WEG nicht allein primär auf den Umstand geschaut werden darf, dass die WEG hier einen Schaden am gemeinschaftlichen Eigentum behebt und deshalb ein Schaden beim Sondereigentümer entsteht. Vielmehr ist die davor liegende Situation und Ursache zu betrachten. Dort war es die durchgehende Unbewohnbarkeit der Wohnung aufgrund von Feuchtigkeit. Im vorliegend zu entscheidenden Fall ist es die brandbedingte Unbewohnbarkeit. Ohne den Wohnungsbrand wären keine Erhaltungsmaßnahmen vorgenommen worden. Es fehlt daher letztlich am Tatbestandsmerkmal „die der Mieter infolge einer Erhaltungsmaßnahme machen muss…“. Der von den Klägern zitierten Entscheidung des AG Hamburg ist daher nicht zu folgen.
b) Hinzu komm, dass nach dem im Termin 17.04.2019 unstreitig gebliebenen Vortrag der Beklagten nicht diese, sondern die Wohnungseigentümergemeinschaft Erhaltungsmaßnahmen durchführte(n), also ein Dritter. Haben die Kläger also schon keine Erhaltungsmaßnahmen der Beklagten geduldet, sondern solche der Wohnungseigentümergemeinschaft, scheidet § 555 a Abs. 3 BGB ebenfalls von vornherein aus. Genauso wie bei der Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 BGB eine solche nur in Betracht kommt, wenn der Vermieter Bauherr ist, nicht aber, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft handelt, weil der vermietende Eigentümer nur Kostenträger ist (Börstinghaus in Schmidt-Futterer, a.a.O. Rn. 30 zu § 559 BGB), ist der Umstand, wer die Erhaltungsmaßnahme vornimmt, auch bei § 555a BGB relevant. Da im vorliegenden Fall die Beklagten nur Kostenträger der von der Wohnungseigentümergemeinschaft durchgeführten Erhaltungsmaßnahme ist, scheidet der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch auch insoweit aus.
c) Weitere Anspruchsgrundlagen gegen die Beklagten sind nicht ersichtlich. Zutreffend haben die Beklagten vorgetragen, dass sie bei einem nach Vertragsschluss auftretenden Mangel gem. § 536 a Abs. 1 BGB nur haften, wenn entweder der Mangel wegen eines Umstandes, den die Beklagten zu vertreten haben, entstanden ist, oder wenn sie mit der Beseitigung des Mangels in Verzug sind. Ein diesbezügliches Handeln der Beklagten ist von den Klägern nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
3) Zum Antrag auf Ersatz des Kündigungsfolgeschadens in Höhe von € 9.440,- für den Zeitraum 8. Juni 2017 bis September 2018:
a) Zwar kann der Mieter, der zu einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund herausgefordert wird, weil ihm der Vermieter den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache aufgrund eines anfänglichen Mangels nicht gewährt oder wieder entzogen hat, auch für den kündigungsbedingten Schaden des Mieters im Weg der verschuldensunabhängigen Garantiehaftung (§ 536 a Absatz 1 Alt. 1 BGB) Ersatz des Kündigungsfolgeschadens verlangen (BGH, Urteil vom 02.11.2016 – XII ZR 153/15, Leitsatz 3).
b) Jedoch lagen, wie den Klägern ebenfalls am 17.04.2019 und 29.05.019 erläutert, die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB am 06.06.2017 (Anlage K 34 und K 35) nicht vor. Nicht durch den Wohnungstürschlossaustausch der Beklagten ca. April 2017 wurde den Klägern der vertragsgemäße Gebrauch i.S. von § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB wieder entzogen, sondern durch das Handeln des Brandstifters. Und im Zeitpunkt des Schlossaustausches und dem danach erfolgten Verlangen der Kläger auf Zutritt zu ihrer Wohnung hätten die Kläger die Wohnung noch nicht wieder beziehen können, da ihre Wohnung von der Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht fertig saniert und damit noch nicht wieder bezugsfertig war. Im Zeitpunkt des Schlossaustausches April 2017 wurde daher der vertragsgemäße Gebrauch nicht „nicht rechtzeitig gewährt“. Auch im Kündigungszeitpunkt Anfang Juni 2017 war die Situation die Gleiche wie zuvor. Bezugsfertigkeit lag erst zum 01.08.2017 vor. Zwar hätten die Beklagten, wie diesen in vorgenannten Terminen vom Gericht erläutert, den Klägern Zutritt zur Wohnung gewähren müssen, als das Ende der Sanierung abzusehen war, damit die Kläger z.B. den Platz für die neue Küche ausmessen können. Dies ist jedoch ein Pflichtverletzung, die nur zum Schadenersatz nach § 280 BGB führen konnte, nicht jedoch zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Ein anderer Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Aus der Entscheidung des BGH v. 13.06.2007 – VIII ZR 281/06 ergibt sich nichts anderes. Das Gleiche gilt für die von den Klägern genannte Entscheidung des OLG München v. 22.11.2019 – 32 U 1376/18. Aus Sicht der Kläger musste und durfte die Verweigerung des Zugangs zur Wohnung nicht auf eine treuwidrige Hinderung der Erreichung der Vertragszwecke der Kläger (insbesondere das Wohnen in der Mietwohnung) gewertet werden. Denn die Beklagten haben im April 2017 den Zutritt (nur) verweigert, weil die Wohnung noch nicht fertig renoviert war und weil ihnen nachvollziehbar von Seiten der Handwerker bzw. der Versicherung mitgeteilt worden war, dass noch Maschinen und Werkzeuge in der Wohnung lagerten und deshalb aus Haftungsgründen derzeit kein Zutritt gewährt werden sollte. Die Fotos Anlage B 14 zeigen einen solchen Zustand. Mag die Rechtsauffassung der Kläger auch falsch gewesen sein, dass das Mietverhältnis nach dem Brand aufgrund der Unbewohnbarkeit ruhte, so waren die Kläger doch verpflichtet, bis zur vollständigen Renovierung die Wohnung zu räumen und die Renovierung zu dulden. In diesem Rahmen kommt sogar in Betracht, dass ein Schlossaustausch während der Renovierungsarbeiten zulässig gewesen ist. Die Kläger hatte daher – entgegen ihrem Schreiben Anlage K 30 – damit bis zur vollständigen Sanierung der Wohnung keinen Anspruch auf Herausgabe des neuen Schlüssels, sondern nur das vorgenannte Betretungs- und Besichtigungsrecht. Jedenfalls zeigen doch die Schreiben der Beklagten v. 24.05.2019 und 02.06.2019 Anlagen B 16/17 (also noch vor der Kündigungserklärung der Kläger v. 06.06.2019) sowie das Erwähnen der Möglichkeit einer Mieterhöhung nach § 558 BGB, dass die Beklagten das Mietverhältnis fortsetzen wollten und nicht auf eine treuwidrige Beendigung durch Auszug der Kläger hinarbeiteten.
Es besteht kein Anspruch der Kläger auf Ersatz eines Kündigungsfolgeschadens aufgrund ihrer eigenen Kündigung v. 06.06.2017, die sich nur auf die von den Klägern behaupteten verbotene Eigenmacht stütze. Wegen § 569 Abs. 4 BGB sind andere Kündigungsgründe nicht von Bedeutung.
4) Zum Feststellungsantrag betreffend u.a. die Mietdifferenz als Kündigungsfolgeschaden: Besteht nach den vorgenannten Ausführungen zu 3) keine Anspruch auf Ersatz eines Kündigungsfolgeschadens dem Grunde nach, scheidet auch das Zusprechen des weitergehenden Feststellungsantrags aus.
Die Klage war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.
5) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
6) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf § 709 ZPO.
7) Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 3 ff ZPO.