Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Erstattungsanspruch gegen Bauvorhabenträgerin

Aktenzeichen  4 B 18.1386

Datum:
7.11.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30677
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 62 S. 2
BGB § 133, § 157
BauGB § 12 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Nach dem objektiven Erklärungsinhalt kann nicht angenommen werden, dass mit den in einer Kostenübernahmeerklärung im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages gemachten „ca.-Angaben“ die Zahlungsverpflichtung des Vorhabenträgers auf bestimmte Höchstbeträge beschränkt werden sollte. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 K 14.4233 2016-05-10 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. In Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 10. Mai 2016 werden die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet, an die Klägerin weitere 75.882,87 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen, nämlich aus 6.981,58 Euro seit dem 3. Mai 2014, aus 2.133,67 Euro seit dem 4. Juni 2014, aus 862,75 Euro seit dem 15. Juli 2014, aus 4.115,02 Euro seit dem 26. Juli 2014, aus 10.623,87 Euro seit dem 9. August 2014, aus 7.374,43 Euro seit dem 18. September 2014, aus 862,75 Euro seit dem 22. Oktober 2014, aus 3.361,75 Euro seit dem 29. November 2014, aus 5.534,69 Euro seit dem 29. Dezember 2014, aus 9.696,12 Euro seit dem 24. Januar 2015, aus 5.294,31 Euro seit dem 20. Februar 2015, aus 2.802,45 Euro seit dem 28. März 2015, aus 396,27 Euro seit dem 29. April 2015, aus 662,83 Euro seit dem 26. Mai 2015, aus 8.521,59 Euro seit dem 12. Juni 2015, aus 762,79 Euro seit dem 29. Juli 2015, aus 1.689,80 Euro seit dem 5. September 2015 und aus 4.206,20 Euro seit dem 26. September 2015.
II. Die Beklagten tragen die Kosten beider Instanzen als Gesamtschuldner.
III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Senat konnte die mündliche Verhandlung in seiner nach der Geschäftsverteilung vorgesehenen regulären Besetzung durchführen und in der Sache entscheiden, nachdem der Befangenheitsantrag vor Beginn der mündlichen Verhandlung durch unanfechtbaren Beschluss (§ 152 Abs. 1 VwGO), der den Beteiligten bekanntgegeben wurde, abgelehnt bzw. verworfen worden war (§ 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO).
II.
Über die Berufung der Klägerin konnte entschieden werden, obwohl die Beklagten zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen waren. Sie waren in der ordnungsgemäß und fristgerecht erfolgten Ladung darauf hingewiesen worden, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne diesen verhandelt und entschieden werden kann (§ 125 Abs. 1 i. V. m. § 102 Abs. 2 VwGO).
Das Gericht konnte trotz des Antrags des Beklagten zu 2 auf Verlegung des Termins die mündliche Verhandlung durchführen und über die Streitsache entscheiden. Denn das pauschale Vorbringen des Beklagten zu 2, er sei wegen einer Sportverletzung verhandlungsunfähig, reichte zur Glaubhaftmachung des Verlegungsantrags nicht aus, so dass diesem nicht stattgegeben werden musste.
Nach § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO kann zur Wahrung des rechtlichen Gehörs und des Rechts auf ein faires Verfahren der Termin zur mündlichen Verhandlung bei Vorliegen erheblicher Gründe verlegt werden. Diese sind auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Die Entscheidung über den Antrag liegt im Ermessen des Gerichts. Bei einer Erkrankung ist zur Glaubhaftmachung eine ärztliche Bescheinigung mit näheren Angaben zur Art der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der daraus folgenden fehlenden Verhandlungsfähigkeit vorzulegen. Die Angabe der Gründe muss umso detaillierter sein, je kurzfristiger der Verlegungsantrag bei Gericht eingeht (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 102 Rn. 10a; Geismann in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 102 Rn. 13, Stuhlfauth in Bader, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 102 Rn. 8). Da der Beklagte zu 2 trotz Aufforderung kein ärztliches Attest vorgelegt und auch keine Gründe vorgetragen hat, weshalb ihm die Beibringung eines Attests wegen besonderer Umstände nicht rechtzeitig möglich sei, war dem Verlegungsantrag des Beklagten zu 2 mangels Glaubhaftmachung nicht zu entsprechen.
III.
Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. Mai 2016 ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung von (weiteren) 75.882,87 Euro, weil sich aus den in Klammern gesetzten „ca.-Beträgen“ in § 2 der Kostenübernahmevereinbarung vom 27. März 2014/31. März 2014 keine Begrenzung des zu erstattenden Betrags ergibt.
1. Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch ist § 2 Nr. 1 Satz 1 der Kostenübernahmevereinbarung. Darin hat sich die Beklagte zu 1 als Vorhabenträgerin verpflichtet, der Klägerin die seit dem 28. November 2013 aus Anlass der Vorbereitung und Durchführung des Bauleitplanverfahrens entstandenen „und noch entstehenden“ Kosten zu tragen. Somit wurde ausdrücklich vereinbart, dass nicht nur die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits angefallenen bzw. in Rechnung gestellten Kosten zu erstatten sind, sondern auch solche Kosten, die erst danach anfallen und deren Höhe demnach bei Vertragsschluss noch nicht bekannt war. Die Kostentragungspflicht ist lediglich ihrem Inhalt nach dadurch begrenzt, dass die Kosten im Rahmen des beantragten Bauleitplanverfahrens entstanden sein müssen.
2. Der in § 2 Nr. 1 Satz 1 der Kostenübernahmevereinbarung geregelte umfassende Erstattungsanspruch der Klägerin wird – entgegen der vorläufigen Einschätzung des Senats im Zulassungsbeschluss – nicht durch die in den nachfolgenden Sätzen 2 und 4 enthaltenen Erläuterungen der Höhe nach begrenzt. Denn nach dem objektiven Erklärungsinhalt (Art. 62 S. 2 BayVwVfG i.V.m. §§ 133, 157 BGB) kann nicht angenommen werden, dass mit den dort gemachten „ca.-Angaben“ die Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu 1 auf bestimmte Höchstbeträge beschränkt werden sollte.
Ausgehend von der vereinbarten generellen Kostentragungspflicht der Vorhabenträgerin werden in Satz 2 und Satz 4 lediglich einzelne Arten von Planungs- und Gutachter- bzw. Rechtsberatungskosten beispielhaft aufgelistet. Dass dabei nicht an die Festlegung einer Gesamtkostenobergrenze oder an einen verbindlichen Kostenrahmen gedacht war, folgt schon aus dem einleitenden Wort „insbesondere“ in Satz 2 sowie aus dem im letzten Punkt der Aufzählung enthaltenen Hinweis auf „etwaig erforderliche weitere Gutachten“. Angesichts der darin zum Ausdruck kommenden Ungewissheit hinsichtlich der Höhe der insgesamt anfallenden Planungskosten lassen sich die – bei lediglich vier Einzelpositionen – nachträglich in den Vertragstext eingefügten „ca.-Beträge“ nicht, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat, dahingehend verstehen, dass damit die Zahlungspflicht betragsmäßig begrenzt werden sollte, um die von der Beklagten zu 1 übernommene Kostenlast kalkulierbar zu machen. Der in Satz 1 vorgesehene umfassende Erstattungsanspruch der Klägerin hätte nur durch einen ausdrücklich vereinbarten Höchstbetrag oder einen näher bestimmten Kostenrahmen eingeschränkt werden können. In der bloßen Mitteilung gerundeter „ca.-Beträge“ zu einzelnen Kostenpositionen kann dagegen keine Neuverteilung der Kostenlast zwischen den Vertragsparteien gesehen werden.
Für dieses Auslegungsergebnis spricht neben dem Wortlaut der Vereinbarung insbesondere auch der E-Mail-Wechsel zwischen den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten zu 1, der zur Einfügung der Klammerzusätze in § 2 Satz 2 und Satz 4 der Kostenübernahmevereinbarung geführt hat. Danach war zu keinem Zeitpunkt an eine irgendwie geartete Obergrenze für die Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu 1 gedacht. Deren Bevollmächtigter erklärte vielmehr mit Schreiben vom 19. Februar 2014 den ursprünglichen Entwurf der Kostenübernahmevereinbarung, der noch keine „ca.-Beträge“ enthielt, bis auf einen Punkt ausdrücklich für „in Ordnung“. Er bat lediglich darum, in § 2 bei den einzelnen bereits beauftragten Auftragnehmern zu ergänzen, welcher Abrechnungsparameter deren Tätigkeit zugrunde liege, also HOAI (Stundensatz/Rahmen), Stundensatzabrechnung außerhalb HOAI, Pauschalhonorar, der von der gegnerischen Kanzlei angesetzte Stundensatz. Darüber hinaus hieß es: „Soweit bereits konkrete Verträge mit feststehenden Kosten vorliegen, sollten diese eingefügt werden“. Dieses Verlangen nach einer Präzisierung des Vertragsinhalts zielte erkennbar darauf ab, der Beklagtenseite nähere Informationen über die bereits bestehenden Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und den von ihr beauftragten Dritten zu verschaffen; es konnte nicht dahingehend verstanden werden, dass die Beklagte zu 1 entgegen der bisherigen Absprache nur noch bis zu einer bestimmten Obergrenze die „entstandenen und noch entstehenden Kosten“ übernehmen wollte.
Auch die vom damaligen Vertreter der Klägerin am 24. März 2014 übermittelte E-Mail, der die überarbeitete Kostenübernahmevereinbarung mit den „ca.-Beträgen“ beigefügt war, bot aus Empfängersicht keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin von der im Vertrag von Anfang an vorgesehenen vollen Kostenübernahme durch die Beklagte zu 1 abgerückt wäre. Zu der geänderten Fassung des Vertragstexts wurde darin lediglich ausgeführt, sie enthalte „die zwischenzeitlich abgefragten ca-Honorare der Beteiligten“, wobei vom Grundbaulabor keine Angaben zu erhalten gewesen seien. Dies ließ erkennen, dass es sich bei den mitgeteilten Beträgen nicht um mit den Auftragnehmern fest vereinbarte Entgelte für die gesamten zu erbringenden Leistungen handelte, sondern nur um die bis zum Abfragezeitpunkt tatsächlich angefallenen Kosten, die mit der Klägerin noch nicht abgerechnet waren und über deren Höhe die einzelnen Leistungserbringer demzufolge nur vorläufig und näherungsweise Auskunft geben konnten.
Bei den in Klammern genannten „ca.-Beträgen“ handelte es sich hiernach um bloße Zwischenstände, aus denen sich in Ansehung der bis dahin erbrachten Planungs- und Beratungsleistungen gewisse Rückschlüsse auf die zugrundeliegenden Abrechnungsparameter ziehen ließen. Mit diesen Informationen haben sich die Beklagten in der Folgezeit erkennbar zufriedengegeben und nicht mehr auf ihrem Wunsch nach Vorlage konkreter Verträge beharrt. Dass die Klägerin in Gestalt ihrer zuständigen Gemeindeorgane die aus den abgefragten Einzelbeträgen sich ergebende Momentaufnahme der bisher angefallenen Kosten als Grundlage für eine vertragliche Begrenzung ihres Erstattungsanspruchs in dem noch unabgeschlossenen Planungsverfahren ansehen und damit einen eigenen Kostenanteil in nicht absehbarer Höhe übernehmen könnte, ging aus keiner der abgegebenen Erklärungen hervor. Die Beklagte zu 1 blieb auch nach Einfügung der „ca.-Beträge“ in die Kostenübernahmevereinbarung verpflichtet, die aus Anlass der Vorbereitung und Durchführung des Bauleitplanverfahrens seit dem 28. November 2013 angefallenen Kosten in voller Höhe zu tragen. Sie muss daher der Klägerin auch die weiteren Kosten für das Architekturbüro G. + M in Höhe von 39.599,77 Euro und für die S. Rechtsanwälte in Höhe von 36.283,10 Euro erstatten.
3. Der Zinsausspruch beruht auf Art. 62 S. 2 BayVwVfG i.V.m. § 286 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB. Nach § 2 Nr. 2 der Kostenübernahmevereinbarung sind Forderungen binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zugang der Rechnung oder der Aufforderung der Klägerin, bereits verauslagte Kosten zu erstatten, zur Zahlung fällig. Dieser Fälligkeitszeitpunkt wurde in den jeweiligen Anforderungsschreiben nochmals ausdrücklich genannt; er liegt den im Tenor genannten Daten des Zinsbeginns hinsichtlich der einzelnen Teilforderungen zugrunde.
4. Die Beklagten zu 2 und 3 haften als Gesellschafter der Beklagten zu 1, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, persönlich für die von dieser Gesellschaft eingegangenen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen neben ihr als Gesamtschuldner (vgl. BGH, U.v. 27.9.1999 – II ZR 371.98 – NJW 1999, 3483).
5. Die Beklagten tragen die Kosten beider Rechtszüge, § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3, § 159 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
6. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 132 VwGO).


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