Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Flüchtlingsunterkunft: Verweisungsbeschluss zu Zivilgerichtsbarkeit aufgrund der Eigentumsverhältnisse

Aktenzeichen  M 10 K 16.111

Datum:
18.2.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 53 Abs. 1, Art. 76 S. 2
GrKrV GrKrV § 1 Abs. 1 Nr. 1
GVG GVG § 13, § 17a Abs. 2 S. 1, § 17b Abs. 2 S. 1, § 23, § 71 Abs. 1
RDGEG RDGEG § 3, § 5
VwGO VwGO § 40 Abs. 1, § 67 Abs. 2 S. 1, Abs. 4, § 173
ZPO ZPO § 18, § 26, § 29a Abs. 1

 

Leitsatz

Für eine Klage, um dem Beklagten als Mieter die Untervermietung von Räumen bzw. Belegung mit Asylbewerbern bis zur Sicherstellung des Brandschutzes zu untersagen, ist nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet. Es geht nicht um ein bauaufsichtliches Einschreiten, sondern um die Geltendmachung privatrechtlicher Unterlassungsansprüche. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II.
Der Rechtsstreit wird an das Landgericht München I verwiesen.
III.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Landgericht München I vorbehalten.

Gründe

I.
Die Kläger sind ausweislich entsprechender Auszüge aus dem Grundbuch von …, Band …, Blatt … und … Miteigentümer der Grundstücke Fl.-Nrn. … und … (…-weg 18, 18a und 18b in …). Das Anwesen ist in sog. Stockwerkseigentum aufgeteilt. Weitere Miteigentümerin nach Maßgabe der Grundbucheintragung ist eine Frau …
Mit Mietvertrag vom 18. Dezember 2015 mietete der Beklagte, vertreten durch das Landratsamt …, Räumlichkeiten im streitgegenständlichen Anwesen zur Unterbringung von Flüchtlingen von Frau … an.
Auf Beschwerde der Kläger insbesondere unter Hinweis auf fehlenden Brandschutz teilte das Landratsamt ihnen mit E-Mail vom 4. November 2015 mit, dass unter Berücksichtigung der Belange des Brandschutzes, der Sicherheit und der Gesundheit keine Anhaltspunkte vorhanden seien, die einer Nutzung der angemieteten Räumlichkeiten zur Unterbringung von Asylbewerbern entgegenständen.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 8. Januar 2016, klargestellt unter dem 18. Januar 2016 und 15. Februar 2016, haben die Kläger daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben (Eingang am 11.1.2016) und u. a. folgende Anträge angekündigt:
1. Dem Beklagten wird untersagt, die angemieteten Räumlichkeiten in …, …-weg 18, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts …, Band …, Blatt …, Flurgrundstück Nr. …, und Blatt …, Flurgrundstück Nr. …, bestehend aus Küche, Bad, WC, Wohnzimmer, zwei Schlafzimmern und einem Abstellraum, bis zur Sicherstellung des Brandschutzes an dritte Personen zu vermieten.
2. Dem Beklagten wird untersagt, den bezeichneten Abstellraum für den dauerhaften Aufenthalt von Menschen zu vermieten.
Zur Klagebegründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, die Belegung der teils in einem schlechten baulichen Zustand befindlichen Räumlichkeiten mit bis zu zehn erwachsenen Männern sei insbesondere unter dem Aspekt der Gewährleitung eines ausreichenden Brandschutzes nicht tragbar. Die Kläger seien hierdurch in einem nicht hinnehmbaren Maße gestört und in ihren Rechten beeinträchtigt. Insbesondere der Abstellraum sei nicht zu einem dauerhaften Aufenthalt geeignet; die hier bereits 1993 durch ein Sachverständigengutachten festgestellten Baumängel seien lediglich durch eine Holzverkleidung verdeckt worden. Auch sei es 2009 schon zu einem Küchenbrand gekommen. Nach Herstellung eines ordnungsgemäßen Brandschutzes seien die Räumlichkeiten sicherlich zur Unterbringung von sechs bis sieben Personen geeignet.
Mit Schreiben vom 21. Januar 2016 wies das Gericht die Beteiligten auf die Unzulässigkeit des beschrittenen Verwaltungsrechtswegs hin und gab Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer Verweisung des Rechtstreits an die Zivilgerichtsbarkeit.
Die Beteiligten regten mit Schreiben vom 26. Januar 2016 bzw. Schriftsatz vom 15. Februar 2016 eine entsprechende Verweisung an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtakte verwiesen.
II.
Für das vorliegende Klageverfahren ist nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet.
Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
Ob eine Streitigkeit dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist, bestimmt sich, wenn – wie hier – eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. BVerwG, B. v. 12.04.2013 BVerfG 9 B 37/12 juris Rn. 6 m. w. N.; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage, § 40, Rn. 9a).
Klageziel im vorliegenden Fall ist es, dem Beklagten in seiner Funktion als Mieter von Räumen im Anwesen …-weg 18 bis 18b in … deren Untervermietung bzw. Belegung mit Asylbewerbern bis zur Sicherstellung des Brandschutzes zu untersagen.
Nach Auslegung dieses Rechtschutzersuchens richtet sich die Klage nicht auf eine – auf öffentlichem Recht fußenden – Verpflichtung der zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörde (hier der Stadt …, vgl. Art 9 Abs. 2 GO, § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrKrV, Art. 53 Abs. 1 BayBO) zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten, d. h. zum Erlass einer Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO.
Vielmehr werden privatrechtliche Unterlassungsansprüche gegen den … (Fiskus) als „Störer“ wegen der vorgetragenen Beeinträchtigung des im selben Gebäude befindlichen Mit-/Sondereigentums der Kläger durch Überlassung der Räume an Dritte ohne ausreichenden Brandschutz eingeklagt.
Sachlich zuständig für die Entscheidung über dieses Klagebegehren ist unter Zugrundelegung des angesetzten Streitwerts das Landgericht, § 13 GVG, § 71 Abs. 1 GVG i. V. m. § 23 GVG. Eine ausschließliche amtsgerichtliche Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2 Buchst. a und c GVG ist mangels Miet- bzw. Wohnungseigentumsstreitigkeit nicht gegeben.
Örtlich zuständig ist das Landgericht München I, vgl. § 18 ZPO i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VertrV. Ein dinglicher Gerichtsstand in … nach § 29 a Abs. 1 ZPO bzw. nach § 26 ZPO ist nicht gegeben.
Nach alledem ist gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG nach Anhörung der Beteiligten festzustellen, dass der Verwaltungsrechtsweg unzulässig ist, und der Rechtsstreit an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht München zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 17 b Abs. 2 Satz 1 GVG.


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