Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Formelle Anforderungen an die Kündigung wegen Eingenbedarfs: Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat

Aktenzeichen  423 C 1636/18

Datum:
5.7.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 47345
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 573 Abs. 2
ZPO § 286

 

Leitsatz

1. Für eine formell wirksame Kündigung wegen Eigenbedarfs genügt den Anforderungen nach 573 Abs. 2 BGB grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat (vgl. BGH BeckRS 2011, 20823). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Gericht kann seine tatrichterliche Überzeugungsbildung auch allein aufgrund des Parteivortrags ohne Beweiserhebung im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses bilden (BGH BeckRS 2017, 135828). Ein Vermieter muss also nicht allein deswegen mit dem Klageantrag unterliegen, weil er hinsichtlich des Eigenbedarfs keine Beweise anbietet. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein beigezogenes Protokoll der Vernehmung eines Zeugen aus einem anderen Gerichtsverfahren ist kein Zeugenbeweis, da eine Vernehmung durch das Gericht selbst nicht erfolgt, sondern ist ein Urkundsbeweis (vgl. BGH BeckRS 2007, 5785). (Rn. 37 – 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 13.800,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Kündigung vom 28.03.2017 ist formell wirksam, insbesondere ausreichend begründet. Nach § 573 Abs. 2 BGB sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters anzugeben, wobei hieran keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (BGH NZM 2011, 706).
Diesen Anforderungen genügt das streitgegenständliche Kündigungsschreiben. Die Kläger haben hier ausreichend dargestellt, dass die Wohnung vom Kläger zu 3 und seiner Ehefrau anstatt der bisherigen Wohnung in … genutzt werden soll, was vor allem mit kürzeren Fahrwegen zur Arbeitsstelle begründet wurde. Bedarfsperson und Erlangungsinteresse sind damit hinreichend erkennbar dargestellt.
2. Die Kündigung vom 28.03.2018 hat das Mietverhältnis jedoch nicht beendet, da das tatsächliche Vorliegen einer Eigenbedarfslage nicht zur Überzeugung des Gerichts feststeht.
Voraussetzung für eine Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist, dass in einer dem privilegierten Personenkreis zuzuordnende Person der ernsthafte und realisierbare Wille zur Eigennutzung vorliegt und die Person die Wohnung auch tatsächlich benötigt (Schmidt/Futterer, § 573 Rn. 44, 60, 91).
Der Kläger zu 3 und seine Ehefrau sind zweifelsfrei dem privilegierten Personenkreis zuzuordnen. Die Kläger konnten jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass auf Seiten des Klägers zu 3 tatsächlich ein ernsthaftes Interesse an der Erlangung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken besteht.
a) Für die Bewertung der Beweisaufnahme und der Überzeugungsbildung des Gerichts gelten gemäß § 286 ZPO die folgenden Grundsätze: Eine Tatsache ist erst dann zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, wenn das Gericht von der Wahrheit der jeweiligen bestrittenen Tatsache überzeugt ist. Ein bloßes Glauben, Wähnen, Fürwahrscheinlichhalten berechtigen den Richter hingegen nicht zur Bejahung eines streitigen Tatsachenvortrags, wobei objektive Wahrscheinlichkeitserwägungen allenfalls Grundlage und Hilfsmittel für die Überzeugungsbildung des Richters sein können. Zwingend hinzukommen muss die subjektive persönliche Entscheidung des Richters, ob er die strittige Tatsachenbehauptung als wahr erachtet hat (BGH NJW 2014, 71; Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 286 Rn. 18). Andererseits ist mehr als eine subjektive Überzeugung des Richters zum Beweis einer strittigen Tatsachenbehauptung auch nicht erforderlich. Absolute Gewissheit zu verlangen, hieße die Grenze menschlicher Erkenntnisfähigkeit zu ignorieren. Dass die Sachverhaltsfeststellung durch das Abstellen auf ein persönliches Überzeugtseins mit subjektiven Einflüssen belastet wird, ist im Bereich menschlichen Richtens zwangsläufig und unvermeidbar. Der Richter muss sich mit einer persönlichen Gewissheit begnügen, das ist eine Gewissheit, welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 256 = NJW 1970, 946; BGH NJW 2014, 71; Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 286 Rn. 19).
Vorliegend wurde eine förmliche Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung nicht durchgeführt. Auf die von den Klägern zunächst als Zeugin angebotene Ehefrau des Klägers zu 3 wurde seitens der Kläger verzichtet.
Das Gericht kann sich daher allein auf die persönliche Anhörung der Klager zu 1 und 3 sowie des Beklagten stützen. Eine Parteivernahme kam vorliegend nicht in Betracht, da der Beklagte dem nicht zugestimmt hat, § 447 ZPO, und auch keine Beweisnot i.S.d. § 448 ZPO vorliegt. Denn wenn eine Partei einen ihr zumutbaren Zeugenbeweis nicht antritt, so ist für die Parteivernehmung von Amts wegen kein Raum (BGH NJW 1997, 1988).
Dabei ist den Klägern zunächst zuzugestehen, dass das Gericht seine tatrichterliche Überzeugungsbildung auch allein aufgrund des Parteivortrags ohne Beweiserhebung im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses bilden kann (BGH NJW-RR 2018, 249). Die Kläger müssen also nicht allein deswegen mit dem Klageantrag unterliegen, weil sie hinsichtlich des Eigenbedarfs keine Beweise anbieten.
b) Vorliegend konnten die Kläger das Gericht durch den schriftsätzlichen Vortrag und die informatorische Anhörung nicht im erforderlichen Maß überzeugen.
Zweifel an dem Nutzungswillen des Klägers zu 3 ergeben sich aus dem Umstand, dass dem Beklagten am 11.04.2017 ein neuer Mietvertragsentwurf übersandt wurde.
Die Kläger schildern hierzu, dies sei letztlich dem Umstand geschuldet, dass der Beklagte sehr emotional auf die Kündigung reagiert habe und unbedingt die Wohnung habe behalten wollen. Der Kläger zu 1 habe sich hierdurch genötigt gefühlt, den Vertragsentwurf zu übersenden und dies ohne Rücksprache mit den übrigen Eigentümern getan. Dabei sei die Miethöhe eingetragen worden, die der Beklagte nach eigenen Angaben für den Erhalt der Wohnung zu zahlen bereit sei. Der Kläger zu 1 habe sich hierbei nichts gedacht.
Der Beklagte hingegen gab an, er sei zwar von der Kündigung überrascht, jedoch nicht emotional gewesen. Er habe im Gespräch eine Miete von 1.400,00 Euro angeboten. Ihm sei gesagt worden, dem Kläger zu 3 sei eine andere Wohnung angeboten worden und er, der Beklagte, müsse sich nun schnell entscheiden. Er habe jedoch keinen neuen Mietvertrag gewollt, sondern habe seinen alten behalten wollen.
Der Kläger zu 3 erklärte, es habe zwar tatsächlich zu dem Zeitpunkt ein Angebot für eine andere Wohnung gegeben. Diese habe er jedoch abgesagt und der Umstand stehe nicht in Zusammenhang mit dem neuen Mietvertrag.
Die Parteien schildern die Umstände und Hintergründe der Übersendung eines Mietvertragsentwurfs an den Beklagten damit widersprüchlich. Dass die Schilderung der Kläger den Vorgang wahrheitsgemäß wiedergibt, der Vortrag des Beklagten hingegen unwahr ist, steht für das Gericht nicht fest.
Dabei ist zunächst festzustellen, dass weder der Umstand, dass die Kläger beruflich in der Immobilienbranche tätig sind, noch die Tatsache, dass eine Anfrage zur baulichen Veränderung im Sinne eine Zusammenlegung der Wohnung des Beklagten mit der Wohnung des Mieters … nicht gestellt wurde, selbständiger Anlass zu Zweifeln an den Angaben der Kläger ist.
Denn selbstverständlich kann auch jemand, der sein Geld mit dem An- und Verkauf und der Verwaltung von Immobilien verdient, Eigenbedarf haben. Dabei ist nicht erforderlich, dass bereits alle erforderlichen Genehmigungen für die beabsichtigte Nutzung vorliegen. Gegen das Bestehen eines Eigenbedarfs spräche, wenn die beabsichtigte Nutzung von vorne herein gar nicht möglich wäre. Hiervon ist aber mangels näherem Sachvortrag in diesem Verfahren nicht auszugehen.
Bei der Bewertung der Aussagen der Parteien muss das Gericht jedoch deren Interesse am Ausgang des Verfahrens berücksichtigen, was in gleichem Maße für beide Seiten gilt.
Es erscheint zumindest ungewöhnlich, dass eine Partei, die in geschäftlichen Dingen erfahren und mit den in Zusammenhang mit der Wohnungsvermietung auftretenden Themen vertraut ist, einen Mietvertrag anbietet, um auf eine emotionale Situation zu reagieren. Dass der Übersendung des Mietvertragsangebots letztlich keinerlei Bedeutung zukommen soll, liegt jedenfalls nicht auf der Hand.
Es ist zwar nicht per se ausgeschlossen, dass Schilderung der Kläger zutreffend ist. Sie ist jedoch nicht so naheliegend, dass ihr unter den gegebenen Umständen gegenüber der Schilderung des Beklagten eine höhere Glaubwürdigkeit zukommt. Zwar ist damit auch nicht festgestellt, dass sich der Sachverhalt so zugetragen hat, wie vom Beklagten vorgetragen. Notwendig für eine Klagestattgabe wäre jedoch, dass der von den Klägern vorgetragene Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts feststeht, was nicht der Fall ist.
c) Damit bestehen Zweifel daran, ob es den Klägern nicht ebenso recht gewesen wäre, die Wohnung zu einer höheren Miete weiterhin an den Beklagten zu vermieten und der Kläger zu 3 also nicht den eindeutigen und sicheren Willen hatte, die Wohnung für sich zu nutzen.
d) Vom Nutzungswillen des Klägers zu 3) konnte sich das Gericht auch nicht durch das beigezogene Protokoll der Vernehmung seiner Ehefrau im Verfahren … überzeugen.
Hierbei handelt es sich nicht um einen Zeugenbeweis, da eine Vernehmung durch das Gericht selbst nicht erfolgt, sondern um einen Urkundsbeweis (BGH NJW-RR 2007, 1077).
Auch diesem kommt zwar ein eigener Beweiswert zu. Das Gericht kann jedoch keinerlei eigene umfassende Einschätzung zur Glaubwürdigkeit der Zeugin treffen. Bei der Bewertung der Aussage ist maßgeblich neben objektiven Kriterien wie der Beziehung des Zeugen zu den Parteien oder der tatsächlichen Möglichkeit der Wahrnehmung von entscheidungserheblichen Vorgängen vor allem der persönliche Eindruck. Dieser kann durch die schriftlich wiedergegebene Aussage nicht ersetzt werden. Dies ist umso wichtiger in einer Konstellation wie vorliegend: Bei der Zeugin handelt es sich nicht um eine unbeteiligte Person, sondern die Ehefrau des Klägers zu 3. Hier ist nach allgemeiner Lebenserfahrung die Glaubwürdigkeit kritischer zu prüfen, als wenn es sich um eine Person handelt, die selbst keinerlei eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens hat.
Auch das Protokoll der Zeugenvernehmung vermag das Gericht mangels Möglichkeit zur Prüfung der Glaubwürdigkeit daher nicht davon zu überzeugen, dass tatsächlich beim Kläger zu 3 der ernsthafte Wille zur Selbstnutzung der steitgegenständlichen Wohnung vorliegt.
Die Klage war daher abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
Der Streitwert ergibt sich aus § 41 GKG.


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