Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Gewerberaummiete – Darlegungslast für Kündigungschutz aufgrund der COVID-19-Pandemie

Aktenzeichen  14 O 845/20

Datum:
4.9.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29176
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 313, § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 546 Abs. 1
EGBGB Art. 240 § 2

 

Leitsatz

Der Mieter von Gewerberäumen hat die Tatsachen darzulegen, aus denen sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Nichtleistung auf der COVID-Pandemie beruht. Die bloße Behauptung der Umsatzzahlen und vermeintlicher Einbußen sind dafür nicht ausreichend. (Rn. 14 – 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, die im Erdgeschoss des Anwesens … gelegenen Gaststättenräume mit Küche und Nebenräumen sowie die im Untergeschoss des Anwesens … gelegenen Lagerräume und zwei Kühlräume nach Maßgabe der als Anlage K2 und K 3 beigefügten Lage- bzw. Grundrisspläne zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer 1. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Im Übrigen ist das Urteil für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 57.600,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gemäß § 546 Abs. 1 BGB Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von dem Beklagten genutzten Räume, da das Mietverhältnis zwischen den Parteien jedenfalls durch die Kündigung vom 05.06.2020 beendet wurde.
A.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist örtlich, insbesondere aber auch sachlich zur Entscheidung vorliegenden Rechtsstreits zuständig.
B.
Die Klage ist auch begründet, die Klägerin hat gemäß § 546 Abs. 1 BGB Anspruch auf Räumung und Herausgabe der vom Beklagten genutzten Gewerberäume, da das Mietverhältnis zwischen den Parteien jedenfalls durch die Kündigung vom 05.06.2020 beendet wurde.
1.
Nach dem – streitigen – Vortrag der Klägerin endete das Mietverhältnis bereits zum 30.05.2020, da der Vertrag entsprechend befristet war und nach dem Sachvortrag der Klägerin keine Vereinbarung zur Fortsetzung des Mietverhältnisses getroffen wurde. Dahinstehen kann vorliegend, ob der Beklagte – wie von ihm behauptet – die Option zur Verlängerung des Mietvertrages form- und fristgerecht ausgeübt hat. Jedenfalls durch die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 05.06.2020 wurde das Mietverhältnis beendet.
Gem. § 543 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 3 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgenden Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist. Diese Voraussetzung liegt hier vor, da der Beklagte die Mieten für die Monate Mai und Juni 2020 unstreitig nicht entrichtet hat und damit für zwei aufeinanderfolgende Monate mit der Entrichtung der Miete im Verzug war. Die fristlose Kündigung ist wirksam.
a)
Das Kündigungsrecht der Klägerin ist nicht gem. Art. 240 § 2 EGBGB ausgeschlossen. Gem. Art. 240 § 2 EGBGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen.
Vorliegend fallen die der Kündigung zugrundeliegenden, nicht bezahlten Mieten in den von der gesetzlichen Regelung umfassten Zeitraum. Jedoch hat der Beklagte den Zusammenhang zwischen der Pandemie und der Nichtleistung nicht glaubhaft gemacht.
Ausweislich der Begründung zu Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 2 EGBGB ist es Sache des Mieters, Tatsachen darzulegen, aus denen sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass seine Nichtleistung auf der COVID-19-Pandemie beruht. Der Mieter kann sich entsprechender Nachweise, einer Versicherung an Eides statt oder sonst geeigneter Mittel bedienen. Genannt werden in der Gesetzesbegründung die Antragstellung bzw. Bescheinigung über die Gewährung staatlicher Leistungen, Bescheinigungen des Arbeitgebers oder andere Nachweise über das Einkommen bzw. über den Verdienstausfall. Bei Selbstständigen kann als Beleg für die negative Entwicklung der Einkünfte darüber hinaus etwa eine betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) dienen. Für die Mieter von Gewerbeimmobilien führt die Gesetzesbegründung an, diese könnten darauf hinweisen, dass ihr Betrieb durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt oder erheblich eingeschränkt worden ist, was derzeit etwa Gaststätten oder Hotels betreffe, deren Betrieb zumindest für touristische Zwecke in vielen Bundesländern untersagt ist (vgl. MüKoBGB/Häublein EGBGB Art. 240 § 2 Rn. 21 ff.).
Diesen Anforderungen genügt der Beklagte vorliegend nicht. Der Beklagte trägt lediglich vor, der Zusammenhang zwischen der Nichtzahlung und der Pandemie sei unschwer nachzuvollziehen, Reserven seien bereits in den Monaten März und April 2020 aufgebraucht worden. Der Beklagte habe Corona-Selbsthilfen i.H.v. 9.000 EUR erhalten und im Mai und Juni 2020 deutlich verringerte Einkünfte erzielt.
Zwar dürfen an die Glaubhaftmachung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, insbesondere wenn allgemein bekannt ist, dass betroffene Betriebe von behördlichen Schließungen betroffen sind. Der Vortrag des Beklagten genügt den Anforderungen, welche an die Glaubhaftmachung zu stellen sind, jedoch dennoch nicht. Konkreter Sachvortrag in welchem Umfang der Betrieb von etwaigen Einschränkungen betroffen war, fehlt ebenso wie Vortrag zu der möglichen Teilnutzung des Mietobjekts (Außenflächen, Innensitzplätze unter Wahrung des Mindestabstands usw.) und die daraus folgenden Konsequenzen für die konkrete Geschäftstätigkeit des Beklagten. Auch ist nicht vorgetragen bzw. glaubhaft gemacht, inwieweit im Mai und Juni 2020 noch eine konkrete Einschränkung des Betriebs hingenommen werden musste – insbesondere wie sich die diese ggfs. auf das Geschäft des Beklagten auswirkten. Der bloße Verweis auf einen Zusammenhang mit der Pandmie ist nicht ausreichend. Weder hat der Beklagte konkreten Vortrag geleistet noch Unterlagen vorgelegt, die seinen Sachvortrag untermauern. Die bloße Behauptung der Umsatzzahlen und vermeintlicher Einbußen – welche zudem bestritten sind – ist nicht ausreichend für den Nachweis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass seine Nichtleistung auf der COVID-19-Pandemie beruht. Zudem ist dem Sachvortrag des Beklagten zu entnehmen, dass dieser im Juni 2020 einen Umsatz i.H.v. 19.000 EUR erzielt hat, was nach seinen Angaben der Hälfte des durchschnittlichen „Normal“-Umsatzes entspricht. Warum in Anbetracht dieses Umsatzes keine Zahlung bzw. auch keine Teilzahlung auf die Miete erfolgen konnte, wird nicht dargelegt.
2.
Soweit der Beklagte sich weiter darauf beruft, dass eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB vorzunehmen sei und das Kündigungsrecht der Klägerin deswegen nicht greife, mangelt es auch hier an substantiiertem Vortrag des Beklagten. Damit kann dahinstehen, ob § 313 BGB neben Art. 240 EGBGB anwendbar ist und ob und ggfs. ab welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe eine Anpassung der Mietzahlung angemessen wäre (vgl. hierzu Weidt/Schiewek in NJOZ 2020, 481).
§ 313 BGB ermöglicht als gesetzliche Ausformung des Gedankens von Treu und Glauben unter bestimmten, im Zweifel eng auszulegenden Voraussetzungen bei Störungen der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Vertragsinhalts (vgl. Palandt – Grüneberg, § 313 Rn. 1). Somit statuiert die Norm eine (mögliche) Abweichung von dem zivilrechtlichen Grundsatz pacta sunt servanda und der sonstigen Risikoverteilung. Dann ist aber von dem Beklagten, welcher sich auf diese Regelung beruft, substantiiert und konkret vorzutragen, inwieweit die Nutzung des streitgegenständlichen Objekts unmöglich bzw. eingeschränkt war, ab welchem Zeitpunkt welche behördlichen Einschränkungen galten und welche konkreten Einbußen der Beklagte zu verzeichnen hatte. Zudem ist im Rahmen einer Prüfung zu berücksichtigen ob und in welcher Höhe der Beklagte staatliche Hilfen erlangt hat und welche Kosten diese abdeckten – der pauschale Verweis auf „sonstige verbleibende Zahlungsverpflichtungen“ ist insoweit nicht ausreichend. Ebenso ist im konkreten Einzelfall zu berücksichtigen, in welchem Umfang eine Nutzung des Mietobjekts trotz der Einschränkungen möglich war (Take-Away-Angebote, Außenbestuhlung, Innensitzplätze unter Berücksichtigung des Abstandsgebots usw.). All dies hat der Beklagte jedoch nicht konkret vorgetragen, die von ihm pauschal genannten Umsatzzahlen sind zudem bestritten und nicht unter Beweis gestellt.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 7, 709, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel


Nach oben