Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Herausgabe des Erlöses bei Ersatzvornahme

Aktenzeichen  AN 9 K 15.00665

Datum:
25.1.2017
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwZVG BayVwZVG Art. 32 S. 1
WHG WHG § 100 Abs. 1
BGB BGB § 387, § 667

 

Leitsatz

1 Da die Ersatzvornahme als Zwangsmittel überhaupt nur zur Durchsetzung einer Handlungspflicht in Betracht kommt, ist „Pflichtiger“ im Sinne des Art. 32 VwZVG derjenige, der durch den zu vollstreckenden Verwaltungsakt zu einer (vertretbaren) Handlung verpflichtet ist, nicht hingegen derjenige, den die Behörde lediglich zur Duldung dieser Handlung verpflichtet hat. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine unmittelbare Verpflichtung eines Eigentümers durch eine Beseitigungsanordnung im Wege der Rechtsnachfolge ist nur denkbar, wenn die Rechtsnachfolge nach Erlass der Beseitigungsanordnung eingetreten wäre. (redaktioneller Leitsatz)
3 Dem Eigentümer der im Wege der Ersatzvornahme verkauften Sache steht der dabei erzielte Erlös zu, weil der Erlös für ihn gleichsam an die Stelle seines Eigentums getreten ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid des Landratsamtes Ansbach vom 2. April 2015 wird in Ziffer 1.1 aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, unter Abänderung von Ziffer 1.2 des Bescheids vom 2. April 2015 den auszuzahlenden Überschuss auf 7.846,90 Euro festzusetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 7/10, der Beklagte 3/10 zu tragen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
1. Der streitgegenständliche Bescheid des Landratsamts Ansbach vom 2. April 2015, Az.: …, ist in Ziffer 1.1 rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten (hierzu 1.1). Der Klägerin steht ein Anspruch auf Festsetzung eines Überschusses in Höhe von 7.846,90 Euro zu, soweit der Bescheid in Ziffer 1.2 einen niedrigeren auszuzahlenden Überschuss festsetzt, ist er rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Einen darüber hinausgehenden Anspruch hat die Klägerin in diesem Verfahren nicht (hierzu 1.2 und 1.3).
1.1 Die Heranziehung der Klägerin zur Tragung der dem Landratsamt Ansbach entstandenen Kosten für die Ersatzvornahme in Höhe von 7.768,32 Euro ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Für eine solche Verpflichtung fehlt es schon an der erforderlichen Rechtsgrundlage in Form eines vollstreckbaren Bescheids, dessen Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme die betreffenden Kosten ausgelöst hat.
Art. 32 Satz 1 VwZVG enthält zur Ersatzvornahme die Regelung, dass die Vollstreckungsbehörde, wenn die Pflicht zu einer Handlung, die auch ein anderer vornehmen kann (vertretbare Handlung), nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt wird, die Handlung auf Kosten des Pflichtigen vornehmen lassen kann. Im Hinblick auf die Kosten der Ersatzvornahme ist die Regelung eine Spezialvorschrift, die anderen Kostenregelungen vorgeht (vgl. Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, 28. Aufl., 2009, Art. 32 VwZVG, S. 9). Da die Ersatzvornahme als Zwangsmittel überhaupt nur zur Durchsetzung einer Handlungspflicht in Betracht kommt, ist „Pflichtiger“ im Sinne des Art. 32 VwZVG derjenige, der durch den zu vollstreckenden Verwaltungsakt zu einer (vertretbaren) Handlung verpflichtet ist, nicht hingegen derjenige, den die Behörde lediglich zur Duldung dieser Handlung verpflichtet hat. Die Duldungsverpflichtung eines Dritten wird von der Behörde nur ausgesprochen, wenn der zur Handlung Verpflichtete nicht ohne die rechtliche oder tatsächliche Mitwirkung des Dritten handeln kann – etwa weil dieser an dem Gegenstand der Handlung mitberechtigt ist. Durch sie wird dem Duldungspflichtigen untersagt, den Vollzug zu behindern (vgl. Ebd., S. 7; BayVGH, B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – BayVBl. 2002, S. 275 f.). Inhaltliche Adressatin der damals zu vollziehenden Beseitigungsanordnung vom 26. April 2011 und damit Handlungsverpflichtete ist die Grundstückseigentümerin Frau … … Gegen sie richtete sich auch die Androhung der Ersatzvornahme mit Bescheiden vom 25. August 2011 und vom 17. Oktober 2011. Gegenüber der Klägerin hingegen wurde mit Bescheid vom 14. Oktober 2011 lediglich die Verpflichtung ausgesprochen, die Frau … … gegenüber angeordnete Beseitigung des Foliensilos zu dulden. „Pflichtige“ im Sinne des Art. 32 Satz 1 VwZVG und damit Kostenschuldnerin ist somit einzig Frau … …
Eine Kostentragungspflicht der Klägerin lässt sich nicht daraus herleiten, dass sie durch Erwerb des Foliensilos Rechtsnachfolgerin der Frau … … und damit „Pflichtige“ im Sinne des Art. 32 Satz 1 VwZVG geworden wäre.
Zwar ist – etwa im Baurecht – anerkannt, dass eine Beseitigungsanordnung auch dem Rechtsnachfolger gegenüber unmittelbar gilt und nicht erneut (mit Fristsetzung) angeordnet werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1971 – IV C 62.66), und es wird auch vertreten, dass sich diese Rechtsprechung auf eine wasserrechtliche Beseitigungsanordnung nach § 100 Abs. 1 WHG wie im vorliegenden Fall übertragen lässt, sodass bestandskräftige Beseitigungsanordnungen grundsätzlich im Vollstreckungs Weg gegenüber dem Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolger durchgesetzt werden können (vgl. Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 100, Rn. 128). Auch geht die Kammer von einer solchen Rechtsnachfolge aus. Die Klägerin hat bereits in dem vorangegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren AN 9 K 12.01464 vorgetragen, dass sie das Foliensilo vom Landwirtschaftsbetrieb … erworben habe, und dies wurde vom Beklagten jedenfalls bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids am 2. April 2015 nicht mehr in Zweifel gezogen, sodass die Kammer sich diesbezüglich im Rahmen ihres Amtsermittlungsgrundsatzes zu keinen weitergehenden Ermittlungen veranlasst sehen musste. Weiter ist davon auszugehen, dass Frau … … das Eigentum an dem Foliensilo unabhängig vom Eigentum an dem Grundstück auf die Klägerin übertragen konnte, da es sich bei dem Foliensilo um eine bewegliche Sache handelte, die nicht fest mit dem Grundstück, auf dem sie sich befand, verbunden oder gar wesentlicher Bestandteil desselben war. Im vorliegenden Fall fand aber der Erwerb wie die Übereignung des Foliensilos durch die Klägerin und damit die Rechtsnachfolge bereits im November 2010 statt, also noch bevor die Beseitigungsanordnung gegenüber Frau … … erging. Denkbar wäre eine unmittelbare Verpflichtung der Klägerin durch die Beseitigungsanordnung im Wege der Rechtsnachfolge nur, wenn die Rechtsnachfolge nach Erlass der Beseitigungsanordnung eingetreten wäre. So scheidet sie aber aus, auch wenn das Landratsamt Ansbach über den Eigentumswechsel erst mit Schreiben der Klägerin vom 4. Oktober 2011 informiert wurde. Außerdem machte das Landratsamt Ansbach spätestens durch die Bescheide vom 14. Oktober 2011 (Duldungsanordnung gegenüber der Klägerin) und vom 17. Oktober 2011 (erneute Androhung der Ersatzvornahme gegenüber Frau … …*) deutlich, dass es nach wie vor Frau … …, die als Grundstückseigentümerin immer noch Zustandsstörerin war, für die Beseitigung in Anspruch nehmen wollte, die Klägerin hingegen diese Beseitigung nur durch schlichte Untätigkeit dulden sollte. Ob es dem Landratsamt spätestens ab dem 4. Oktober 2011 möglich gewesen wäre, auch von der Klägerin als Eigentümerin der Sache und damit als Zustandsstörerin die Beseitigung zu verlangen, diese ihr gegenüber gegebenenfalls zu vollstrecken und ihr dann auch die Kosten aufzuerlegen, muss nicht erörtert werden, da das Landratsamt diesen Weg nicht beschritten hat.
Da die Klägerin insgesamt nicht zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme herangezogen werden kann, bedarf an dieser Stelle auch keiner Entscheidung, ob die vom Transportunternehmen veranschlagten Kosten in Höhe von 714,00 Euro für die Wartezeit von dem Kostenschuldner der Ersatzvornahme zu tragen sind.
1.2 Der Klägerin steht ein Anspruch auf Herausgabe eines Überschusses in Höhe von 7.846,90 Euro zu, die Ziffer 1.2 des streitgegenständlichen Bescheids ist insofern, soweit sie dem im Endergebnis entgegensteht, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
1.2.1
Zu der Frage, was mit dem Erlös zu geschehen hat, wenn eine Sache im Wege der Ersatzvornahme beseitigt und verkauft wird, findet sich im VwZVG und auch sonst keine explizite Regelung. Dass er hier der Klägerin als Eigentümerin der verkauften Sache zusteht, folgt schon aus dem Gedanken, dass der Erlös für sie gleichsam an die Stelle ihres Eigentums getreten ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall Verpflichtete der Beseitigungsanordnung und damit Kostenschuldnerin der Ersatzvornahme nicht die Klägerin, sondern Frau … … ist, da sich ihre Heranziehung zur Beseitigung gerade nicht aus ihrem Eigentum an dem Foliensilo rechtfertigt, sondern aus ihrem Eigentum am Grundstück (siehe oben 1.1). Das aus dem Eigentum folgende Recht, aus dem Foliensilo rechtsgeschäftliche Vorteile zu ziehen, und die sicherheitsrechtliche Pflichtigkeit bestehen hier unabhängig voneinander. Auch lassen sich – da die zur Ersatzvornahme schreitende Behörde gleichsam in Erfüllung eines (öffentlichen) Auftrags in einer Sache tätig wird, die eigentlich dem Pflichtigen obliegt – die Vorschriften des Auftragsrechts entsprechend heranziehen. Nach § 667 BGB ist der Beauftragte verpflichtet, alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben. Der Anspruch ist demnach begrenzt auf die Herausgabe dessen, was der Beauftragte aus der Geschäftsbesorgung tatsächlich erlangt hat, und umfasst nicht das, was der Beauftragte etwa bei ordnungsgemäßer Ausführung hätte erlangen können, aber nicht erlangt hat (vgl. Palandt, BGB, 72. Aufl., 2013, § 667, Rn. 3 f.).
Dementsprechend kann die Klägerin im Rahmen dieses Verfahrens vom Beklagten nur den tatsächlich angefallenen Erlös herausverlangen. Dass der Verkauf von insgesamt 615 m³ Maissilage zu einem Preis von 15 Euro zzgl. USt. pro Kubikmeter an die Biogasanlagen … in …, die Biogasanlage … in … und die Biogasanlage … in … einen Verkaufserlös von insgesamt 10.977,75 Euro brutto erbracht hat, wird durch die Beteiligten nicht in Zweifel gezogen, sodass auch die Kammer von diesem Betrag ausgeht. Abzuziehen hiervon sind aber gleichzeitig die vom Landratsamt Ansbach für eben diese Menge von 615 m³ entrichteten Transportkosten von 4 Euro zzgl. USt. pro Kubikmeter, nämlich 2.927,40 Euro brutto. Beide Beträge sind miteinander untrennbar verbunden, weil der Verkaufserlös im vorliegenden Fall nur durch Transport der Silage zu den abnehmenden Biogasanlagen erlangt werden konnte. Einen darüber hinaus an das Transportunternehmen gezahlten Betrag für die Beseitigung kann das Landratsamt hier nicht in Ansatz bringen. Inwieweit es unter Umständen zu viel an die Firma … gezahlt hat, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Der an die Klägerin herauszugebende Reinerlös beträgt damit 8.050,35 Euro brutto (615 m³ x 11 Euro/m³ zzgl. 19% USt.).
Wenn die Klägerin meint, ihr stehe ein Betrag von insgesamt 29.106,00 Euro zu, weil entweder tatsächlich eine größere Menge an Maissilage in dem Foliensilo vorhanden gewesen sei oder weil es dem Landratsamt möglich gewesen wäre, die Silage zu einem Preis von 25,00 Euro pro Kubikmeter zu verkaufen, so ist ungeachtet der Frage, ob diese Annahmen den Tatsachen entsprechen, eine Anspruchsgrundlage für einen solchen Anspruch im Rahmen der im angefochtenen Bescheid geregelten Frage der Kostentragung der Ersatzvornahme und der Herausgabe des durch die Ersatzvornahme Erlangten nicht gegeben. Ob die Differenz zwischen dem tatsächlich beim Landratsamt angefallenen Reinerlös von 8.050,35 Euro brutto und den gewünschten 29.106,00 Euro als entgangener Gewinn im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs von der Klägerin verlangt werden kann, war nicht zu prüfen, da ein solcher Anspruch vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen wäre. Aus diesem Grund sind auch die in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträge wegen mangelnder Entscheidungserheblichkeit abzulehnen. Eine teilweise Verweisung an das Landgericht Ansbach war hier nicht geboten, da die Klägerin trotz Hinweises des Gerichts auf diese Möglichkeit weder einen solchen Anspruch geltend gemacht noch die Verweisung beantragt hat.
1.2.2
Der Betrag von 8.050,35 Euro brutto ist in Höhe von 203,45 Euro (Kosten des Duldungsbescheids vom 14. Oktober 2011) durch die erklärte Aufrechnung erloschen. Soweit mit den Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 7.768,32 Euro aufgerechnet wurde, ist die Aufrechnung unwirksam.
Die Aufrechnung als Gestaltungsrecht des allgemeinen Schuldrechts kann grundsätzlich auch ein Hoheitsträger erklären (vgl. Palandt, BGB, § 395, Rn. 2 f.; BVerwG NJW 09, 1099). Sie hat in diesem Fall zur Folge, dass der gegen den Hoheitsträger gerichtete Anspruch in der Höhe erlischt, in welcher er mit der ihm zustehenden Gegenforderung aufrechnet, wenn sich beide Forderungen gegenüber stehen, fällig bzw. erfüllbar und gleichartig sind. Diese Voraussetzungen sind für den Anspruch der Klägerin und den Anspruch des Beklagten auf Zahlung der Bescheidskosten gegeben.
Die Aufrechnungserklärung unter Ziffer 1.2 des streitgegenständlichen Bescheids genügt den gesetzlichen Anforderungen. Zwar wird hier sprachlich nicht ganz eindeutig dargestellt, welche Forderungen gegen welche stehen, aus der Zusammenschau erschließt sich indes dem objektiven Empfänger, dass der Beklagte mit seinen Forderungen gegen die Klägerin (Kosten der Beseitigung von 7.768,32 Euro und Kosten des Duldungsbescheids vom 14. Oktober 2011 von 203,45 Euro) gegen deren Anspruch auf Herausgabe des Erlöses aufrechnen möchte.
Es handelt sich um gegenseitige Forderungen, erforderlich ist nämlich lediglich, dass der Aufrechnende (der Beklagte) Gläubiger der Gegenforderung (Kosten des Duldungsbescheids vom 14. Oktober 2011 in Höhe von 203,45 Euro) und gleichzeitig Schuldner der Hauptforderung (Herausgabe des Erlöses 8.050,35 Euro) ist. Beide Forderungen sind gleichartig, da sie auf die Zahlung eines Geldbetrages gerichtet sind. Die Kosten des Duldungsbescheids vom 14. Oktober 2011 waren wegen Art. 15 KG von Anfang an fällig. Die Auszahlung des Verkaufserlöses war dem Beklagten gemäß § 271 BGB sofort möglich. Unschädlich ist auch, dass der Beklagte von einem auszuzahlenden Verkaufserlös von 10.977,75 Euro ausging, da maßgebend jedenfalls ausschließlich der materielle Anspruch ist. Was die von dem Beklagten ebenfalls zur Aufrechnung gestellten Kosten der Ersatzvornahme von 7.768,32 Euro anbelangt, so war die Aufrechnung diesbezüglich unwirksam, weil dieser Anspruch dem Beklagten gegen die Klägerin nicht zusteht (siehe oben 1.1).
1.3 Im Ergebnis steht der Klägerin damit gegen den Beklagten ein Anspruch auf Festsetzung eines Überschussbetrags von 7.846,90 Euro zu. Soweit die Klägerin mit ihrer Klage die Verpflichtung zur Festsetzung eines darüber hinausgehenden Betrags begehrt, ist die Klage unbegründet.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei hat die Kammer die Kosten des Verfahrens den Beteiligten entsprechend dem jeweiligen Unterliegen verhältnismäßig auferlegt.


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