Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kein Schadensersatz mangels Verletzung vertraglicher Haupt- bzw. Nebenpflichten

Aktenzeichen  15 O 21673/16

Datum:
4.9.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 145449
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 157 § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, Abs. 2, § 286

 

Leitsatz

Ist in einem Grundstückskaufvertrag eine Beschaffenheitsvereinbarung enthalten, die vorsieht, dass die Gebäude nicht unter Denkmalschutz stehen und abgerissen sowie Bäume gefällt werden dürfen, kann im Wege der Vertragsauslegung (§ 157 BGB) nicht davon ausgegangen werden, dass es eine vertragliche Nebenpflicht des Verkäufers ist, eine Abbruchgenehmigung und eine Baumfällgenehmigung zu beschaffen. (Rn. 16 – 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 6.343,96 € festgesetzt.

Gründe

A) Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB zu.
Es fehlt insoweit an einer Hauptpflichtverletzung der Beklagten. Unabhängig von der Frage, ob die Beklagten überhaupt eine Pflicht zur Vorlage einer Baumfällgenehmigung sowie einer Abbruchgenehmigung traf, handelt es sich dabei jedenfalls um eine Nebenpflicht des Kaufvertrags. Eine solche ist nicht Gegenstand des § 286 BGB (BeckOK BGB/Lorenz BGB § 286 Rn. 4).
II. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zu.
Es fehlt insoweit an einer Pflichtverletzung der Beklagten.
1. Unter Ziff. 3.3 des Kaufvertrags wurde vereinbart, dass die zweite Kaufpreistranche in Höhe von 300.000 € innerhalb von 10 Tagen zu zahlen ist, nachdem „[…] (2) der Verkäufer die Baumfällgenehmigung der zuständigen Behörde im Original übergeben hat, wonach die im beigefügten Lageplan mit … gekennzeichnete … vollständig gefällt werden kann, und (3) der Verkäufer dem Käufer die Abbruchgenehmigung der zuständigen Behörde im Original übergeben hat, wonach sämtliche auf dem Vertragsobjekt befindlichen Gebäulichkeiten vollständig abgebrochen werden dürfen.“
Nach dem eindeutigen Wortlaut des Kaufvertrags handelt es sich bei dieser Ziff. 3.3 um eine Regelung zur Kaufpreisfälligkeit. Die Voraussetzungen hierfür herbeizuführen, oblag nach dieser Regelung den Verkäuferinnen. Aus dem Wortlaut ergibt sich jedoch nicht, dass die Verkäuferinnen auch eine entsprechende vertragliche Nebenpflicht traf.
Unabhängig von der Frage, ob bzw. inwieweit man bei Grundstückskaufverträgen im Falle der ergänzenden Vertragsauslegung eine entsprechende Andeutung im Vertragstext selbst verlangt, führt auch eine ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer Pflicht zur Vorlage der Genehmigungen. Nach § 157 BGB richtet sich die Auslegung insoweit nach Treu und Glauben sowie nach der Verkehrssitte. Zur Verkehrssitte ist von Seiten der Klagepartei nichts vorgetragen. Zur Interessenlage der Parteien ist von der Klageseite vorgetragen, dass ein Neubau auf dem gekauften Grundstück realisiert werden sollte. Zu einem Interesse der Klägerin, dass es ihr gerade darauf ankam, bereits vor Zahlung der zweiten Kaufpreistranche Rechtssicherheit in Form behördlicher Genehmigungen zu haben, ist nichts vorgetragen. Ein entsprechendes Interesse ist auch nicht ersichtlich. Unter Ziff. 5.2 des Kaufvertrags wurde als Beschaffenheit vereinbart, „dass die auf dem Vertragsobjekt befindlichen Gebäulichkeiten nicht unter Denkmalschutz stehen und abgerissen werden können und die in dem beigefügten Lageplan mit … gekennzeichnete … ebenfalls vollständig gefällt werden kann.“ Wirtschaftlich war die Klägerin somit bereits über die Beschaffenheitsvereinbarung entsprechend abgesichert, dass ein Abriss der Gebäude möglich war und die … gefällt werden konnte. Auf die Bonität bzw. Liquidität der Beklagten im Fall einer etwaigen Verletzung der Beschaffenheitsvereinbarung kam es der Klägerin offenbar ebenfalls nicht an, da 6/7 der Kaufpreissumme bereits vorab bezahlt waren.
Die Vertragsauslegung regt daher keine Pflicht der Beklagten zur Vorlage der geforderten Genehmigungen an die Klägerin.
2. Aber auch aus der Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB lässt sich keine Verpflichtung der Verkäuferinnen herleiten, die Genehmigungen der Klägerin vorzulegen. Eine entsprechende Pflicht wäre lediglich dann anzunehmen, wenn die Beklagten als Verkäuferinnen auf diese Weise die erfolgreiche Abwicklung des Kaufvertrags, insbesondere den Übergang von Nutzen und Lasten, hätten verhindern können. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Nach § 271 Abs. 2 BGB steht es dem Schuldner frei, bereits vor Fälligkeit zu zahlen. Die Regelung der Ziff. 3.3 des Kaufvertrags regelt mit der Fälligkeit lediglich, ab welchem Zeitpunkt die Beklagten von der Klägerin die Zahlung des Restkaufpreises verlangen konnten, nicht aber, ab welchem Zeitpunkt die Klägerin zur Leistung berechtigt war. Ungeachtet der nicht bestehenden Fälligkeit hätte die Klägerin daher den Restkaufpreis bezahlen können, um so die Besitzübergabe gemäß Ziff. 4.1 des Kaufvertrages herbeizuführen. Die Beklagten hatten somit keine Möglichkeit, durch die Nichtvorlage der Genehmigungen die Vertragsabwicklung zu blockieren.
II. Mangels Hauptanspruchs scheidet auch ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen aus.
B) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
C) Die Streitwertfestsetzung beruht auf der Höhe des Leistungsantrags. Eine Änderung des Streitwertes durch den Übergang vom Mahnverfahren zum Hauptverfahren gab es nicht. Die Hauptforderung ist gleich geblieben. Die als Nebenforderung geltend gemachte Anwaltsvergütung für vorgerichtliche Tätigkeit ist nicht streitwerterhöhend. Der Auffassung der Beklagtenpartei, dass die im Mahnverfahren als solche bezeichnete Nebenforderung streitwerterhöhend wirke, weil die vorgerichtlichen Anwaltskosten als Verzugschaden geltend gemacht würden, kann nicht gefolgt werden. Denn die Hauptforderung selbst berechnet sich bereits unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Anwaltskosten. Nach der Anspruchsbegründung sollen diese aber nicht doppelt geltend gemacht werden.


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