Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Klagabweisungsantrag nach wirksamem Anerkenntnis im schriftlichen Vorverfahren

Aktenzeichen  433 C 777/18

Datum:
25.4.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16105
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 307

 

Leitsatz

1. Ein Widerruf eines Anerkenntnisses kann nur erfolgen, wenn es durch ein Verhalten veranlasst worden ist, das einen Restitutionsgrund abgäbe, wenn ein Abänderungsgrund iSv § 323 ZPO vorläge oder wenn der Gegner mit dem Widerruf einverstanden ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Partei ist an ein wirksam erklärtes Anerkenntnis gebunden und das in einem früheren Verfahrensabschnitt erklärte Anerkenntnis bleibt auch dann im späteren Verfahrensabschnitt wirksam, wenn in der mündlichen Verhandlung Klagabweisung beantragt wird. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die von ihnen innegehaltene Wohnung Nr. … im … OG, … nebst Kellerraum Nr. … im Untergeschoss des gleichen Anwesens zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
2. Den Beklagten wird keine Räumungsfrist gewährt.
3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.820,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beklagten sind aufgrund ihres wirksamen Anerkenntnisses antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung zu verurteilen gem. § 307 ZPO.
Das Anerkenntnis ist nach Rechtshängigkeit abgegeben worden, denn die Klage wurde dem Beklagten zu 1) am 15.02.2018 durch Aushändigung auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts zugestellt gem. § 173 ZPO. Die Aushändigung der Klageschrift (samt Verfügung vom 16.01.2018) wurde in der Akte schriftlich vermerkt.
Im übrigen ist der Aktenvermerk nicht notwendiger Bestandteil der Zustellung und für die Wirksamkeit der Zustellung nicht wesentlich; auch eine fehlende oder unrichtige Vermerk der Zustellung auf dem ausgehändigten Schriftstück, führt nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung (vgl. Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 173 Rn. 5).
Der Beklagten zu 2) wurde die Klage am 06.03.2018 gem. § 177, 178 I Nr. 1 ZPO zugestellt durch Übergabe unter der Zustellanschrift an den Ehemann der Beklagten zu 2).
Die Erklärung des Anerkenntnisses des Klageanspruchs durch die Beklagten erfolgte zunächst durch einen nicht unterzeichneten Schriftsatz, wobei der inhaltsgleiche Schriftsatz in von beiden Beklagten unterzeichneter Form bei Gericht am 08.03.2018 einging mit der Folge, dass ein nach Rechtshängigkeit zugegangenes und erklärtes Anerkenntnis vorliegt.
Die Beklagten haben das Anerkenntnis nicht wirksam widerrufen und waren auch nach dem schriftlichen Vorverfahren an ihr Anerkenntnis gebunden.
Ein Widerruf eines Anerkenntnisses kann nur erfolgen, wenn es durch ein Verhalten veranlasst worden ist, das einen Restitutionsgrund abgäbe oder wenn ein Abänderungsgrund i.S.v. § 323 ZPO vorläge oder wenn der Gegner einverstanden ist mit dem Widerruf (vgl. Zöller, ZPO, a.a.O., vor § 306 Rn. 6).
Der Widerruf des Anerkenntnisses erfolgte ohne Angabe eines Grundes mit der Folge, dass nicht von einem Vorliegen eines Restitutionsgrundes oder Abänderungsgrundes auszugehen ist. Ein Einverständnis der Klagepartei mit dem Widerruf liegt ebenfalls nicht vor.
Unerheblich ist aufgrund des wirksam erklärten Anerkenntnisses, dass die Beklagten in der mündlichen Verhandlung Klageabweisung beantragt haben, denn es gilt, dass die Partei an ein wirksames Anerkenntnis gebunden ist und das in einem früheren Verfahrensabschnitt erklärte Anerkenntnis auch im späteren Verfahrensabschnitt wirksam bleibt (vgl. Zöller, a.a.O., § 307 Rn. 3 a).
II.
Eine Räumungsfrist gem. § 721 ZPO war den Beklagten nicht zu gewähren.
Die von den Beklagten beantragte Frist bis zum 31.03.2018 ist aufgrund Zeitablaufs sowieso hinfällig.
Unabhängig davon scheitert jedoch die Gewährung einer Räumungsfrist per se, denn das Interesse der Klägerin am Erlangen ihrer Wohnung überwiegt das Interesse der Beklagten am Erhalt der Räumlichkeiten aus Sicht des Gerichts ganz erheblich.
Das Erlangungsinteresse der Klägerin an ihrer 26,33 qm großen 1-Zimmer Wohnung, die nachgewiesen durch den Grundbuchauszug des Grundbuchs von Bogenhausen, Band 161 Blatt 4736, in ihrem Eigentum steht, ist außerordentlich hoch: Die Klägerin hat keinen Mietvertrag mit den Beklagten geschlossen und hat ein erhebliches Interesse daran, die mit 2 Erwachsenen und 2 Kindern wohl als überbelegt oder jedenfalls stärker belegt als für eine Wohnung solcher Größe üblich zu bezeichnende Wohnung zurückzuerhalten.
Weiterhin verursachen die Beklagten nächtlichen Lärm und haben einen Wasserschaden verursacht, was ebenfalls gegen die Gewährung einer Räumungsfrist spricht.
Desweiteren wurde von den Beklagten nicht dargelegt, aus welchen Gründen es nicht möglich war, kurzfristig, bereits im Dezember 2017, geeigneten Ersatzwohnraum zu finden, zumal die Beklagten mit ihren 2 Kindern auch derzeit sehr beengt in einer 1-Zimmer-Wohnung leben und nicht nachvollziehbar ist, dass etwas Vergleichbares – ggfs. auch im Rahmen einer Notunterkunft, wie von den Beklagten selbst genannt – nicht sehr zeitnah zu erlangen war.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Anwendung von § 93 b III ZPO scheitert an der Bewilligung einer Räumungsfrist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 1 ZPO.
Der Streitwert wurde entsprechend. § 41 I, II GKG auf 5.820,00 Euro festgesetzt.


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