Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kündigung eines schuldrechtlichen Wohnrechts

Aktenzeichen  11 O 230/13

Datum:
26.7.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 128862
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Schweinfurt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 605

 

Leitsatz

Auf ein schuldrechtlich eingeräumtes Wohnrecht an einer Wohnung ist das Recht der Leihe anzuwenden, der Eigentümer hat die Kündigungsmöglichkeit nach § 605 BGB. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung im Erdgeschoss im Objekt H… Straße 27, in …, bestehend aus 4 Zimmern mit Küche, Bad und WC und Keller zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, als Nebenkosten außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 603,93 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2013 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 1/3 zu tragen, der Beklagte hat 2/3 zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.500,00 €. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwendet, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die Klage ist teilweise zulässig, soweit sie zulässig ist, ist sie auch begründet.
A.
Die Feststellungsklage ist unzulässig.
1.) Die Feststellungsklage ist unzulässig, soweit sie damit begründet wurde, dass die Mutter des Klägers ein schuldrechtliches Wohnrecht zugunsten des Erblassers eine streitgegenständliche Wohnung nicht bestellt habe.
Dass dieses schuldrechtliche Wohnrecht durch die Mutter des Klägers zugunsten des Beklagten bestellt wurde, steht rechtskräftig fest aufgrund des Teilurteils des Landgerichts Schweinfurt vom 02.01.2007 (Az.: 22 O 266/05) in Verbindung mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 16.07.2008 (Az.: 7 U 1/07). Der Streitgegenstand des Vorprozesses ergibt sich aus dem Antrag und aus dem von den Parteien vorgetragenen Lebenssachverhalt. Zum Lebenssachverhalt gehören alle Tatsachen, die bei natürlicher Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachen komplex gehören (Vgl. Zöller, ZPO, 31. Auflage, Einleitung Randnummer 83). Der Gegenstand des Vorprozesses war ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB. Der Tatsachen komplex war Folgender: Das Eigentum des Klägers an der streitgegenständlichen Wohnung war unstreitig. Der Kläger hat im Vorprozess behauptet, dass dem Beklagten kein Wohnrecht bestellt worden sei. Der Beklagte hat behauptet, ihm sei ein Wohnrecht bestellt worden.
Streitgegenstand war somit die Frage, ob dem Beklagten ein schuldrechtliches Wohnrecht zusteht oder ob der Kläger gegen den Beklagten mangels schuldrechtlichem Wohnrecht des Beklagten ein Räumungsanspruch zusteht. Diese Frage wurde im Vorprozess in der 1. und in der 2. Instanz dahingehend entschieden, dass sich der Beklagte um die Erblasserin schon vor dem Jahr 2004 darüber geeinigt hätten, dass sie dem Beklagten ein lebenslanges Wohnrecht an der von ihm in Lebensgemeinschaft mit der Erblasserin genutzten Wohnung einräumt.
Der Streitgegenstand des Vorprozesses ist identisch mit dem Streitprozess im nunmehrigen Verfahren, soweit der Kläger im nunmehrigen Verfahren seinen Anspruch damit begründet, dass ein schuldrechtliches Wohnrecht überhaupt nicht entstanden sei.
Da der Streitgegenstand im Vorprozess und im nunmehrigen Verfahren identisch ist und da im Vorprozess rechtskräftig über diesen Streitgegenstand entschieden worden ist, ist die Feststellungsklage unzulässig, soweit darauf gestützt wird, dass die Erblasserin ein Wohnrecht zugunsten des Beklagten nicht begründet habe (Vgl. Zöller, a.a.O., vor § 322, Randnummer 19, 21).
2.) Die Feststellungsklage ist jedoch auch unzulässig, soweit der Kläger die Feststellungsklage damit begründet, dass ein Wohnrecht des Beklagten durch die Kündigung des Klägers vom 28.01.2013 beendet worden sei. Für eine derartige Feststellungsklage fehlt ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO. Das Feststellungsinteresse fehlt deshalb, weil die Frage, ob das Wohnrecht durch die Kündigung vom 28.01.2013 erloschen ist eine Vorfrage des geltend gemachten Räumungsanspruchs ist, über die im Rahmen der Entscheidung über den Räumungsanspruch zwingend zu befinden ist und auch befunden wird. (Vgl. Zöller, a.a.O., § 256 Randnummer 7 a; BGH NJW 1998, 1633).
II.
Die Räumungsklage ist unzulässig, soweit sie damit begründet wird, dass die Mutter des Klägers dem Beklagten kein schuldrechtliches Wohnrecht bezüglich der streitgegenständlichen Wohnung eingeräumt habe. Zur Begründung wird Bezug genommen auf die obigen Ausführungen unter A1.1.), die insoweit auch entsprechend für die Räumungsklage gelten.
B.
I.
Die Klage ist zulässig, soweit der Kläger den Räumungsanspruch damit begründet, dass ein schuldrechtliches Wohnrecht jedenfalls aufgrund der Kündigung vom 28.01.2013 beendet worden sei. Die Geltendmachung der Kündigung vom 28.01.2013 stellt einen neuen Sachverhalt da, der erst nach dem Eintritt der Rechtskraft des Vorprozesses 22 O 266/05 Landgericht Schweinfurt und 7 U 1/07 Oberlandesgericht Bamberg entstanden ist. Da der Kläger insoweit seinen Räumungsanspruch auf eine neue Tatsache stützt, steht die Rechtskraft des genannten Vorprozesses der Zulässigkeit des Räumungsanspruchs insoweit nicht entgegen.
II.
Der mit der Kündigung vom 28.01.2013 begründete Räumungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten ist auch begründet.
1.) Aufgrund der oben genannten Urteile des Landgerichts Schweinfurt vom 02.01.2007 und des Oberlandesgerichts Bamberg vom 16.07.2008 steht rechtskräftig fest, dass zwischen der Mutter des Klägers und dem Beklagten schon vor 2004 die Einräumung eines schuldrechtlichen Wohnrechts an der streitgegenständlichen Wohnung zugunsten des Beklagten vereinbart worden ist. Auf dieses schuldrechtliche Wohnrecht ist das Recht der Leihe anzuwenden, der Eigentümer hat die Kündigungsmöglichkeit nach § 605 BGB (Vgl. Staudinger, BGB, § 1093 Randnummer 7, Stemel, Mietrecht aktuell, 4. Auflage 2009, Randnummer 19, BGB NJW 1982, 820; OLG Köln, NJW-RR2000, 111).
Die Kündigung vom 28.01.2013 greift gem. § 605 Nr. 2 BGB durch. Gemäß § 205 Nr. 2 2. Absatz BGB hatte der Beklagte die Pflicht, die streitgegenständliche Wohnung im Rahmen des zumutbaren vor Schäden zu schützen (Vgl. Münchner Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 601 Randnummer 1). Diese Pflicht hat der Beklagte verletzt.
a.) Aufgrund des im Verfahren H 2/10 Amtsgericht Bad Kissingen eingeholten Sachverständigengutachtens steht fest, dass im Jahr 2010 in der streitgegenständlichen Wohnung ein Schaden vorlag in Form von Schimmelbildung. Ursache für diesen Schaden war eine Feuchtigkeitseinwohnung in flüssiger Form, die über die Deckensicht zum Dachgeschoss stattgefunden hat. Dabei handelt es sich nach der mündlich Erläuterung des Sachverständigen um einen Wasserschaden durch von oben kommendes Wasser. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen lag die Ursache für den Schaden oberhalb der Erdgeschosswohnung, sodass der Beklagte für die Entstehung dieses Schadens nicht verantwortlich ist und ihm somit insoweit keine Pflichtverletzung trifft.
b.) Der Beklagte hat jedoch die ihm obliegende Schutzpflicht dadurch verletzt, indem er die Renovierung und die Beseitigung des genannten Schadens dadurch verzögert hat, dass er dem Kläger nicht gestattet hat, Schadensbesetigungsmaßnahmen durchzuführen. Es ergibt sich aus dem Verfahren 21 C 694/11 des Amtsgerichts Bad Kissingen, dass der Beklagte die Durchführung der Arbeiten verweigert hat. Der Kläger musste die Duldung im Klageverfahren erzwingen. Im Verfahren vor dem Amtsgericht Bad Kissingen hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die erforderlichen Maßnahmen zur Sanierung der Feuchtigkeits- und Schimmelschäden zu dulden sowie dem Beklagten und den von ihm beauftragen Handwerkern Zugang zur streitgegenständlichen Wohnung zu gewähren. Der Beklagte hat die Abweisung dieses Antrags verweigert und hat dadurch auch die Duldung der erforderlichen Sanierungs- und Schadensbeseitigungsmaßnahmen verweigert und den mit den Sanierungsarbeiten beauftragten Handwerkern den Zugang zur Wohnung verweigert.
Der Beklagte kann sich dabei nicht darauf berufen, dass er selbst habe renovieren wollen. Die Beseitigung der Schäden, die als Folge eines Wassereintritts entstanden sind, gehört nicht zur gewöhnlichen Erhaltung der Sache, für die der Beklagte nach § 601 BGB zuständig ist (Vgl. Münchner Kommentar zum BGB, a.a.O., § 601 Randnummer 3). Der Kläger war vielmehr gem. § 903 BGB berechtigt und aus dem schuldrechtlichen Wohnrecht gegenüber dem Beklagten auch verpflichtet, die Schäden zu beseitigen.
c.) Durch seine Weigerung, die erst durch die Entscheidung im Verfahren 21 C 694/11 des Amtsgerichts Bad Kissingen überwunden werden konnte, hat der Beklagte die streitgegenständliche Wohnung erheblich gefährdet. Der Beklagte hat die Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden unklarer Ursache um mehrere Monate (Eingang der Klage: 10.10.2011; Entscheidung der 2. Instanz: 29.08.2012) verzögert. Dies führt zu einer erheblichen Gefährdung der Wohnung, weil Schimmelbefall grundsätzlich die Neigung hat, sich zu verbreiten. Diese bestand auch noch zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung; zu diesem Zeitpunkt waren die Sanierungsarbeiten noch nicht abgeschlossen.
III.
Der Anspruch des Klägers auf vorgerichtliche Kosten ist begründet gem. den §§ 280, 249, 291 BGB. Die vorgerichtlichen Kosten sind ein Schaden des Klägers, der durch die Pflichtverletzung des Beklagten entstanden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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