Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kündigung eines Wohnrechts

Aktenzeichen  4 U 149/16

Datum:
24.4.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 118344
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 313 Abs. 3, § 314 Abs. 2, § 601, § 605 Nr. 2, §§ 598 ff.
ZPO § 708 Nr. 10, § 711

 

Leitsatz

1 Auf das nur schuldrechtliche Wohnrecht, das nicht im Grundbuch eingetragen wird und nur einen obligatorischen Nutzungsanspruch gibt, ist das Recht der Leihe (§§ 598 ff. BGB) anwendbar. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das nur schuldrechtliche Wohnrecht beschränkt keine Eigentümerrechte. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 O 230/13 2016-07-26 Endurteil LGSCHWEINFURT LG Schweinfurt

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 26.07.2016, Az. 11 O 230/13, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Schweinfurt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 6.600,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Räumung einer Wohnung in B. und will festgestellt haben, dass dem Beklagten kein Wohnrecht zusteht.
Der Kläger hat das Anwesen im Jahre 2004 von seiner Mutter geerbt. Der Beklagte war deren (langjähriger) Lebensgefährte; er beruft sich auf ein schuldrechtliches, von der Mutter des Klägers eingeräumtes Wohnrecht.
1. Im Rechtstreit 22 O 266/05 LG Schweinfurt (7 U 1/07 OLG Bamberg – Urteil vom 16.07.2008) hat der Kläger den Beklagten erfolglos auf Räumung verklagt. Dort hat das Landgericht ein lebenslanges schuldrechtliches Wohnrecht des Beklagten festgestellt.
Nach Schimmelbefall der Wohnung im Jahr 2010 wurde im Beweisverfahren H 2/10 AG Bad Kissingen ein Feuchtigkeitsschaden festgestellt (Gutachten 19.01.2011 / Anhörung des Sachverständigen am 07.06.2011).
Der Kläger wollte das Anwesen sanieren und erstritt insoweit gegen den Beklagten die Duldung und den Zugang zur Wohnung (21 C 694/11 AG Bad Kissingen, Urteil vom 29.03.2012 / erfolglose Berufung des Beklagten). Er ließ bis zum Frühjahr 2013 Sanierungsarbeiten durchführen.
Der Kläger kündigte das schuldrechtliche Wohnrecht am 28.01.2013 nach § 605 Nr. 2 BGB, hilfsweise nach § 314 Abs. 1 BGB, und forderte Räumung bis 15.02.2013 (Anwaltsschreiben Anlage K 2).
Er beruft sich mit detailliertem Vortrag auf eine Verwahrlosung der Wohnung (Urteil S. 4/5). Auch zahle der Beklagte keine Betriebskosten und verschwende Heizenergie.
2. Das Landgericht hat der Klage (Anträge S. 5 des Urteils) bis auf den Feststellungsantrag nach Vernehmung von 2 Zeugen im Termin vom 28.06.2016 und Beiziehung der oben genannten Zivilakten und Verwertung des Gutachtens (H 2/10 AG Bad Kissingen) stattgegeben. Die Kündigung des Wohnrechts nach § 605 Nr. 2 Alternative 3 BGB sei begründet, weil der Beklagte seine Schutzpflicht verletzt und dadurch die Wohnung erheblich gefährdet habe.
Der Beklagte habe die Schadensbeseitigung nicht gestattet (Urteil S. 9 unten). Er habe die Durchführung der Arbeiten verweigert. Der Kläger habe klagen müssen (21 C 694/11 AG Bad Kissingen). Der Beklagte habe Handwerkern den Zugang verweigert (Urteil S. 10 oben). Der Kläger sei zur Renovierung berechtigt gewesen (§ 601 BGB, Urteil S. 10 oben). Wegen der Weigerung habe der Beklagte die Wohnung erheblich gefährdet (Urteil S. 10). Er habe die Schadensbeseitigung um mehrere Monate (Klageeingang 10.10.2011, Entscheidung in zweiter Instanz 29.08.2012) verzögert. Weil Schimmel sich verbreite, habe dies zu einer erheblichen Gefährdung geführt. Bei Kündigung (28.01.2013) sei die Sanierung noch nicht abgeschlossen gewesen.
3. Ziel der Berufung des Beklagten ist die vollständige Abweisung der Klage. Er begründet dies umfangreich und regt die Beiziehung von Unterlagen über den Wasserschaden an. Er habe schon im September 2009 die Beseitigung eines Wasserschadens (mit Fristsetzung) verlangt und eigene Maßnahmen (Renovierungsauftrag) ergriffen (Anlagen B 1 bis B 4). Er habe den Vortritt, zumindest ein Mitspracherecht bei der Schadensbeseitigung gehabt und diese vorrangig betreiben dürfen. Das Landgericht habe § 903 BGB falsch angewandt. Zu den Handwerkern des Klägers habe er kein Vertrauen gehabt. Zwischen Dezember 2012 und März 2013 habe er die Sanierung des Klägers voll unterstützt. Der Kläger habe nach der Chronologie (Urteil S. 9/10) selbst die Schadensbeseitigung 3 14 Jahre verzögert. Es habe einer Abmahnung bedurft (§ 314 Abs. 2 BGB). Der Kläger habe nicht innerhalb angemessener Frist gekündigt (§ 314 Abs. 3 BGB).
4. Der Kläger erwidert: Der Beklagte habe durch die Zugangsverweigerung (AG Bad Kissingen) die Wohnung erheblich gefährdet. Der Beklagte habe kein Recht zur Sanierung. Zu Recht habe das Landgericht § 605 Nr. 2 Alternative 3 BGB angewandt. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft. Der Beklagte habe das Wohnrecht auch gar nicht mehr ausgeübt.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Zu Recht hat das Landgericht aufgrund des Verhaltens des Beklagten eine wirksame Kündigung des Wohnrechts angenommen (§ 605 Nr. 2 Alternative 3 BGB).
Auf das nur schuldrechtliche Wohnrecht, das nicht im Grundbuch eingetragen wird und nur einen obligatorischen Nutzungsanspruch gegen den anderen Vertragspartner gibt, wendet die Rechtsprechung das Recht der Leihe an (§§ 598 ff. BGB; vgl. Staudinger / Reymann, BGB, 2017, § 1093, RN 7 mit weiteren Nachweisen). Somit gelten die dem Berechtigten günstigen §§ 566 ff. BGB nicht, sondern vielmehr die weitreichenden Kündigungsmöglichkeiten des Eigentümers nach § 605 BGB (a.a.O.).
Der Senat folgt der Begründung des Landgerichts (siehe die Kurzdarstellung oben unter I /2). Zur Argumentation des Beklagten in der Berufungsbegründung wird nur ergänzend ausgeführt:
1. Dass der Beklagte im September 2009 die Beseitigung eines Wasserschadens (mit Fristsetzung) verlangt und eigene Maßnahmen (Renovierungsauftrag) ergriffen hat (Anlagen B 1 bis B 4), berechtigte ihn nicht dazu, Maßnahmen des Klägers als Eigentümer im Rahmen der Erhaltung der Wohnung zu unterbinden oder zu verzögern. Die Erhaltung der Wohnung ist Sache des Eigentümers (§ 903 BGB; vgl. auch MüKo / Häublein, BGB, 7. Auflage 2016, § 601, RN 1-3).
2. Ein Mitspracherecht bei der Schadensbeseitigung und die Berechtigung, diese vorrangig zu betreiben, standen dem Beklagten nicht zu (MüKo / Häublein, a.a.O.). Das nur schuldrechtliche Wohnrecht des Beklagten beschränkte die Eigentümerrechte des Klägers nicht (vgl. Palandt / Herrler, BGB, 76. Auflage, § 903, RN 27).
3. In diesem Zusammenhang ist es nicht von rechtlicher Bedeutung, dass der Beklagte nach seinem Vortrag zu den Handwerkern des Klägers kein Vertrauen gehabt habe.
4. Die vom Beklagten behauptete Unterstützung der Sanierung des Klägers zwischen Dezember 2012 und März 2013 erfolgte zu spät, weil die Verzögerung der Schadensbeseitigung schon eingetreten war. Im Übrigen wird auf den unter Ziffer 7 (unten) dargestellten (dagegen sprechenden) Verfahrensablauf Bezug genommen.
5. Eine vom Kläger selbst verursachte Verzögerung der Schadensbeseitigung berechtigte den Beklagten nicht dazu, seinerseits die (spätere) Schadensbeseitigung zu verzögern oder zu verhindern.
6. Einer Abmahnung (§ 314 Abs. 2 BGB) bedurfte es nicht (MüKo / Häublein, a.a.O., § 605, RN 7).
7. Der Kläger hat innerhalb angemessener Frist gekündigt. Selbst wenn man die Vorschrift des § 313 Abs. 3 BGB entsprechend anwenden wollte (dies kann dahinstehen), ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte sich mit der Entscheidung im Rechtsstreit 21 C 694/11 AG Bad Kissingen (41 T 61/13 LG Schweinfurt) nicht abgefunden, sondern im Vollstreckungsverfahren den Fortgang weiter objektiv verzögert hat: Das Amtsgerichts Bad Kissingen hat am 29.03.2012 zu Gunsten des Klägers entschieden (Bl. 51 ff. der Beiakte). Das Landgericht Schweinfurt hat die Berufung des Beklagten am 29.08.2012 zurückgewiesen (Bl. 83 ff. der Beiakte). Der Kläger hat am 12.12.2012 einen Duldungsantrag nach § 890 ZPO stellen müssen (Bl. 95 ff. der Beiakte) und erst am 08.02.2013 eine Erledigungserklärung abgeben können (Bl. 103 der Beiakte). Bei dieser Sachlage war die Kündigung vom 28.01.2013 nicht verspätet.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1 (Kosten) und §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit) sowie § 543 Abs. 2 ZPO (Nichtzulassung der Revision).


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