Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Mieterhöhungsverlangen auf Grundlage des Mietspiegels einer vergleichbaren Gemeinde

Aktenzeichen  7 S 2965/17

Datum:
3.7.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 47744
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 558a Abs. 4

 

Leitsatz

Ein Mieterhöhungsverlangen für eine in der Gemeinde Stein gelegene Wohnung kann nicht auf den Mietpriesspiegel der Gemeinde Fürth gestützt werdden, da eine Vergleichbarkeit der Gemeinden wegen der unterschiedlichen wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Infrastrukturen und Einwohnerzahl offensichtlich nicht gegeben ist.  (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

340 C 357/14 2017-03-27 AGFUERTH AG Fürth

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Fürth vom 27.03.2017, Az. 340 C 357/14, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Hinsichtlich des in Ziffer 1. genannten Urteils des Amtsgerichts Fürth verbleibt es bei dem Vollstreckbarkeitsausspruch des Erstgerichts.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.400,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Mit Urteil vom 27.03.2017, Az.: 340 C 357/17, hat das Amtsgericht Fürth die Klage der Klägerin abgewiesen. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Fürth vom 27.03.2017 (Bl. 243 ff. d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin, die ihr ursprüngliches Ziel – Verurteilung der Beklagten zur Zustimmung zur Mieterhöhung – auch in der Berufungsinstanz weiterverfolgt.
Die Klägerin beantragt:
1. Das Endurteil des Amtsgerichts Fürth, Az.: 350 C 357/14, vom 27.03.2017 wird abgeändert.
2. Auf die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin wird die Beklagte verurteilt, der Erhöhung der Nettomiete für das Anwesen … von bisher monatlich 3.000,00 € zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung wie bisher auf nunmehr monatlich 3.450,00 € netto zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung wie bisher mit Wirkung ab 01.01.2014 zuzustimmen.
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kammer hat keinen Beweis erhoben. Auf den Hinweisbeschluss vom 15.01.2018 (Bl. 283 f. d.A.), die gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.06.2018 wird ergänzend Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung ist unbegründet, da die Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung mangels formell ordnungsgemäßen Mieterhöhungsverlangens unzulässig ist, § 558b II 1 BGB.
Wie bereits im Hinweisbeschluss der Kammer vom 15.01.2018 (Bl. 283 f. d.A.) angeführt, ist eine Vergleichbarkeit der Gemeinden Stein und Fürth offensichtlich nicht gegeben, weshalb auch das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin nicht formell ordnungsgemäß war, § 558a II, IV BGB (Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, MietR, 13. Aufl. 2017, § 558a, Rn. 45; BGH NJW 2014, 1173 (1173)). Ein Ablauf der zweimonatigen Überlegungsfrist des Mieters, beziehungsweise ein Anlauf der daran anschließenden dreimonatigen Klageerhebungsfrist des Vermieters gem. § 558b II 1, 2 BGB, welche besondere Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung ist, erfolgte daher vorliegend nicht.
Die Beurteilung, ob eine Vergleichbarkeit zweier Gemeinden gegeben ist oder nicht, hat aufgrund einer Zusammenschau aller relevanten Kriterien des jeweiligen Einzelfalls und einer sich daran anschließenden Abwägung zu erfolgen. Im Rahmen der Abwägung sind die gerichtsbekannten und insoweit offenkundigen Kriterien gem. § 291 ZPO der ortskundigen Berufungskammer zu berücksichtigen.
Bei der Stadt Fürth handelt es sich um eine Großstadt, die im Vergleich zur Stadt Stein eine deutlich besser ausgebaute wirtschaftliche, kulturelle und soziale Infrastruktur aufweist. Dabei bestehen auch erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Erschließung und der Anbindung an Versorgungszentren. Die Städte Stein und Fürth gehören zwar beide zum Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN), allerdings befindet sich im Stadtgebiet Stein im Gegensatz zu Fürth weder eine U-Bahn- noch eine S-Bahn-Haltestelle. Hinsichtlich des kulturellen Angebots ist anzuführen, dass die Stadt Stein zwar auch, wie die Stadt Fürth, ein Erlebnisbad hat, demgegenüber gibt es in Stein aber, anders als in Fürth kein Kino und kein Theater, nur ein Museum. Des Weiteren verfügt Stein auch nicht über ein Krankenhaus, während die Stadt Fürth ein Klinikum mit aktuell ca. 771 stationären Planbetten vorhält. Die in diesem Zusammenhang seitens der Klagepartei angeführte „Sana-Klinik“ liegt bereits innerhalb der Stadtgrenze von Nürnberg. Bei der Stadt Fürth handelt es sich um ein sog. „Oberzentrum“ (sogar um Teil einer Metropolregion mit den Nachbarstädten Nürnberg, Erlangen und Schwabach) im Sinne des Bayerischen Landesentwicklungsprogramms, in dem – im Gegensatz zu einem Mittel- oder Grundzentrum, die ebenfalls ein umfassendes Angebot an zentralörtlichen Einrichtungen der Grundversorgung für die Einwohner ihres Nahbereichs vorhalten sollen, – solche Einrichtungen des spezialisierten höheren Bedarfs vorgehalten werden müssen. Die Stadt Stein ist hingegen kein zentraler Ort in diesem Sinne und nimmt – anders als ein solcher – auch keine örtliche Versorgungsfunktionen für mindestens eine andere Gemeinde wahr.
Die beiden Städte haben zudem eine unterschiedliche Einwohnerzahl. So leben in der Stadt Fürth ca. 125.000 Einwohner, in Stein hingegen lediglich ca. 15.000. Dieses Kriterium spricht entscheidend gegen eine Vergleichbarkeit i.S.d. § 558a IV BGB (vgl. BGH NJW 2014, 1173 (1173)). Hinzu kommt die unterschiedliche Bevölkerungsdichte der beiden Städte. Stein hat eine Bevölkerungsdichte von 768 Personen pro km2, Fürth hingegen eine um das 2,5-fache höhere, nämlich 1.960 Personen pro km2. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Bevölkerungszahl und -dichte nicht als alleinige Merkmale für die Beurteilung der Vergleichbarkeit herangezogen werden können. Aber im Rahmen der Gesamtschau mit den oben genannten weiteren Merkmalen kommt auch diesen beiden Kriterien, bei denen gravierende Unterschiede zwischen beiden Städten gegeben sind, eine erhebliche Bedeutung zu, so dass es insgesamt an einer Vergleichbarkeit offensichtlich fehlt.
Im Übrigen ergibt sich auch unter Berücksichtigung der weiteren Argumente der Klagepartei kein anderes Ergebnis. Soweit insbesondere angeführt wird, dass eine Vergleichbarkeit bereits deshalb gegeben sei, weil die beiden Gemeinden Fürth und Stein an der Stadtgrenze zu Nürnberg lägen und Nürnberg von beiden Städten gleich gut zu erreichen sei, ändert dies in der Sache nichts. Zwar ist auch die örtliche Nähe zur Großstadt Nürnberg ein Merkmal, das im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen ist. Allerdings gibt dieses Kriterium letztlich nicht den Ausschlag dafür, die Vergleichbarkeit zu bejahen. Insbesondere kann nicht bereits deshalb davon ausgegangen werden, dass die oben angeführten wirtschaftlichen, kulturellen und infrastrukturellen Unterschiede durch eine Inanspruchnahme von Angeboten der Stadt Nürnberg aufgewogen sind.
C.
Die Kostentragung resultiert aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.


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