Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Nutzungsuntersagung wegen Zweckentfremdung von Wohnraum

Aktenzeichen  M 9 S 17.1340

Datum:
24.4.2017
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
ZwEWG Art. 2, Art. 5

 

Leitsatz

1 Der Begriff des Handlungsstörers iSd Art. 9 Abs. 1 S. 1 LStVG ist durch eine rechtlich wertende Betrachtung zu bestimmen, bei der auf ein unmittelbar Gefahr begründendes Verhalten und die Nähe zum späteren Schadenseintritt abzustellen ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Untersagungsverfügungen können neben einem Handlungsstörer ggf. auch an weitere Handlungsstörer adressiert werden. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 21.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine aufgrund des Wohnraumzweckentfremdungsrechts ergangene Anordnung vom 21. Februar 2017, die Nutzung einer Wohnung als Ferienwohnung unverzüglich zu beenden und diese im Anschluss daran wieder Wohnzwecken zuzuführen.
Der Antragsteller ist Eigentümer der hier verfahrensgegenständlichen Wohnung Nr. …, …straße 14, Obergeschoss rechts. Die Vier-Zimmerwohnung ist ausweislich der Baugenehmigung von 1981 zu Wohnzwecken genehmigt worden. Mit Schreiben vom 15. April 2016 wurde der Antragsteller gebeten, sich wegen des Verdachts der gewerblichen Nutzung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung mit der Antragsgegnerin in Verbindung zu setzen und einen Besichtigungstermin zu vereinbaren (Bl. 23 der Behördenakte). Trotz mehrerer Erinnerungsschreiben äußerte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers zunächst nicht.
Bei einer Ortsbesichtigung am 29. Juli 2016 teilte der Bewohner mit, dass sich fünf Personen und ein Kind in der Wohnung seit dem 26. Juli 2016 aufhielten. Je nach Fortschritt der medizinischen Behandlung betrage die voraussichtliche Aufenthaltsdauer ca. drei Monate. Der Mietzins betrage 380,00 Euro pro Tag, die Zahlung erfolge wöchentlich und bar in einem Büro (Bl. 45 der Behördenakte).
Bei einer weiteren Ortsbesichtigung am 25. Oktober 2016 gab der Mieter an, dass er sich wegen einer medizinischen Behandlung mit insgesamt drei Erwachsenen seit dem 15. Oktober 2016 bis zum 25. Oktober 2016 in der Wohnung aufhalte, der Vermieter heiße Mohammed R. (Bl. 51 der Behördenakte).
Mit Schreiben vom 4. November 2016 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers einen Mietvertrag zwischen dem Antragsteller und Herrn R. vor, der ausweichlich der Unterschriften am 28. März 2016 abgeschlossen wurde. Als Mietbeginn ist der 1. April 2016 festgesetzt. Die monatliche Miete beträgt 3.500,00 Euro. Der Vertrag enthält unter § 17 den Zusatz, dass der Vermieter dem Mieter die Nutzung zu anderen als Wohnzwecken oder die Zweckentfremdung der Wohnung untersage und sich vorbehalte, bei einem bestandskräftigen Verstoß des Mieters gegen das Zweckentfremdungsverbot das Mietverhältnis fristlos zu kündigen; die Erlaubnis nach § 540 Abs. 1 Satz 1 BGB werde dem Mieter erteilt (Bl. 61 der Behördenakte).
Mit Schreiben vom 14. November 2016 wurde daraufhin auch Herr R. zur gewerblichen Nutzung zu anderen als Wohnzwecken angehört (Bl. 70 der Behördenakte). Mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 wurde der Bevollmächtigte des Antragstellers ebenfalls zur Untersagung der Nutzung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung angehört unter Hinweis darauf, dass von seinem Mieter die Wohnung entgegen dem Zweckentfremdungsverbot weiter vermietet würde (Bl. 75 der Behördenakte).
Eine Ortsbesichtigung am 19. Dezember 2016 ergab, dass die Wohnung erneut an Medizintouristen, vier Erwachsene, seit sechs Wochen vermietet worden sei. Bei einem weiteren Ortstermin am 3. Februar 2017 teilten Mitbewohner des Hauses mit, dass sich in der Wohnung erneut Personen aus Arabien aufhalten würden.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2017 wurde dem Antragsteller durch die Antragsgegnerin aufgegeben, die Überlassung des im Betreff genannten Wohnraums zum Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden (Ziffer 1.) und den Wohnraum unverzüglich nach Beendigung der Nutzung für Zwecke der Fremdenbeherbergung wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziffer 2.). Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1. des Bescheids binnen drei Monate ab Zustellung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 3.500,00 Euro (Ziffer 3.) und für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung unter Ziffer 2. des Bescheids binnen vier Monate ab Zustellung ein Zwangsgeld in Höhe von 3.500,00 Euro angedroht (Ziffer 4.). Unter Ziffer 5. wurde die sofortige Vollziehung der Ziffern 1. und 2. des Bescheides angeordnet. Die Wohneinheit werde zu gewerblichen Zwecken der Fremdenbeherbergung genutzt, Art. 2 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS. Dies erfülle den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit mangels der erforderlichen Genehmigung, Art. 5 ZwEWG i.V.m. § 14 ZeS. Die Unterbindung bzw. Beseitigung könne deshalb gemäß Art. 7 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 LStVG i.V.m. Art. 15 ZwEWG gefordert werden. Der Antragsteller sei der richtige Adressat der in Ziffer 1. und 2. getroffenen Anordnungen, obwohl der Wohnraum an Herrn R. seit dem 1. April 2016 vermietet worden sei. Er sei zumindest neben Herrn R. Zustandsstörer, Art. 9 Abs. 2 LStVG. Der Antragsteller sei bereits mit Schreiben vom 15. April 2016 und der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 14. Oktober 2016 darüber informiert worden, dass die Nutzung eine Zweckentfremdung darstelle und zweckentfremdungsrechtliche Maßnahmen beabsichtigt seien. Der Antragsteller habe keine Maßnahmen gegen seinen Mieter ergriffen. Gegen den Mieter werde ebenfalls vorgegangen. Die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 5. des Bescheides wurde begründet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Der Mieter R. wurde mit Bescheid vom 21. Februar 2017 ebenfalls verpflichtet, die Nutzung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden und die Wohnung wieder Wohnzwecken zuzuführen; für den Fall des Zuwiderhandelns wurden Zwangsgelder angedroht und der Sofortvollzug wurde angeordnet (Bl. 95 der Behördenakte; Klageverfahren M 9 K 17.1103).
Der Bevollmächtigte des Antragstellers erhob mit Schriftsatz vom 1. März 2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht München am 6. März 2017, Klage (M 9 K 17.902) und beantragte mit Schriftsatz vom 27. März 2017 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO:
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. Februar 2017.
Eine Nutzungsuntersagung gegenüber dem Antragsteller als Vermieter sei nicht erforderlich und damit rechtswidrig, da die Antragsgegnerin auch dem Mieter gegenüber die Nutzung untersagt habe. Zur Durchsetzung des bauordnungsrechtlichen Vollzugs einer Nutzungsuntersagung bedürfe es einer Nutzungsuntersagung gegenüber dem Vermieter nur dann, wenn der zur Duldung Verpflichtete die Vollstreckung aus rechtlichen Gründen zu verhindern vermöge.
Die Antragsgegnerin beantragte am 10. April 2017:
Antragsablehnung.
Auf den Bescheid werde Bezug genommen. Die hier vorliegende Fallkonstellation, dass ein Eigentümer und ein Zwischenmieter zusammenwirken und deshalb als Doppelstörer zu Recht parallel auf Unterlassung in Anspruch genommen würden, sei durch die Gerichte bestätigt worden.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Akte im Klageverfahren des Antragstellers M 9 K 17.902 und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO lediglich gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der Bescheid der Antragsgegnerin offensichtlich rechtmäßig. Deshalb überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Die Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) i.V.m. Art. 5 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. März 2013 (GVBl. S. 77), liegen vor, da die Überlassung der verfahrensgegenständlichen Wohnung durch den Antragsteller an einen gewerblich weitervermietenden Mieter den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 5 ZwEWG verwirklicht. Danach ist die Verwendung oder Überlassung von Wohnraum für andere als Wohnzwecke ohne die erforderliche Genehmigung eine Ordnungswidrigkeit. Geschützter Wohnraum i.S.v. Art. 2, 5 ZwEWG liegt unstrittig vor und wird von der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom 12. Dezember 2013 erfasst. Die Wohnung wird ausweislich der Befragungen bei den Ortseinsichten auch fortlaufend gewerblich für Fremdenverkehrszwecke durch Untervermietung an Touristen aus dem arabischen Raum, die sich hier zur medizinischen Behandlung befinden, vermietet.
Gegen die Inanspruchnahme des Antragsteller als Adressat der Nutzungsuntersagung bestehen keine rechtlichen Bedenken, da er Eigentümer der Wohnung ist und da von ihm nicht lediglich eine Duldung von Maßnahmen gegen den Mieter, sondern aufgrund des bestehenden Mietvertrags ein Tätigwerden verlangt wird. Eine Erfüllung der Verpflichtung zur Beendigung der Nutzung als Ferienwohnung setzt voraus, dass das bisherige Nutzungskonzept einer flexiblen, vorübergehenden Unterkunft für die Dauer eines medizinischen Aufenthalts nachhaltig und endgültig aufgegeben wird (BayVGH, B.v. 7.6.2016 – 12 ZB 16.874). Es sprechen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller an diesem Nutzungskonzept weiterhin festhält, da er an Herrn R. zeitgleich mit Beginn der Ermittlungen durch die Antragsgegnerin vermietet hat, dieser bekanntermaßen als gewerblicher Vermieter von Wohnungen zum vorübergehenden Aufenthalt für Medizintouristen für eine Vielzahl von Wohnungen in dem Gebäudekomplex auftritt und dort möglicherweise auch ein Büro hat. Zum anderen hat der Antragsteller trotz des bereits eingeleiteten Verwaltungsverfahrens und entsprechender Schreiben der Antragsgegnerin erst nach mehreren Monaten über seinen Bevollmächtigten den Mietvertrag vorgelegt. Des Weiteren hat er trotz einer entsprechenden Zusatzvereinbarung im Mietvertrag, wonach die Nutzung entgegen dem Zweckentfremdungsrecht zur sofortigen Kündigung berechtigt, keine diesbezüglichen Maßnahmen ergriffen. Zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 21. Februar 2017 ist die Antragsgegnerin daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller nach Aktenlage und dem Ergebnis der Ermittlungen ebenfalls als Handlungsstörer gemeinschaftlich mit Herrn R., zumindest aber als Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen ist.
Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers der Auffassung ist, als Folge der Inanspruchnahme des Mieters werde eine entsprechende Nutzungsuntersagung verbunden mit der Aufforderung, die Wohnung wieder Wohnzwecken zuzuführen, wegen fehlender Erforderlichkeit rechtswidrig, verkennt er, dass anders als in den von ihm zitierten baurechtlichen Entscheidungen und Kommentaren vom Antragsteller nicht lediglich die Duldung einer Maßnahme gegenüber dem Mieter, sondern ein aktives Tätigwerden als Störer gefordert wird. Eine Nutzungsuntersagung gegenüber dem Eigentümer ist geeignet, erforderlich und das angemessene Mittel, um zu verhindern, dass dieser durch die Einschaltung weiterer Mieter und Untermieter sein Nutzungskonzept der gewerblichen Vermietung zu Fremdenverkehrszwecken entgegen dem Zweckentfremdungsrecht fortsetzt und die ihm möglichen Maßnahmen, dies zu unterbinden, unterlässt, indem er Vermieterketten bildet. Da der Begriff des Handlungsstörers i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG durch eine rechtlich wertende Betrachtung zu bestimmen ist, bei der auf ein unmittelbar Gefahr begründendes Verhalten und die Nähe zum späteren Schadenseintritt abzustellen ist, können Untersagungsverfügungen neben einem Handlungsstörer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch an weitere Handlungsstörer gerichtet werden (BayVGH, B.v. 24.1.2012 – 10 CS 11.1670; B.v. 13.10.2004 – 22 CS 04.2489; VG München, U.v. 22.2.2017 – M 9 K 16.4276). Danach setzt hier der Antragsteller einen eigenen Verursachungsbeitrag und ist damit auch richtiger Adressat.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 1.71 Streitwertkatalog.


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