Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Pflicht zur Instandhaltung und -setzung eines Baums auf WEG-Gemeinschaftsfläche

Aktenzeichen  481 C 24911/16 WEG

Datum:
28.6.2017
Fundstelle:
WuM – 2018, 180
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 23 Nr. 2c
WEG § 1 Abs. 5, § 16 Abs. 2, § 21 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2, § 43 Nr. 1
EGZPO § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 2
BaySchlG Art. 1 Nr. 1, Art. 4

 

Leitsatz

1. Ein Baum, der sich auf der Sondernutzungsfläche eines Wohnungseigentümers befindet, steht gem. § 1 Abs. 5 WEG im Gemeinschaftseigentum, so dass – mangels abweichender Vereinbarung – für die Entscheidung über Fällung oder Rückschnitt als Maßnahmen der Instandhaltung oder -setzung gem. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG die Gemeinschaft zuständig ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Regelung in der Teilungserklärung, „die gärtnerische Gestaltung der Sondernutzungsfläche geht zu Lasten des jeweiligen Sondernutzungsberechtigten“, enthält keine eindeutige und unmissverständliche Zuweisung an den einzelnen Sondernutzungsberechtigten, die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bäume auf eigene Kosten instandzuhalten bzw. -zusetzen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 11.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
Das Amtsgericht München ist gem. § 23 Nr. 2 c GVG und § 43 Nr. 1 WEG sachlich und gem. § 43 Nr. 1 WEG örtlich ausschließlich zuständig. Ein Schlichtungsversuch nach § 15 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO i.V.m. Art. 1 Nr. 1 BaySchlG hat stattgefunden. Ob die Bescheinigung nach Art. 4 BaySchlG auch zur Zulässigkeit der Hilfsanträge führt, kann im Ergebnis dahinstehen, da die Klage insoweit jedenfalls unbegründet ist.
II.
Die Klage ist weder im Hauptantrag, noch in den Hilfsanträgen begründet. Die Beklagte ist hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche nicht passivlegitimiert.
Der Vogelkirschbaum (prunus aviae) steht als Teil des Grundstücks, das entgegen dem Sachvortrag der Klagepartei in der Klageschrift gerade nicht im Eigentum der Beklagten steht, gem. § 1 Abs. 5 WEG im Gemeinschaftseigentum der WEG. Für die Entscheidung über eine Fällung des Baumes wäre daher die WEG passivlegitimiert. Gleiches gilt für die Frage des Rückschnitts, da dieser eine Maßnahme der Instandhaltung oder Instandsetzung im Sinne von § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG ist. Weil die Grundstücksteile, an denen ein Sondernutzungsrecht besteht, im Gemeinschaftseigentum der WEG stehen, ist die Entscheidung über das „ob“ und „wie“ von Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung gem. § 21 Abs. 1, 3, 4, 5 Nr. 2 WEG der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vorbehalten und zugleich deren Aufgabe (vgl. T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 21, Rn. 51).
Aus den Vereinbarungen der WEG ergibt sich hier nichts Gegenteiliges. Zwar können die Wohnungseigentümer durch Vereinbarung abweichend von §§ 21 Abs. 5 Nr. 2, 16 Abs. 2 WEG die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung von Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums und zur Kostentragung hierfür einzelnen Wohnungseigentümern auferlegen (st. Rspr., vgl. Merle, in: Bärmann, WEG, 13. Auflage 2015, § 21, Rn. 108 m.w.N.). Allerdings erfordert dies eine klare und eindeutige Regelung; im Zweifel verbleibt es bei der gesetzlichen Zuständigkeit (BGH, Urteil vom 02.03.2012 – V ZR 174/11, ZWE 2012, 267, Rn. 7 bei juris; Bärmann-Merle a.a.O.) Die Teilungserklärung enthält hier gerade keine klare und eindeutige Zuweisung der Pflicht zur Instandhaltung oder Instandsetzung öffentlich-rechtlich vorgesehener Bäume im Gemeinschaftseigentum an einzelne Wohnungseigentümer bzw. Sondernutzungsberechtigte. In der Teilungserklärung ist im Abschnitt H… festgelegt, dass „die behördlich geforderten Bäume (…) auf den Gemeinschaftsflächen“ von den Eigentümern „nach Miteigentumsanteilen“ zu „zahlen“ sind. Im Anschluss daran heißt es, „die gärtnerische Gestaltung der Sondernutzungsfläche geht zu Lasten des jeweiligen Sondernutzungsberechtigten“. Bei der Auslegung von Regelungen einer Teilungserklärung ist wie bei einer Auslegung von Grundbucheintragungen auf den Wortlaut und Sinn der Regelung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (vgl. Jennißen-Krause, WEG, 5. Auflage 2017, § 8, Rn. 16 m.w.N.). Nach ihrem Wortlaut und Sinn und Zweck legt die Teilungserklärung fest, dass die Finanzierung der „behördlich geforderten Bäume“ auf den Gemeinschaftsflächen von allen Wohnungseigentümern nach Miteigentumsanteilen zu finanzieren ist. Davon sind insbesondere alle im Freiflächengestaltungsplan vorgesehenen Bäume, also auch der hier streitgegenständliche Vogelkirschbaum, erfasst. Der streitgegenständliche Vogelkirschbaum war aufgrund des in der Baugenehmigung der Landeshauptstadt München enthaltenen Freiflächengestaltungsplans an der Stelle zu pflanzen, an der er sich derzeit befindet, nämlich an der Grenze zwischen den Gartenanteilen, für welche der Klägerin und der Beklagten jeweils ein Sondernutzungsrecht zusteht. Dies ergibt sich eindeutig aus dem vorgelegten Plan, der vom Gericht in Augenschein genommen wurde. Insoweit gilt die aufgrund Art. 23 BayGO erlassene Freiflächengestaltungssatzung der Landeshauptstadt München (Gestaltungs- und BegrünungsS). Gemäß § 1 S. 3 Gestaltungs- und BegrünungsS ist ein der Satzung entsprechender Zustand auf Dauer zu erhalten. Der streitgegenständliche Vogelkirschbaum ist also „behördlich gefordert“ im Sinne von Abschnitt H… der Teilungserklärung. Eine Zuweisung der Instandhaltungspflicht an einzelne Miteigentümer für Bäume, die sich auf dem Bereich des Gemeinschaftseigentums befinden, für den dem jeweiligen Miteigentümer ein Sondernutzungsrecht zusteht, ist in der zitierten Regelung der Teilungserklärung nicht zu entnehmen. Im Gegenteil spricht die Formulierung, dass „die behördlich geforderten Bäume auf den Gemeinschaftsflächen“ von den Eigentümern „nach Miteigentumsanteilen“ zu „zahlen“ seien, nach Auffassung des Gerichts sogar dafür, dass nicht nur die Pflanzkosten, sondern auch die Kosten der Instandhaltung oder Instandsetzung der Bäume, also der Baumpflege, entsprechend der gesetzlichen Kompetenzzuweisung in § 16 Abs. 2 WEG von allen Eigentümern im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen sind und es auch bei deren Pflicht (und Recht) zur Entscheidung über Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG verbleibt. Der weitere Teil der Regelung der Teilungserklärung ermöglicht es jedem Sondernutzungsberechtigten, unter Berücksichtigung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben den im Sondernutzungsrecht stehenden Gartenanteil frei zu „gestalten“. Dabei handelt es sich nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Regelung, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter darstellt, auch nicht um eine Regelung, die dem Sondernutzungsberechtigten die Pflicht zur Instandhaltung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bäume im Bereich des Sondernutzungsrechts zuweist. Vielmehr stellt diese Regelung eine bloße Ermächtigung jedes Sondernutzungsberechtigten dar, die Sondernutzungsfläche – unter Berücksichtigung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben, also insbesondere der im Freiflächengestaltungsplan vorgesehenen Bäume – nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Das Recht zur Gartengestaltung, also etwa die Auswahl der Bepflanzung, das Anlegen von Beeten etc., beinhaltet keine Pflicht, die im Gemeinschaftseigentum stehenden, vom Freiflächengestaltungsplan der Stadt München vorgesehenen Bäume auf eigene Kosten instandzuhalten bzw. instandzusetzen. Eine eindeutige und unmissverständliche Zuweisung an die einzelnen Sondernutzungsberechtigten ist in der Ermächtigung zur freien Gestaltung der Sondernutzungsflächen gerade nicht enthalten.
Da die Beklagte weder hinsichtlich des Hauptantrags, noch hinsichtlich der Hilfsanträge passivlegitimiert ist, ist die Klage insgesamt abzuweisen.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
IV.
Der Streitwert war gem. § 49 a Abs. 1 GKG in Höhe von 50 % des Interesses der Parteien am Ausgang des Rechtsstreits festzusetzen. Dieses wurde gem. § 3 ZPO geschätzt. Für den Hauptantrag (Fällung des Baumes) wurde der Streitwert danach auf 5.000,00 €, für den 1. Hilfsantrag (Rückschnitt des Baumes um 25 %) auf 1.000,00 € und für den 2. Hilfsantrag (Verpflichtung, in Zukunft jedes Jahr erneut einen Rückschnitt des Baumes vorzunehmen) mit 5.000,00 € festgesetzt.


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