Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Prozesskostenhilfe, Beiordnung, Berufung, Erfolgsaussicht, Frist, Wiedereinsetzung, Bestellung, Hinweis, Auskunft, Voraussetzungen, Notfrist, Rechtsstreit, Anlage, Schriftsatz, Beiordnung eines Notanwalts, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zwei Wochen

Aktenzeichen  6 S 5107/20

Datum:
27.7.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42161
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

155 C 3415/19 2020-03-26 Endurteil AGMUENCHEN AG München

Tenor

I. Der Antrag des Beklagten auf Fristverlängerung wird abgelehnt.
II. Der Antrag des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens wird abgelehnt.
III. Der Antrag des Beklagten auf Bestellung eines Notanwaltes für die Durchführung der Berufung wird abgelehnt.
IV. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Amtsgerichts München vom 26.03.2020, Az. 155 C 3415/19, wird als unzulässig verworfen.
V. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.5439,28 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um die Kosten für die Stilllegung eines Gasanschlusses im Eigenheim des Beklagten. Hinsichtlich der weiteren Details des Sachverhaltes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 ZPO auf den Tatbestand des Urteil des Amtsgerichts verwiesen, das dem Beklagten am 28.03.2020 zugestellt worden ist. Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung vom 1.549,28 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.02.2017 sowie von 10,00 Euro vorgerichtlicher Kosten verurteilt (Bl. 123/137 d.A.).
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten vom 24.04.2020, eingegangen am 26.04.2020 (Bl. 157/162 d.A.), die von ihm privatschriftlich eingelegt worden ist und für deren ordnungsgemäße Einlegung und Begründung er die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die die Beiordnung eines Notanwalts beantragt. Der Beklagte hat insoweit vorgetragen, ihm sei wegen der durch die Corona-Pandemie bedingten Kontakt- und Bewegungseinschränkungen eine Kontaktaufnahme zu den von ihm angerufenen Rechtsanwälten aus der Liste der Anwaltskammer München nicht möglich gewesen, die ordnungsgemäße rechtzeitige Berufungseinlegung sei ihm daher „gemäß § 275 ff. BGB“ unmöglich gewesen. Er legt eine per E-Mail eingeholte Absage eines ihn früher in einem anderen Rechtsstreit vertretenden Rechtsanwalts bei (Anlage BK 3). Der Beklagte behauptet, er sei bedürftig, weswegen ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren sei. Eine Erklärung über die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse hat er nicht eingereicht. Er behauptet, er habe in einem anderen Rechtsstreit des Landgerichts München I eine vollständige Erklärung vorgelegt, nannte zunächst aber des Aktenzeichen nicht, sondern erklärte, bei Bedarf werde ein weiteres Exemplar übermittelt. Ein solches hat er jedoch auch auf Hinweis nicht vorgelegt, sondern mit ergänzendem Schriftsatz vom 26.05.2020 (Bl. 166/171 d.A.) nur das Aktenzeichen des weiteren Verfahrens bekannt gegeben.
Der Beklagte begründete die Berufung vorsorglich selbst und behauptete Mängel der Beweisaufnahme des Amtsgerichts, sonstige Verfahrensmängel und fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Amtsgericht.
Auf den Hinweis (B. 164 d.A.), dass die Voraussetzungen der Gewährung von Prozesskostenhilfe und der Bestellung eines Notanwalts nicht dargetan seien, beantragte der Beklagte Fristverlängerung für entsprechende Nachforschungen und Belegsammlungen, denn er habe mit mindestens 15 Anwälten vergebens Kontakt aufgenommen. Für seine Ergänzungen sei ihm Fristverlängerung bis zwei Wochen nach Wiedereröffnung der öffentlichen Bibliotheken für die erforderliche rechtliche Recherche zu gewähren.
Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Kammer hat mit Verfügung des Vorsitzendes vom 30.04.2020 (Bl. 164 d.A.) darauf aufmerksam gemacht, dass die Berufung nicht zulässig eingelegt worden ist.
II.
1. Der Antrag auf Gewährung einer Fristverlängerung ist zurückzuweisen. Selbst wenn dem Beklagten die Pflicht zur Abgabe einer auf dem amtlichen Formblatt abgegebenen Erklärung über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bis zum Eingang des Hinweise vom 30.04.2020 unbekannt gewesen sein sollte – dieser Hinweis ist dem Beklagten am 13.05.2020 zugestellt worden – wäre der Beklagte gehalten gewesen, nunmehr umgehend, nämlich innerhalb der Frist für eine etwaige Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, diese Auskunft zu erteilen. Der bloße Hinweis auf eine solche Erklärung in einem Parallelverfahren ist nicht ausreichend. Auch wäre es dem Beklagten binnen der gleichen Frist ohne weiteres möglich gewesen, die von ihm behauptet vergebens kontaktierten Rechtsanwälte zu bezeichnen und so die Voraussetzungen der Bestellung eines Notanwalts darzulegen. Tatsächlich ist beides bis zur Gegenwart nicht erfolgt. Auf die Öffnungszeiten öffentlicher Bibliotheken zur Rechtsrecherche kommt es bei der Frage der Fristverlängerung nicht an, da der Antragsteller die ihm bekannten tatsächlichen Umstände, auf die er in der Verfügung vom 30.04.2020 hingewiesen worden ist, hätte vortragen müssen.
2. Der Antrag des Beklagten auf Bestellung eines Notanwalts ist zurückzuweisen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. BGH, Beschluss vom 24.04.2014 – VI ZR 226/13 mit weiteren dortigen Nachweisen) ist dafür der substantiierte Vortrag und ggf. Beweis erforderlich, dass sich kein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt gefunden habe. Dies setzt regelmäßig den Beleg der Kontaktaufnahme zu mehreren dann ablehnenden Rechtsanwälten voraus. Solche hat der Beklagte schon nicht substantiiert dargestellt.
3. Der Antrag des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat innerhalb der Notfrist zur Berufungseinlegung schon keinen vollständig ausgefüllten Antrag über seine persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse gestellt (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 29.04.2020 – IV ZB 30/19). Dem Antrag fehlt im Übrigen auch die erforderliche Erfolgsaussicht, da die Berufung nicht durch einen Rechtsanwalt eingelegt worden worden ist.
4. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht durch einen Rechtsanwalt eingelegt worden ist.
Nebenentscheidungen:
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert wird durch die Beschwer des Beklagten gemäß der Verurteilung erster Instanz in der Hauptsache bestimmt.


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