Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Störung des Hausfriedens durch querulatorisches Verhalten

Aktenzeichen  6 C 281/19

Datum:
29.7.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21996
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Garmisch-Partenkirchen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 573

 

Leitsatz

Eine Störung des Hausfriedens, die zur Kündigung berechtigt stellt es dar, wenn der Mieter versucht anderen Mietern durch Aushänge, erfolglose Strafanzeigen und Zivilverfahren oder Beleidigungen und Videoaufnahmen versucht, Verhaltensregeln aufzuzwingen.  (Rn. 51 – 53) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung im 4 Etage rechts, bestehend aus 3 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad mit WC, 1 Flur, 1 Keller und 2 Balkonen zu räumen und zusammen mit 2 Haustür-, 2 Keller-, 2 Briefkasten und 1 Stromkastenschlüssel – Waschküche an die Kläger zurückzugeben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.463,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 513,50 € seit 06.08.2019,
aus 730,- € seit 05.09.2019,
aus 220,- € seit 04.10.2019
sowie weitere 650,34 € zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
5. Der Streitwert wird auf 7.278,75 €, seit dem 11.09.2019 auf 8.848,75 € und seit dem 07.10.2019 auf 8.063,50 festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht … sachlich und örtlich zuständig gemäß §§ 23, 71 GVG sowie § 29a ZPO.
Die Klage ist auch begründet.
Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung zu, aufgrund der am 20.03.2019 erklärten Kündigung. Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Kündigungsrecht zu.
Ein Kündigungsrecht ergibt sich aus § 573 BGB, denn die Kläger haben ein berechtigtes Interesse nachgewiesen, insbesondere ist eine nicht unerhebliche schuldhafte vertragliche Pflichtverletzung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erkennbar. Der Begriff der vertraglichen Pflichten im Sinne des Kündigungstatbestandes wird weit verstanden. Erfasst ist unter anderem auch der Hausfrieden.
Unter dem Begriff des Hausfriedens wird das Erfordernis der gegenseitigen Rücksichtnahme verstanden, die das Zusammenleben mehrerer Personen in einem Haus erst ermöglicht und voraussetzt. Pflichten zur Rücksichtnahme ergeben sich dabei nicht nur im Verhältnis der Vertragsparteien, sondern insbesondere auch zwischen dem Mieter und den Mitbewohnern des Hauses. Eine Störung des Hausfriedens liegt vor, wenn die Vertragspartei nachhaltig gegen die Pflichten zur Rücksichtnahme verstößt. Das auch im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit Blick auf die Erheblichkeit der Pflichtverletzung zu fordernde Kriterium der Nachhaltigkeit ist gegeben, wenn die Störung des Hausfriedens entweder dauerhaft oder jedenfalls häufiger vorkommt (AG Berlin-Charlottenburg GE 2014, 1011). Eine Störung ist auch bei Belästigungen und Bedrohungen anderer Mieter (LG Berlin WuM 2010, 755; zuvor AG Berlin-Pankow/Weißensee WuM 2010, 755) gegeben. Das störende Verhalten muss sich dabei gegen die Bewohner des Miethauses richten.
So ist es hier. Unstreitig wendet sich die Beklagte an die anderen Bewohner des Miethauses und versucht ihnen umfangreiche Verhaltensregeln aufzuerlegen. Dies nicht nur durch Aushänge im Hausflur, sondern auch durch Zustellung per Einschreiben. Zudem bezeichnet sie die Mitbewohner in direkter Ansprache als „kranke Psychopathen“ und veröffentlicht öffentlich im Internet über die anderen Hausbewohner, dass sie von einer „Mobbingbande verfolgt“ werde und „hier im Haus Psychoterror“ sei. Dies wird von der Beklagten gegenüber öffentlichen Stellen wie der Polizeiinspektion …, dem Amtsgericht … aber auch der Staatsanwaltschaft beim Landgericht mehrfach wiederholt. Zudem stellte die Beklagte ausweislich der Gerichtsakte, Strafanzeigen und Strafanträge gegen andere Bewohner des Hauses, die von der Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden oder strengt Zivilverfahren gegen andere Hausbewohner an, ohne hierbei schlüssig vorzutragen. Die Beklagte stört den Hausfrieden zudem, indem sie die anderen Hausbewohner regelmäßig in privaten Situationen fotografiert, von diesen gegen deren Willen Videos erstellt und diese dann wiederum öffentlich verbreitet.
Aufgrund der Vielzahl der Pflichtverletzungen, die im Übrigen nach wie vor andauern, ist auch die erforderliche Erheblichkeit gegeben.
Den Klägern ist das Festhalten am Mietvertrag auch nicht zuzumuten, weil die Beklagte das Mietobjekt beschädigt. So ist eine Beschädigung am Briefkasten sowie an der Glastür unstreitig gegeben. Darüber hinaus rief die Beklagte über einen Zeitraum von mehreren Monaten nahezu täglich bei den Klägern an, um sich zu beschweren. Zum Teil handelte es sich um mehrere Telefonate an einem Tag. Sie rief auch zu Nachtzeiten und an Wochenenden an. Auch an den Weihnachtsfeiertagen 2018 erfolgten mehrere Anrufe. Die Beklagte trägt in der mündlichen Verhandlung selbst vor, dass sie täglich bei den Klägern anrufe, wenn etwas los sei. In anderen Fällen habe sie Forderungen an die Hausverwaltung gestellt, von der sie aber nicht ernst genommen worden sei.
Aufgrund der ordentlichen Kündigungsfrist endete das Mietverhältnis zum 30.06.2019.
Den Klägern steht gegen die Beklagte auch ein Zahlungsanspruch hinsichtlich offener Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB in Höhe von 513,50 € für August 2019, in Höhe von 730,- € für September 2019 sowie in Höhe von 220,- € für Oktober 2019 zu. Unstreitig hat die Beklagte die Mietsache bislang nicht zurückgegeben. Das Mietverhältnis wurde jedoch durch die Kündigung vom 20.03.2019 zum 30.06.2019 beendet, so dass die Kläger bis zur Rückgabe eine Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Miete verlangen können. Dieser Anspruch ist auch nicht durch die erklärte Minderung der Beklagten ausgeschlossen. So erfolgt der Vortrag zur behaupteten Minderung bereits unschlüssig (Bl. 28 d.A.).
Die Klage haben gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, die im Rahmen der Kündigung entstanden sind in Höhe von 650,34 €, denn das Verhalten der Beklagten gegenüber den Klägern als Vermietern, der Hausverwaltung aber auch den Mitbewohnern ist in vielfacher Hinsicht extrem und rechtswidrig. Es ist einem juristisch nicht geschulten Vermieter nicht möglich eine ordnungsgemäße Kündigung auufgrund des umfangreichen rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten auszusprechen. Die Kläger als Vermieter sind auf juristische Beratung und Vertretung angewiesen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Entgegen dem Wortlaut der Anträge hat die Beklagte vorliegend auch keine streitwerterhöhende Widerklage erhoben. So hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung wiederholt klargestellt, dass es sich bei den Anträgen um Beweisanträge handeln soll. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der in der mündlichen Verhandlung überreichten Überschrift der Zusammenfassung.
Eine Räumungsfrist gemäß § 721 Abs. 1 S. 1 ZPO ist der Beklagten vorliegend nicht zu gewähren. Das Gericht hat dabei die Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen. Auf Seiten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass sie der Akte eine Krankschreibung mit der Diagnose F43.9 G (mithin Reaktionen auf schwere Belastungsstörungen und Anpassungsstörung, gesicherte Diagnose) beiliegt und sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, verzweifelt zu sein. Auf Seiten der Klägerin ist hingegen zu berücksichtigen, dass das Mietverhältnis nunmehr seit über einem Jahr beendet ist und die Beklagte die Störung des Hausfriedens aber das weitere pflichtwidrige Verhalten ausweislich der Gerichtsakte unvermindert fortsetzt. Zudem bestehen Zahlungsrückstände, in Höhe von mehr als 2 Monatsmieten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91a ZPO.
Die Beklagtenpartei hat der Teilerledigterklärung der Klagepartei nicht widersprochen.
Das Gericht hat deshalb unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind. Ausschlaggebend ist hierbei insbesondere der ohne die Erledigterklärung zu erwartende Verfahrensausgang, wobei lediglich eine summarische Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten erfolgen kann.
Vorliegend waren deshalb der beklagten Partei die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da sie ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Denn die beklagte Partei hat zwischenzeitlich die strittige Forderung ohne Einwendungen bezahlen lassen und hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass die Forderung der Klägerseite berechtigt war.
Die beklagte Partei war ferner, da sie trotz Mahnung nicht geleistet hat, bei Klageerhebung in Verzug und hat dadurch zur Klage Veranlassung gegeben. Der Rechtsgedanke des § 93 ZPO kommt deshalb vorliegend nicht zur Anwendung.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.
Der Streitwert des Räumungsantrages bemisst sich nach § 41 Abs. 2 GKG. Der Streitwert des Zahlungsantrages bemisst sich nach § 3 GKG unter Berücksichtigung des § 43 GKG. Gemäß § 39 GKG werden die verschiedenen Streitwerte zusammengerechnet.


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