Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Unfall, Rechtsanwaltskosten, Mieter, Fahrzeug, Mietvertrag, Streitwert, Haftungs-Quote, Schadensereignis, Pkw, Fahrer, Diebstahl, Schaden, Mutwilligkeit, Zustimmung, Kosten des Rechtsstreits

Aktenzeichen  8 O 4294/20

Datum:
16.9.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 33418
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.694,39 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.01.2020 zu bezahlen.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 281,30 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu bezahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abwiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 65 % und der Beklagte 35 %.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. 

Gründe

I. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme geht das Landgericht von zwei unabhängig voneinander eingetretenen Schadensereignissen aus. Der erste Schaden ereignete sich in der Nacht vom 26. auf den 27.07.2019 und betraf die rechte vordere Fahrzeugseite. Der zweite Schaden kann zeitlich nicht mehr näher eingegrenzt werden und ereignete sich demnach zwischen dem 27.07.2019 und der Rückgabe des PKW am 28.07.2019. Während der Beklagte verpflichtet ist, für den ersten Schaden lediglich die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung in Höhe von 1.150,00 Euro zu zahlen, kann sich die Klägerin im Hinblick auf den weder ihr noch der Polizei gemeldeten zweiten Schaden auf einen teilweisen Wegfall der Haftungsfreistellung berufen.
Im Einzelnen:
1. Zur Überzeugung der Kammer, welche seit Jahren eine Spezialzuständigkeit für Verkehrsunfallsachen hat, steht fest, dass das streitgegenständliche Mietfahrzeug bei zwei voneinander unabhängigen Ereignissen beschädigt wurde. Dies ist den hochwertigen Lichtbildern der Firma XY Gutachten GmbH (vorgelegt als Anlage K5) zu entnehmen: Die Lichtbilder 9 – 21 zeigen deutliche Verschrammungen im rechten vorderen Bereich, die das Fahrzeug bei einer Kollision mit einem Hindernis bei nicht unerheblicher Geschwindigkeit erlitten hat. Lichtbilder 2 – 8 zeigen hingegen Spuren eines typischen Parkunfalls (Verschrammung im Bereich der hinteren rechten Seitenwand und einer Kontaktspur am hinteren rechten Reifen). Der entsprechende diesbezügliche Sachvortrag des Beklagten wurde klägerseits auch nicht substantiiert in Abrede gestellt.
2. Im Hinblick auf das Schadensereignis vom 26./27.07.2019, welches den vorderen Bereich des Pkw betraf, geht das Gericht nach der durchgeführten Parteianhörung sowie der Bewertung der zwischen den Parteien geführten außergerichtlichen Korrespondenz davon aus, dass der Beklagte im Rahmen des Telefonats mit der Hotline der Klägerin nicht darauf hingewiesen wurde, zusätzlich noch die Polizei zu verständigen.
Der Beklagte führte im Rahmen seiner informatorischen Anhörung am 10.12.2020 bei Gericht aus, dass er direkt an der Unfallstelle bei der Hotline der Klägerin angerufen habe. Er habe dabei mehrfach gefragt, was er nun unternehmen solle. Daraufhin sei er gefragt worden, ob das Eigentum Dritter beschädigt worden sei. Als er dies verneint habe, sei ihm geantwortet worden, dass er weiterfahren könne und den Unfall der Polizei nicht melden müsse. Dieser Inhalt des Telefonats wurde bereits außergerichtlich vom Beklagten gegenüber der Klägerin angegeben (vgl. E-Mail vom 31.07.2019, vorgelegt als Anlage K4), ohne dass die Klägerin dem entgegengetreten wäre. Die Angaben des Beklagten für das Gericht umfassend nachvollziehbar. Der Schaden an dem Mietfahrzeug ist zumindest aus Laiensicht im vorderen rechten Bereich als beträchtlich anzusehen. Es ist daher naheliegend, dass ein Mieter den Vermieter fragt, was er konkret zu unternehmen hat. Dass ihm im unstreitig geführten Telefonat die Service-Mitarbeiterin der Klägerin dazu aufgefordert habe, noch die Polizei zu verständigen, wurde klägerseits nicht vorgetragen. Dies hätte allerdings erwartet werden dürfen: Ruft der Mieter die Hotline nach einem Unfall an, darf er davon ausgehen, dass er darauf hingewiesen wird, dass er mit diesem Anruf seine vertraglichen Obliegenheiten noch nicht vollständig erfüllt hat, sondern noch die Polizei verständigen müsse. Dies ist bereits nach dem Vortrag der Klagepartei nicht erfolgt. Damit ist für diesen Schadensfall die Selbstbeteiligungsvereinbarung wirksam und der Kläger hat lediglich 1.150,00 Euro an die Klägerin zu leisten.
3. Im Hinblick auf den Parkschaden im hinteren rechten Bereich des Fahrzeuges kann sich die Klägerin hingegen auf ein teilweises Entfallen der Haftungsfreistellung berufen, da der Schaden am Pkw BMW grob fahrlässig verursacht wurde.
Das Gericht geht davon aus, dass der Schaden so entstanden ist, wie es der Beklagte in seiner E-Mail vom 29.07.2019 (vorgelegt als Anlage B3) selbst geschildert hat. Das Schadensbild ist schlüssig. Es erscheint fernliegend, dass der Schaden an dem geparkten Pkw BMW verursacht wurde, wie der Beklagte das Gericht im Rahmen seiner informatorischen Anhörung hat glauben lassen wollen. Vielmehr muss sich der BMW in langsamer Fahrt befunden haben und dabei mit einem festen Hindernis – wie etwa der Säule eines Parkhauses – eine streifende Berührung gehabt haben.
Bei Bestimmung der einschlägigen Quote kommt es aus Sicht des Gerichts darauf an, ob in einer denkbaren Bandbreite der Fälle, die als grob fahrlässig anzusehen sind, der zu beurteilende Fall sich eher der Grenze des bedingten Vorsatzes oder der Grenze der einfachen Fahrlässigkeit annähert (LG Göttingen, r + s 2010, 194, 195). Als zu Lasten des Mieters sprechend werden z. B. Mutwilligkeit, Verantwortungslosigkeit, Rücksichtslosigkeit, bewusstes Eingehen großer Risiken, Vorliegen eines Wiederholungsfalles, Gewinnstreben oder Gleichgültigkeit angesehen, als zu Gunsten des Mieters sprechend Zeitdruck und Überforderung des Mieters in der konkreten Situation. Im vorliegenden Fall war zu sehen, dass dem Beklagten nicht nachgewiesen wurde, mit dem gemieteten Fahrzeug mutwillig oder rücksichtslos umgegangen zu sein. Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass auch einem durchschnittlichen Autofahrer bekannt ist, dass man in Tiefgaragen – besonders beim Kurvenfahren und Einparken – besonders vorsichtig sein muss. Dies gilt um so mehr, als dem Beklagten bewusst war, dass er das Fahrzeug und dessen genaues Kurvenfahrverhalten nicht kennt.
Der Umstand, dass der Beklagte hingegen nach dem Parkunfall weder die Klägerin noch die Polizei verständigt hat, wirkt sich auf die Haftungsquote nicht aus. Der selbst verschuldete Schaden, von welchem das Gericht ausgeht, war zu dem Zeitpunkt bereits entstanden. Von einem vorsätzlichen Verstoß gegen die Anzeigepflicht bzw. die Polizeiklausel ist nicht auszugehen, da ein Fremdschaden nicht entstanden ist und die Mietzeit kurz war, sodass der Beklagte davon hat ausgehen dürfen, dass es ausreicht, wenn er den Schaden am Ende der dreitägigen Mietzeit der Klägerin anzeigt.
Aus Sicht der Kammer ist daher die Schwelle der groben Fahrlässigkeit deutlich überschritten. Eine Haftungs-Quote des Klägers von 70% erscheint daher billig und angemessen.
4. Nach alledem hat der Beklagte der Klägerin für den ersten Schaden 1.150,00 Euro und für den zweiten Schaden einen Betrag in Höhe von 1.544,39 Euro zu ersetzen.
Der zuletzt genannte Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Nach dem Ergebnis der Sachverständigenbegutachtung entfällt auf die Beseitigung des Schadens am rechten hinteren Seitenteil ein Betrag von 2.953,89 Euro. Die Klägerin hat nicht dargelegt hat, dass im BMW-Servicebetrieb keine Lackiererei vorhanden ist. Die insoweit in Ansatz gebrachten Verbringungskosten in Höhe von 150,00 Euro netto waren daher in Abzug zu bringen. Nachdem das Fahrzeug bereits wegen des ersten Schadens zu reparieren ist, sind Sowieso-Kosten in Höhe von 597,62 Euro netto in Abzug zu bringen. Es handelt sich um Vorbereitungszeiten, die bei der Instandsetzung sowohl des Front- als auch als Seitenschaden anfallen würden. Es verbleibt daher ein (vor Quote) zu erstattender Betrag von 2.206,27 Euro. Nach Ansatz der unter Ziff. 3 erzielten Haftungsquote von 70% hat der Beklagte daher weitere 1.544,39 Euro zu erstatten.
Die Sachverständigenkosten wären schon infolge des ersten Unfalles eingetreten und sind damit also Sowieso-Kosten vom Beklagten wegen des zweiten Unfalles nicht mehr zu erstatten.
5. Außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren kann die Klägerin daher lediglich aus einem Gegenstandswert in Höhe von 2.694,39 Euro geltend machen.
Nachdem die Klägerin außergerichtlich einen deutlich zu hohen Betrag geltend gemacht hat, befand sich der Beklagte erst aufgrund des ihm am 24.01.2020 zugestellten Mahnantrags in Verzug und hat daher Zinsen gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB erst ab 25.01.2020 zu bezahlen.
6. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.


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