Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Ungültige Jahresabrechnung bei fehlerhafter Darstellung von Ausgaben aus der Instandhaltungsrücklage

Aktenzeichen  481 C 7072/17 WEG

Datum:
13.9.2017
Fundstelle:
ZWE – 2018, 278
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 28 Abs. 3, Abs. 5, § 46 Abs. 1 S. 2
BGB § 139 Abs. 1
GKG § 49a Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Ausweisung der Auszahlung von Guthaben für das vorangegangene Wirtschaftsjahr zugunsten einzelner Wohnungseigentümer als „periodenfremde Ausgaben“ in der Jahresgesamtabrechnung ist nicht zu beanstanden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. In der Jahresgesamtabrechnung ist die tatsächliche Entwicklung der Instandhaltungsrücklage unabhängig davon darzustellen, ob etwaige Entnahmen oder Zuführungen rechtmäßig waren. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bestreitet der Verwalter Ausgaben aus der Instandhaltungsrücklage, müssen diese Beträge in der Aufstellung der Ausgaben in der Jahresgesamtabrechnung ausgewiesen werden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die in der Eigentümerversammlung der … vom 0703.2017 zu TOP 1 (Jahresgesamt- und -einzelabrechnungen 2016), Beschluss 1.1 und TOP 3 (Entlastung des Verwalters), Beschluss 3.1 gefassten Beschlüsse werden für ungültig erklärt.
1. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.
2. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 17.924,10 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
Das Amtsgericht München ist gemäß § 23 Nr. 2 c GVG und § 43 Nr. 4 WEG örtlich und sach-lich ausschließlich zuständig.
II.
Die Klage ist im Ergebnis auch begründet.
1. Das Gericht hatte die Ordnungsmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse auf Grundlage des Sachverhalts zu beurteilen, der innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG vorgetragen wurde.
2. Nicht zu beanstanden ist zunächst die Ausweisung der Auszahlung von Guthaben für das vorangegangene Wirtschaftsjahr als „periodenfremde Ausgaben“. Weil die Jahresgesamtabrechnung alle tatsächlichen Ausgaben eines Wirtschaftsjahrs aufzuführen hat, ist die Darstellung zutreffend. Richtig ist auch, dass diese Ausgabe nicht über die Einzelabrechnungen auf die Wohnungseigentümer umgelegt wurde, da es steh um die Ausschüttung der Beträge handelt, die in den Jahreseinzelabrechnungen des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs als Abrechnungsspitze zugunsten der Wohnungseigentümer bereits festgestellt worden waren.
3. Die Darstellung der Entwicklung der Instandhaltungsrücklage in der streitgegenständlichen Jahresabrechnung widerspricht ebenfalls nicht dem. Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung. Grundsätzlich gilt, dass im Rahmen der Entwicklung der Instandhaltungsrücklage alle tatsächlichen Zuführungen und Entnahmen unabhängig davon, ob diese berechtigt waren oder nicht, darzustellen sind (ist-Entwicklung); daneben sind die von den Wohnungseigentümern geschuldeten Zahlungen (Soll-Entwicklung) anzugeben (BGH, Urteil vom 04.12.2009 – V ZR 44/09, NJW 2010, 2127, Leitsatz 1 und Rn. 12 bei juris). Dies ist hier der Fall. Auf Seite 4 der Abrechnung ist die Zuführung eines Betrages von 5.000,00 € entsprechend der nach dem Wirtschaftsplan geschuldeten Vorauszahlungen der Wohnungseigentümer, die Entnahme von 10.000,00 € durch die Verwalterin im Laufe des Wirtschaftsjahrs durch Übertragung auf das Girokonto und die Zuführung von 10.000,00 € als Ansparung vermerkt. Diese Darstellung entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Zu Recht trägt der Kläger zwar vor, dass der Verwalter einer WEG ohne ermächtigenden Beschluss der Eigentümer weder Mittel aus der Instandhaltungsrückstellung entnehmen, noch eine Umbuchung vorn Girokonto darauf vornehmen darf (vgl. Merle, in: Bärmann, WEG, 13. Auflage 2015, § 21, Rn. 156, 156a mwN). Da in der Jahresgesamtabrechnung aber die tatsächliche Entwicklung der Instandhaltungsrücklage unabhängig davon darzustellen ist, ob etwaige Entnahmen oder Zuführungen rechtmäßig waren, ist die Darstellung der Instandhaltungsrücklage hier korrekt. Hat der Verwalter die Rücklage – wie hier – zweckwidrig zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen verwendet, muss dies in der Jahresabrechnung angegeben werden (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2016 – 25 S 63/16, ZWE 2017, 273, Leitsatz 3 und Rn. 33 bei juris). Dies ist hier geschehen.
4. Richtig ist auch, dass weder die Umbuchung von 10.000 € von der Instandhaltungsrücklage auf das Girokonto als Ausgabe, noch die Umbuchung von 10.000 € vom Girokonto auf die Instandhaltungsrücklage als Einnahme ausgewiesen wurde. Derartige Umbuchungen sind weder als Einnahmen, noch als Ausgaben der WEG in die Jahresabrechnung einzustellen, da alleine durch die Umbuchung das Gesamtvermögen der WEG unberührt bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 04.12.2009 – VZR 44/09, NJW2010, 2127, Rn. 15 bei juris; T. Spielbauer, in; Spieibauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 28, Rn. 39, 40).
5. Allerdings entspricht die Feststellung des Abrechnungssaldos sowohl der Gesamtabrechnung, als auch der darauf basierenden Einzelabrechnungen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Weil bei der Ermittlung des Gesamtabrechnungssaldos nur die Zuführung des Betrages von 10.000,00 € zur Rücklage – neben den nach dem Wirtschaftsplan geschuldeten und vorausgezahlten 5.000,00 € – ausgewiesen wurde, nicht aber auch die Entnahme des Betrages von 10.000,00 € von der Instandhaltungsrücklage, ist der ausgewiesene Gesamtabrechnungssaldo im Ergebnis falsch. Indem der Verwalter die Verwendung des Betrages von 10.000,00 € zur Begleichung von Ausgaben hier nicht ausgewiesen hat, wurde folgende Situation geschaffen: Für die WEG wurden im Wirtschaftsjahr 2016 Gesamtausgaben in Höhe von 41.031,31 € vermerkt. Diese wurden über die Einzelabrechnung anteilig auf alle Wohnungseigentümer nach Miteigentumsanteilen verteilt, wären von den Wohnungseigentümern also über die Abrechnungsspitze als Ergebnis der Jahresabrechnung voll zu tragen. Dies lässt unberücksichtigt, dass ein (erheblicher) Anteil in Höhe 10.000,00 € an den Gesamtausgaben von 41.031,31 € mit dem Betrag bezahlt worden, den der Verwalter zuvor der Instandhaltungsrücklage entzogen hatte. Dabei handelte es sich also um einen Betrag, den die Wohnungseigentümer bereits durch Zahlungen In der Vergangenheit dem Vermögen der WEG zugeführt hatten; die Wohnungseigentümer hätten in dieser Höhe also nicht (erneut) anteilig an den Ausgaben beteiligt werden dürfen. Trotzdem wurden die Wohnungseigentümer im Ergebnis an den Gesamtausgaben der Jahresabrechnung voll beteiligt, als ob der von der Instandhaltungsrücklage entnommene Betrag von 10.000,00 € nicht zur Begleichung der Ausgaben verwendet worden wäre. Zugleich wurden die Wohnungseigentümer an der gesondert ausgewiesenen Zuführung zur Rücklage beteiligt, obwohl dies bereits vom Betrag der Einnahmen umfasst sein müsste, da dieser insbesondere durch die Wohngeldvorauszahlungen der Eigentümer zustandekommt. Diese Darstellung in der Jahresgesamt- und Einzelabrechnung hat zur Folge, dass im Ergebnis der Verbleib eines Betrages von 10.000,00 € unklar ist und die Wohnungseigentümer in Höhe dieses Betrages doppelt belastet werden.
6. Der angefochtene Beschluss über die Jahresgesamt- und Einzelabrechnung ist mithin insgesamt für ungültig zu erklären. Wegen der erheblichen Auswirkungen der dargelegten Diskrepanz auf das Gesamtergebnis der Gesamt- und der Einzelabrechnungen, kann der darüber gefasste Beschluss nicht nur teilweise für ungültig erklärt werden. Die Ungültigkeitserklärung kann zwar gem. § 139 Abs. 1 BGB auf rechnerisch abgrenzbare Teile der Abrechnung beschränkt werden, wenn dies dem hypothetischen Parteiwillen entspricht. Letzteres ist aber in der Regel zu verneinen, wenn Mängel vorliegen, die zu einer nicht mehr oder nur schwer nachvollziehbaren Restabrechnung führen (BGH, Urteil vom 11.05.2012 – V ZR 193/11, NJW 2012, 2648, Rn. 17 bei juris). Dies ist hier der Fall, da im Ergebnis die zweckwidrige Verwendung eines auf der Instandhaltungsrücklage angesparten Betrages zur Begleichung laufender Ausgaben nicht berücksichtigt wurde, der einem Viertel der Gesamtausgaben des gesamten Wirtschaftsjahres entspricht. Dem hypothetischen Interesse der Wohnungseigentümer entspricht in diesem Falle vielmehr eine vollständige neue Rechnungslegung und -prüfung.
7. Auch der Beschluss über die Entlastung der Verwalterin ist infolgedessen für ungültig zu erklären.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
IV.
Der Streitwert wurde gem. § 49a Abs. 1 GKG festgesetzt. Hinsichtlich der Anfechtung von TOP 1 war entsprechend dem Vortrag des Klägers gem. § 49a Abs. 1 S. 2 GKG auf das Fünffache des auf den Kläger entfallenden Anteils abzusteifen (vgl. LG München I, Beschluss vom 10.06.2014 – 36 T 8846/14, ZMR 2015, 61). Hinsichtlich der Anfechtung von TOP 3 ist nach ständiger Rechtsprechung ein Streitwert von 1.000,00 € in Ansatz zu bringen (LG München I, aaO).


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