Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Unterlassung zur Nutzung einer Teileigentumseinheit

Aktenzeichen  483 C 15978/18 WEG

Datum:
17.1.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 51892
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1004 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, in der ihr gehörenden Teileigentumseinheit Nr. 19 laut Aufteilungsplan, WEG Plinganserstraße 132, 81369 München, eine Wohnraumnutzung durchzuführen oder durchführen zu lassen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt. 

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts München als Wohnungseigentumsgericht folgt aus §§ 23 Nr. 2c GVG, 43 Nr. 2 WEG.
2. Die Klägerin hat ggü. der Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der Teileigentumseinheit Nr. 19 zu Wohnzwecken gem. §§ 1004 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 und Nr. 2 WEG.
Nach § 15 Abs. 3 WEG kann die Klägerin einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.
Zwar ist jeder Wohnungs- und Teileigentümer berechtigt, mit den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben zu verfahren, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, § 13 Abs. 1 WEG. Derartige Rechte können sich insbesondere aus Gebrauchsregelungen der Eigentümer im Sinne von § 15 Abs. 1 WEG ergeben. Insoweit kommen Vereinbarungen gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG und damit auch in der Teilungserklärung getroffene Regelungen, §§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4 Satz 1 WEG, in Betracht.
Ob es sich so verhält, ist durch Auslegung der Teilungserklärung festzustellen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Auslegung von Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung bzw. Teilungserklärung den allgemeinen Grundsätzen für Eintragungsbewilligungen und Grundbucheintragungen unterliegen. Es ist nur auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, und zwar so, wie er sich für den unbefangenen Beobachter als nächstliegende Bedeutung der Teilungserklärung und/oder der Gemeinschaftsordnung ergibt. Damit kommt es also grundsätzlich bei der Auslegung nicht auf den Willen des Erklärenden an, sondern auf das, was jeder gegenwärtige und zukünftige Betrachter als objektiven Sinn der Erklärung ansehen muss. Außerhalb dessen liegende Umstände dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. BGH NZM 2010, 407).
Vor diesem Hintergrund ist zunächst zu berücksichtigen, dass Bezeichnungen in der Teilungserklärung im Zweifel eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinne des § 15 Abs. 1 WEG darstellen. Gebrauchsregelungen sind selbstverständlicher Bestandteil jeder Teilungserklärung. Schon die grundsätzliche Unterscheidung in Wohnungs- und Teileigentum regelt nach § 1 Abs. 3 WEG mit Vereinbarungscharakter, welche Räumlichkeiten zu Wohnzwecken und welche nur zu anderen Zwecken genutzt werden dürfen.
Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klagepartei handelt es sich ausweislich des 4. Nachtrags zur Teilungserklärung vom 14.12.2004 bei der im Eigentum der Beklagten stehenden Sondereigentumseinheit Nummer 19 um Teileigentum, verbunden mit einem Miteigentumsanteil von 11,75/1000, beschrieben als Lager, Büro mit Diele und WC.
Vor diesem Hintergrund stellt eine Wohnnutzung der streitgegenständlichen Einheit der Beklagten eine teilungserklärungswidrige Nutzung dar.
Die Überlassung ihrer Teileigentumseinheit an Mitarbeiter, die über keine anderen Wohnsitze verfügen und die Einheit zum Übernachten nutzen stellt unabhängig davon, ob diese Mitarbeiter familiär verbunden sind oder nicht und unabhängig davon, ob die Wohnnutzung gekennzeichnet ist durch die eigene Gestaltung einer Haushaltsführung sowie den Aufbau sozialer Beziehungen, welche einem klassischen Familienleben entsprechen, Wohnnutzung dar. Diese ist schon deshalb nicht untergeordnet, weil die Mitarbeiter der Beklagten unstreitig ausschließlich in der Einheit der Beklagten wohnen. Die Unterbringung ihrer ansonsten wohnsitzlosen Mitarbeiter stellt keine gewerbliche Nutzung dar, insbesondere ist sie mangels entsprechender heimtypischer Organisationsform nicht mit dem Betrieb eines Flüchtlings- oder Obdachlosenwohnheims vergleichbar.
Zum Sondereigentum gehörende Räume können abweichend von ihrem Bestimmungszweck nur dann anders genutzt werden, wenn die andersartige Nutzung nicht mehr stört oder beeinträchtigt als die bestimmungsgemäße. Nach der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise stellt die beklagtenseits ausgeübte Nutzung gegenüber einer rein gewerblichen Nutzung gemäß der Zweckbestimmung eine intensivere Nutzung dar.
Das größere Störpotential der Nutzung der Einheit Nr. 19 als Büro und Wohnung gegenüber einer reinen Lager- oder Büronutzung ergibt sich schon daraus, dass die mit einer Wohnnutzung einhergehende Nutzung „rund um die Uhr“ mit den möglichen Lärm- und Geruchsbelästigungen für die anderen Einheiten mehr stört als die zulässige gewerbliche Nutzung mit beschränkten Öffnungszeiten.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49 a Abs. 1 GVG unter Berücksichtigung des Wertunterschieds zwischen einer rein gewerblichen und einer gemischtgewerblichen Nutzung, welche das Gericht auf EUR 20.000,00 schätzt.


Ähnliche Artikel


Nach oben