Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Vereinbarung zur Ablösung von Straßenausbaubeiträgen

Aktenzeichen  6 ZB 18.123

Datum:
22.3.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6914
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5 Abs. 9

 

Leitsatz

1 Eine Ablösungsvereinbarung iSv Art. 5 Abs. 9 BayKAG kann nur dann im Rahmen eines Grundstücksgeschäfts getroffen werden, wenn die Gemeinde als Verkäuferin auftritt, da nur sie sich als “Beitragsberechtigte” ihres Rechts begeben kann, künftig entstehende Ausbaubeiträge gegenüber dem Grundstückskäufer mittels Bescheids festzusetzen. Steht dagegen auf der Seite des Verkäufers eine Privatperson, ist eine Ablösungsvereinbarung auch dann nicht möglich, wenn Käufer eine Gemeinde ist. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ob Vertragsparteien wegen möglicherweise zu erwartenden Ausbaubeiträgen von einem Verkehrswert-Gutachten abweichen und sich auf einen niedrigeren Kaufpreis für ein Grundstück einigen, ist auch dann Verhandlungssache im Rahmen des allein dem Privatrecht unterfallenden Kaufvertrags,wenn einer der Vertragspartner eine Gemeinde ist.  (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 3 K 16.229 2017-12-07 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. Dezember 2017 – W 3 K 16.229 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 31.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Denn der innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO‚ auf dessen Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO)‚ liegt nicht vor.
Der Kläger war Eigentümer des bebauten Grundstücks FlNr. 859 der Gemarkung W.‚ welches er mit notariellem Kaufvertrag vom 28. Oktober 2009 zu einem Kaufpreis in Höhe von 114.000‚- Euro an die Beklagte verkauft hat. Das im Rahmen der Verkaufsverhandlungen erstellte Gutachten vom 26. Mai 2009 über den Verkehrswert des Grundstücks hatte unter Berücksichtigung der Marktsituation einen Verkehrswert in Höhe von 145.000‚- Euro ermittelt.
Nachdem die Beklagte den erstmals mit Schreiben vom 26. Januar 2016 erhobenen Anspruch auf Kaufpreisberichtigung in Höhe von 31.000‚- Euro zurückgewiesen hatte‚ ließ der Kläger am 1. März 2016 Leistungsklage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben. Zur Begründung trug der Kläger vor‚ sein Anspruch auf Kaufpreisberichtigung folge aus der Nichtigkeit der im Rahmen des Kaufvertrags getroffenen Ablösungsvereinbarung‚ hilfsweise auf seinem Anspruch auf deren Anpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Der erste Bürgermeister der Beklagten habe im Rahmen der Kaufpreisverhandlungen auf anstehende Straßenausbaubeiträge für die Straßen hingewiesen‚ an denen das Grundstück anliege. Die zu erwartenden Beiträge seien daher von dem vom Gutachter gefundenen Verkehrswert abgezogen worden. Die damit getroffene Ablösungsvereinbarung sei nichtig. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen‚ es sei nicht erkennbar‚ dass zwischen den Parteien tatsächlich eine Ablösungsvereinbarung geschlossen worden sei‚ da ein solcher Abschluss zum einen rechtlich nicht möglich und das Vertragsverhältnis zum anderen tatsächlich rein privatrechtlich ausgestaltet sei.
Der Kläger zeigt keine Zweifel an dem erstinstanzlichen Urteil auf‚ denen in einem Berufungsverfahren weiter nachzugehen wäre.
Soweit der Kläger meint‚ entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne eine (versteckte) Ablösungsvereinbarung auch dann getroffen werden‚ wenn die Gemeinde als Grundstückskäuferin auftrete‚ verkennt er den Charakter einer solchen Vereinbarung und die mit ihre bezweckte Wirkung. Art. 5 Abs. 9 Satz 1 KAG stellt (nur) der Gemeinde – als Beitragsberechtigte im Sinn dieser Vorschrift – in Durchbrechung des grundsätzlichen Verbots von vertraglichen Vereinbarungen über die Erhebung von Abgaben (vgl. dazu: BVerwG‚ U.v. 12.12.2012 – 9 C 12.11 – juris Rn. 11) ein Vorfinanzierungsinstrument zur Verfügung, welches auf die Tilgung der künftigen gemeindlichen Beitragsforderung zielt (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 18 Rn. 61). Der Ablösungsvertrag bewirkt‚ dass die sachliche Beitragspflicht gar nicht erst entsteht‚ indem schon zuvor zu einem Zeitpunkt‚ in dem die Verbesserungs- oder Erneuerungsmaßnahmen noch gar nicht begonnen haben und daher auch die Höhe des dafür anfallenden Aufwands nicht bekannt ist‚ eine abschließende Regelung über die Belastung eines Grundstücks mit Ausbaukosten getroffen wird (vgl. BVerwG‚ U.v. 21.1.2015 – 9 C 1.14 – juris Rn. 10).
Die Ablösung aufgrund eines wirksamen Ablösungsvertrags ist daher eine vorweggenommene Tilgung der Beitragsforderung und bewirkt – auch zu Gunsten eines etwaigen Rechtsnachfolgers im Grundeigentum –‚ dass diese gar nicht erst entsteht. Als Folge einer wirksamen Ablösung verliert grundsätzlich einerseits die Gemeinde das Recht zur Erhebung einer Nachforderung und andererseits der jeweilige Eigentümer die Möglichkeit‚ später im Hinblick auf die Höhe der andernfalls entstehenden Beitragspflicht eine Überzahlung erstattet zu erhalten (Schmitz, a.a.O., Rn. 70).
Dies alles macht deutlich‚ dass eine (öffentlich-rechtliche) Ablösungsvereinbarung im Sinn von Art. 5 Abs. 9 KAG nur dann im Rahmen eines Grundstücksgeschäfts getroffen werden kann‚ wenn die Gemeinde als Verkäuferin auftritt‚ da nur sie sich als „Beitragsberechtigte“ ihres Rechtes begeben kann‚ künftig entstehende Ausbaubeiträge gegenüber dem Grundstückskäufer mittels Bescheids festzusetzen. Der Bürger als Verkäufer kann dagegen den Käufer – auch wenn dies eine Gemeinde ist – nicht davon befreien‚ durch einen Beitragsbescheid zu künftig entstehenden Straßenausbaubeiträgen herangezogen zu werden, weil er nicht „Beitragsberechtigter“ im Sinn von Art. 5 Abs. 9 KAG ist.
Der Sache nach trägt der Kläger vielmehr vor‚ dass die Vertragsparteien im Hinblick auf die künftig erwarteten Ausbaubeiträge den Kaufpreis abweichend vom Ergebnis des Wertgutachtens niedriger festgesetzt haben: es kam somit allein deshalb zu der Kaufpreisreduzierung, weil das Grundstück nach Auffassung der Gemeinde wegen der in naher Zukunft zu erwartenden, von ihr zu tragenden Ausbaubeiträge in nicht unerheblicher Höhe weniger wert gewesen war als der Gutachter angenommen hatte. Eine Tilgungswirkung im Hinblick auf künftig entstehende Beiträge kommt einer solchen Vereinbarung entgegen der Auffassung des Klägers offensichtlich nicht zu; denn die Gemeinde als Grundstückseigentümerin wäre bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen trotz der Reduzierung des Kaufpreises beitragspflichtig geworden.
Das Verwaltungsgericht hat daher diesen Streit der Sache nach zu Recht als rein privatrechtliche Streitigkeit qualifiziert. Denn ob die Vertragsparteien wegen möglicherweise noch zu erwartenden Ausbaubeiträgen von einem Verkehrswert-Gutachten abweichen und sich auf einen niedrigeren Kaufpreis für das Grundstück einigen, ist Verhandlungssache im Rahmen des allein dem Privatrecht unterfallenden Kaufvertrags. Der Umstand, dass eine Gemeinde einer der Vertragspartner ist, macht das Verhandlungsergebnis nicht zu einem öffentlich-rechtlichen Vertragsbestandteil.
Ohne dass es nach alledem hierauf ankäme‚ weist der Senat darauf hin‚ dass dem Kläger der geltend gemachte Zahlungsanspruch auch dann nicht zustünde‚ wenn man mit dem Kläger das Vorliegen einer einem Ablösungsvertrag entsprechenden Vereinbarung unterstellt. Der Kläger selbst trägt vor‚ dieser Vertrag sei nichtig‚ und leitet daraus seinen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Kaufpreisminderung ab. Ein solcher Anspruch wäre jedoch bei Klageerhebung bereits erloschen gewesen. Für Ansprüche aufgrund beitragsrechtlicher Ablösungsvereinbarungen finden die Vorschriften der Abgabenordnung Anwendung (BayVGH‚ U.v. 29.09.2008 – 6 BV 05.3193 – juris). Gemäß Art. 10‚ Art.13 Abs. 1 Nr. 5a KAG i.V.m. § 228 AO beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre (vgl. auch BayVGH‚ U.v. 21.10.2010 – 6 BV 06.3254 – juris Rn. 22). Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres‚ in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO)‚ hier also mit Ablauf des Jahres 2009. Mit Ablauf des Jahres 2014 wäre damit der behauptete Zahlungsanspruch wegen der auf der Grundlage der – unterstellten – nichtigen Ablösungsvereinbarung erfolgten rechtsgrundlosen Kaufpreisreduzierung verjährt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert beruht auf § 47‚ § 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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