Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Voraussetzung für die Gewährung einer Räumungsfrist

Aktenzeichen  7 C 714/20

Datum:
11.8.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41698
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Rosenheim
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 546 Abs. 1, § 569 Abs. 3 Nr. 1
ZPO § 721

 

Leitsatz

Der § 721 ZPO soll den Schuldner davor schützen obdachlos zu werden oder unzumutbaren Ersatzwohnraum beziehen zu müssen. Daher setzt die Gewährung einer Räumungsfrist voraus, dass keine zumutbare Umzugsmöglichkeit besteht, was voraussetzt, dass entweder bereits keine zumutbare Ersatzwohnung vorhanden oder dem Schuldner der Umzug an sich nicht zumutbar ist. Hierfür ist der Schuldner darlegungs- und beweispflichtig. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichtes Rosenheim vom 07.07.2020, Az. 7 C 714/20, wird aufrechterhalten.
II. Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,– €.
IV. Eine Räumungsfrist wird der Beklagten nicht gewährt.

Gründe

Die zulässige Klages war begründet.
A.
Obwohl durch form- und fristgerechten Einspruch der Beklagten der Prozess in die Lage vor Erlass des Versäumnisurteiles zurückversetzt wurde, §§ 338 ff. ZPO, war das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und der Beklagten die weiteren Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
I.
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte aufgrund wirksamer außerordentlicher fristloser Kündigung des Mietverhältnisses einen Anspruch auf Herausgabe der Mietsache, § 546 Abs. 1 BGB.
1. Gemäß § 556b Abs. 1 BGB ist die Miete spätestens bis zum 3. Werktag der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten, nach denen sie bemessen ist. Vorliegend hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des Gerichts im Sinne von § 286 ZPO nachweisen können, dass sie zum Zeitpunkt der Kündigung am 07.04.2020 mit Mietzahlungen von mindestens zwei Brutto-Monatsmieten bzw. für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils der Miete (mehr als eine Brutto-Monatsmiete) nicht in Verzug ist. Vielmehr bestand zum Zeitpunkt der Kündigung am 07.04.2020 ein Mietrückstand in Höhe von 1.640,- €. Soweit die Beklagte Überweisungsträger vorgelegt hat, ergibt sich hieraus nicht, dass ihr Konto damit tatsächlich auch belastet wurde bzw. der entsprechende Betrag von ihrem Konto abgebucht und damit auch auf dem Konto der Klagepartei eingegangen ist.
Das Gericht hat die Beklagte mit Verfügung vom 07.04.2020 darauf hingewiesen, dass sie beweisbelastet ist dafür, dass sie die Mieten tatsächlich gezahlt hat. Die Beklagte hat daraufhin lediglich ein Konvolut von Anlagen vorgelegt, welche aber nicht den streitgegenständlichen Zeitraum betreffen. Auch in der Sitzung am 28.07.2020 erhielt die Beklagte nochmals Gelegenheit hierzu, ergriff diese Möglichkeit indes nicht.
Es besteht daher zur Überzeugung des Gerichtes zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Kündigung ein Mietzinsrückstand in Höhe von 1.640,- €.
Die Beklagte war damit zum Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen fristlosen Kündigung für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder jedenfalls eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug, §§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a, b, 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB.
Es besteht daher der begehrte Räumungsanspruch.
2. Anders als bei einer ordentlichen Kündigung kommt es bei der außerordentlichen fristlosen Kündigung nicht darauf an, ob die Beendigung des Mietverhältnisses für einen Mieter eine Härte bedeutet, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters zu rechtfertigen ist, § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 07.04.2020 war damit wirksam.
II.
Der Beklagten war auch nicht von Amts wegen eine Räumungsfrist zu gewähren, § 721 ZPO.
Im Rahmen der Entscheidung über eine Räumungsfrist nach dieser Vorschrift sind die Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen, wobei nur vorgetragene bzw. gegebenenfalls bewiesene Tatsachen berücksichtigt werden können.
Es besteht dabei kein allgemeiner Grundsatz, wonach das befristete Bestandsinteresse des Schuldners generell höher zu bewerten ist als das Erlangungsinteresse des Gläubigers. Da § 721 ZPO den Schuldner dafür schützen soll obdachlos zu werden oder unzumutbaren Ersatzwohnraum beziehen zu müssen, setzt die Gewährung einer Frist aber voraus, dass keine zumutbare Umzugsmöglichkeit besteht, das heißt, dass entweder bereits keine zumutbare Ersatzwohnung vorhanden oder dem Schuldner der Umzug an sich nicht zumutbar ist. Hierfür – und für seine diesbezüglichen Bemühungen – ist der Schuldner darlegungs- und beweispflichtig (vgl. Schmidt-Futterer, § 721 ZPO, Rn 19 ff.).
Auf Seiten des Mieters sind insbesondere die Lage am Wohnungsmarkt, die Dauer der Mietzeit, der Gesundheitszustand, das Alter, die familiäre Situation, die Zahl der Kinder zu berücksichtigen. Auf Seiten der Klagepartei ist zu berücksichtigen, dass ein erheblicher Zahlungsrückstand der Beklagten besteht. Die Beklagte zahlt seit November letzten Jahres überhaupt keinen einzigen Cent an Miete mehr.
Es mag sein, dass die Beklagte behindert ist und dass derzeit auch eine erhebliche Wohnungsknappheit im zu berücksichtigenden Wohnungsmarkt besteht. Jedoch ist zu sehen, dass die Beklagte mit mehr als acht Monatsmieten in Zahlungsrückstand ist und dies, obwohl das Mietverhältnis erst seit etwa einem Jahr besteht. Unter Berücksichtigung dieser Umstände konnte der Beklagten daher eine Räumungsfrist nicht gewährt werden.
B.
Die Entscheidung über die Kosten fußt auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.


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