Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zweckentfremdung von Wohnraum, Nutzungskonzept Kurzzeitvermietung durch gewerblichen Zwischenmieter, Projektbezogene Wohnnutzung/Arbeiterunterkunft, Fälligerklärung Zwangsgeld und erneute Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  M 9 K 20.4338

Datum:
12.3.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 19922
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZwEWG Art.1 S. 2 Nr. 1, 3 Abs. 2
§§ 13, 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
VwZVG Nr. 3 ZeS, 31, 36

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Anfechtungsklage gegen Ziffer II des streitgegenständlichen Bescheids vom 12. August 2020 ist als Anfechtungsklage gegen die in Ziffer II festgesetzte Zwangsgeldandrohung zu verstehen, § 88 VwGO. Die Klage ist jedoch bereits unzulässig. Die Beklagte hat ausweislich der schriftsätzlichen Ausführungen sowie der Einlassung in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass das angedrohte Zwangsgeld nicht vollstreckt werde. Das Rechtsschutzbedürfnis gegen diese Zwangsgeldandrohung ist mithin entfallen. Eine Umstellung der ursprünglich erhobenen Anfechtungsklage in einer Fortsetzungsfeststellungsklage ist weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung erfolgt.
2. Die im Übrigen erhobene Feststellungsklage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Das in Ziffer 3 des Bescheides vom 6. August 2019 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro ist fällig geworden. Der Kläger war damit zur Zahlung verpflichtet. Die entsprechende Mitteilung der Beklagten vom 12. August 2020 (Ziffer I.) geht daher zu Recht von der Fälligkeit es Zwangsgeldes aus.
Eine erneute Anhörung gemäß Art. 28 BayVwVfG mit Blick auf die Fälligkeitsmitteilung durch die Beklagte am 12. August 2020 war entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht erforderlich, da es sich bei der Fälligkeitsmitteilung schon nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Die Fälligkeit tritt kraft Gesetzes ein, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen ebenfalls vor. Der Grundverwaltungsakt vom 6. August 2019 war wirksam. Die aufschiebende Wirkung wurde nicht angeordnet. Die sofortige Vollziehung der im Bescheid vom 6. August 2019 festgesetzt Unterlassungspflicht ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 ZwEWG. Ohne dass es im Vollstreckungsrecht darauf ankäme, war der Grundverwaltungsakt auch rechtmäßig (M 9 K 19.4581).
Der Nichteintritt der Fälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes hätte vorausgesetzt, dass die Nutzung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung bzw. Kurzzeitvermietung innerhalb von 4 Wochen ab Zustellung des Grundbescheids beendet wird, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG.
Dies ist nicht der Fall. Der Kläger ist seiner Pflicht, die zweckfremde Nutzung des Objekts in Form der gewerblichen Fremdenbeherbergung bzw. Kurzzeitvermietung zu unterlassen und sein Nutzungskonzept als gewerblicher Zwischenvermieter aufzugeben nicht nachgekommen.
Die Zustellung des Grundbescheides erfolgte ausweislich der Postzustellungsurkunde am 14. August 2019 an den Bevollmächtigten des Klägers (Bl. 78 BA). Der Kläger hätte die zweckfremde Nutzung des streitgegenständlichen Objekts bis spätestens Ende September 2019 beenden müssen. Die gesetzte Frist war auch nicht unverhältnismäßig. Auf die Ausführungen im Urteil zum Verfahren M 9 K 19.4581 wird Bezug genommen. Zwar sind die britischen Bewohner nach eigenem und unbestrittenen Vortrag des Klägerbevollmächtigten Ende September 2019 aus dem Objekt ausgezogen und wurde seitens des Klägers mit Schreiben vom 5. Februar 2020 auf Nachfrage der Beklagten ein unbefristeter Mietvertrag beginnend ab dem 1. Oktober 2019 mit sechs Mietern vorgelegt, welche ausweislich der vorgelegten Behördenakten auch melderechtlich erfasst waren. Bestätigt durch die umfangreichen Ermittlungen der Beklagten und den Einlassungen in der mündlichen Verhandlung am 12. März 2021 wurde die zweckfremde Nutzung des Hauses jedoch zu keinem Zeitpunkt nachhaltig beendet. Denn maßgeblich ist insofern darauf abzustellen, dass der Kläger das von ihm gelebte Nutzungskonzept, als gewerblicher Zwischenvermieter Wohnraum für zweckgebundene, vorübergehende Aufenthalte zur Verfügung zu stellen, zu keinem Zeitpunkt dauerhaft aufgegeben hat. Zudem ist er der ihm insofern obliegenden Pflicht, eine Dauerwohnnutzung sicherzustellen nicht in ausreichendem Umfang nachgekommen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die umfangreiche Begründung der Beklagte im Bescheid vom 12. August 2020 Bezug genommen. Ergänzend gilt Folgendes:
Auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Fälligkeitsmitteilung bzw. des Bescheiderlasses war das Nutzungskonzept des Klägers weder erkennbar und nachprüfbar darauf ausgerichtet eine dauerhafte Verlegung des Lebensmittelpunktes der Bewohner zu erzielen noch ist der Kläger in ausreichendem Maße seiner Verpflichtung nachgekommen, eine dauerhafte Verlegung des Lebensmittelpunktes der Mieter sicherzustellen. Unter Berücksichtigung der schriftlichen Einlassungen des Klägerbevollmächtigten sowie dem Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung am 12. März 2021 gewinnen konnte, kommt das Gericht schon zu dem Schluss, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt von seinem Nutzungskonzept als gewerblicher Zwischenvermieter für zweckgebunden entstehenden Wohnraumbedarf Abstand nehmen wollte. Dies wird auch durch die bei den Ortseinsichten tatsächlich vorliegenden Umstände bestätigt, wonach offensichtlich und auch seitens des Klägers unbestritten innerhalb weniger Monate kurzfristige Bewohnerwechsel stattgefunden haben und eine Arbeiterunterkunft für ausländische Mitarbeiter der Firma … etabliert wurde, welche sich größtenteils untereinander nicht kannten. Dass die tatsächliche Nutzung des Objekts dem Zweckentfremdungsrecht zuwiderlief war und ist ausweislich der vorgelegten Akten mithin unstreitig. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger mit Abschluss des Mietvertrages datiert auf den 25. September 2019 objektspezifisch Dauerwohnen ermöglichen wollte, so ist er seiner Pflicht, im Rahmen seines Nutzungskonzepts die dauerhafte Verlegung des Lebensmittelpunktes der Bewohner soweit wie möglich sicherzustellen, nicht in ausreichendem Umfang nachgekommen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Kläger im Unterschied zu vorherigen Mietverträgen in dem vorgelegten Mietvertrag datiert auf den 25. September 2019 dieses mit den Mietern unbefristet geschlossen hat, das ordentliche Kündigungsrecht zeitweise ausgeschlossen hat, festgeschrieben ist, dass eine Untervermietung sowie ein Wechsel der Bewohner nicht erlaubt ist und auf das Zweckentfremdungsverbot der Landeshauptstadt München sowie die Meldepflicht der Bewohner hingewiesen hat. Das konkrete Nutzungskonzept des Klägers, die von ihm festgelegten Rahmenbedingungen und seine Stellung als gewerblicher Zwischenvermieter begründen jedoch nach wie vor eine hinreichende Nähe zur Gefahr der fortwährenden Zweckentfremdung, die auch nicht aufgrund eines rein formal festgeschriebenen Verbots der zweckfremden Nutzung im Untermietvertrag entfällt. Die seitens des Klägers ergriffenen, im Ergebnis rein formalen Maßnahmen reichen nach Auffassung der Kammer nach wie vor nicht aus, um den Sicherstellungspflichten insbesondere mit Blick auf die bereits nach außen erkennbaren Umstände (Miethöhe, Zahlung der Miete durch den Arbeitgeber, sechs Personen, wenn auch Paare, in einem ca. 130 qm Wohngebäude) und die Objekthistorie nachzukommen. Bereits der Umstand, dass die Miete für das Objekt mit 3.490 Euro im obersten Bereich angesiedelt ist und die Bezahlung derselben durch den Arbeitgeber der Mieter erfolgt ist, ist Anzeichen genug dafür, dass betreffend die Objektnutzung kurzfristigem und erhöhtem Wechselbedarf nachgekommen werden sollte bzw. ein solcher mit gewisser Wahrscheinlichkeit im Raum stand. Es wäre im Übrigen Aufgabe des Klägers gewesen, die Parameter und Konditionen der Vermietung derart zu gestalten, dass sich Personen, die planen, ihren Lebensmittelpunkt auf Dauer und im Sinne einer „Heimstatt im Alltag“ zu begründen, durch das Nutzungskonzept des Klägers angesprochen fühlen. Dies hat der Kläger weder sichergestellt noch hat er im Rahmen der Nutzung durch die Bewohner eine Überprüfung vorgenommen, dass das Objekt weiterhin durch die angegebenen und gemeldeten Mieter genutzt wird. Nicht nachvollziehbar sind dabei die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten, der Kläger habe nicht überprüfen können und dürfen, ob die genannten Mieter nach wie vor in dem Objekt wohnen. Die angegebenen Einzelpersonen waren Partei des Mietvertrages. Ausweislich des Mietvertrages steht dem Kläger unter 7. ein Betretungsrecht mit Blick auf das Mietobjekt zu (Bl. 122b BA). Dem Kläger steht ausweislich des Mietvertrages sogar ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zu, sollte das Objekt vertragswidrig genutzt werden (2.2. des Mietvertrages). Allein deshalb muss er die Nutzung des Objekts überprüfen können. Darüber hinaus war dem Kläger bekannt, dass ein zweckentfremdungsrechtliches Verfahren nach wie vor im Raum stand. Es hätte für den Kläger naheliegen und auch in seinem Interesse sein müssen, die Dauerwohnnutzung mit Blick auf das streitgegenständliche Objekt zu überprüfen, so er eine solche mit dem Abschluss des Mietvertrages von vornherein angestrebt hat.
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es im Rahmen von sicherheitsrechtlichen Anordnung und in diesem Zusammenhang stehenden Vollstreckungshandlungen nicht auf ein Verschulden des in Anspruch genommenen Störers ankommt. Sinn und Zweck etwaiger Anordnungen und damit verbundenen Zwangsgeldern ist die Abwehr der Gefahr für eine ausgeglichene Wohnraumbilanz und den allgemeinen Wohnungsmarkt. Um dieser Gefahr zu begegnen, wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, den Nachweis zu erbringen, dass bereits das von ihm verwirklichte Nutzungskonzept erkennbar und nachprüfbar auf eine dauerhafte Verlegung des Lebensmittelpunktes ausgelegt ist und diese auch durch entsprechende Rahmenmaßnahmen sichergestellt wird. Dies hat der Kläger nicht getan (s.o).
Dass die Bewohner des Objekts noch im August 2020 nach Bescheiderlass ausgezogen sind und der Wohnraum inzwischen nach unstreitigem Vortrag der Beteiligten dauerhaft vermietet ist, schadet mit Blick darauf, dass es sich bei der Pflicht zur Beendigung der Zweckentfremdung vollstreckungsrechtlich um eine Unterlassungspflicht handelt (z.B. BayVGH, B.v. 12.8.2017 – 12 CS 17.1544 – juris) nicht, Art. 37 Abs. 4 VwZVG.
Nach alledem wird die Klage abgewiesen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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