Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zweitwohnungsbedarf als Grund der Eigenbedarfskündigung

Aktenzeichen  14 S 9552/17

Datum:
24.1.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6606
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 573 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Macht der Vermieter im Rahmen einer Eigenbedarfskündigung einen Zweitwohnungsbedarf geltend, ist das Gericht nicht auf eine reine Missbrauchskontrolle im Sinne des § 242 BGB beschränkt, sondern ein berechtigtes Interesse kann auch bereits auf der Tatbestandsebene des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB verneint werden, da vernünftige Gründe vorliegen müssen, die seinen Wunsch an der Wohnung oder Überlassung der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die bloße „Verbesserung des Zweitwohnbedarfes“ ist nicht als berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB anzuerkennen, wenn es sich letztlich um eine in keinster Weise nachvollziehbare und im Bereich der völligen Beliebigkeit liegende Kündigung handelt, die angesichts der bisherigen zeitlichen Nutzung der im gleichen Anwesen gelegenen Zweitwohnung nicht im Ansatz von vernünftigen Interessen getragen ist. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

416 C 11225/16 2017-06-21 AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Amtsgerichts München vom 21.06.2017 (Az. 416 C 11225/16) abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten gemäß Mietvertrag vom 27.07.2009 über die Wohnung in der … München weder durch Kündigung der Beklagten vom 14.04.2016 noch durch die Kündigung vom 18.05.2016 wirksam beendet wurde.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg. Auch die von der Beklagten mit Schreiben vom 14.04.2016 ausgesprochene Eigenbedarfskündigung ist unwirksam und hat das Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet. Auf den Antrag des Klägers war die Unwirksamkeit dieser Kündigung entsprechend festzustellen. Soweit der Kläger in seiner schriftlichen Berufungsbegründung zunächst darüber hinausgehend auch noch beantragte, die Kammer habe festzustellen, dass das Mietverhältnis ungekündigt fortbestehe, hat er auf entsprechenden Hinweis in der mündlichen Verhandlung diesen Antrag nicht mehr gestellt und die Berufung insoweit zurückgenommen.
1) Die Berufung ist zulässig. Zwar unterliegt der bestimmende Schriftsatz der Berufungsbegründung nach §§ 520 Abs. 1, 130 Nr. 6, 78 Abs. 1 ZPO dem Anwaltszwang, weshalb die notwendigen Prozesshandlungen unter eigener Verantwortung des als Prozessbevollmächtigten bestellten Rechtsanwaltes selbst vorzunehmen sind (Zöller/Althammer, 32 Aufl. § 78 ZPO Rn. 16). Diese Voraussetzungen sind aber vorliegend erfüllt. Wie der in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 24.01.2018 persönlich anwesende Kläger angegeben hat, sei zwar die Berufungsbegründung von ihm selbst verfasst worden, sein anwaltlicher Vertreter habe diese jedoch überarbeitet, korrigiert und sodann selbstverantwortlich unterschrieben. Das Gericht hat keine Veranlassung, an den diesbezüglichen Angaben des Klägers zu zweifeln, zumal dieser – wie auch an seinen sonstigen Schreiben und Schriftsätzen erkennbar – bis ins allerletzte Detail überkorrekt und präzise vorträgt. Die Berufungsbegründung muss im Anwaltsprozess vom Rechtsanwalt nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben, jedoch nicht von ihm verfasst worden sein (BGH NJW 1989, 3022; BGH MDR 2005, 1427). Diesen Anforderungen der Rechtsprechung wird die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unterzeichnete Berufungsbegründung vom 22.09.2017 damit offensichtlich gerecht.
2) Die Klage ist zulässig, auch ist das Feststellungsinteresse des Klägers gemäß § 256 Abs. 1 ZPO vorliegend nicht durch die Erhebung der Räumungsklage vor dem Amtsgericht München unter dem Aktenzeichen 453 C 17754/16 entfallen. Zwar kann das ursprünglich vorliegende Feststellungsinteresse einer negativen Feststellungsklage dann entfallen, wenn der Gegner wegen der identischen Ansprüche Leistungs-(wider)klage erhebt, jedoch gilt das ursprünglich vorliegende Feststellungsinteresse so lange fort, bis über die neue Klage streitig verhandelt wurde, diese also gemäß § 269 Abs. 1 ZPO nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann (BGH NJW 1994, 3107, 3108; BGH NJW-RR 2013, 1105). Im oben genannten Parallelverfahren wurde seitens des Amtsgerichts zwar ursprünglich ein Verhandlungstermin auf den 07.02.2017 bestimmt, dieser Termin jedoch später wieder aufgehoben und das Verfahren ausgesetzt. Damit liegt nach wie vor ein Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO vor, auch nachdem die Beklagte sich ausdrücklich auf die Wirksamkeit der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung beruft.
3) Die Eigenbedarfskündigung der Beklagten vom 14.04.2016 hat das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis nicht beendet. Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles kann die Kammer ein berechtigtes Interesse gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht erkennen.
a) Gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seinen Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushaltes benötigt. Während noch unter dem bis 1960 geltenden § 4 MSchG eine Aufhebung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfes nur dann in Betracht kam, wenn der Vermieter ein dringendes eigenes Interesse an der Raumerlangung hatte, reichte nach dem mit Gesetz vom 18.12.1974 in das BGB eingefügten – dem heutigen § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB inhaltsgleichen – § 564 b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 1 BGB a.F. das schlichte „benötigen“ der Räumlichkeiten als Wohnraum zur Begründung der Eigenbedarfskündigung aus. Der Bundesgerichtshof hat bereits 1988 in einem Rechtsentscheid zu § 564 b BGB entschieden, dass allein der Wille des Vermieters, in den Räumen wohnen zu wollen oder eine begünstigte Person dort wohnen zu lassen, nicht genügt. Der Vermieter müsse vielmehr darüber hinaus „vernünftige, nachvollziehbare Gründe“ für die Annahme von Eigenbedarf haben, während ein Mangel an Wohnraum gerade nicht Voraussetzung für das Entstehen des Kündigungsrechtes sei. Durch die Beschränkung des Kündigungsrechtes auf „berechtigte Interessen des Mieters“ soll der Mieter vor willkürlichen Kündigungen geschützt werden. Die Wohnung stellt für ihn einen Lebensmittelpunkt dar. Jeder Wohnungswechsel bringt für ihn erhebliche Unzuträglichkeiten in persönlicher, familiärer, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht mit sich. Der Vermieter soll daher nicht berechtigt sein, den Mietvertrag ohne beachtliche Gründe zu kündigen (RegE BT/Drs 7/2011, S. 7). Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 14.02.1989 (BVerfG NJW 1989, 970) diese Rechtsprechung gebilligt und ausgeführt: „Der Wunsch des Vermieters, eine bestimmte Wohnung zu nutzen, lässt sich nicht ausschließen oder in erster Linie an objektiven Kriterien messen. Es hängt vielmehr eng mit dem bisherigen Lebensweg eines Menschen, seinen Zukunftsplänen und seinen persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen zusammen.“ Die Fachgerichte haben aber, so das BVerfG, sämtlichen vom Mieter vorgetragenen Gesichtspunkten nachzugehen, welche Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Selbstnutzungswunsches begründen, weil vorgeschobene Kündigungen keinen Schutz verdienen würden. Eine weitere Grenze des Erlangungswunsches bilde danach der Missbrauch (BVerfG NJW 1989, 970, 971).
b) Diese Rechtsprechung hat der BGH in jüngerer Zeit fortgeführt und wiederholt klargestellt, die Gerichte hätten grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen sieht. Sie seien daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters oder seiner Angehörigen zu setzen (zuletzt BGH NJW 2015, 1790). Der vom Vermieter geltend gemachte Wohnbedarf sei danach nicht auf Angemessenheit, sondern nur auf Rechtsmissbrauch zu überprüfen. Die Wertung, ob der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, haben die Gerichte unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen (BGH NJW 2015, 1590 Leitsatz 2). Auch der von der Beklagten geltend gemachte Zweitwohnungsbedarf ist höchstrichterlich grundsätzlich als berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB anerkannt (BVerfG NJW 2014, 2417; BGH NZM 2017, 846). Ob der Zweitwohnungswunsch ernstlich verfolgt wird und auf nachvollziehbaren Gründen beruht, ist jedoch ebenfalls anhand aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (BGH NZM 2017, 846 unter Rn. 3)
Gemessen an diesen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung sieht die Kammer vorliegend schon kein berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB an der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung. Selbst wenn man den Zweitwohnungsbedarf der Beklagten im Hinblick auf die Entscheidung des BGH in NJW 2015, 1590 lediglich unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbräuchlichkeit überprüfen können dürfte, wäre ein Rechtsmissbrauch unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles im Ergebnis zu bejahen. Die Kammer geht allerdings davon aus, dass sie im vorliegenden Fall nicht auf eine reine Missbrauchskontrolle im Sinne des § 242 BGB beschränkt ist, sondern ein berechtigtes Interesse auch bereits auf der Tatbestandsebene des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB verneinen kann. Denn wie der BGH ausgeführt hat, ist allein der Wille des Vermieters, in den eigenen Räumen zu wohnen für eine Kündigung nicht ausreichend. Er muss vielmehr vernünftige Gründe angeben und haben, die seinen Wunsch an der Wohnung oder Überlassung der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen (BGH NJW 1988, 904).
c) Der hier zu entscheidende Fall unterscheidet sich von den bisher zu Zweitwohnungs-Kündigungen veröffentlichten Urteilen dadurch, dass die Beklagte bereits eine Zweitwohnung in dem streitgegenständlichen Anwesen innehat und gemäß den Gründen der ausgesprochenen Kündigung lediglich eine Vergrößerung und Aufhellung (Verbesserung) ihres Zweitwohnungsbedarfes geltend macht. Dieser Wunsch allerdings ist angesichts des Alters der Beklagten und ihres Ehemannes, der Entfernung zum Hauptwohnsitz und des von ihr selbst eingeräumten zeitlichen Umfangs der Nutzung als unvernünftig, sachfremd und willkürlich anzusehen:
aa) Das von der Rechtsprechung entwickelte Kriterium der vernünftigen und nachvollziehbaren Gründe bedeutet, dass man die Entscheidung über den Ausspruch der Eigenbedarfskündigung auch unter dem Gesichtspunkt der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gem. Art. 14 GG nicht der völligen Beliebigkeit des Vermieters unterstellt. Die Beklagte hat in ihrer Eigenbedarfskündigung vom 14.04.2016 u.a. ausgeführt, die bisher von ihr als Zweitwohnung bewohnte 2-Zimmer-Wohnung sei zu klein, sie habe sich dort nicht mehr wohlgefühlt. Sie wünsche, auch aus familiären Gründen, eine Intensivierung des Kontakts zu ihrer Tochter und möchte wieder mehr am Kulturleben in M. teilnehmen. Außerdem sei die Wohnung relativ dunkel, was sich durch den Neubau des Rückgebäudes noch verstärkt habe. Dies allein sind die Gründe für die Beklagte, um eine Eigenbedarfskündigung für die 3-Zimmer-Wohnung des Klägers im 5. Stock auszusprechen. Soweit die Kündigung mit der geringen Größe der jetzt bewohnten Zweitwohnung begründet wird, muss sich die Beklagte – auch wenn der Vorgang 10 Jahre zurückliegt – vorhalten lassen, dass sie 2006 eine gleich helle 3-Zimmer-Wohnung im 1. Stock des Anwesens …, die sie von 2001 bis 2006 als Zweitwohnung bewohnt hatte, freiwillig aufgegeben hat und in die Erdgeschosswohnung gezogen ist. Die Beklagte hat den damaligen Entschluss für die Verkleinerung der Zweitwohnung damit begründet, dass ihr die damalige Wohnung im ersten Stock „zu groß“ war (Berufungserwiderung vom 22.01.2018, S. 6). Dass sie nunmehr 10 Jahre später den Entschluss fasst, wieder in eine größere Wohnung umzuziehen, weil ihr die derzeitige Wohnung als zu klein erscheint, obwohl sie sich nach eigenen Angaben lediglich ein- bis zweimal monatlich jeweils für ein bis zwei Tage in der Erdgeschosswohnung aufhält, ist bereits objektiv nicht nachvollziehbar und der Erlangungswunsch damit nicht vernünftig.
bb) Auch reicht der bloße Wunsch der Beklagten, künftig mehr Zeit in M. zu verbringen, kulturelle Aktivitäten zu intensivieren und den Kontakt mit der Familie zu suchen, alleine für den Ausspruch der Kündigung nicht aus (vgl. hierzu schon oben unter Hinweis auf BGH NJW 1988, 904, 905). Vorliegend wurde die Erdgeschosswohnung in den letzten 10 Jahren überwiegend – wenn auch nicht ausschließlich – für Wochenendbesuche der Beklagten und ihres Ehemannes dann genutzt, wenn dieser Heimspiele des FC Bayern besuchte. Diese Dauerkarte gab der Zeuge Rieger indes nach dem insoweit unstreitigen Vortrag des Klägers bereits Anfang 2016 und damit vor Ausspruch der Kündigung zurück. Nach den eigenen Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2017 wird die Zweitwohnung von der Beklagten und ihrem Ehemann ca. ein- bis zweimal monatlich und dann jeweils für ein bis zwei Nächte benutzt (Protokoll vom 09.04.2017, S. 3). Auch die Tochter der Beklagten, die Zeugin … hat insoweit angegeben, dass sich ihre Mutter lediglich 2 bis 3 Nächte pro Monat in der streitgegenständlichen Wohnung aufhalte, auch wenn sie sich „wünschen“ würde, mehr Zeit dort zu verbringen (Protokoll vom 19.04.2017, S. 4). Die Besuche der Beklagten und ihres Ehemannes bei der Tochter fanden und finden – so die Aussage der Tochter – nahezu ausschließlich in V. statt. Angesichts dieser objektiv gegebenen und durch die Aussagen der Zeugen sowie die Angaben der Beklagten selbst dargelegten Umstände des Einzelfalles (Rückgabe der Dauerkarte für den FC Bayern durch den Ehemann der Beklagten Anfang 2016, Abgabe der Hausverwaltung im Jahr 2012 sowie dem Lebensalter der Beklagten und ihres Ehemannes) ist der Wunsch der Beklagten nach einer Intensivierung der Aufenthalte in M. auch angesichts des fortschreitenden Alters und der bereits in den letzten Jahren sich immer mehr reduzierenden Aufenthalte in M. nicht objektivierbar und auch nach der Lebenserfahrung nicht vernünftig. Auch unabhängig von der nach Zugang der Kündigung aufgetretenen schweren Erkrankung des Ehemannes der Beklagten ist der bloße Wunsch der Beklagten angesichts der objektiven Gegebenheiten, insbesondere des Alters der Beklagten und ihres Ehemannes sowie der beschwerlichen Anfahrt vom Hauptwohnsitz in Oberösterreich nach er Lebenserfahrung nicht zu realisieren. Der Wunsch der Beklagten nach einer größeren Wohnung zur Intensivierung der Kontakte in M. ist damit nicht vernünftig und auch nicht nachvollziehbar.
cc) Auch der Wunsch nach einer helleren, im 5. Stock gelegenen Wohnung beruht vorliegend angesichts eines durchschnittlichen Aufenthalts vor Ausspruch der Kündigung von ein bis zwei Tagen, ein- bis zweimal monatlich nicht auf vernünftigen, nachvollziehbaren Gründen. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Beklagte 2006 freiwillig in die dunklere Erdgeschosswohnung gezogen ist, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt eine geräumige und hellere 3-Zimmer-Wohnung im gleichen Anwesen als Zweitwohnung vor hielt. Darüber hinaus ist unstreitig, dass das Schlafzimmer und das Wohnzimmer der jetzt von der Beklagten bewohnten Erdgeschosswohnung von der Verdunklung durch den Anbau im Innenhof nicht betroffen sind, sondern lediglich die zum Innenhof gelegene Küche der Wohnung durch den Anbau verdunkelt wurde. Diese Nachteile wurden aber umgekehrt dadurch wieder etwas kompensiert, dass in die von der Beklagte genutzten Wohnung ein größeres Fenster sowie eine Terrasse bzw. ein Balkon angebaut wurde. Die Verdunkelung der Wohnung ist damit andererseits durch einen Qualitätsgewinn der Wohnung auch teilweise kompensiert. Auch hier ist zu konstatieren, dass angesichts der geringen Nutzung der Zweitwohnung (im Schnitt maximal 4 Nächte pro Monat) der Wunsch nach einer helleren Wohnung unter Verdrängung der Besitzrechte des Mieters nicht nachvollziehbar ist.
d) Soweit die Berufungserwiderung der Beklagten vom 22.01.2018 neuen Sachvortrag enthält, kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass dieser unstreitig werden wird. Soweit ausgeführt wird, der Ehemann der Beklagten sei gebrechlicher geworden und aus diesem Grund sei jetzt in der Hauptwohnung ein Pflegebett aufgestellt worden und diese Anschaffung ist auch für die Münchner Wohnung geplant, aber aus Platzgründen in der kleineren Wohnung nicht machbar, ändern diese nachträglich entstandenen Gründe nach § 573 Abs. 3 S. 2 BGB nichts an den vorstehenden Ausführungen, wonach der bloße Wunsch mehr Zeit in M. zu verbringen, kein vernünftiges und nachvollziehbares Interesse begründen kann. Soweit ausgeführt wird, ab Sommer 2018 werde die Enkelin … der Beklagten, die sonst in Rotterdam studiere, ein halbjähriges Praktikum in M. absolvieren, so sind diese Angabe einerseits in zeitlicher Hinsicht zu unsubstantiiert und andererseits auch aus Rechtsgründen nicht geeignet, hierauf eine Eigenbedarfskündigung zu stützen (BGH NJW 2015, 1590 unter Rn. 33: bei beabsichtigter vorübergehender Nutzung regelmäßig mindestens die Dauer von 1 Jahr).
Weitere Kündigungen wurden nicht ausgesprochen.
Nach alledem vermag die Kammer auch unter Berücksichtigung der sehr großzügigen Rechtsprechung die bloße „Verbesserung des Zweitwohnbedarfes“ jedenfalls im vorliegenden Fall unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nicht als berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB anzusehen. Es handelt sich letztlich um einen in keinster Weise nachvollziehbare und im Bereich der völligen Beliebigkeit liegende Kündigung, die angesichts der bisherigen zeitlichen Nutzung der im gleichen Anwesen gelegenen Zweitwohnung nicht im Ansatz von vernünftigen Interessen getragen ist. Ob darüber hinaus auch die Beweisaufnahme zu wiederholen gewesen wäre, weil der Eigenbedarf – wie vom Kläger behauptet – lediglich vorgeschoben war, bedarf damit keiner Entscheidung mehr. Die Kündigung vom 14.04.2016 ist damit schon aus Rechtsgründen unwirksam, weil ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht vorliegt.
Auf die Berufung des Klägers war daher das Endurteil des Amtsgerichts München insoweit abzuändern und die Unwirksamkeit auch dieser Kündigung festzustellen. Zur Klarstellung hat die Kammer den Tenor insgesamt neu gefasst.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10. Soweit der Kläger seine Berufung hinsichtlich des Annex-Antrages zurückgenommen hat, kam diesem keine eigenständige rechtliche oder wirtschaftliche Bedeutung zu.
IV. Eine Zulassung der Revision war nicht geboten. Der Begriff des Benötigens im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist höchstrichterlich geklärt, es handelt sich vorliegend um eine absolute Einzelfallentscheidung, der die Verbesserung eines Zweitwohnungsbedarfes zugründe liegt (vgl. zur Revisionszulassung BGH NZM 2017, 846).

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