Aktenzeichen 19 W (pat) 3/21
Tenor
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 11 2014 000 895.8
…
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 11. Mai 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, des Richters Dipl.-Ing. Müller, der Richterin Dorn sowie des Richters Dipl.-Phys. Dr. Haupt beschlossen:
Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G01M des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Februar 2019 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung auf der Grundlage der Unterlagen gemäß Hilfsantrag vom 11. Mai 2022 an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I.
1
Die Patentanmeldung 11 2014 000 895.8 mit der Bezeichnung „Optische Vorrichtung“ beruht auf der die Prioritäten der japanischen Patentanmeldungen JP 2013-030238 vom 19. Februar 2013 und JP 2013-082670 vom 11. April 2013 beanspruchenden, am 12. Februar 2014 eingereichten internationalen Anmeldung PCT/JP2014/053218, für die am 19. August 2015 die nationale Phase vor dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingeleitet worden ist.
2
Das DPMA – Prüfungsstelle für Klasse G01M – hat die Anmeldung mit am Ende der mündlichen Anhörung vom 28. Februar 2019 verkündetem Beschluss zurückgewiesen. In der Begründung vom 28. November 2020 ist ausgeführt, dass die beanspruchte Glasplatte nach dem geltenden Patentanspruch 1 in den gesamten Anmeldeunterlagen nicht so deutlich und ausreichend offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen bzw. nachbauen könne, ohne selbst erfinderisch tätig werden zu müssen.
3
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 4. Januar 2021 beim DPMA eingegangene Beschwerde der Anmelderin.
4
Sie beantragt zuletzt,
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den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G01M des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Februar 2019 aufzuheben und das nachgesuchte Patent auf der Basis der dem Beschwerdeschriftsatz vom 4. Januar 2021 beigefügten Unterlagen zu erteilen,
6
hilfsweise auf der Basis folgender Unterlagen:
7
Patentansprüche 1 bis 12, dem Bundespatentgericht überreicht in der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 2022,
8
zuzüglich ggf. anzupassender Beschreibung und Zeichnungen.
9
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
10
Glasplatte (210; 560), welche ausgelegt ist zum Anordnen an einer Seite einer Anzeigefläche einer Anzeigevorrichtung (510),
11
wobei die Glasplatte (210; 560) eine erste Fläche (212; 562) aufweist, die eine Blendschutz-Eigenschaft hat, und eine zweite Fläche (214; 564) aufweist, die der ersten Fläche (212; 562) gegenüberliegend ist,
12
wobei, wenn die Glasplatte (210; 560) unter Verwendung von drei Index-Werten, einem Auflösung-Indexwert T, einem Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-Indexwert R und einem Glanz-lndexwert S bewertet wird, die nach folgenden Verfahren quantifiziert werden,
13
Auflösung-Indexwert T ≤ 0,2,
14
Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R ≥ 0,2 und
15
Glanz-lndexwert S ≤ 60 erfüllt sind,
16
wobei für den Auflösung-lndexwert T ein erster Lichtstrahl (262) von einer Seite der zweiten Fläche (214; 564) der Glasplatte (210; 560) in einer Richtung eingestrahlt wird, die parallel zu einer Dickenrichtung der Glasplatte (210; 560) ist, eine Richtung eines Winkels von 0°, und die Helligkeit eines transmittierten Lichtstrahls (264), der von der ersten Fläche (212; 562) transmittiert wird, der als transmittierter 0°-Lichtstrahl bezeichnet wird, gemessen wird, ein Lichtempfangswinkel des Empfangens des ersten Lichtstrahls in Bezug auf die erste Fläche (212; 562) der Glasplatte (210; 560) in einem Bereich von -90° bis +90° verändert wird, die Helligkeit aller transmittierten Strahlen, die von einer Seite der ersten Fläche (212; 562) transmittiert werden, gemessen wird und der Auflösung-lndexwert T aus folgendem Ausdruck (1) berechnet wird:
17
Auflösung-Indexwert T =
18
(die Helligkeit aller transmittierten Strahlen – die Helligkeit des transmittierten 0°-Lichtstrahls) / (die Helligkeit aller transmittierten Lichtstrahlen) Ausdruck (1),
19
wobei für den Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-Indexwert R ein zweiter Lichtstrahl (362) von der Seite der ersten Fläche (212; 562) der Glasplatte (210; 560) in einer Richtung von 45° in Bezug auf die Dicke der Glasplatte (210; 560) eingestrahlt wird, die Helligkeit eines Lichtstrahls (364), der von der ersten Fläche (212; 562) spiegelnd reflektiert wird, der als regelmäßig reflektierter 45°-Lichtstrahl bezeichnet wird, gemessen wird, ein Lichtempfangswinkel des Empfangens des reflektierten Strahls (364), der von der ersten Fläche (212; 562) reflektiert wird, in einem Bereich von 0° bis +90° verändert wird, die Helligkeit aller reflektierten Strahlen, die von der ersten Fläche (212; 562) reflektiert werden, gemessen wird, und der Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-Indexwert R durch folgenden Ausdruck (2) berechnet wird:
20
Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R =
21
(die Helligkeit aller reflektierten Strahlen – die Helligkeit des regelmäßig reflektierten 45°-Strahls) / (die Helligkeit aller reflektierten Strahlen) Ausdruck (2), und
22
wobei für den Glanz-Indexwert S die Glasplatte (210; 560) an der Seite der Anzeigefläche der Anzeigevorrichtung (510) derart angeordnet ist, dass sich die zweite Fläche (214; 564) an der Seite der Anzeigevorrichtung (510) befindet, eine Fotografie der Glasplatte (210; 560) von der Seite der ersten Fläche (212; 562) aufgenommen wird, um ein Bild zu erhalten, das Bild von der Software EyeScale-4W, ein Produkt von I-System Co., Ltd. analysiert wird, und der Glanz-lndexwert S durch Setzen des ISC-A-Wertes, der von der Software ausgegeben wird, als den Glanz-Indexwert S erhalten wird.
23
Der nach Hilfsantrag vom 11. Mai 2022 geltende Anspruch 1 lautet:
24
Verfahren zum Auswählen einer Glasplatte (210; 560) zum Anordnen an einer Seite einer Anzeigefläche einer Anzeigevorrichtung (510), wobei die Glasplatte (210; 560) eine erste Fläche (212; 562) aufweist, die eine Blendschutz-Eigenschaft hat, und eine zweite Fläche (214; 564) aufweist, die der ersten Fläche (212; 562) gegenüberliegend ist, wobei das Verfahren umfasst:
25
1) Bewerten der Glasplatte (210; 560) unter Verwendung von drei Index-Werten, einem Auflösung-lndexwert T, einem Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R und einem Glanz-lndexwert S, die nach folgenden Verfahren quantifiziert werden:
26
– für den Auflösung-lndexwert T wird ein erster Lichtstrahl (262) von einer Seite der zweiten Fläche (214; 564) der Glasplatte (210; 560) in einer Richtung eingestrahlt, die parallel zu einer Dickenrichtung der Glasplatte (210; 560) ist (eine Richtung eines Winkels von 0°), und die Helligkeit eines transmittierten Lichtstrahls (264), der von der ersten Fläche (212; 562) transmittiert wird (der als transmittierter 0°-Lichtstrahl bezeichnet wird), wird gemessen, ein Lichtempfangswinkel des Empfangens des ersten Lichtstrahls in Bezug auf die erste Fläche der Glasplatte wird in einem Bereich von -90° bis +90° verändert, die Helligkeit aller transmittierten Strahlen, die von einer Seite der ersten Fläche (212; 562) transmittiert werden, wird gemessen und der Auflösung-lndexwert T wird aus folgendem Ausdruck (1) berechnet:
27
Auflösung-lndexwert T =
28
(die Helligkeit aller transmittierten Strahlen – die Helligkeit des transmittierten 0°-Lichtstrahls) / (die Helligkeit aller transmittierten Lichtstrahlen) Ausdruck (1),
29
– für den Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R wird ein zweiter Lichtstrahl (362) von der Seite der ersten Fläche (212; 562) der Glasplatte (210; 560) in einer Richtung von 45° in Bezug auf die Dicke der Glasplatte (210; 560) eingestrahlt, die Helligkeit eines Lichtstrahls (364), der von der ersten Fläche (212; 562) spiegelnd reflektiert wird (der als regelmäßig reflektierter 45°-Lichtstrahl bezeichnet wird), wird gemessen, ein Lichtempfangswinkel des Empfangens des reflektierten Strahls (364), der von der ersten Fläche (212; 562) reflektiert wird, wird in einem Bereich von 0° bis +90° verändert, die Helligkeit aller reflektierten Strahlen, die von der ersten Fläche (212; 562) reflektiert werden, wird gemessen, und der Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R wird durch folgenden Ausdruck (2) berechnet:
30
Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R =
31
(die Helligkeit aller reflektierten Strahlen – die Helligkeit des regelmäßig reflektierten 45°-Strahls) / (die Helligkeit aller reflektierten Strahlen) Ausdruck (2), und
32
für den Glanz-lndexwert S ist die Glasplatte (210; 560) an der Seite der Anzeigefläche der Anzeigevorrichtung (510) derart angeordnet, dass sich die zweite Fläche (214; 564) an der Seite der Anzeigevorrichtung (510) befindet, eine Fotografie der Glasplatte (210; 560) wird von der Seite der ersten Fläche (212; 562) aufgenommen, während die Anzeigevorrichtung in einem Zustand ist, in dem ein Bild angezeigt wird, um ein Bild zu erhalten, das Bild wird von der Software EyeScale-4W (ein Produkt von l-System Co., Ltd.) analysiert, und der Glanz-lndexwert S wird durch Setzen des lSC-A-Wertes, der von der Software ausgegeben wird, als den Glanz-lndexwert S erhalten wird;
33
2) Auswählen der Glasplatte (210; 560) zum Anordnen an einer Seite einer Anzeigefläche einer Anzeigevorrichtung, wenn für die Glasplatte (210; 560) die Bedingungen Auflösung-lndexwert T ≤ 0,2, Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R ≥ 0,2 und Glanz-lndexwert S ≤ 60 erfüllt sind.
34
Wegen des Wortlauts der direkt oder indirekt auf den jeweiligen Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 12 gemäß Haupt- und Hilfsantrag sowie weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II.
35
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das DPMA auf der Grundlage der geänderten Patentansprüche 1 bis 12 gemäß Hilfsantrag vom 11. Mai 2022 führt, weil diese Anspruchsgegenstände noch keiner Prüfung auf Patentfähigkeit durch die Prüfungsstelle unterzogen worden sind (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 PatG).
36
1. Die Anmeldung geht davon aus, dass im Allgemeinen an einer Seite einer Anzeigefläche einer Anzeigevorrichtung, wie einer Flüssigkristallanzeige (Liquid Crystal Display, LCD), eine Abdeckung angeordnet ist, die aus einem transparenten Substrat gebildet ist, so dass sie die Anzeigevorrichtung schützt.
37
Dabei könne das technische Problem auftreten, dass beim Betrachten des angezeigten Bildes durch ein derartiges Abdeckglas an diesem auch die Reflexion eines in der Umgebung angeordneten Gegenstands zu sehen sei. Insbesondere wenn das Abdeckglas im Innern eines Fahrzeugs installiert sei, könne Licht einer starken Lichtquelle, wie beispielsweise Sonnenlicht, reflektiert werden, wodurch es sehr schwierig werden könne, ein angezeigtes Bild zu sehen, und es sei möglich, dass das Fahren beeinträchtigt werde, weil notwendige Informationen nicht gelesen werden könnten. Um zu verhindern, dass eine solche Reflexion auftritt, sei im Stand der Technik beispielsweise ein Verfahren angewendet worden, bei dem ein Blendschutz-Prozess implementiert würde, durch den eine unebene Form auf der Fläche des transparenten Substrats gebildet werde (Seite1, 1. Absatz bis Seite2, 1. Absatz der geltenden Beschreibung).
38
Jedoch seien die für ein im Innern eines Fahrzeugs installiertes Abdeckglas erforderlichen optischen Eigenschaften nicht auf die Verminderung von Reflexionen beschränkt. Häufig könne es erforderlich sein, eine Vielzahl optischer Eigenschaften, wie beispielsweise die Auflösung, Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit bzw. den Glanz gleichzeitig zu berücksichtigen. Für ein transparentes Substrat müsse häufig ein Kompromiss bezüglich der optischen Eigenschaften gefunden werden. Beispielsweise werde im Allgemeinen, um die Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit zu verstärken, der Blendschutz-Prozess auf die Fläche des transparenten Substrats angewandt, dabei könne jedoch die Auflösung herabgesetzt werden.
39
Der Erfindung liege daher die Aufgabe zugrunde, eine optische Vorrichtung bereitzustellen, die eine Auflösung, eine Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit und eine Blendschutz-Eigenschaft aufweise, die geeignet zur Verwendung im Automobilbereich seien (Seite2, vorletzter Absatz bis Seite3, 3. Absatz).
40
2. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt die Anmeldung mit Patentanspruch 1 in der Fassung nach geltendem Hauptantrag eine Glasplatte und in der Fassung nach geltendem Hilfsantrag ein Verfahren zum Auswählen einer Glasplatte vor.
41
Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lässt sich wie folgt gliedern:
42
1 Glasplatte (210; 560), welche ausgelegt ist zum Anordnen an einer Seite einer Anzeigefläche einer Anzeigevorrichtung (510),
43
1.1 wobei die Glasplatte (210; 560) eine erste Fläche (212; 562) aufweist, die eine Blendschutz-Eigenschaft hat, und eine zweite Fläche (214; 564) aufweist, die der ersten Fläche (212; 562) gegenüberliegend ist,
44
1.2 wobei, wenn die Glasplatte (210; 560) unter Verwendung von drei Index-Werten, einem Auflösung-Indexwert T, einem Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-Indexwert R und einem Glanz-lndexwert S bewertet wird, die nach folgenden Verfahren quantifiziert werden,
45
2 Auflösung-Indexwert T ≤ 0,2,
46
3 Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R ≥ 0,2 und
47
4 Glanz-lndexwert S ≤ 60
48
erfüllt sind,
49
2.1 wobei für den Auflösung-lndexwert T ein erster Lichtstrahl (262) von einer Seite der zweiten Fläche (214; 564) der Glasplatte (210; 560) in einer Richtung eingestrahlt wird, die parallel zu einer Dickenrichtung der Glasplatte (210; 560) ist, eine Richtung eines Winkels von 0°, und die Helligkeit eines transmittierten Lichtstrahls (264), der von der ersten Fläche (212; 562) transmittiert wird, der als transmittierter 0°-Lichtstrahl bezeichnet wird, gemessen wird, ein Lichtempfangswinkel des Empfangens des ersten Lichtstrahls in Bezug auf die erste Fläche (212; 562) der Glasplatte (210; 560) in einem Bereich von -90° bis +90° verändert wird, die Helligkeit aller transmittierten Strahlen, die von einer Seite der ersten Fläche (212; 562) transmittiert werden, gemessen wird und
50
2.2 der Auflösung-lndexwert T aus folgendem Ausdruck (1) berechnet wird:
51
Auflösung-Indexwert T =
52
(die Helligkeit aller transmittierten Strahlen – die Helligkeit des transmittierten 0°- Lichtstrahls) / (die Helligkeit aller transmittierten Lichtstrahlen) Ausdruck (1),
53
3.1 wobei für den Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-Indexwert R ein zweiter Lichtstrahl (362) von der Seite der ersten Fläche (212; 562) der Glasplatte (210; 560) in einer Richtung von 45° in Bezug auf die Dicke der Glasplatte (210; 560) eingestrahlt wird, die Helligkeit eines Lichtstrahls (364), der von der ersten Fläche (212; 562) spiegelnd reflektiert wird, der als regelmäßig reflektierter 45°-Lichtstrahl bezeichnet wird, gemessen wird, ein Lichtempfangswinkel des Empfangens des reflektierten Strahls (364), der von der ersten Fläche (212; 562) reflektiert wird, in einem Bereich von 0° bis +90° verändert wird, die Helligkeit aller reflektierten Strahlen, die von der ersten Fläche (212; 562) reflektiert werden, gemessen wird, und
54
3.2 der Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-Indexwert R durch folgenden Ausdruck (2) berechnet wird:
55
Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R =
56
(die Helligkeit aller reflektierten Strahlen – die Helligkeit des regelmäßig reflektierten 45°-Strahls) / (die Helligkeit aller reflektierten Strahlen) Ausdruck (2),
57
und wobei
58
4.1 für den Glanz-Indexwert S die Glasplatte (210; 560) an der Seite der Anzeigefläche der Anzeigevorrichtung (510) derart angeordnet ist, dass sich die zweite Fläche (214; 564) an der Seite der Anzeigevorrichtung (510) befindet, eine Fotografie der Glasplatte (210; 560) von der Seite der ersten Fläche (212; 562) aufgenommen wird, um ein Bild zu erhalten, das Bild von der Software EyeScale-4W, ein Produkt von I-System Co., Ltd. analysiert wird, und
59
4.2 der Glanz-lndexwert S durch Setzen des ISC-A-Wertes, der von der Software ausgegeben wird, als den Glanz-Indexwert S erhalten wird.
60
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet gegliedert:
61
1 Verfahren zum Auswählen einer Glasplatte (210; 560) zum Anordnen an einer Seite einer Anzeigefläche einer Anzeigevorrichtung (510),
62
1.1 wobei die Glasplatte (210; 560) eine erste Fläche (212; 562) aufweist, die eine Blendschutz-Eigenschaft hat, und eine zweite Fläche (214; 564) aufweist, die der ersten Fläche (212; 562) gegenüberliegend ist, wobei das Verfahren umfasst:
63
0.1 1) Bewerten der Glasplatte (210; 560) unter Verwendung von drei Index-Werten, einem Auflösung-lndexwert T, einem Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R und einem Glanz-lndexwert S, die nach folgenden Verfahren quantifiziert werden:
64
2.1 für den Auflösung-lndexwert T
65
wird ein erster Lichtstrahl (262) von einer Seite der zweiten Fläche (214; 564) der Glasplatte (210; 560) in einer Richtung eingestrahlt, die parallel zu einer Dickenrichtung der Glasplatte (210; 560) ist (eine Richtung eines Winkels von 0°), und die Helligkeit eines transmittierten Lichtstrahls (264), der von der ersten Fläche (212; 562) transmittiert wird (der als transmittierter 0°-Lichtstrahl bezeichnet wird), wird gemessen, ein Lichtempfangswinkel des Empfangens des ersten Lichtstrahls in Bezug auf die erste Fläche der Glasplatte wird in einem Bereich von -90° bis +90° verändert, die Helligkeit aller transmittierten Strahlen, die von einer Seite der ersten Fläche (212; 562) transmittiert werden, wird gemessen und
66
2.2 der Auflösung-lndexwert T wird aus folgendem Ausdruck (1) berechnet:
67
Auflösung-lndexwert T =
68
(die Helligkeit aller transmittierten Strahlen – die Helligkeit des transmittierten 0°-Lichtstrahls) / (die Helligkeit aller transmittierten Lichtstrahlen) Ausdruck (1),
69
3.1 für den Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R
70
wird ein zweiter Lichtstrahl (362) von der Seite der ersten Fläche (212; 562) der Glasplatte (210; 560) in einer Richtung von 45° in Bezug auf die Dicke der Glasplatte (210; 560) eingestrahlt, die Helligkeit eines Lichtstrahls (364), der von der ersten Fläche (212; 562) spiegelnd reflektiert wird (der als regelmäßig reflektierter 45°-Lichtstrahl bezeichnet wird), wird gemessen, ein Lichtempfangswinkel des Empfangens des reflektierten Strahls (364), der von der ersten Fläche (212; 562) reflektiert wird, wird in einem Bereich von 0° bis +90° verändert, die Helligkeit aller reflektierten Strahlen, die von der ersten Fläche (212; 562) reflektiert werden, wird gemessen, und
71
3.2 der Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R wird durch folgenden Ausdruck (2) berechnet:
72
Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R =
73
(die Helligkeit aller reflektierten Strahlen – die Helligkeit des regelmäßig reflektierten 45°-Strahls) / (die Helligkeit aller reflektierten Strahlen) Ausdruck (2),
74
und
75
4.1 für den Glanz-lndexwert S
76
ist die Glasplatte (210; 560) an der Seite der Anzeigefläche der Anzeigevorrichtung (510) derart angeordnet, dass sich die zweite Fläche (214; 564) an der Seite der Anzeigevorrichtung (510) befindet, eine Fotografie der Glasplatte (210; 560) wird von der Seite der ersten Fläche (212; 562) aufgenommen, während die Anzeigevorrichtung in einem Zustand ist, in dem ein Bild angezeigt wird, um ein Bild zu erhalten, das Bild wird von der Software EyeScale-4W (ein Produkt von l-System Co., Ltd.) analysiert, und
77
4.2 der Glanz-lndexwert S wird durch Setzen des lSC-A-Wertes, der von der Software ausgegeben wird, als den Glanz-lndexwert S erhalten wird;
78
0.2 2) Auswählen der Glasplatte (210; 560) zum Anordnen an einer Seite einer Anzeigefläche einer Anzeigevorrichtung, wenn für die Glasplatte (210; 560) die Bedingungen
79
2 Auflösung-lndexwert T ≤ 0,2,
80
3 Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R ≥ 0,2 und
81
4 Glanz-lndexwert S ≤ 60
82
erfüllt sind.
83
3. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als zuständigen Fachmann einen Diplomingenieur bzw. Master der Fachrichtung Geräte- und Apparatetechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von optischen Anzeigevorrichtungen, insbesondere solcher, die zum Einsatz in Kraftfahrzeugen geeignet sind, zu Grunde. Dieser Fachmann verfügt zur konkreten Messung der optischen Eigenschaften der hier in Rede stehenden optischen Vorrichtungen auch über Kenntnisse zu optischen Untersuchungsmethoden an Bauteilen und greift erforderlichenfalls auf die Unterstützung durch einen entsprechend qualifizierten Physiker zurück.
84
4. Die Angaben im jeweiligen Patentanspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag versteht der Fachmann wie folgt:
85
4.1
Glasplatte, Anzeigevorrichtung (Merkmale 1, 1.1, 1.2)
86
Die Glasplatte kann beispielsweise aus Kalknatron-Glas oder Alumosilikat-Glas bestehen (Anspruch 10), weist eine erste Fläche auf, die eine Blendschutz-Eigenschaft besitzt, sowie eine zweite Fläche, die der ersten Fläche gegenüberliegt und an einer Anzeigefläche der Anzeigevorrichtung angeordnet ist (Merkmale 1 und 1.1) und somit als Teil einer optischen Vorrichtung im Innern eines Fahrzeugs installiert werden kann (Anspruch 12).
87
Als Anzeigevorrichtung können dabei beispielsweise LCD-(Liquid Crystal Display; Flüssigkristallanzeige), OLED-(Organic Light-Emitting Diode; organische Leuchtdioden) oder PDP-(Plasma Display Panel; Plasmabildschirm)-Vorrichtungen zur Anwendung kommen (Anspruch 9 und Beschreibung, Seite 5, 4. Absatz).
88
4.2
Blendschutz, Indexwerte (Merkmale 1.1, 1.2, 2, 3 und 4)
89
Da eine Glasplatte auf einer im Innern eines Fahrzeugs installierten Anzeige durch eine starke Lichtquelle, insbesondere Sonnenlicht, störende Reflexionen verursachen kann, die es schwierig machen, ein angezeigtes Bild zu erkennen und ggf. notwendige Informationen zu lesen (Seite 1, 2. Absatz), werden üblicherweise sog. Blendschutz-Prozesse implementiert, um dies zu verhindern (Seite 1 und 2 übergreifender Absatz).
90
Eine Blendschutz-Eigenschaft kann durch Bearbeitung einer Fläche der Glasplatte erhalten werden (Anspruch 2), beispielsweise durch einen chemischen Festigungsprozess, der auf mindestens entweder die erste oder die zweite Fläche der Glasplatte angewandt wird (Anspruch 11 sowie Beschreibung, Seite 5, 6. Absatz) oder durch einen Mattierungsprozess (Anspruch 3), einen Ätz-Prozess (Anspruch 4), einen Sandstrahl-Prozess (Anspruch 5), einen Läppungs-Prozess (Anspruch 6) oder eine Beschichtung (Anspruch 7) mit Quarzglas (Anspruch 8).
91
Ausgehend von der Problematik, dass Blendschutz-Prozesse die Auflösung herabsetzen können (Seite 3, 2. Absatz), stellt sich die Anmeldung die Aufgabe, eine optische Vorrichtung bereitzustellen, deren Glasplatte sowohl eine Auflösung als auch eine Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit und eine Blendschutz-Eigenschaft aufweist, die geeignet zur Verwendung im Automobilbereich sind (Seite 3, 3. Absatz).
92
Als „Mittel zum Lösen des Problems“ (Seite 3, letzter Absatz bis Seite 4, Zeile 7) schlägt die Anmeldung vor, dass die Glasplatte unter Verwendung von drei Indexwerten bewertet wird und zur Anordnung an einer Seite einer Anzeigefläche einer Anzeigevorrichtung ausgelegt ist, wenn die folgenden Bedingungen gemäß den Merkmalen 2 bis 4 erfüllt sind:
93
Auflösung-Indexwert T ≤ 0,2,
94
Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-Indexwert R ≥ 0,2 und
95
Glanz-Indexwert S ≤ 60,
96
wobei in den übrigen Merkmalen des jeweiligen Anspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag angegeben ist, wie diese Index-Werte messtechnisch bestimmt und – im Falle der Indexwerte T und R – abschließend berechnet werden:
97
4.3
Auflösung-Indexwert T (Merkmale 2, 2.1 und 2.2)
98
Die in der Beschreibung als „Auflösung“ und synonym als „Auflösungsgrad“ bezeichnete subjektive Größe soll angeben, ob und in welchem Maße ein Bild, das durch die Glasplatte hindurch angezeigt wird, für den Beobachter mit dem ursprünglichen Bild der Anzeige übereinstimmt (Seite 2, letzter Absatz).
99
Die im Merkmal 2.1 angegebene Messvorschrift für den zugehörigen objektiven und quantifizierbaren „Auflösung-lndexwert T“ wird zusätzlich in den Figuren 1 und 2 dargestellt und in den zugehörigen Beschreibungsteilen (Seite 4, 2. und 3. Absatz; Seite 9, 1. und 2. vollständiger Absatz sowie Seite 11, letzter Absatz bis Seite 17, 5. Absatz) weiter erläutert:
100
Ein erster Lichtstrahl (262) wird auf die zweite Fläche (214; 564) der Glasplatte (210; 560) parallel zur Dickenrichtung eingestrahlt (Winkel von 0°). Dann wird zum einen die Helligkeit eines unabgelenkt transmittierten Lichtstrahls (264; transmittierter 0°-Lichtstrahl) gemessen und zum anderen ein Lichtempfangswinkel Ɵ in einem Bereich von -90° bis +90° variiert, wobei die Helligkeit aller transmittierten Strahlen gemessen wird. Dabei versteht der Fachmann unter dem Begriff „Helligkeit“, der meist für die subjektive Lichtempfindung, wie sie auf das Auge des Beobachters wirkt, benutzt wird, bei der hier beschriebenen Messung eine entsprechende objektive physikalische Observable, beispielsweise die räumlich und hier im sichtbaren Teil des elektromagnetischen Spektrums gemittelte Intensität der auf den verwendeten Detektor 270 wirkenden Strahlung.
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101
Figuren 1 und 2 der Anmeldung mit Hervorhebung und Ergänzungen durch den Senat
102
Gemäß Merkmal 2.2 soll dann der Auflösung-lndexwert T nach folgendem Ausdruck (1) berechnet werden:
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103
Ein großer T-Wert bedeutet somit, dass die transmittierte Intensität, insbesondere in der Anwendung auf einer Anzeigefläche einer Anzeigevorrichtung, also der Anteil der vom Beobachter direkt sichtbaren Information, klein ist, und zwar relativ zu dem abgelenkten Anteil. Demgegenüber bedeutet ein kleiner T-Wert, dass die Information von der Anzeige überwiegend direkt für den Beobachter zu sehen ist und nur wenig Intensität aus dem Sichtfeld abgelenkt wird, was sich für eine gute Sicht auf die Anzeige günstig auswirkt (vgl. auch Seite 15, vorletzter Absatz).
104
Als Beleg dafür, dass der auf diese Weise objektiv und quantitativ bestimmte Auflösung-Indexwert T hinreichend gut einem subjektiv durch visuelle Beobachtung wahrnehmbaren Auflösungsgrad entspricht, wird in Figur 11 i. V. m. Seite 36, 3. bis 5. Absatz exemplarisch eine negative Korrelation dieser Größen gezeigt bzw. beschrieben.
105
4.4
Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R (Merkmale 3., 3.1 und 3.2)
106
Die Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit R soll gemäß Beschreibungseinleitung angeben, in welchem Maße ein reflektiertes Bild eines Gegenstands, beispielsweise einer Lichtquelle, der in der Umgebung der Glasplatte angeordnet ist, für den Beobachter dem ursprünglichen Gegenstand entspricht (Seite 3, erster Satz).
107
Die im Merkmal 3.1 angegebene Messvorschrift für den zugehörigen objektiv bestimmbaren Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R wird in den Figuren 3 und 4 dargestellt und in den zugehörigen Beschreibungsteilen (Seite 4, letzter Absatz bis Seite 5, zweiter Absatz; Seite 9, letzter vollständiger und die Seiten 9 und 10 übergreifender Absatz sowie Seite 17, 6. Absatz bis Seite 21, letzter Absatz) erläutert:
108
Ein zweiter Lichtstrahl (362) wird von der Seite der ersten Fläche (212; 562) der Glasplatte (210; 560) in einer Richtung von 45° zu deren Oberfläche eingestrahlt. Gemessen wird zum einen die Helligkeit eines Lichtstrahls (364), der von der ersten Fläche (212; 562) gerichtet reflektiert wird („regelmäßig reflektierter 45°-Lichtstrahl“), und zum anderen die Helligkeit aller Strahlen, die von der ersten Fläche (212; 562) reflektiert werden, während der Lichtempfangswinkel des reflektierten Strahls (364) in einem Bereich von 0° bis +90° variiert wird.
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109
Figuren 3 und 4 der Anmeldung mit Hervorhebung und Ergänzungen durch den Senat
110
Gemäß Merkmal 3.2 soll dann der Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-Indexwert R nach folgendem Ausdruck (2) berechnet werden:
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
111
Ein kleiner R-Wert bedeutet somit, dass sich im direkt bzw. gerichtet reflektierten Lichtstrahl nahezu die gesamte eingestrahlte Intensität befindet, was insbesondere bei der Verwendung der Glasplatte auf einer Anzeigefläche einer Anzeigevorrichtung zu einer starken Blendung beispielsweise durch ins Auge reflektiertes Sonnenlicht führen kann. Dagegen bedeutet ein großer R-Wert, dass sich die Intensität des einfallenden Lichtstrahls im Sinne einer diffusen Reflexion auf den ganzen Winkelbereich verteilt, was zu geringer Blendung und damit günstigen Sichtbedingungen auf die Anzeige führt (vgl. auch Seite 20, 1. Absatz).
112
Als Beleg dafür, dass der auf diese Weise objektiv und quantitativ bestimmte Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-Indexwert R hinreichend gut einem subjektiv durch visuelle Beobachtung wahrnehmbaren Grad der Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit entspricht, wird in Figur 13 i. V. m. Seite 38, 2. bis 4. Absatz exemplarisch eine positive Korrelation dieser Größen gezeigt bzw. beschrieben.
113
4.5
Glanz-Indexwert S (Merkmale 4., 4.1 und 4.2)
114
a) Nach fachüblichem Verständnis entsteht Glanz, wenn sowohl die Beleuchtung gebündelt ist, als auch die Oberfläche des beleuchteten Körpers spiegelnd reflektiert. Dadurch erscheint jeder Punkt der Oberfläche aus unterschiedlichen Betrachtungswinkeln unterschiedlich hell bzw. Lichtreflexe verändern sich mit der Bewegung des Betrachters oder wirken beim binokularen Sehen für jedes Auge unterschiedlich. Das Antonym zu Glanz ist Mattheit, die im Gegensatz dazu entsteht, wenn die Oberfläche das Licht diffus reflektiert oder durch eine global diffuse Beleuchtung beleuchtet wird. Glanz ist somit zum einen ein vom Betrachter abhängiger Sinneseindruck und zum anderen eine optische Eigenschaft einer Oberfläche, Licht ganz oder teilweise gerichtet zu reflektieren.
115
Physikalisch ist Glanz definiert als der Quotient aus dem gerichtet und dem diffus reflektierten Anteil des auf eine Fläche fallenden Lichtstroms. Zur quantitativen Bestimmung werden üblicherweise Glanzmessgeräte (sog. Reflektometer) eingesetzt.
116
Somit liefert die nach fachüblichem Sprachgebrauch als „Glanz“ bezeichnete Größe im Wesentlichen die gleiche Information, wie der Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-Indexwert R, der, wie vorstehend erläutert, Teil der Erfindung ist.
117
b) Im Gegensatz dazu sind in der vorliegenden Anmeldung sowohl mit dem subjektiv durch visuelle Beobachtung wahrnehmbaren „Glanz“ bzw. „Glanzgrad“ als auch mit dem objektiv und quantitativ bestimmbaren Glanz-Indexwert S völlig andere Eigenschaften der Glasplatte bzw. ihrer Wahrnehmung gemeint.
118
In Bezug auf den „Glanz“ bzw. „Glanzgrad“ wird in der Anmeldung lediglich beschrieben, dass damit angegeben werden soll, „in welchem Maße eine Ungleichmäßigkeit eines hellen Flecks beobachtet wird, der auftritt, wenn Licht (ein Bild) von dem Anzeigebild durch das transparente Substrat wandert, das Licht von der Fläche des transparenten Substrats reflektiert wird und die gestreuten
Lichtstrahlen sich gegenseitig stören“ (Seite 3, 1. Absatz). Dieser Formulierung kann der Fachmann jedoch keine sinnvolle Erklärung entnehmen, welcher konkrete Parameter mit „Glanz“ gemeint sein könnte und auf welchem physikalischen Effekt dieser beruhen soll.
119
Dagegen wird nach Erkenntnis des Senats der in den Patentansprüchen allein verwendete Glanz-Indexwert S, mit dem der „Glanz“ quantitativ bestimmt werden soll, in der Anmeldung für den Fachmann durch die angegebene Messvorschrift hinreichend definiert.
120
Im Merkmal 4.1 des jeweiligen Anspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag wird als Messvorschrift angegeben, dass die Glasplatte mit ihrer zweiten Fläche an der Anzeigefläche der Anzeigevorrichtung, auf der ein Bild angezeigt wird, angeordnet ist, und eine Fotografie der Glasplatte von der Seite der ersten Fläche aufgenommen wird, um ein Bild zu erhalten, welches von der Software EyeScale-4W des Herstellers I-System Co., Ltd. analysiert wird.
121
Zwar ist die sich daran anschließende Anweisung nach Merkmal 4.2, wonach „der Glanz-lndexwert S durch Setzen des ISC-A-Wertes, der von der Software ausgegeben wird, als den Glanz-Indexwert S erhalten wird.“ insoweit auslegungsbedürftig, als sich daraus nicht eindeutig ergibt, ob der Glanz-lndexwert S identisch mit dem ausgegebenen ISC-A-Wert sein soll oder sich der Glanz-lndexwert S aus dem ISC-A-Wert möglicherweise erst durch weitere Umformungen ergibt.
122
Die in den Merkmalen 4.1 und 4.2 angegebene Bestimmung des Glanz-Indexwerts S wird zusätzlich in der Figur 5 dargestellt und in den zugehörigen Beschreibungsteilen (Seite 5, 3. Absatz; Seite 10, 2. Absatz; Seite 22, 1. Absatz bis Seite 24, vorletzter Absatz) erläutert. Demnach wird das vom transparenten Substrat aufgenommene Bild in eine Analysevorrichtung, zum Beispiel einen Computer eingegeben und dort von der Analysesoftware analysiert. Insbesondere wird dabei klargestellt, dass der Glanz-Indexwert S identisch mit dem ausgegebenen ISC-A-Wert ist: „Als Ergebnis der Analyse wird ein ISC-A-Wert ausgegeben, und dieser ist als Glanz-Indexwert S definiert.“ (Figur 5, Schritt S330 i. V. m. Seite 24, 3. Absatz).
123
Figur 5 der Anmeldung mit Hervorhebungen durch den Senat
124
Nach alledem versteht der Fachmann unter dem Glanz-Indexwert S – auch ohne Kenntnis der diesem zugrundeliegenden physikalischen Parameter und der Berechnungsmethode mittels der Analysesoftware anhand der aufgenommenen Fotografie – simpliciter den ISC-A-Wert, den die Software EyeScale-4W unter den in Merkmal 4.1 angegebenen Messbedingungen ausgibt.
125
4.6
Bewerten und Auswählen der Glasplatte (Merkmale 0.1, 0.2, 2, 3, 4)
126
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag beschreibt ein Verfahren zum Auswählen einer Glasplatte, die geeignet ist, an einer Seite einer Anzeigefläche einer Anzeigevorrichtung angeordnet zu werden mit den Schritten:
127
1) Bewerten der Glasplatte unter Verwendung der drei Index-Werte, Auflösung-lndexwert T, Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R und Glanz-lndexwert S (Merkmal 0.1) und
128
2) Auswählen der Glasplatte zum Anordnen an einer Seite einer Anzeigefläche einer Anzeigevorrichtung, wenn für die Glasplatte die in den Merkmalen 2 bis 4 genannten Bedingungen für die Index-Werte erfüllt sind (Merkmal 0.2).
129
Diese Bedingungen werden in Figur 9 anhand eines dreidimensionalen kartesischen Koordinatensystems, bei dem die Achsen den drei Index-Werten Auflösung T, Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit R und Glanz S entsprechen, grafisch veranschaulicht. Dabei soll das grün eingefärbte Volumen transparente Substrate mit jeweils günstiger Auflösung, Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit und Blendschutz-Eigenschaft zeigen und der rot gefärbte Quader die Indizes für potenziell im Innern eines Fahrzeugs installierbare transparente Substrate, für die es ausreichend ist, wenn die Werte für die Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit R ≥ 0,2, die Auflösung T ≤ 0,2 und den Glanz-Indexwert S ≤ 60 betragen. Dies sind die Wertebereiche, innerhalb derer die Indizes der Glasplatte gemäß den in den Merkmalen 2, 3 und 4 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag genannten Bedingungen liegen sollen.
130
Figur 9 der Anmeldung mit Hervorhebungen durch den Senat
131
5. Die Anmeldung offenbart die Erfindung nach Hauptantrag nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG).
132
5.1 Eine für die Ausführbarkeit einer mit einem Patent geschützten Lehre hinreichende Offenbarung ist gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird (BGH, Urteil vom 8. Juni 2010 – X ZR 71/08, juris, Rn. 39 und Orientierungssatz 2, m. w. N.).
133
Damit ein Fachmann die Erfindung ausführen kann, muss eine Patentschrift zumindest ansatzweise erkennen lassen, durch welche Mittel und auf welche Weise die beanspruchte technische Lehre verwirklicht werden kann. Diesem Erfordernis ist nicht genügt, wenn die Patentschrift lediglich stichwortartig ein abstraktes Ziel vorgibt, ohne auch nur andeutungsweise darüber Aufschluss zu geben, wie dieses Ziel erreicht werden kann (BGH, Urteil vom 29. März 2022 – X ZR 16/20 – Übertragungsleistungssteuerungsverfahren, Rn. 70 und Leitsatz 2).
134
5.2 Gemessen an diesen Anforderungen ist die Vorrichtung nach Anspruch 1 des Hauptantrags nicht hinreichend offenbart.
135
Die dort beanspruchte Glasplatte wird hinsichtlich ihres Aufbaus dadurch definiert, dass sie eine erste Fläche aufweist, die eine Blendschutz-Eigenschaft besitzt, und eine zweite Fläche aufweist, die der ersten Fläche gegenüberliegt (Merkmal 1.1).
136
Bezüglich der Blendschutz-Eigenschaft ist des Weiteren angeben, dass diese mit Hilfe von drei Index-Größen quantifiziert werden kann (Merkmal 1.2), deren Werte die folgenden Bedingungen erfüllen sollen:
137
– Auflösung-Indexwert T ≤ 0,2 (Merkmal 2),
138
– Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R ≥ 0,2 (Merkmal 3) und
139
– Glanz-lndexwert S ≤ 60 (Merkmal 4),
140
wobei nachfolgend im Anspruch noch angegeben ist, wie diese Index-Werte messtechnisch bestimmt (Merkmale 2.1, 3.1, 4.1, 4.2) und berechnet werden (Merkmale 2.2, 3.2).
141
Damit ist im Patentanspruch 1 des Hauptantrags jedoch lediglich die erwünschte Wirkung angegeben, wonach die gemessenen Indexwerte in den geforderten Intervallen liegen sollen, aber nicht, wie dies durch gegenständliche Merkmale oder Arbeitsverfahren realisiert werden könnte. Denn den gesamten Anmeldeunterlagen ist weder zu entnehmen, welche konkrete Ausgestaltung die Glasplatte hat bzw. durch welche räumlich-körperlichen Merkmale sie gekennzeichnet ist (vgl. Schulte, PatG, 11. Aufl., § 1 Rn. 206; BGH, Urteil vom 7. November 1978 – X ZR 58/77 – Schießbolzen), noch wie eine solche Glasplatte hergestellt werden kann (BGH, Urteil vom 19. Juni 2001 – X ZR 159/98 – zipfelfreies Stahlband, Rn. 71 und Leitsatz).
142
5.3 Zwar ist nicht erforderlich, dass ein Patentanspruch alle zur Ausführung der Erfindung notwendigen Angaben enthält. Vielmehr genügt es, wenn dem Fachmann mit dem Anspruch ein generelles Lösungsschema an die Hand gegeben wird und er insoweit notwendige Einzelangaben der allgemeinen Beschreibung oder den Ausführungsbeispielen entnehmen kann (BGH, Urteil vom 28. März 2017 – X ZR 17/15, juris, Rn. 23 m. w. N.; BGH, Urteil vom 8. Juni 2010 – X ZR 71/08, juris, Rn. 39 sowie Orientierungssatz 2 m. w. N.). Die Anmeldung muss jedoch mindestens einen Weg zur Ausführung der Erfindung offenbaren (BGH, Urteil vom 16. Juni 2015 – X ZR 67/13, juris, Orientierungssatz 3), wobei es hierzu für eine Sacherfindung – wie hier der Glasplatte – nicht genügt, das Verfahren zur messtechnischen Bestimmung der die Sachen beschreibenden Eigenschaften anzugeben.
143
Bei der vorliegenden Patentanmeldung ist jedoch auch die Beschreibung in Zusammenschau mit den Zeichnungen nicht geeignet, den Fachmann in die Lage zu versetzen, ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten die Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag aufgrund der Gesamtoffenbarung der Anmeldung i. V. m. dem allgemeinen Fachwissen am Prioritätstag derart zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht werden könnte. Denn die Beschreibung liefert weder ein Ausführungsbeispiel noch eine technische Lehre, die dem Fachmann wenigstens eine Variante der Glasplatte mit den im Anspruch geforderten Eigenschaften zugänglich machen würde.
144
Der Fachmann mag zwar der Beschreibung entnehmen, dass als Glasmaterial ein Kalknatron-Glas oder Alumosilikat-Glas zum Einsatz kommen kann (geltende Unterlagen, Beschreibung Seite 5, vorletzter Absatz, Seite 13, dritter Absatz und 33, erster Absatz sowie Anspruch 10), und er mag auch bestimmte Verfahren zur Oberflächenbearbeitung der Glasplatte, hier der „ersten Fläche“, kennen, um deren optischen Eigenschaften zu beeinflussen (Ansprüche 2 bis 8). Wie er jedoch die Materialauswahl und die ihm bekannten Verfahren zielgerichtet einzusetzen hat, um eine Glasplatte zu erhalten, die nach Messung mit den angegebenen Verfahren die Werte-Vorgaben (T ≤ 0,2; R ≥ 0,2; S ≤ 60) der Merkmalskombination 2, 3 und 4 erfüllt, bleibt völlig offen.
145
So kann auch der vom Bevollmächtigten der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Einwand, wonach dem Fachmann alle in der Beschreibung der Anmeldung genannten Prozesse zur Bearbeitung einer Fläche der Glasplatte geläufig seien und er genau wüsste, wie eine Variation der Parameter bei der Oberflächenbearbeitung oder eine Variation der Beschichtungsparameter wie Dicke und Material bzw. Brechungsindex – zumindest qualitativ – die Blendschutz-Eigenschaft beeinflussten, und er damit die vorgegebenen Index-Werte erreichen könne, zu keiner anderen Beurteilung führen.
146
Vielmehr handelt es sich bei der als ein Merkmal zu betrachtenden Merkmalskombination 2, 3 und 4 nicht um ein körperlich-strukturelles Vorrichtungsmerkmal, sondern um eine funktionelle Wirkungsangabe (vgl. beispielsweise Schulte, a. a. O., § 34 Rn. 125 bis 128). Für dieses Merkmal muss die Voraussetzung erfüllt sein, dass damit eine ausreichende Offenbarung einer technischen Lehre angegeben wird, deren Ausführung dem Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand im gesamten Bereich der funktionellen Definition anhand des funktionellen Merkmals möglich ist. Diese Voraussetzung ist hier jedoch nicht erfüllt.
147
Für die Frage der ausreichenden Offenbarung spielt es zwar prinzipiell keine Rolle, ob die Erfindung durch gegenständliche Merkmale oder aber durch ihre Funktion definiert wird, sofern der Fachmann in der Lage ist, den Gegenstand des Anspruchs ohne unzumutbares Herumexperimentieren und vor allem ohne eigenes erfinderisches Zutun auszuführen. Zur Überzeugung des Senats kann es dem Fachmann jedoch nicht überlassen werden, gewissermaßen ins Blaue hinein Versuche mit allen in Betracht kommenden Materialien, wie das beispielhaft genannte Kalknatron- oder Alumosilikat-Glas, und Methoden, beispielsweise die Oberfläche zu mattieren (Anspruch 3), zu ätzen (Anspruch 4), sandzustrahlen (Anspruch 5), zu läppen (Anspruch 6) oder zu beschichten (Ansprüche 7 und 8), um dann – ohne weitere Anleitung in der Anmeldung, quasi durch einen „Erfindungsauftrag“ in aufwändigen Versuchen allein auf das Prinzip Versuch und Irrtum angewiesen – nach dem Vermessen festzustellen, ob dadurch eine Glasplatte hergestellt wurde, bei der die drei Index-Werte die im Anspruch angegebenen Werte aufweisen(BPatG, Urteil vom 23. November 2010 – 3 Ni 47/08 – Buprenorphinpflaster, Leitsatz 2 und Rn. 70 und 73).
148
Denn es ist – zum einen angesichts der unbestimmten Vielzahl der hierfür in Frage kommenden Kombinationen der genannten Materialien und verschiedenen Blendschutz-Prozesse und zum anderen durch die bei deren Variation jeweils nicht voneinander unabhängigen Änderungen der drei Index-Werte – nicht absehbar, dass ein derartiger Ansatz mit vertretbarem Aufwand zu den gewünschten brauchbaren Ergebnissen führen würde.
149
Deshalb offenbart die Anmeldung insgesamt keine in sich geschlossene technische Lehre, welche dem Fachmann vermitteln würde, wie er die im vorliegenden Anspruch 1 nach Hauptantrag geforderte Wirkung erzielen und die beanspruchte Glasplatte mit Erfolg verwirklichen könnte.
150
5.4 Entsprechendes gilt für die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 12 gemäß Hauptantrag, die durch ihren Rückbezug ebenfalls als nicht hinreichend offenbart gelten.
151
6. Zum Hilfsantrag
152
6.1 Die gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen vorgenommenen Änderungen im Hilfsantrag sind zulässig (§ 38 PatG).
153
Die Patentansprüche nach Hilfsantrag, die – im Unterschied zum Hauptantrag, in dem eine Glasplatte beansprucht wird – auf Verfahren zum Auswählen einer Glasplatte gerichtet sind, gehen nicht über den Inhalt der mit der Einleitung der nationalen Phase am 19. August 2015 eingereichten deutschen Übersetzung der internationalen Anmeldung PCT/JP2014/053218 hinaus.
154
6.1.1 Die einzelnen Merkmale des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag sind wie folgt in den ursprünglichen deutschsprachigen Unterlagen offenbart:
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155
6.1.2 Die Unteransprüche 2 bis 12 nach Hilfsantrag gehen ebenfalls in zulässiger Weise auf die ursprünglichen deutschsprachigen Unterlagen zurück:
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156
6.1.3 Die geltende Beschreibung und die Figuren sind ebenfalls ursprungsoffenbart.
157
6.2 Die Erfindung gemäß Hilfsantrag ist in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG).
158
6.2.1 Im Gegensatz zu der mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beanspruchten Sacherfindung einer Glasplatte, bei der die notwendigen Angaben für deren Nacharbeitung durch den Fachmann in der Anmeldung nicht offenbart sind, wird mit dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag ein Verfahren zur Auswahl einer Glasplatte – die selbst nicht vom Anspruch umfasst ist – beansprucht. Die Schritte des Verfahrens und alle zur Ausführung notwendigen Anweisungen, die den Fachmann in die Lage versetzen, die Lehre des Anspruchs praktisch zu verwirklichen, sind bereits in diesem Anspruch enthalten.
159
Denn die für das Bewerten der Glasplatte unter Verwendung der drei Index-Werte – Auflösung-lndexwert T, Reflexion-Bilddiffusionsfähigkeit-lndexwert R und Glanz-lndexwert S (Schritt 1, Merkmal 0.1) – und Auswählen der Glasplatte zum Anordnen an einer Seite einer Anzeigefläche einer Anzeigevorrichtung (Schritt 2, Merkmal 0.2), wenn für die Glasplatte die Bedingungen T ≤ 0,2 (Merkmal 2), R ≥ 0,2 (Merkmal 3.) und S ≤ 60 (Merkmal 4.) erfüllt sind, jeweils erforderlichen Messverfahren und Berechnungsvorschriften sind für den Fachmann bereits in den Merkmalen 2.1, 2.2, 3.1, 3.2, 4.1 und 4.2 ausreichend offenbart und somit nacharbeitbar.
160
Ergänzend erhält er dazu detaillierte Informationen durch die das Messverfahren darstellenden Figuren 1 bis 5 sowie in den zugehörigen Beschreibungsteilen (vgl. hierzu die obigen Abschnitte 4.2 bis 4.6 zur Auslegung).
161
6.2.2 Dies gilt im Übrigen auch für die Bestimmung des Glanz-lndexwerts S. Wie bereits in Abschnitt 4.5 dargelegt, ist zwar in der Anmeldung nicht angegeben, auf welcher physikalischen Grundlage die Software das aufgenommene Bild analysiert und daraus den ISC-A-Wert ermittelt und warum dieser dem Glanz-Indexwert entspricht. Der Fachmann muss jedoch deshalb nicht erfinderisch tätig werden, sondern ist aufgrund seines Fachwissens ohne Schwierigkeiten in der Lage, anspruchsgemäß den Glanz-Indexwert S der zu bewerteten Glasplatten reproduzierbar zu ermitteln und Glasplatten mit einem Wert unter 60 auszuwählen.
162
Er muss dazu lediglich die in den Merkmalen 4.1 und 4.2 angegebene Messvorschrift für den Glanz-Indexwert S umsetzen, indem eine Fotografie der Glasplatte auf der Anzeigevorrichtung, die ein Bild anzeigt, von der Seite der ersten Fläche aufgenommen wird, das Bild von der Software EyeScale-4W analysiert und der Glanz-lndexwert S durch Gleichsetzen mit dem von der Software ausgegeben ISC-A-Wertes erhalten wird (vgl. hierzu Abschnitt 4.5 sowie insbesondere Beschreibung Seite 24, 3. Absatz).
163
Schließlich ist abweichend von der von der Prüfungsstelle in ihrem Zurückweisungsbeschluss geäußerten Ansicht (dort Seite 5, 1. Absatz) für die Beurteilung der Ausführbarkeit lediglich der Anmelde- bzw. vorliegend der Prioritätstag maßgeblich (vgl. Schulte, a. a. O., § 34 Rn. 355; Benkard, PatG, 11. Aufl., § 34 Rn. 15h m. w. N.; BGH, Beschluss vom 30. März 1993 – X ZB 13/90 – Tetraploide Kamille, BGHZ 122, 144-156, Rn. 34). Der Fachmann wird im Rahmen des Nacharbeitens der erfindungsgemäßen Lehre daher ohne Weiteres die am Prioritätstag gültige Version der Software „EyeScale-4W“ – und keine späteren Versionen – ermitteln und verwenden.
164
6.2.3 Die jeweiligen Gegenstände der auf den geltenden Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 12 gemäß Hilfsantrag sind aus den o. g. Gründen ebenfalls so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
165
7. Der Senat hat davon abgesehen, in der Sache selbst zu entscheiden. Wie aus der Akte ersichtlich ist, hat das DPMA zu dem Gegenstand des neu gefassten Anspruchs 1 nach Hilfsantrag vom 11. Mai 2022 im Verfahren nach § 44 PatG für die Prüfung, ob der Anmeldegegenstand die Patentierungsvoraussetzungen nach §§ 3 und 4 PatG erfüllt, noch nicht recherchiert. Vorliegend kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass möglicherweise ein Stand der Technik existiert, der einer Erteilung des angemeldeten Patents in dessen jetziger Fassung gemäß Hilfsantrag entgegensteht. Da eine sachgerechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche des druckschriftlichen Standes der Technik zu allen Anspruchsmerkmalen ergehen kann, wofür in erster Linie die Prüfungsstellen des DPMA mit ihrem Prüfstoff und den ihnen zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten in Datenbanken berufen sind, war die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das DPMA zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 PatG).
166
Im Rahmen der weiteren Prüfung obliegt es der Prüfungsstelle, darauf zu achten, dass die Unterlagen im Falle einer Patenterteilung alle Erfordernisse des Patentgesetzes und der Patentverordnung erfüllen; insoweit wird die Prüfungsstelle dann auf eine Überarbeitung der Beschreibung sowie ggf. der Zeichnungen hinzuwirken haben.