Patent- und Markenrecht

25 W (pat) 48/19

Aktenzeichen  25 W (pat) 48/19

Datum:
16.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2022:161221B25Wpat48.19.0
Spruchkörper:
25. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2011 059 700
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Dr. Nielsen und der Richterin kraft Auftrags Fehlhammer
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Das am 2. November 2011 angemeldete Zeichen
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2
ist am 7. Mai 2012 unter der Nummer 30 2011 059 700 als Bildmarke für nachfolgende Dienstleistungen in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden:
3
Klasse 36:
4
Kapitalanlagengeschäfte; Verwaltung von Investmentfonds; Investitionen in Immobilienfonds; Finanzierung bei der Erschließung von Immobilien; Finanzierung von Immobilien; Verwaltung von Privatkapitalfonds; Treuhandverwaltung von Kapitalanlagen in Form von Immobilien; Dienstleistungen im Bereich von Immobilien, nämlich Vermietung, Leasing und Verwaltung von Gewerbeimmobilien, Büros und Büroräumen; Bauprojektmanagement, nämlich finanzielle Vorbereitung von Bauvorhaben; Bauprojektmanagement, nämlich finanzielle Planung von Bauvorhaben;
5
Klasse 37:
6
Bauprojektmanagement, nämlich Durchführung von Bauarbeiten; Bauprojektmanagement, nämlich Bauleitung; Durchführung von Bauarbeiten zur Immobilienerschließung und für den Bau von Gewerbe-, Wohn- und Geschäftsimmobilien.
7
Gegen die Eintragung der am 8. Juni 2012 veröffentlichten Marke hat die Beschwerdeführerin aus ihrer am 4. Juni 2002 eingetragenen Bildmarke 30 215 545
8
(Bezeichnung der Farbe: rot) am 25. Juli 2012 Widerspruch erhoben.
9
Die Widerspruchsmarke beansprucht Schutz für folgende Dienstleistungen:
10
Klasse 36:
11
Vermittlung von Versicherungen, Finanzierungen, Immobilien und sonstigen Vermögensanlagen, einschließlich Beratung und Betreuung in den vorgenannten Angelegenheiten, soweit in Klasse 36 enthalten.
12
Mit Schriftsatz vom 11. Juni 2013 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.
13
Die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen vom 12. Mai 2015 und vom 22. Juli 2019, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den Widerspruch mangels Glaubhaft-machung der rechtserhaltenden Benutzung zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Einrede der Nichtbenutzung zulässig sei, weil die Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke schon vor der Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke abgelaufen gewesen sei. Auf die undifferenziert erhobene Einrede obliege es der Widersprechenden, die Benutzung der Widerspruchsmarke für den Zeitraum vom 8. Juni 2007 bis zum 8. Juni 2012 (§ 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG a. F.) und für die letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch glaubhaft zu machen (§ 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG a. F.). Die Widersprechende habe insoweit zwar verschiedene Unterlagen vorgelegt, unter anderem eine eidesstattliche Versicherung des Vorstandes der Wider-sprechenden vom 3. August 2016. Diese Unterlagen reichten zur Glaubhaft-machung der rechtserhaltenden Benutzung jedoch nicht aus.
14
Die Firmenbroschüre, Briefbögen und Notizblöcke, auf die sich die Wider-sprechende berufe, zeigten die Widerspruchsmarke in Verbindung mit den Wortbestandteilen „p…“ und „F… AG“. Auf dem Briefpapier werde die Bild-marke zudem auch ohne die Beifügung von ergänzenden Wortbestandteilen, jedoch farblos im Sinne eines Wasserzeichens wiedergegeben. Diese Benutzungen zeigten die Widerspruchsmarke in einer gegenüber der Eintragung veränderten Form, die den kennzeichnenden Charakter der Marke verändere. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der hinzugefügte Wortbestandteil „p…F… AG“ einen eigenen Kennzeichnungscharakter habe und durch die konkreten Größenverhältnisse deutlich hervortrete. Die Benutzung der Widerspruchsmarke in der Art eines farblosen Wasserzeichens verändere gleichfalls deren kennzeichnenden Charakter, da es sich bei dem Bildzeichen um die geometrische Grundform eines gleichseitigen Dreiecks handele, das regelmäßig als dekoratives Element benutzt werde. Erst die Aufteilung des Dreiecks in drei gleichgroße Dreiecke und die rote Farbe verliehen der Widerspruchsmarke das für die Schutzfähigkeit erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Die Baumwolltaschen, die in den Jahren 2008 und 2011 an Kunden verteilt worden seien, zeigten auf der Vorderseite zwar die Widerspruchsmarke in der eingetragenen Form. Insoweit mangele es jedoch an einer funktionsgemäßen Benutzung der Marke, da kein konkreter Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen erkennbar sei. Darüber hinaus sei die Benutzung der Widerspruchsmarke auf den Baumwolltaschen nur im ersten Benutzungszeitraum erfolgt. Die Startseite des Internetauftritts der Widersprechenden, der seit dem Jahr 2011 verwendet werde, zeige die Widerspruchsmarke in der eingetragenen Form in der Seitenmitte, wobei sie jeweils links und rechts von einer weiteren Darstellung der Widerspruchsmarke ergänzt werde, jedoch deutlich kleiner und in Verbindung mit den Wortbestandteilen „p… F… AG“ bzw. „p… C…“. Diesbezüglich fehle es aber gleichfalls an einer funktionsgemäßen Benutzung der Marken, da nicht erkennbar werde, für welche Dienstleistungen sie herkunftshinweisend benutzt würden.
15
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Die Marken-stelle habe die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zu Unrecht verneint. Ergänzend zu den bereits eingereichten Unterlagen legt sie eine weitere eidesstattliche Versicherung ihres Vorstands vom 30. Dezember 2019 nebst Anlagen vor. Diese Unterlagen belegten die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke auch für die vergangenen fünf Jahre. So trete die Widerspruchsmarke dem Verkehr auf der Homepage der Widersprechenden für sich genommen und ohne ergänzende Wortbestandteile entgegen. Auch die farblose Benutzung der Widerspruchsmarke auf Briefbögen und Notizblöcken stelle eine rechtserhaltende Benutzung dar, da Wasserzeichen stets farblos verwendet würden. Die Widerspruchsmarke sei zudem auf den Baumwolltaschen prominent verwendet worden, wobei diese den Kunden zum Transport der übergebenen Beratungsunterlagen mitgegeben worden seien. Insofern könne nicht in Abrede gestellt werden, dass die Baumwolltaschen im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 36 als betrieblicher Herkunftshinweis benutzt worden seien. Soweit die Widerspruchsmarke in der Firmenbroschüre, auf Briefpapier und Notizblöcken in Kombination mit anderen Elementen erscheine, werde sie vom angesprochenen Verkehr als eigenständig kennzeichnend wahrgenommen. Sie setze sich schon durch die auffällige rote Farbe von den Wortelementen ab. Unabhängig von der Bewertung der einzelnen Benutzungshandlungen habe es die Markenstelle versäumt, die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke auch im Wege einer Gesamtschau zu prüfen.
16
Im Übrigen komme der Widerspruchsmarke zumindest eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Zudem seien die Vergleichszeichen in bildlicher Hinsicht ähnlich, so dass eine Verwechslungsgefahr zu bejahen sei.
17
Die Widersprechende beantragt:
18
1. Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 36, vom 12. Mai 2015 und vom 22. Juli 2019 werden aufgehoben.
19
2. Die Eintragung der Marke 30 2011 059 700 wird aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 30 215 545 gelöscht.
20
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
21
die Beschwerde zurückzuweisen.
22
Sie ist der Auffassung, dass die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke nicht ausreichend glaubhaft gemacht habe. Auf allen zur Glaubhaftmachung vorgelegten Unterlagen – mit Ausnahme der Baumwolltaschen und der Internetseite – werde die Widerspruchsmarke nur in abgeänderter Form benutzt. Dabei verfüge das hinzugefügte Wort „p…“ über eine eigenständige Kennzeichnungskraft, weil es in Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen keinen sachbeschreibenden Sinngehalt aufweise. Eine solche Form der Benutzung einer Bildmarke führe grundsätzlich zu einer Veränderung ihres kennzeichnenden Charakters. Dies gelte umso mehr, als es sich bei der Widerspruchsmarke um eine kennzeichnungsschwache Marke handele. Einfache geometrische Figuren seien regelmäßig nicht schutzfähig, weil der Verkehr sie als rein dekorative Gestaltungen auffasse. Von einer schutzunfähigen Gestaltung unterscheide sich die Widerspruchsmarke nur durch den Leerraum zwischen den drei Bildelementen und die rote Farbe. Im Falle einer Benutzung als „Wasserzeichen“ fehle es an der Wiedergabe spezifischer die Schutzfähigkeit begründender Merkmale. Die Benutzung der Widerspruchsmarke auf den Baumwolltaschen und auf der Internetseite sei nicht funktionsgemäß, da aus den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen nicht hervorgehe, für welche Dienstleistungen sie benutzt werde. Die Firmenbroschüre enthalte zwar eine Aufzählung der von der Widersprechenden erbrachten Dienstleistungen. Allerdings werde die Widerspruchsmarke darin lediglich als dekoratives Element benutzt. Damit sei auch bei einer Zusammenschau aller vorgetragenen Benutzungshandlungen eine rechtserhaltende Benutzung zu verneinen.
23
Im Übrigen wiesen die Vergleichszeichen keine relevante Zeichenähnlichkeit auf. Es komme auf die Art der Darstellung und nicht auf das jeweilige Motiv an. Zudem führten bei einer kennzeichnungsschwachen Widerspruchsmarke, die lediglich aus einer geometrischen Grundform bestehe, selbst geringfügige Abweichungen von einer relevanten Zeichenähnlichkeit weg. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass das Motiv eines Dreiecks in zahlreichen Marken, Firmenlogos und anderen Unternehmenskennzeichen verwendet werde. Hiervon ausgehend unterschieden sich die Vergleichszeichen hinreichend deutlich voneinander. Bei der Widerspruchsmarke handele es sich um ein Dreieck, das aus drei Dreiecken gebildet werde. Zwischen diesen drei Dreiecken befinde sich ein Leerraum, der von den Spitzen der Darstellung sternförmig auf deren Mitte zulaufe. Dagegen handele es sich bei der angegriffenen Marke um eine Gestaltung, bei der das Dreieck aus drei Trapezen gebildet werde, deren Zwischenraum die Form eines Ypsilons habe.
24
Der Senat hat den Verfahrensbeteiligten mit schriftlichem Hinweis vom 2. Juli 2021 mitgeteilt, dass nach seiner vorläufigen Auffassung die Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke zumindest für den zweiten Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG a. F. nicht gelungen sei. Darüber hinaus weise die Homepage der Widersprechenden keine Unterseiten auf, so dass nicht ersichtlich werde, welche Dienstleistungen über das Internet angeboten würden.
25
Die Widersprechende hat auf diesen Hinweis ergänzend mit Schriftsatz vom 15. September 2021 Stellung genommen und zur Benutzung der Widerspruchs-marke auf ihrer Homepage vorgetragen, dass die dort gezeigten links und rechts neben der Widerspruchsmarke angeordneten Firmenangaben „p…F… AG“ und „p… C…“ mit einem Link versehen seien. Diese Links führten zu weiteren Internetseiten, vorgelegt als Anlagen E1 und E2, auf denen die von der Widerspruchsmarke beanspruchten Dienstleistungen angeboten würden.
26
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat hierauf erwidert, dass eine isolierte Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht worden sei. Des Weiteren hat sie ergänzend zu ihrer Auffassung nach zu verneinenden Markenähnlichkeit vorgetragen.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts, die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten nebst Anlagen, den Hinweis des Senats vom 2. Juli 2021, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2021 und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
28
Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg.
29
1. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung zum 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Da die angegriffene Marke am 2. November 2011 und damit zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 angemeldet wurde, ist gemäß § 158 Abs. 3 MarkenG auf den gegen die Eintragung erhobenen Widerspruch § 42 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG in der vor dem 14. Januar 2019 jeweils geltenden Fassung (MarkenG a. F.) anzuwenden. Der Widerspruch wurde am 25. Juli 2012 erhoben, so dass sich die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke gemäß §§ 26 und 43 Abs. 1 MarkenG a. F. beurteilt (§ 158 Abs. 5 MarkenG).
30
2. Auf die rechtswirksam erhobene Einrede der Nichtbenutzung hat die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke 30 215 545 nicht glaubhaft gemacht. Mangels berücksichtigungsfähiger Waren und Dienstleistungen auf Seiten der älteren Marke ist damit die Gefahr von Verwechslungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ohne Weiteres zu verneinen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG a. F.).
31
a) Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Verfahren vor der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts mit Schriftsatz vom 11. Juni 2013 die Einrede der Nichtbenutzung erhoben und diese auch im Beschwerdeverfahren wiederholt.
32
Die pauschal bzw. undifferenziert erhobene Einrede der Nichtbenutzung ist als zulässige Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG a. F. auszulegen. Soweit eine Nichtbenutzungseinrede undifferenziert bzw. ohne konkrete Bezeichnung der beiden nach dem Gesetz in § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG a. F. vorgesehenen Einreden erhoben wird, ist dies regelmäßig als Erhebung beider Einreden zu verstehen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind (vgl. BGH GRUR 2008, 714 Rn. 23 – idw; BPatG GRUR 2016, 286, 288 – Yosaya/YOSOI). Dies ist vorliegend der Fall, da die fünfjährige Benutzungsschonfrist der am 4. Juni 2002 eingetragenen Widerspruchsmarke vor der am 8. Juni 2012 erfolgten Veröffentlichung der Eintragung der prioritäts-jüngeren angegriffenen Marke endete.
33
Demzufolge oblag es der Widersprechenden, die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke sowohl für den Zeitraum vom 8. Juni 2007 bis zum 8. Juni 2012 (Tag der Veröffentlichung der jüngeren Marke) als auch für den Zeitraum vom 16. Dezember 2016 bis 16. Dezember 2021 (Tag der Entscheidung über den Widerspruch in der mündlichen Verhandlung) glaubhaft zu machen. Dies ist der Widersprechenden zumindest für den zweiten Benutzungszeitraum nicht gelungen.
34
b) Bei der Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Obliegenheit der Widersprechenden, so dass sie die volle Verantwortung für eine vollständige Glaubhaftmachung trägt (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 43 Rn. 64 und 65). Die Glaubhaftmachung gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG a. F. i. V. m. § 294 ZPO verlangt keine volle Beweisführung. Vielmehr genügt eine geringere, lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit der (bestrittenen) Benutzung (vgl. Thomas/ Putzo, ZPO, 37. Auflage, § 294 Rn. 1; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 43 Rn. 58 ff.). Die Widersprechende hat dazu die wesentlichen Umstände der Benutzung ihrer Marke, insbesondere nach Art, Zeit, Ort und Umfang in dem maßgeblichen Benutzungszeitraum darzutun und glaubhaft zu machen. Ernsthaft benutzt wird die Marke, wenn sie in üblicher und sinnvoller Weise für die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, im Inland verwendet wird, um für diese einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, wobei die Fälle ausgeschlossen sind, in denen die Marke nur symbolisch verwendet wird, um die durch sie begründeten Rechte zu wahren. Die Ernsthaftigkeit der Benutzung ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann. Dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren (vgl. EuGH GRUR 2003, 425 Rn. 38 – Ajax/Ansul; GRUR 2006, 582, 584 Rn. 70 – VITAFRUIT; BGH GRUR 2014, 662 Rn. 12 – Probiotik; GRUR 2013, 925 Rn. 38 – VOODOO). Die Frage der Benutzung der Widerspruchsmarke unterliegt abweichend von dem das patentamtliche und das patentgerichtliche Verfahren ansonsten beherrschenden Untersuchungsgrundsatz dem Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 43 Rn. 6).
35
c) Die Widersprechende hat vorgetragen, die Widerspruchsmarke im „wandernden“ Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG a. F. in der Firmenbroschüre, Briefbögen, Notizblöcken, verschiedenen Werbeanzeigen und auf ihrer Homepage benutzt zu haben. Die zur Glaubhaftmachung vorgelegten Unterlagen (Eidesstattliche Versicherung vom 30. Dezember 2019, verweisend auf die Anlagen A, B1 – B6, C1, D und E, sowie die mit Schriftsatz vom 15. September 2021 vorgelegten Anlagen E1 und E2) reichen nicht aus, um die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke in dem Zeitraum vom 16. Dezember 2016 bis 16. Dezember 2021 bejahen zu können. Denn die tatsächliche Form der Benutzung weist im Vergleich zur eingetragenen Form Abweichungen auf, die den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke verändern (§ 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG a. F.).
36
(1) Die Firmenbroschüre (Anlage A) zeigt die Widerspruchsmarke an zwei Stellen, nämlich auf der Titelseite und auf der letzten Seite jeweils in der rechten oberen Ecke unmittelbar neben der Firma der Widersprechenden. Grundsätzlich spricht bei einer Benutzung einer Bildmarke neben oder in der Nähe der Firma vieles dafür, dass der Verkehr die Bildmarke als eigenständigen betrieblichen Herkunftshinweis wahrnehmen wird. Vorliegend ist aber zu berücksichtigen, dass die Firma „p… F… AG“ nicht im Sinne eines Wortzeichens wiedergegeben wird, sondern grafisch ausgestaltet ist. Sie weist unterschiedliche Schriftgrößen und eine zweizeilig versetzte Anordnung der Wortelemente auf, wobei das in der ersten Zeile befindliche Wort „p…“ sprachregelwidrig mit Klein- und die darunter stehende Wortfolge „Finanz AG“ sprachregelgerecht mit Großschreibung beginnt. Die Widerspruchsmarke ist rechts neben dem fett gedruckten Wort „p…“ angebracht, wobei sie etwa so groß ist wie die Buchstaben des Wortes „p…“ ohne Über- und Unterlängen. Damit erscheint die Widerspruchsmarke wesentlich kleiner als der Wortbestandteil „p…“. Sie ist zudem höher als dieser angeordnet, so dass sich die Spitze des Dreiecks und das obere Ende des letzten Buchstabens „t“ auf einer Höhe befinden. Die Widerspruchsmarke und die hinzugefügten Wortbestandteile sind damit gestalterisch aufeinander bezogen. Der angesprochene Verkehr wird die Widerspruchsmarke in dieser konkreten Form der Benutzung lediglich als Teil eines einheitlichen Wort-/Bildzeichens verstehen.
37
Darüber hinaus hat die Inhaberin der angegriffenen Marke zutreffend darauf hingewiesen, dass die Widerspruchsmarke über eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt, weil es sich bei ihr im Wesentlichen um ein Dreieck und damit um eine geometrische Grundform handelt. Solchen Zeichen kommt regelmäßig keine oder nur geringe Unterscheidungskraft zu (vgl. Ströbele/Hacker/ Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 331 m. w. N.). Ausgehend von der schwachen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke liegt eine Veränderung ihres kennzeichnenden Charakters besonders nahe, wenn sie mit weiteren Wort- und Bildbestandteilen kombiniert wird (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 26 Rn. 195 m. w. N.).
38
(2) Gleiches gilt für die Benutzung der Widerspruchsmarke auf Briefbögen (Anlagen B1 – B6), Notizblöcken (Anlage C1) und in Werbeanzeigen (Anlage D), wobei dort auch die von der Eintragung abweichende Wort-/Bildkombination „p… C…t“ mit der rechts davon angebrachten Widerspruchsmarke verwendet wird. Die grafische Ausgestaltung entspricht der unter Ziffer (1) beschriebenen Verbindung mit der Wortfolge „p… F… AG“, so dass die Widerspruchsmarke nicht als eigenständiger Herkunftshinweis erscheint.
39
Soweit die Widerspruchsmarke auf den Briefbögen, den Notizblöcken und in den Werbeanzeigen zudem als farbloses bzw. blass-orangenes Wasserzeichen verwendet wird, handelt es sich ebenfalls um ihren kennzeichnenden Charakter verändernde Formen der Benutzung. Bei einem Bildzeichen, das eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweist, kommt es bei der Beurteilung des kennzeichnenden Charakters entscheidungserheblich auch auf die konkrete Farbgebung an, wenn die Farbe dem Zeichen maßgeblich zur Schutzfähigkeit verholfen hat. Der angesprochene Verkehr wird bei Wahrnehmung der tatsächlichen Benutzungen, die ohne die charakteristische Farbe der Widerspruchsmarke erfolgt sind, nicht davon ausgehen, dass es sich insoweit um dieselbe Marke handelt.
40
(3) Auch auf der Homepage der Widersprechenden (Anlagen E, E1 und E2) wird die Widerspruchsmarke nicht in der Form benutzt, in der sie in das Register eingetragen ist. In der Anlage E erscheint die Widerspruchsmarke insgesamt dreimal. Sie ist Teil einer grafischen Gestaltung mit weiteren Wort- und Bildelementen, in der der zweimal wiedergegebene Wortbestandteil „p…“ aufgrund seines Fettdrucks hervortritt. Mittig zwischen den beiden Wort-/Bildkombinationen „p… F… AG“ und „p… C…“ mit jeweils rechts davon dargestellter Widerspruchsmarke gemäß Ziffern (1) und (2) befindet sich diese nochmals, wobei sie fast zehnmal so groß wie die Wort-/Bildkombinationen ist. Diese befinden sich zudem auf gleicher, der Hälfte des Dreiecks entsprechender Höhe und sind symmetrisch zu diesem angeordnet. Des Weiteren steht unter ihm der Schriftzug „p… macht unabhängig!“. Die Widerspruchsmarke wird damit von drei verschiedenen Wort-/Bildbestandteilen eingerahmt, so dass der angesprochene Verkehr auch diese Darstellung als einheitliche Gesamtgestaltung wahrnehmen wird.
41
Die Frage, ob die Seite, die zusammen mit der eidesstattlichen Versicherung vom 30. Dezember 2019 als Anlage E vorgelegt wurde, mit den Unterseiten E1 und E2 verlinkt ist, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben. Die Verlinkung wurde auf den Hinweis des Senats vom 2. Juli 2021, dass auf der Homepage der Widersprechenden keine Unterseiten aufgefunden wurden, nur schriftsätzlich vorgetragen. Unabhängig von der Frage, ob die Verlinkung damit ausreichend glaubhaft gemacht ist, zeigen auch die Anlagen E1 und E2 eine Benutzung der Widerspruchsmarke, wie sie aus der Firmenbroschüre ersichtlich ist und damit in einer von der Eintragung entscheidungserheblich abweichenden Form. Auf die Frage, ob die auf der ersten Seite der Homepage verwendete Wort-/Bildgestaltung in einem hinreichenden Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen steht, kommt es damit nicht mehr entscheidungserheblich an.
42
d) Eine rechtserhaltende Benutzung ist auch im Wege einer Gesamtbetrachtung der vorgelegten Unterlagen nicht zu bejahen. Zwar kommt es bei der Prüfung der rechtserhaltenen Benutzung maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei die branchenbedingten Besonderheiten der betroffenen Waren und Dienstleistungen, der Ort, die Dauer und der Umfang der Benutzung und der Zuschnitt des Unternehmens des Markeninhabers maßgeblich sein können. Dabei ist zu beachten, dass diese Faktoren untereinander in einer Wechselwirkung stehen können (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 26 Rn. 10). Dieser Grundsatz gilt jedoch vornehmlich für die Frage, ob eine Benutzung der Marke als ernsthafte Benutzung im Sinne von § 26 Abs. 1 MarkenG (a. F.) anzusehen ist. Dagegen rechtfertigt auch eine intensive Benutzung der Widerspruchsmarke in einer von der Eintragung abweichenden Form nicht ohne Weiteres die Annahme, dass sie der Verkehr der eingetragenen Form zuordnet.
43
e) Nachdem die Nichtbenutzungseinrede für den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG a. F. durchgreift, kommt es auf die Frage der rechterhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke in dem Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG a. F. nicht mehr an. Es kann folglich als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben, ob die Benutzung der Widerspruchsmarke auf den Stofftaschen als rechtserhaltende Benutzung anzusehen ist.
44
3. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass, so dass es bei der Regelung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG verbleibt.


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