Patent- und Markenrecht

25 W (pat) 544/19

Aktenzeichen  25 W (pat) 544/19

Datum:
12.11.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:12112020B25Wpat544.19.0
Spruchkörper:
25. Senat

Tenor

der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2018 200 837
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung am 12. November 2020 unter Mitwirkung der Richterin Kriener als Vorsitzende sowie des Richters Schödel und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Das am 9. Januar 2018 angemeldete Wort-/Bildzeichen
2
ist am 14. Februar 2018 unter der Nummer 30 2018 200 837 für die Waren und Dienstleistungen der
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Klasse 16:
4
Ablagefächer für Stifte; Abreißkalender; Abziehbilder; Adressenstempel; Akten [Papier- und Schreibwaren]; Aktenhüllen; Alben; Allgemeine Magazine; Anzeigekarten [Papeteriewaren]; Aufkleber; Aufkleber, Stickers [Papeteriewaren]; Banknotenklammern; Befestigungen für Stifte; Behälter, Kästen für Papier- und Schreibwaren; Bierdeckel; Bilder; Bleistifte; Bleistiftspitzer; Blöcke [Papier- und Schreibwaren]; Briefbeschwerer; Briefpapier; Broschüren; Buchbinderartikel; Bucheinbände; Buchstützen; Bücher; Büroartikel [ausgenommen Möbel]; Datenbücher; Datenverarbeitungsprogramme in gedruckter Form; Druckereierzeugnisse; Drucklettern; Druckstöcke; Etiketten, nicht aus Textilstoffen; Etikettenpapier; Etuis für Flipcharts; Etuis für Schablonen; Etuis für Schreibstifte; Etuis für Schreibwaren; Etuis für Stifte; Etuis zur Aufbewahrung von Schreibwaren; Fahnen, Wimpel [aus Papier]; Farbdrucke; Farbkästen [Schülerbedarf]; Figuren [Statuetten] aus Papiermaché; Figuren aus Pappe; Figuren, bestehend aus Papier; Flaschenverpackungen aus Pappe oder Papier; Folien aus Kunststoff für Verpackungszwecke; Folien aus regenerierter Zellulose für Verpackungszwecke; Folien aus Zelluloseacetat für Verpackungszwecke; Folien zum Verpacken von Geschenken; Formulare [Formblätter]; Fotografien; Fotogravuren; Füllfederhalter, Kugelschreiber; Gedenkstempel [Siegel]; Geschenkpapier; Globen [Erdkugeln]; Glückwunschkarten; Grafische Darstellungen; Halter für Stempel; Halter für Stifte; Handbücher; Hüllen [Papier- und Schreibwaren]; Kalender; Karteikarten; Kataloge; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Kugelschreiber; Kunstwerke und Figuren aus Papier oder Pappe sowie Architekturmodelle; Künstlerbedarf; Lehr- und Unterrichtsmaterial; Lesezeichen; Musikglückwunschkarten; Notizbücher; Papier; Papier- und Schreibwaren; Papierblätter [Papeteriewaren]; Papierblätter für Notizen; Papierhandtücher; Papierservietten; Papiertaschentücher; Papiertüten; Pappe [Karton]; Plakate; Platzdeckchen [Sets] aus Papier; Poster aus Papier; Postkarten; Prospekte; Präsentationskartons; Radiergummis; Schablonen [Papier- und Schreibwaren]; Schachteln aus Papier oder Pappe; Schilder aus Papier und Pappe; Schreib- und Stempelausrüstung; Schreibgarnituren; Schreibgeräte; Schreibhefte; Schreibmappen; Schreibmaterialien; Schriften [Veröffentlichungen]; Stempel; Stempeletuis; Stempelhalter; Stempelkissen; Stempelkästen; Stifte [Schreibwaren]; Stiftetuis; Ständer für Stifte; Taschen aus Papier für Verpackungszwecke; Taschen, Beutel und Waren für Verpackungs-, Einpack- und Ablagezwecke aus Papier, Pappe oder Kunststoff; Taschenkalender; Taschennotizbücher; Taschenplaner; Taschentücher aus Papier; Tischwäsche aus Papier; Untersetzer aus Papier; Verpackungsbeutel, – hüllen, -taschen aus Papier oder Kunststoff; Verpackungskartons; Verpackungsklebebänder; Verpackungsmaterialien; Verpackungspapier; Zeichenartikel; Zeichenbedarfsartikel; Zeitschriften; Zeitschriften [Magazine]; Zeitungen;
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Klasse 35:
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Ablesen von Gaszählern zu Abrechnungszwecken; Ablesen von Stromzählern zu Abrechnungszwecken; Abrechnungsdienste für den Energiesektor; Abrechnungserstellung; Audiovisuelle Präsentationen für Werbezwecke; Außenwerbung; Beratung im Bereich Beschaffung von Waren und Dienstleistungen; Beratung in Bezug auf Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing; Beschaffungsdienstleistungen; Betriebs- und Geschäftsführung; Betriebswirtschaftliche Beratung; Büroarbeiten; Dienstleistungen einer Marketingagentur; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Dienstleistungen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit; Dienstleistungen in Bezug auf Büroarbeiten; Dienstleistungen in Bezug auf die Erstellung von Abrechnungen; Durchführung von Immobilienauktionen; Geschäftsführung; Geschäftsführung für Dritte; Geschäftsführung und -verwaltung; Herausgabe von Werbetexten; Marketing; Marketing in Bezug auf Immobilien; Online-Dienstleistungen in Bezug auf Unternehmens-Networking; Online-Werbung für Waren und Dienstleistungen auf Websites; Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Organisation von Veranstaltungen, Ausstellungen, Messen und Shows für kommerzielle, verkaufsfördernde und Werbezwecke; Planen und Veranstalten von Messen, Ausstellungen und Präsentationen für wirtschaftliche oder Werbezwecke; Produktvorführungen und -präsentationen; Präsentation von Waren und Dienstleistungen; Rundfunk- und Fernsehwerbung; Unternehmensverwaltung; Veranstaltung und Durchführung von Immobilienversteigerungen; Veranstaltung von Präsentationen zu Werbezwecken; Verbrauchszählerablesung für Abrechnungszwecke; Verfassen von Werbetexten; Vertriebsanalysen für die Immobilienbranche; Verwaltung von Unternehmen; Verwaltung, Abrechnungen und Kontenabstimmung im Namen Dritter; Vorführung von Waren für Werbezwecke; Wasserzählerablesung für Abrechnungszwecke; Werbe- und Marketingdienstleistungen; Werbung; Werbung für Dienstleistungen; Werbung für Immobilien; Werbung für öffentliche Bauvorhaben; Werbung in Zeitschriften, Broschüren und Zeitungen;
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Klasse 36:
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Anlageberatung in Bezug auf Immobilien; Auswahl und Erwerb von Immobilien im Auftrag Dritter; Beratung bei der Bewertung von Immobilien; Beratung beim Kauf von Immobilien; Beratung in Immobilienangelegenheiten; Bewertung und Verwaltung von Immobilien; Bewertung von Immobilien; Dienstleistungen betreffend den Erwerb von Immobilien für Dritte [Immobilienwesen]; Dienstleistungen der Grundstücksvermittlung; Dienstleistungen der Grundstücksverpachtung; Dienstleistungen der Immobilienberatung; Dienstleistungen der Immobilienverwaltung; Dienstleistungen der Vermietung von Wohnungen und Büros; Dienstleistungen des Immobilieninvestments; Dienstleistungen des Immobilienwesens; Dienstleistungen des Verpachtens von Grundstücken; Dienstleistungen einer Immobilienagentur bezüglich der Vermietung von Gebäuden; Dienstleistungen einer Immobilienagentur für das Mieten von Grundstücken; Dienstleistungen einer Immobilienagentur für den Verkauf und die Vermietung von Gebäuden; Dienstleistungen einer Immobilienagentur für den Verkauf und die Vermietung von Unternehmen; Dienstleistungen einer Wohnungsvermittlung; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers; Dienstleistungen eines Immobilienvermittlers; Dienstleistungen in Bezug auf die Übernahme von finanziellen Beteiligungen von Immobilien; Dienstleistungen zur Abtretung von Immobilienpachtverträgen [Immobilienwesen]; Dienstleistungen zur Verlängerung von Immobilienpachtverträgen [Immobilienwesen]; Einziehen von Miet- und Pachterträgen; Einziehung von Forderungen aus Immobilienvermietungen; Ermitteln von Immobilienwerten; Erstellen von Immobilienangeboten für die Vermietung von Häusern und Wohnungen; Erstellung von Kapitalanlageplänen bezüglich Immobilien; Erteilen von Auskünften über den Immobilienmarkt; Erteilen von Auskünften über Immobilien; Finanzberatung; Finanzberatung für Investitionen in Immobilien; Finanzdienstleistungen für den Erwerb von Grundbesitz; Finanzdienstleistungen für den Erwerb von Immobilien; Finanzdienstleistungen für Immobilien und Gebäude; Finanzielle Bewertung und Verwaltung von Immobilien; Finanzielle Schätzung von Immobilien; Finanzielle Schätzungen [Versicherungs-, Bank-, Grundstücksangelegenheiten]; Finanzierung von Immobilien; Finanzwesen; Gebäudeverwaltung; Geldgeschäfte; Grundstücksverpachtung; Grundstückvermittlung; Hausverwaltung; Hypothekenvermittlung; Immobilien verwalten; Immobilienberatung; Immobilienbewertung; Immobiliengeschäfte [Finanzdienstleistungen]; Immobilienvermittlung; Immobilienverpachtung; Immobilienverwaltung; Immobilienverwaltung bei der Abwicklung von Grundstücksgeschäften; Immobilienwesen; Investmentgeschäfte; Kreditvermittlung; Landerwerb für Dritte zu Zwecken der Vermietung; Leasing; Leasing oder Vermietung von Gebäuden; Leasing und Vermietung von Geschäftsräumen; Maklerdienste zur Vermietung von Gebäuden; Maklerdienste zur Vermittlung von Miet- und Pachtverträgen für Grundstücke; Maklerdienste zur Verpachtung von Grundstücken; Schätzung von Immobilien; Vermietung und Verpachtung von Büros; Vermietung von Büros; Vermietung von Gebäuden; Vermietung von Häusern; Vermietung von Immobilien; Vermietung von Verkaufsräumen; Vermietung von Wohnungen und Büros; Vermitteln von Immobilienversicherungen; Vermittlung der Vermietung von Immobilien; Vermittlung von Grundstücken; Vermittlung von Verpachtungen und Vermietungen von Immobilien; Vermittlung von Versicherungen; Verpachtung von Einkaufszentren; Verpachtung von Grundstücken; Verpachtung von Immobilien; Versicherungsberatung; Versicherungswesen; Verwaltung von Gebäuden; Verwaltung von Gewerbeimmobilien; Verwaltung von Immobilien und Grundbesitz; Verwaltung von Kapitalanlagen; Wohnungsvermittlung; Zurverfügungstellen von Informationen für die Immobilienbewertung
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als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden.
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Gegen die Eintragung der am 16. März 2018 veröffentlichten Marke hat die Widersprechende aus ihrer seit dem 16. November 2012 unter der Registernummer 010 961 993 eingetragenen Unionsmarke
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am 15. Juni 2018 Widerspruch erhoben. Die Widerspruchsmarke ist geschützt für die folgenden Dienstleistungen
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Klasse 35:
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Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Werbung für EDV-Dienstleistungen im Bereich Internet; Werbung und Marketing für -Dritte, vor allem in digitalen Netzen, durch Gestaltung und Beherbergung von elektronisch aufbereiteten Informationen in Wort, Bild und Ton; Datenverwaltung; Aktualisierung und Pflege von Daten in Computerdatenbanken; Durchführung von Auktionen und Versteigerungen; Kommerzielle Verwaltung der Lizenzierung von Waren und Dienstleistungen für Dritte; Vermietung von Werbeflächen im Internet; Webvertising;
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Klasse 38:
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Telekommunikationsdienste, insbesondere EDV-Dienstleistungen im Bereich Internet, nämlich Bereitstellung von E-Mail-Dienste, Leitungs-, Routing- und Verbindungsdienstleistungen für die Telekommunikation; Dienste eines Internet- Providers, nämlich Bereitstellen von Telekommunikationsverbindungen zu einem globalen Computernetzwerk, Bereitstellen des Zugriffs auf Telekommunikationsinfrastrukturen für Dritte, Bereitstellung von Zugangsberechtigungen zu einem globalen Computernetzwerk, Routing- und Verbindungsdienstleitungen für die Telekommunikation, Informationen und Beratung in Bezug auf Telekommunikationsleistungen; Vermietung von Zugriffszeiten auf globale Computernetzwerke;
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Klasse 42:
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Technische Planung und Beratung, insbesondere mit Bezug auf Einrichtungen für die Telekommunikation; Vermietung von Computer Hardware und Computersoftware; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Aktualisierung und Design von Computersoftware; Design von Webseiten; Aktualisierung von Internetseiten; Benutzer- und Rechteverwaltung in Computernetzwerken; Bereitstellung von Suchmaschinen für das Internet; Dienstleistungen einer Zertifizierungsstelle (Trust-Center), nämlich Ausgabe und Verwaltung von digitalen Schlüsseln und/oder digitalen Unterschriften, Überprüfung von digitalen Signaturen; Dienstleistungen zum Schutz vor Computerviren; Konfiguration von Computer-Netzwerken durch Software; Sicherheitsdienstleistungen zum Schutz vor illegalen Netzwerkzugriffen; Serveradministration; Domainnamenhosting; Zurverfügungstellung oder Vermietung von elektronischen Speicherplätzen (Webspace) im Internet; Webdesign, Webhosting, Bereitstellung einer Plattform im Internet; Webconsulting, Webdesigning, Webhosting;
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Klasse 45:
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Rechtsberatung; Registrierung von Domainnamen, Vorregistrierung von Domainnamen, Domainnamenvormerkung; Beratung in Bezug auf Domainnamen; Domainnamenvergabe, Domainnamenvermittlung, Domainnamenbewertung, Domainnamenverwaltung, Domainnamen-übertragung, auch durch Treuhänder; Bereitstellen von Informationen über Online- und Domainrecht im Internet; Bereitstellen und Betreiben einer Domain-Registry.
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Der Widerspruch richtet sich gezielt gegen die Dienstleistungen der Klasse 35 „Audiovisuelle Präsentationen für Werbezwecke; Außenwerbung; Beratung im Bereich Beschaffung von Waren und Dienstleistungen; Beratung in Bezug auf Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing; Beschaffungsdienstleistungen; Betriebs- und Geschäftsführung; Betriebswirtschaftliche Beratung; Büroarbeiten; Dienstleistungen einer Marketingagentur; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Dienstleistungen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit; Dienstleistungen in Bezug auf Büroarbeiten; Geschäftsführung; Geschäftsführung für Dritte; Geschäftsführung und -verwaltung; Herausgabe von Werbetexten; Marketing; Online-Dienstleistungen in Bezug auf Unternehmens-Networking; Online-Werbung für Waren und Dienstleistungen auf Websites; Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Organisation von Veranstaltungen, Ausstellungen, Messen und Shows für kommerzielle, verkaufsfördernde und Werbezwecke; Planen und Veranstalten von Messen, Ausstellungen und Präsentationen für wirtschaftliche oder Werbezwecke; Produktvorführungen und -präsentationen; Präsentation von Waren und Dienstleistungen; Rundfunk- und Fernsehwerbung; Unternehmensverwaltung; Veranstaltung von Präsentationen zu Werbezwecken; Verfassen von Werbetexten; Verwaltung von Unternehmen; Vorführung von Waren für Werbezwecke; Werbe- und Marketingdienstleistungen; Werbung; Werbung für Dienstleistungen; Werbung in Zeitschriften, Broschüren und Zeitungen“ und ist gestützt auf die Dienstleistungen der Klasse 35 sowie der Klasse 45 der Widerspruchsmarke.
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Die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit dem Beschluss einer Beamtin des gehobenen Dienstes vom 31. Januar 2019 eine Verwechslungsgefahr im Sinne der §§ 125b, 43 Abs. 2 Satz 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den sich gegenüberstehenden Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Es sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Zwischen den angegriffenen Dienstleistungen der jüngeren Marke und den Dienstleistungen der Klasse 35 der Widerspruchsmarke bestehe eine hochgradige Ähnlichkeit. Der zwischen den beiden Marken bei dieser Ausgangslage gebotene streng zu bemessende Abstand der Vergleichszeichen werde von der jüngeren Marke hinreichend eingehalten. Nach der maßgeblichen visuellen Gesamtheit würden sich die beiden Wort-/Bildmarken ausreichend voneinander unterscheiden. Sie seien zwar in der Zeichenschrift identisch, die zusätzlichen jeweiligen graphischen Darstellungen würden aber sofort erkennbar und erheblich voneinander abweichen. Dem Schriftzug des Widerspruchszeichens sei neben den zusätzlichen eckigen Klammern ein Punkt vorangestellt, während der Schriftzug des jüngeren Zeichens in eine Raute eingefügt sei, die in auffälliger Weise rechts zweimal durchbrochen sei, weshalb die rechtsseitige Rautenspitze wie ein Pfeil wirke. Die jeweiligen grafischen Zeichenelemente würden eine visuelle Verwechslung der Zeichen nicht zulassen. Bei dem klanglichen Zeichenvergleich wären zwar als einfachste und kürzeste Bezeichnungsform der Marken jeweils die identischen Wortbestandteile „ruhr“ und „ruhr“ gegenüberzustellen. Bei dem Wort „ruhr“ handele es sich aber um den Namen eines Flusses in Nordrhein-Westfalen und um die Abkürzung für das Ruhrgebiet. Insoweit beinhalte „ruhr“ den unmittelbar beschreibenden Hinweis darauf, dass die so gekennzeichneten Dienstleistungen im Ruhrgebiet angeboten oder erbracht würden. Einer solchen beschreibenden und nicht unterscheidungskräftigen Angabe fehle aus Rechtsgründen die Eignung, eine Marke zu prägen.
22
Eine begriffliche Verwechslungsgefahr sei ebenfalls aus Rechtsgründen zu verneinen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer mittelbaren Verwechslungsgefahr seien nicht gegeben.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur Begründung ihrer Beschwerde führt sie im Wesentlichen aus, bei dem vorliegend angesprochenen Verkehrskreis der Durchschnittsverbraucher sei von einer verringerten Aufmerksamkeit auszugehen. Bei den sich gegenüberstehenden Dienstleistungen handele es sich um Werbe- und Marketingdienstleistungen, die auch über das Internet angeboten würden. Die angesprochenen Verbraucher seien im Internet täglich mit einer Fülle von Marken konfrontiert und würden diesen im Allgemeinen beim Surfen im Netz keine nähere Bedeutung beimessen, was sich auch daran zeige, dass Ad-Blocker und ähnliche Browser-Erweiterungen, die die Darstellung von Marken auf Internetseiten unterdrückten, eine hohe Verbreitung hätten. Daher würden die angesprochenen Verkehrskreise die Vergleichszeichen lediglich flüchtig wahrnehmen und ihnen keine größere Aufmerksamkeit schenken. Folglich würden die Unterschiede in der graphischen Ausgestaltung der Marken von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht oder weniger deutlich wahrgenommen werden. Zudem habe die Markenstelle die Wortbestandteile der Widerspruchsmarke zu Unrecht auf „ruhr“ verkürzt. Denn die Wortbestandteile der älteren Marke bestünden aus einem „.“ (Punkt) und „ruhr“. Die angesprochenen Verbraucher würden angesichts der entsprechenden Verwendung im Internet daran gewöhnt sein, „Punkte“ innerhalb der Zeichen als inhärenten Bestandteil zu betrachten und zusammen mit dem Wort als Einheit wahrzunehmen, da der „Punkt“ als Trennelement zwischen den Namensteilen eines Domain-Namens bekannt sei. Die Widerspruchsmarke würde dementsprechend klanglich mit „Punkt Ruhr“ wiedergegeben werden. Für die Frage, ob ein Zeichen beschreibend sei, komme es maßgebend auf die Bedeutung des Zeichens als Ganzes an. Eine beschreibende Bedeutung des Zeichens „. ruhr“ (also „Punkt Ruhr) sei nicht erkennbar. Auch würden die über das Internet angebotenen Werbe- und Marketingdienstleistungen weltweit angeboten werden, so dass auch deshalb ein beschreibender Bezug zu dem Ruhrgebiet oder zu dem Fluss „Ruhr“ nicht bejaht werden könne. Aus alledem sei der Schluss zu ziehen, dass der in beiden Marken vorhandene Wortbestandteil „ruhr“ beim Zeichenvergleich Berücksichtigung finden müsse. Zudem sei für die Frage der Zeichenähnlichkeit auf den Gesamteindruck der Zeichen abzustellen und nicht nach dem selbständigen Schutz eines Bestandteils zu fragen. Auch ein beschreibender Bestandteil könne zum Gesamteindruck der Marke beitragen und sei bei der Bestimmung der Zeichenähnlichkeit zu berücksichtigen. Insoweit könne die Ähnlichkeit der Wortbestandteile „ruhr“ und „ruhr“ nicht unberücksichtigt bleiben. Die Vergleichszeichen seien sich schriftbildlich hochgradig ähnlich, nachdem sie sich nur in einem Zeichen, nämlich dem der Widerspruchsmarke vorangestellten Punkt, unterscheiden würden. Klanglich stünden sich nach dem jeweiligen Gesamteindruck „ruhr“ und „Punkt ruhr“ gegenüber. Auch insoweit sei die zweite Silbe der älteren Marke „ruhr“ mit der jüngeren Marke identisch und vollständig im Gesamtklangbild der älteren Marke enthalten.
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Auch die zusätzlichen grafischen Bestandteile der Vergleichszeichen seien hochgradig ähnlich. Das Schriftbild beider Marken sei komplett unauffällig, so dass möglicherweise vorhandene marginale Unterschiede im Schriftbild nicht ausreichten, um bei dem angesprochenen Verkehrskreis eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Beide Marken würden ein Bildelement aufweisen, das sich durch rechte Winkel auszeichne und den Wortbestandteil sozusagen einrahme. Der konkreten grafischen Ausgestaltung der Zeichen würde somit eine gemeinsame gedankliche Aussage zugrunde liegen, die für die angesprochenen Verkehrskreise auf denselben betrieblichen Ursprung hinweise. Die Zeichen würden von den angesprochenen Verbrauchern nicht nebeneinander, sondern in einem erheblichen zeitlichen Abstand wahrgenommen werden. Somit sei unter Berücksichtigung einer geringen Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise davon auszugehen, dass diese angesichts der konzeptionell gleich gestalteten Bildelemente von einer Herkunft der Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen ausgingen.
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Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 vom 31. Januar 2019 aufzuheben, soweit der Widerspruch hinsichtlich der angegriffenen Dienstleistungen der Klasse 35 zurückgewiesen worden ist und wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke 010 961 993 die Löschung der angegriffenen Marke 30 2018 200 837 für die angegriffenen Dienstleistungen der Klasse 35, nämlich „audiovisuelle Präsentationen für Werbezwecke; Außenwerbung; Beratung im Bereich Beschaffung von Waren und Dienstleistungen; Beratung in Bezug auf Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing; Beschaffungsdienstleistungen; Betriebs- und Geschäftsführung; Betriebswirtschaftliche Beratung; Büroarbeiten; Dienstleistungen einer Marketingagentur; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Dienstleistungen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit; Dienstleistungen in Bezug auf Büroarbeiten; Geschäftsführung; Geschäftsführung für Dritte; Geschäftsführung und -verwaltung; Herausgabe von Werbetexten; Marketing; Online-Dienstleistungen in Bezug auf Unternehmens-Networking; Online-Werbung für Waren und Dienstleistungen auf Websites; Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen; Organisation von Veranstaltungen, Ausstellungen, Messen und Shows für kommerzielle, verkaufsfördernde und Werbezwecke; Planen und Veranstalten von Messen, Ausstellungen und Präsentationen für wirtschaftliche oder Werbezwecke; Produktvorführungen und -präsentationen; Präsentation von Waren und Dienstleistungen; Rundfunk- und Fernsehwerbung; Unternehmensverwaltung; Veranstaltung von Präsentationen zu Werbezwecken; Verfassen von Werbetexten; Verwaltung von Unternehmen; Vorführung von Waren für Werbezwecke; Werbe- und Marketingdienstleistungen; Werbung; Werbung für Dienstleistungen; Werbung in Zeitschriften, Broschüren und Zeitungen“ anzuordnen.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Eine Verwechslungsgefahr der Zeichen sei nicht gegeben. Zur weiteren Begründung verweist die Markeninhaberin auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen der Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss vom 31. Januar 2019.
30
Auf den hilfsweise gestellten Terminsantrag der Widersprechenden hat der Senat einen Termin zur mündlichen Verhandlung für den 12. November 2020 angesetzt und darin auf die besonderen Maßnahmen zum Infektionsschutz für das Dienstgebäude des Bundespatentgerichts und den Sitzungssaal hingewiesen. Den Anträgen der Widersprechenden vom 14. Oktober 2020, vom 26. Oktober 2020 und vom 4. November 2020 unter Hinweis auf die aktuelle Pandemielage den Termin zur mündlichen Verhandlung auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen, ist der Senat nicht nachgekommen. Die Widersprechende hat mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2020 hilfsweise beantragt, in das schriftliche Verfahren zu wechseln, sofern der Termin zur mündlichen Verhandlung nicht verlegt werde. Der Senat hat die Widersprechende mit Schreiben vom 27. Oktober 2020 auf die Möglichkeit der Unterbevollmächtigung hingewiesen und die Widersprechende zudem gebeten, mitzuteilen, ob einem Übergang in das schriftliche Verfahren zugestimmt werden könne. Unter Hinweis darauf, dass die Widersprechende bei einem Wechsel in das schriftliche Verfahren von einem weiteren Rechtszug ausgeschlossen werde, was den rechtlichen Interessen der Widersprechenden widerspräche, hat die Widersprechende an dem hilfsweisen Antrag auf Übergang in das schriftliche Verfahren festgehalten. An der mündlichen Verhandlung am 12. November 2020 hat, wie zuvor angekündigt, niemand teilgenommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 36, die Schriftsätze der Beteiligten sowie den Ladungszusatz des Senats vom 30. Juli 2020 nebst Anlagen und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
32
Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden besteht zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr nach § 125b Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i.V.m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass die Markenstelle den Widerspruch aus der Widerspruchsmarke zu Recht zurückgewiesen hat, § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG.
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Da die Anmeldung der angegriffenen Marke am 9. Januar 2018 und damit zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist gemäß § 158 Abs. 3 MarkenG für den gegen die Eintragung erhobenen Widerspruch § 42 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG in der bis zum 14. Januar 2019 jeweils geltenden Fassung (MarkenG aF) anzuwenden.
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1. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933 Rn. 32 – BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2016, 382 Rn. 19 – BioGourmet; GRUR 2018, 79 Rn. 9 – Oxford/Oxford Club). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; siehe auch Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 9 Rn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können sich für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren entscheidungserheblich auswirken, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
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Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen der angegriffenen Wort-/Bildmarke und der älteren Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr.
36
a. Die Vergleichszeichen können sich nach der maßgeblichen Registerlage im Bereich identischer oder hochgradig bis durchschnittlich ähnlicher Dienstleistungen der Klasse 35 begegnen. Die Bestimmung des Grades der Ähnlichkeit der Dienstleistungen im Einzelnen kann dahingestellt bleiben, weil die jüngere Marke selbst im Zusammenhang mit den identischen Dienstleistungen der Klasse 35 den erforderlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke einhält.
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Bei den von den widerspruchsrelevanten Dienstleistungen angesprochenen Verkehrskreisen handelt es sich hauptsächlich um gewerblich tätige Verkehrskreise, die die auf Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, Betriebs- und Geschäftsführung oder Unternehmensverwaltung bezogenen Dienste in erster Linie in Anspruch nehmen. Nachdem es sich preislich und wirtschaftlich gesehen um in der Regel nicht völlig unbedeutende und zum Teil auf längerfristige Geschäftsbeziehungen bezogene sowie auf die speziellen Kundenwünsche ausgerichtete, spezifische und individualisierte Dienstleistungen (Betriebs- und Geschäftsführung; Werbedienstleistungen) handelt, ist bei der Inanspruchnahme der Dienste, anders als die Widersprechende meint, jedenfalls nicht von einer unterdurchschnittlichen Aufmerksamkeit, sondern durchschnittlichen, wenn nicht sogar leicht gesteigerten Aufmerksamkeit auszugehen, was in der Regel die Gefahr von Markenverwechslungen eher vermindert.
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b. Es bestehen Anhaltspunkte für eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, nachdem das Wortelement „ruhr“ für die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35 als geografische Angabe über eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt und sich die Kennzeichnungskraft in erster Linie aus dessen Kombination zusammen mit den zusätzlichen grafischen Elementen in Form der eckigen Klammern und eines Punktes sowie der farbigen Ausgestaltung in grüner und blauer Farbe ergeben dürfte. Aber auch wenn zugunsten der Widersprechenden von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen wird, kommt eine Verwechslungsgefahr der Vergleichszeichen selbst im Bereich identischer Dienstleistungen vorliegend nicht in Betracht.
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c. Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. z.B. u.a. EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 48 – PRV/Hansson; BGH GRUR 2019, 1316 Rn. 34 – KNEIPP; GRUR 2018, 79 Rn. 37 – Oxford/Oxford Club). Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (so z.B. BGH in GRUR 2016, 283 Rn. 37 – BioGourmet m.w.N.).
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aa. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr der Zeichen ist nicht gegeben.
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Die sich gegenüberstehenden Wort-/Bildmarken enthalten den übereinstimmenden Wortbestandteil „ruhr“. Bei der Widerspruchsmarke ist dieser in blauer Farbe gehaltene Wortbestandteil mit einem vorangestellten ebenfalls in blauer Farbe ausgestalteten Punkt versehen und von zwei eckigen Klammern, die in hellgrüner Farbe gehalten sind, umfasst. Das angegriffene Zeichen enthält den Wortbestandteil „ruhr“, der von einer schwarzen Raute umrahmt wird, die auf der rechten Seite nach dem letzten Buchstaben „r“ jeweils oben und unten durchbrochen ist, so dass aus der Ecke eine Pfeilgestaltung wird.
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Soweit die Bezeichnungen insgesamt – unter Berücksichtigung aller oben genannten Markenbestandteile – klanglich wiedergegeben werden, stehen sich die angegriffene Marke „ruhr (in) Raute“ oder „ruhr (in) Quadrat“ und die Widerspruchsmarke „Klammern Punkt ruhr Klammern“ oder „Punkt ruhr in Klammern“ gegenüber, sodass eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht in Betracht kommt. Soweit vereinzelt die Widerspruchsmarke als „Punkt ruhr“ oder entsprechend der üblichen Wiedergabe als Teil einer Internetadresse als „dot ruhr“ wiedergegeben wird, besteht zu „ruhr Raute/Quadrat“ klanglich ebenso wenig eine relevante Verwechslungsgefahr.
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Bei einer aus Wort- und Bildbestandteilen zusammengesetzten Marke stellt in der Regel der Wortbestandteil die einfachste Möglichkeit der Benennung des Zeichens dar, so dass insoweit von einer Prägung der Marke in klanglicher Hinsicht durch das Wort auszugehen ist. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass beschreibenden, nicht unterscheidungskräftigen oder schwach unterscheidungskräftigen Bestandteilen einer zusammengesetzten Marke im Allgemeinen ein geringeres Gewicht bei der Prüfung der Ähnlichkeit zukommt und diese jedenfalls in der Regel nicht geeignet sind, den Gesamteindruck zu prägen (vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 53 – PRV/Hansson; BGH GRUR 2020, 870 Rn. 69 – INJEKT/INJEX). Andererseits dürfen diese Bestandteile nicht von vorneherein und generell von der Beurteilung der Ähnlichkeit ausgenommen werden (vgl. BGH GRUR 2020, 1202 Rn. 27 – YOOFOOD/YO; GRUR 2020, 870 Rn. 69 – INJEKT/INJEX).
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Das in den Vergleichsmarken übereinstimmende Wort „ruhr“ ist die Bezeichnung eines Flusses sowie die gebräuchliche Kurzform für das (entlang des Flusses verlaufende) Ruhrgebiet bzw. die Metropole Ruhr, die mit rund 5,1 Millionen Einwohnern und einer Fläche von 4.438,69 Quadratkilometern der größte Ballungsraum Deutschlands ist (vgl. Anlage 1 der den Beteiligten mit dem Ladungszusatz vom 30. Juli 2020 übermittelten Unterlagen). Die Kurzform „Ruhr“ wird als griffige geografische Angabe für dieses Gebiet bereits vielfach verwendet, so beispielsweise in „Ruhr-Summit 2019“ für ein B2B-Startup Event, “Ruhr-Gründer“ für ein Magazin für Gründer und Startups, für das Familienfest „Ruhr-in-Love 2015“, Zeltfestival Ruhr, Ruhr-Konferenz, Ruhr24 für ein Nachrichtenportal, u.v.m. (vgl. Anlage 1 der den Beteiligten mit dem Ladungszusatz vom 30. Juli 2020 übermittelten Unterlagen). Daher weist der Wortbestandteil „ruhr“ in einer ohne weiteres verständlichen Art und Weise auf einen geografischen Bezug zu dem Ruhrgebiet oder der Metropolregion Ruhr hin. Dies wird von den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen angesichts der Größe und der Bedeutung des Ruhrgebiets in und für Deutschland auch ohne weiteres verstanden. Insoweit spielt es keine Rolle, ob die Bezeichnung „ruhr“ auch weltweit als geografischer Hinweis verstanden wird, worauf die Widersprechenden mit ihrer Argumentation, dass sich die über das Internet angebotenen Dienstleistungen an ein weltweites Publikum richteten, hinweist.
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Das Wort „ruhr“ beinhaltet einen Hinweis auf die geografische Lage an der Ruhr oder im Ruhrgebiet und beschreibt die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke wie auch der angegriffenen Marke als solche, die sich schwerpunktmäßig auf die Ruhrregion beziehen oder von einem dort ansässigen Dienstleister erbracht werden. Auch wenn zahlreiche Dienstleistungen heute über das Medium des Internet und damit theoretisch weltweit angeboten, aufgerufen oder abgerufen werden können, hat dies aber nicht zur Folge, dass eine regionale Schwerpunktsetzung oder der Hinweis auf die regionale Tätigkeit oder Ausrichtung eines Dienstleisters irrelevant sind. Das Bedürfnis bzw. die Notwendigkeit einen regional ansässigen Dienstleister zu beanspruchen, ist auch im gewerblichen Sektor nach wie vor vorhanden. Der Gesichtspunkt der Regionalität macht insbesondere bei Werbe-, oder Marketingdienstleistungen, Dienstleistungen in Bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung sowie für die betriebswirtschaftlichen Beratungsdienste nach wie vor Sinn, weil es darum gehen kann, im Interesse der Kunden regionale Inhalte oder die regionalen Besonderheiten im Blick zu haben. Zudem bietet die regionale Verbindung den Vorteil, einen Ansprechpartner vor Ort zu haben. Vor diesem Hintergrund ist die geografische Angabe „ruhr“, wonach der Dienstleister seine Dienstleistungen auf das Gebiet der Ruhr ausrichtet oder dort anbietet als Angabe des Tätigkeits- oder Standortschwerpunktes für die so bezeichneten Dienstleistungen unmittelbar beschreibend.
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Damit eignet sich der Wortbestandteil „ruhr“ jedenfalls nicht dazu, die jeweiligen Wort-/Bildmarken allein zu prägen. Denn ansonsten würde dies dazu führen, dass durch den Schutz einer bestimmten Kombination von Bestandteilen ein zu dieser Kombination gehörender beschreibender Bestandteil Schutz als solches erlangte, was einem schutzunfähigen Bestandteil in einer zusammengesetzten Marke aber nicht zukommt (vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 58 – PRV/Hansson).
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Anders als die Widersprechende meint, ist im Übrigen auch nicht in einem entscheidungserheblichen Umfang davon auszugehen, dass bei der Wiedergabe der Widerspruchsmarke der vorangestellte „.“ als „Punkt“ oder wie bei Internetadressen üblich als „dot“ mit ausgesprochen wird. Denn dazu gibt es für die angesprochenen Verkehrskreise keinerlei Veranlassung. Weder die konkrete Anordnung der Bestandteile in der Marke, vor allem das Größenverhältnis der Bestandteile, noch die Abfolge des Punktes mit darauffolgendem Wort, die nur einen Teil einer Internetadresse darstellt – ohne eine komplette Internetadresse zu sein – legen nahe, dass hier der Punkt mitgesprochen wird.
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Schriftbildlich unterscheiden sich die jüngere Marke und die Widerspruchsmarke ebenso ausreichend voneinander. Die angegriffene Marke weist ein Element einer dekorativen Umrahmung mit einer durchbrochenen Raute oder einem Quadrat auf, wohingegen die Widerspruchsmarke eine zweifarbige Ausgestaltung mit grün und blau und die Satzzeichen zweier Klammern und eines Punktes aufweisen. Damit ähneln sich die Marken in diesen Elementen insgesamt so wenig, dass die Gefahr einer Verwechslung in schriftbildlicher Hinsicht nicht besteht.
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Insoweit ist der Schutzbereich der Widerspruchsmarke „ruhr“ eng nach Maßgabe der schutzbegründenden Eigenprägung zu begrenzen und so kann der Umstand der Übereinstimmung der Bezeichnungen in „ruhr“ nicht dazu führen, dass die Marken insgesamt als verwechselbar eingestuft werden (siehe hierzu BGH GRUR 2013, 631 Rn. 66 AMARULA/Marulablu (Marula); BPatG FITAMIN/VIT-H-MIN; Vitaminis/Vitaminos; Panero/Panerie – die Entscheidungen sind über die Entscheidungsdatenbank der Homepage öffentlich zugänglich; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 9 Rn. 195 m.w.N.).
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Mit den Vergleichszeichen einerseits und andererseits stehen sich somit klanglich und schriftbildlich ausreichend unterschiedliche Zeichen gegenüber.
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Soweit die Vergleichsbezeichnungen“ begrifflich übereinstimmend auf „ruhr“ und damit beschreibend auf die geografische Herkunftsangabe hinweisen, kommt insoweit aus Rechtsgründen die Bejahung einer begrifflichen Verwechslungsgefahr ebenso wenig in Betracht, weil der beschreibenden Angabe „ruhr“ ansonsten ein ausschließliches Recht zukäme, das ihm als beschreibendem Bestandteil einer zusammengesetzten Marke nicht zukommt.
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Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ist daher in keinerlei Hinsicht gegeben.
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bb. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer mittelbaren Verwechslungsgefahr oder ein Fall einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn etwa unter der Annahme einer selbständig kennzeichnenden Stellung liegt ebenso wenig vor. Die Bejahung einer selbständig kennzeichnenden Stellung eines schutzunfähigen Bestandteils (ruhr) kommt nicht in Betracht. Denn dies würde andernfalls auf einen unzulässigen Elementenschutz hinauslaufen (so st.Rspr., vgl. z.B. BGH GRUR 2008, 903 Rn. 34 – SIERRA ANTIGUO; GRUR 2009, 1055 Rn. 31 – airdsl).
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Die Beschwerde der Widersprechenden war daher zurückzuweisen.
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2. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
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3. Den Anträgen der Widersprechenden angesichts der aktuellen Pandemielage aufgrund der mit der Anreise einhergehenden gesundheitlichen Risiken, die mündliche Verhandlung vom 12. November 2020 zu verschieben, konnte nicht nachgekommen werden. Allein der pauschale Hinweis auf die potentielle Gefährdung der Beteiligten durch die Anreise nach München hat der Senat nicht als ausreichenden erheblichen Grund für eine Verlegung angesehen. Insoweit hätte es weiterer Ausführungen und der konkreten Darlegung des Grundes bedurft, der eine Verlegung des anberaumten Termins gebietet (vgl. Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 227 Rn. 6). Im Interesse der Förderung und Straffung des Verfahrens war eine Verlegung nicht geboten, zumal auch unklar war, auf welchen Ersatztermin die Verhandlung hätte verlegt werden können.


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