Patent- und Markenrecht

26 W (pat) 563/19

Aktenzeichen  26 W (pat) 563/19

Datum:
17.8.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:170821B26Wpat563.19.0
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 17. August 2021 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie des Richters Dr. von Hartz und der Richterin kraft Auftrags Dr. Rupp-Swienty
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Das Wortzeichen
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biovinyl
3
ist am 26. März 2018 unter der Nummer 30 2018 103 421.7 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren der
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Klasse 6: Unedle Metalle und deren Legierungen; Baumaterialien aus Metall; Bauteile aus Metall; transportable Bauten aus Metall; Kabel und Drähte aus Metall (nicht für elektrische Zwecke); Schlosserwaren und Kleineisenwaren; Metallrohre; Waren aus Metall, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, nämlich Verbindungs- und Befestigungselemente aus Metall für Fußbodenplatten, Fußbodenbretter, Fußbodenpaneele und für Wand- und Deckenverkleidungsteile sowie Metallriegel zum Überbrücken und Zusammenhalten der Fußbodenplatten, Fußbodenbretter, Fußbodenpaneelen sowie der Wand- und Deckenverkleidungsteile; Fußböden aus Metall; Verbindungs- und Befestigungselemente aus Metall für Fußbodenplatten, Fußbodenbretter, Fußbodenpaneele und für Wand- und Deckenverkleidungsteile; Metallrahmen für Bauzwecke; Haken (Kleineisenwaren); Stifte (Kleineisenwaren); Dübel (Verbindungsdübel, Stifte) aus Metall; Scharniere aus Metall; Scharnierbänder aus Metall;
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Klasse 19: Baumaterialien, nicht aus Kork; Rohre für Bauzwecke; Profile, Profilleisten, Leisten, Platten, Bretter, Verkleidungsteile, alle vorgenannten Waren, nicht aus Metall und nicht aus Kork, für Bauzwecke; Holz für Bauzwecke; bearbeitetes Holz, Nutzholz; Konstruktionsholz, verleimtes Holz, Furnierholz; Kantenabschlüsse, nicht aus Metall, für Baumaterialien; Bauteile und Baumaterialien, nicht aus Kork, zur Dämmung; Fußböden, nicht aus Metall und nicht aus Kork; Wand- und Deckenverkleidungsteile, nicht aus Metall und nicht aus Kork; Fußbodenplatten, Fußbodenbretter und Fußbodenpaneele, nicht aus Metall und nicht aus Kork; Fußbodenplatten, Fußbodenbretter und Fußbodenpaneele aus Holz, Laminat, Holzersatzstoffen, Kunststoff, Leder und/oder anderen Stoffen, nicht aus Metall und nicht aus Kork; Fußbodenplatten, Fußbodenbretter und Fußbodenpaneele aus Holz, Laminat, Holzersatzstoffen, Kunststoff, Leder und/oder anderen Stoffen, nicht aus Metall und nicht aus Kork, ausgestattet mit integrierten Verriegelungselementen; Platten, Bretter und Paneele als Wand- und Deckenverkleidungen aus Holz, Laminat, Holzersatzstoffen, Kunststoff, Leder und/oder anderen Stoffen, nicht aus Metall und nicht aus Kork; Platten, Bretter und Paneele als Wand- und Deckenverkleidungen aus Holz, Laminat, Holzersatzstoffen, Kunststoff, Leder und/oder anderen Stoffen, nicht aus Metall und nicht aus Kork, ausgestattet mit integrierten Verriegelungselementen;
6
Klasse 27: Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge, alle vorgenannten Waren nicht aus Kork; Korkfreie Bodenbeläge aus Kunststoff; Tapeten [ausgenommen aus textilem Material]; Fußbodenbeläge, nicht aus Kork; Fußbodenisolierbeläge, nicht aus Kork.
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Mit Beschluss vom 9. September 2019 hat die Markenstelle für Klasse 27 des DPMA durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die sprachübliche Wortneuschöpfung setze sich ohne weiteres erkennbar aus dem allgemein verständlichen Präfix „bio“ für Natürliches, Naturgemäßes oder mit der Natur in Beziehung stehend und der von Polyvinylchlorid (PVC) abgeleiteten Bezeichnung „vinyl“ zusammen. In der Gesamtheit werde dem Anmeldezeichen lediglich entnommen, dass die damit gekennzeichneten Waren aus „biologischem Vinyl“ hergestellt worden oder für die Verarbeitung dieses Kunststoffes besonders geeignet seien. Sowohl den Fachkreisen als auch dem Durchschnittsverbraucher sei die Problematik von Weichmachern beim Einsatz von Kunststoffen im Innenbereich bekannt. Im Internet werde sowohl über die Schädlichkeit, die Ausdünstungen oder die Gesundheitsgefahren von Vinylböden diskutiert als auch über die gute Verträglichkeit oder die Ungefährlichkeit bestimmter Vinylverbindungen oder Verarbeitungsweisen referiert. Eine biologische Herstellungsweise, die Unbedenklichkeit oder Nachhaltigkeit dieser Materialien, die durch das Präfix „bio“ suggeriert werde, seien entscheidende Verkaufsvorteile. Das ausschließlich aus beschreibenden Begriffen gebildete Anmeldezeichen stelle daher nur einen werbeüblichen Hinweis auf den Einsatzzweck, die Beschaffenheit aus biologischen Bestandteilen oder eine gewisse Nachhaltigkeit der Waren dar. Dieser anpreisende Qualitätshinweis stehe in einer unendlich langen Reihe so genannter „Bio-Produkte“, die mitunter einer Zeitgeistströmung entsprächen, ohne selbst direkt aus organischen oder biologischen Stoffen zu bestehen.
8
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, die Markenstelle habe eine willkürliche Aufspaltung des angemeldeten Wortzeichens vorgenommen. Dieses könne auch in „bi“ und „ovinyl“ aufgetrennt werden. Der Bestandteil „bi“ sei das Kfz-Kennzeichen der Stadt Bielefeld, die lateinische Vorsilbe „zwei“ oder „doppelt“ sowie die Abkürzung für „business intelligence“, für „Bank Indonesia“, für das Element „Bismut“ oder das Computerspiel „Battle Isle“. Wegen dieser begrifflichen Ungenauigkeit des Elements „bi“ könne der Gesamtbegriff nicht als beschreibende Angabe dienen. Aber auch die lexikalisch nicht nachweisbare Kombination „bio“ und „vinyl“ enthalte keine Sachaussage über die beanspruchten Waren. Die angesprochenen Fachkreise verfügten über chemische Kenntnisse, so dass aus ihrer Sicht die angemeldeten Baumaterialien als Gegenstände des täglichen Lebens nicht unter die Duden-Definition für Vinyl, nämlich von Äthylen abgeleiteter ungesättigter Kohlenwasserstoffrest, fielen. Polyvinylchlorid (PVC) sei das synthetisch hergestellte Produkt einer chemischen Reaktion und nicht natürlichen Ursprungs. Je nach Herstellungsverfahren werde zwischen E-PVC, S-PVC und M-PVC unterschieden. Bei keinem dieser Verfahren würden Edukte natürlichen Ursprungs eingesetzt. Wegen der Einzelheiten der verschiedenen Produktionsprozesse wird auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 15. Dezember 2020 (Bl. 154 GA) Bezug genommen. Da ein chemisch hergestelltes Produkt nicht „naturgemäß“ sein könne, verleihe die inhärente Widersprüchlichkeit der angemeldeten Wortverbindung die erforderliche Unterscheidungskraft. Es sei auch nicht ersichtlich, inwiefern die angemeldete Bezeichnung einen engen beschreibenden Bezug zu den Metallwaren der Klasse 6 oder zu den Produkten der Klasse 19 aus Holz, Holzersatzstoffen, Laminat oder Leder aufweisen solle, weil es sich bei diesen Materialien nicht um Vinyl handele. Insoweit sei auch ein Freihaltebedürfnis nicht gegeben.
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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 27 des DPMA vom 9. September 2019 aufzuheben.
11
Auf den gerichtlichen Hinweis mit Schreiben vom 19. November 2020 unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 23, Bl. 34 – 141 GA) hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2020 ihr Warenverzeichnis eingeschränkt, indem sie am Ende der Klassen 19 und 27 jeweils den Halbsatz angefügt hat: „; alle zuvor genannten Waren nicht aus Polyvinylchlorid (PVC).“
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Auf den Ladungszusatz vom 7. Juli 2021, dass das Anmeldezeichen auch für das eingeschränkte Verzeichnis als nicht schutzfähig angesehen werde, hat die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und Entscheidung nach Aktenlage beantragt.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
14
Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
15
Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „biovinyl“ als Marke stehen für die meisten der beanspruchten Waren das Eintragungshindernis der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und im Übrigen das Schutzhindernis der ersichtlichen Täuschungsgefahr nach §§ 8 Abs. 2 Nr. 4, 37 Abs. 3 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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1. a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (EuGH GRUR 2011, 1035 Rdnr. 37 – 1000; BGH GRUR 2017, 186 Rdnr. 38 – Stadtwerke Bremen). Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfordert nicht, dass die fraglichen Zeichen oder Angaben bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen der angemeldeten Art verwendet werden. Vielmehr genügt es, dass sie zu diesen Zwecken verwendet werden können (EuGH GRUR 2004, 146, 147 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; GRUR 2010, 534, Juris-Tz. 52 – PRANAHAUS).
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Für die Beurteilung der Eignung eines Zeichens als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise zum Anmeldezeitpunkt abzustellen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 682 Rdnr. 23 – 25 – Bostongurka; GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Windsurfing Chiemsee; BGH a. a. O. – Stadtwerke Bremen).
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b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das angemeldete Wortzeichen „biovinyl“ schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 26. März 2018, geeignet gewesen, die Beschaffenheit und den Bestimmungszweck der meisten beanspruchten Waren der Klasse 6 sowie sämtlicher Produkte der Klassen 19 und 27 unmittelbar zu beschreiben.
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aa) Die angemeldeten Waren der Klassen 6, 19 und 27 richten sich an breite Verkehrskreise, nämlich sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher als auch an den Metall-, Holz- und Baufachhandel sowie den Fachverkehr der Bodenbelags-Branche. Entgegen der Ansicht der Anmelderin ist der angesprochene Verkehrskreis nicht auf den Fachverkehr beschränkt, der über chemische Fachkenntnisse verfügt, weil die beanspruchten Produkte auch vom Durchschnittsverbraucher, wie z. B. Heimwerkern und Hobbyhandwerkern nachgefragt werden (vgl. BPatG 30 W (pat) 19/17 – Smooth; 28 W (pat) 523/11 – fensterbau24; 28 W (pat) 533/12 – Green Now; 28 W (pat) 506/18 – maxi keramik).
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bb) Das Anmeldezeichen besteht trotz der Zusammenschreibung deutlich erkennbar aus dem Element „bio“ und dem Bestandteil „vinyl“.
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aaa) Das Präfix „bio“ ist die umgangssprachliche Abkürzung für „biologisch [im Sinne von unbelastet, naturrein]“. „Bio“ bedeutet in der Schülersprache „Biologieunterricht“. In Bildungen mit Substantiven drückt es „aus, dass jemand oder etwas mit Natürlichem, Naturgemäßen zu tun hat, mit der Natur in irgendeiner Weise in Beziehung steht“ (Munzinger Online – Duden Wörterbücher, Stichwort: bio, Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis; BPatG 30 W (pat) 243/04 – BioLine/Bioline). „Bio“ ist seit 1991 auch als Abkürzung des Eigenschaftsversprechens „biologisch“ und damit als werbetypisches Wertversprechen lexikalisch erfasst (Rothfuss Verlag, Wörterbuch der Werbesprache, 1991, S. 30, Anlage 6 zum gerichtlichen Hinweis; BPatG 28 W (pat) 84/10 – Bio).
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(1) In zahlreichen Wortzusammensetzungen weist die Vorsilbe „bio“ darauf hin, dass die so bezeichneten Produkte natürlichen Ursprungs sind oder auf der Grundlage möglichst naturnaher Produktionsmethoden und unter Berücksichtigung von Erkenntnissen der Ökologie und des Umweltschutzes hergestellt sind (BPatG 28 W (pat) 117/95 – BIOLINE; 30 W (pat) 501/17 – BioSol). Insoweit reiht sich das Präfix „bio“ auch in sinnentsprechende Begriffe wie „öko/ökologisch“, „umweltfreundlich“ oder „green“ nahtlos ein (BPatG 30 W (pat) 501/17 – BioSol; 26 W (pat) 524/20 – greentec m.w.N.). Dies verdeutlicht auch die Begriffsbestimmung in Art. 2 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (ABl. 2007, L 189, S. 1). Danach bedeutet „ökologisch/biologisch“ aus ökologischer/biologischer Produktion stammend oder sich darauf beziehend. Gemäß Art. 23 Abs. 1 dürfen auch daraus abgeleitete Bezeichnungen und Verkleinerungsformen wie „Bio-“ und „Öko-“, allein oder kombiniert, bei der Kennzeichnung von Erzeugnissen und der Werbung für sie verwendet werden. Laut dem ersten Erwägungsgrund kombiniert die ökologische/biologische Produktionsweise beste umweltschonende Praktiken, ein hohes Maß der Artenvielfalt, den Schutz der natürlichen Ressourcen, die Anwendung hoher Tierschutzstandards und trägt der Tatsache Rechnung, dass bestimmte Verbraucher Erzeugnissen, die unter Verwendung natürlicher Substanzen und nach natürlichen Verfahren erzeugt worden sind, den Vorzug geben.
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(2) Als Folge der rasanten Entwicklung des Treibhauseffekts und durch eine Vielzahl in der Öffentlichkeit geführter Debatten ist das Thema „Umweltfreundlichkeit“ in den letzten Jahren in das Blickfeld der allgemeinen Wahrnehmung gerückt. Unter dem Stichwort „ökologischer Fußabdruck“ wird dabei zunehmend thematisiert, welche erhebliche Bedeutung dem Handeln des Einzelnen bei Einkauf und Verbrauch für den Umweltschutz zukommt. Dies hat insgesamt zu einer größeren Sensibilisierung für Umwelt- und Naturschutzfragen und zu einer verstärkten Reflexion der Verbraucher und Unternehmen über die Folgen des eigenen Verhaltens geführt. Für die Verbraucher stellt das ökologische, umweltgerechte Erzeugen und/oder Wirken der Produkte inzwischen ein wesentliches Kaufkriterium dar (BPatG 28 W (pat) 533/12 – Green Now; 30 W (pat) 501/17 – BioSol).
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(3) Auch im Bereich der Baustoffe stellt „bio/Bio“ ein vielfach verwendetes Wortbildungselement dar, wie z. B. Biobeständigkeit, Biofilm, Biomasse, Biostoff-Verordnung, Biozide (Zwiener/Mötzl, Ökologisches Baustoff-Lexikon, 3. Aufl., S. 60 ff., Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis), Biofarben oder Biolacke (Römpp, Lexikon, Lacke und Druckfarben, 1998, S. 75 ff., Anlage 3 zum gerichtlichen Hinweis), weil auch im Bauwesen umweltrelevante Gesichtspunkte umgesetzt werden, wie die Anwendung nachwachsender, wiederverwendbarer und regionaler Baustoffe, Minimierung der negativen Auswirkungen auf die Natur und die menschliche Gesundheit, Energieeinsparung und Nutzung erneuerbarer Energien (Möhring, Baustoffkenntnis, 18. Aufl., Kapitel 18: Ökologische Aspekte von Baustoffen“, Anlage 7 zum gerichtlichen Hinweis). Begriffe wie „Baubiologie“, „Wohnhygiene“ oder „ökologisches Bauen“ sind nicht nur Werbeschlagwörter, sondern bezeichnen auch Lehrfächer an Fach- und Fachhochschulen sowie in Fortbildungsveranstaltungen des Baugewerbes und werden auf Messen und in der entsprechenden Fachliteratur ganz selbstverständlich gebraucht (BPatG 28 W (pat) 117/95 – BIOLINE).
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bbb) „Vinyl“, von lateinisch „vinum“ für „Wein“ und altgriechisch ὕλη (hyle) im Sinne von „Stoff, Materie“ bezeichnet sowohl den Kunststoff „Polyvinylchlorid“ mit dem Kurzzeichen „PVC“ als auch umgangssprachlich eine seit 1948 aus Polyvinylchlorid hergestellte Schallplatte (https://de.wikipedia.org/wiki/Vinyl). Der lexikalisch erfasste Begriff „Vinyl“ wird im Duden definiert als einen von Äthylen abgeleiteten ungesättigten Kohlenwasserstoffrest bzw. umgangssprachlich als einen auf Vinyl beruhenden Kunststoff (PVC) (Munzinger Online – Duden Wörterbücher, Stichwort: Vinyl, Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis; BPatG 28 W (pat) 245/85 – Thermovinyl).
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(1) Polyvinylchlorid ist ein thermoplastisches Polymer, das durch Kettenpolymerisation aus dem Monomer Vinylchlorid hergestellt wird. PVC ist nach Polyethylen und Polypropylen das drittwichtigste Polymer für Kunststoffe. Die PVC-Kunststoffe werden in Hart- und Weich-PVC unterteilt. Hart-PVC wird beispielsweise zur Herstellung von Fensterprofilen, Rohren und Schallplatten verwendet. Weich-PVC enthält Weichmacher, die zu einem elastischen Verhalten des Materials führen (https://de.wikipedia.org/wiki/Polyvinylchlorid).
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(2) In Deutschland sind 2013 rund 70 % aller PVC-Anwendungen für den Bausektor bestimmt gewesen, nämlich u. a. für Fensterprofile, Rohre, Fußböden, Kabel, Verpackungen und Weichfolien (AGPU e.V., Alles über PVC, Januar 2016, S. 7, Anlage 18 zum gerichtlichen Hinweis; www.chemgapedia.de, Stichwort: Polyvinylchlorid, 2016, Anlage 19 zum gerichtlichen Hinweis). Dabei hat auch der gesundheitliche Aspekt der Verwender von PVC-Produkten im Fokus der Öffentlichkeit gestanden („PVC-Boden im Test: Schädlicher Weichmacher in jedem zweiten Bodenbelag“, ÖKO-TEST Mai 2017, Anlage 14 zum gerichtlichen Hinweis). Als Baumaterialien sind auch Vinyltapeten bekannt (Zwiener/Mötzl, Ökologisches Baustoff-Lexikon, 3. Aufl., S. 530, Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis).
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cc) In der Gesamtheit hat der angesprochene Verkehr das Wortzeichen „biovinyl“ daher schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 26. März 2018, im Sinne von „biologisches, ökologisches, natürliches PVC“ oder „PVC mit biologischen, ökologischen, natürlichen Komponenten“ verstanden (vgl. BPatG 29 W (pat) 26/09 – BioResin).
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dd) Im Zusammenhang mit den beanspruchten Baumaterialien hat sich diese Gesamtbedeutung dem allgemeinen Publikum ohne eine mehrere Gedankenschritte erfordernde analysierende Betrachtungsweise erschlossen; sie hat sich geradezu aufgedrängt (vgl. BPatG 25 W (pat) 93/11 – BioJäger), zumal biobasierte, biologisch abbaubare und schadstofffreie Kunststoffe schon lange vor dem Anmeldezeitpunkt Gegenstand öffentlicher Diskussion gewesen sind (Anlagen zum gerichtlichen Hinweis):
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– Im Jahr 2015 führte bereits der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages aus, dass biobasierte Kunststoffe teilweise oder vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen stammen. „Sie können biologisch abbaubar sein – sind es aber in der überwiegenden Menge nicht. Zu den biobasierten, aber nicht bioabbaubaren Kunststoffen zählen z. B. Bio-PE (Polyethylen) oder naturfaserverstärkte Kunststoffe wie Verbundwerkstoffe aus Holz und Kunststoff. …“ (https://www.bundestag.de/resource/blob/410104/34eca17202ee9d7380e1df34946335c8/wd-8-028-15-pdf-data.pdf
https://www.bundestag.de/resource/blob/410104/34eca17202ee9d7380e1df34946335c8/wd-8-028-15-pdf-data.pdf, Anlage 20);
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– https://www.bundestag.de/resource/blob/410104/34eca17202ee9d7380e1df34946335c8/wd-8-028-15-pdf-data.pdf, Anlage 20);
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– „Ist Bio-PVC wirklich bio? … Doch nun soll PVC plötzlich ökologisch und “Bio” sein. Das zumindest meint der internationale Pharma- und Chemiekonzern mit Sitz in Brüssel, S…. Im brasilianischen Santo André bei São Paulo will er nun erstmals PVC aus Zuckerrohr-Ethanol herstellen, mit einer Endkapazität von … pro Jahr. Weil die Basis dieses Kunststoffs somit ein so genannter nachwachsender Rohstoff ist, preist der Konzern sein neues Produkt als „PVC Verde“ an, was aus dem brasilienischen übersetzt soviel wie “Grüner”- oder „Bio-PVC“ bedeutet. “Santo André werde das erste Industrieprojekt Amerikas sein, das erneuerbare Rohstoffe zur Herstellung von PVC einsetzt. Diese Innovation wird den Ausstoß einer großen Menge Kohlendioxid in die Atmosphäre verhindern“, so die Firmenpropaganda. …“ (10. Februar 2008, https://www.oekosmos.de/artikel/ist-bio-pvc-wirklich-bio/
https://www.oekosmos.de/artikel/ist-bio-pvc-wirklich-bio/, Anlage 21);
33
– https://www.oekosmos.de/artikel/ist-bio-pvc-wirklich-bio/, Anlage 21);
34
– „Biologische Weichmacher als Alternative zu chemischen Wirkstoffen – Einen biologischen Weichmacher für Kunststoffe, der gesundheitsschädliche Weichmacher auf Phthalat-Basis ersetzen könnte, stellen Fraunhofer-Forscher auf der Internationalen Grünen Woche vom 17. bis 26. Januar [2014] in Berlin vor. Der neue Wirkstoff basiert auf Bernsteinsäure und verbindet sich sehr gut mit Kunststoffen wie PVC. …“ (https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/chemie/biologische-weichmacher-alternative-zu-chemischen-wirkstoffen/
https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/chemie/biologische-weichmacher-alternative-zu-chemischen-wirkstoffen/, Anlage 22).
35
– https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/chemie/biologische-weichmacher-alternative-zu-chemischen-wirkstoffen/, Anlage 22).
36
Da die angesprochenen Verkehrskreise dem Präfix „bio/Bio“ schon lange vor dem Anmeldetag im Alltag ständig und branchenübergreifend begegnet sind und auch im Element „vinyl“ vor dem geschilderten Hintergrund und in Verbindung mit den vorliegend beanspruchten Waren einen sinnhaften und ihnen bekannten Begriff erkannt haben (vgl. BPatG 28 W (pat) 245/85 – Thermovinyl), ist die von der Anmelderin favorisierte Aufspaltung in die Bestandteile „bi“ und „ovinyl“ absolut fernliegend. Dies gilt auch für die zweite Bedeutung von „Vinyl“ im Sinne von „Schallplatte“.
37
ee) Die angemeldete Wortkombination erschöpft sich somit in der unmittelbaren Beschreibung der Beschaffenheit und/oder des Bestimmungszwecks der angemeldeten Waren der Klassen 27 und 19.
38
aaa) Bei den in Klasse 27 beanspruchten Waren
39
„Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge, alle vorgenannten Waren nicht aus Kork; Korkfreie Bodenbeläge aus Kunststoff; Tapeten [ausgenommen aus textilem Material]; Fußbodenbeläge, nicht aus Kork; Fußbodenisolierbeläge, nicht aus Kork“
40
weist das Anmeldezeichen auf deren Eigenschaften hin, nämlich dass sie aus biobasiertem Kunststoff, also aus natürlichen, nachwachsenden Rohstoffen und ohne schädliche Weichmacher oder mit biologischen Weichmachern hergestellt und dadurch gesundheitlich unbedenklich sind.
41
„Bio“ ist insbesondere bei PVC-Bodenbelägen schon lange vor dem Anmeldezeitpunkt ein wichtiges Thema und Gegenstand von Testberichten gewesen, weil dem Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC) gesundheitsschädliche Phthalat-Weichmacher beigemischt sein können, um diesen elastischer zu machen (Anlagen zum gerichtlichen Hinweis):
42
– „Neue Bio-Designbeläge überraschen im Test Vergleich 2017 (über pr-gateway, Anlage 15);
43
– „Bioböden im Test Vergleich – erste Erfahrungen“ … „Bioböden erobern seit 2016 den Markt für hochwertige Bodenbeläge und werden 2017 weiter deutlich zulegen“ (30. November 2016, https://bodenbelag.allfloors.de/bioboeden-im-test-vergleich-erste-erfahrungen/
https://bodenbelag.allfloors.de/bioboeden-im-test-vergleich-erste-erfahrungen/
, Anlage 9);
44
– https://bodenbelag.allfloors.de/bioboeden-im-test-vergleich-erste-erfahrungen/
, Anlage 9);
45
– „Kann ein Fußboden wirklich Bio sein?“ (2017, https://sanvie.de/kann-ein-fussboden-wirklich-bio-sein/
https://sanvie.de/kann-ein-fussboden-wirklich-bio-sein/, Anlage 10);
46
– https://sanvie.de/kann-ein-fussboden-wirklich-bio-sein/, Anlage 10);
47
– „Bio Vinyl? Bio Bodenbelag? Der Vinylboden ohne Schadstoffe!“ … „Das Bio Vinyl besteht bis zu 90% aus nachwachsenden Rohstoffen und natürlichen Füllstoffen, wie Kreide, Raps- oder Rizinusöl. …“, 5. Mai 2017, https://www.bricoflor.de/blog/2017/05/05/bio-vinyl-bio-boden, Anlage 16).
48
Phthalat-Weichmacher sind seit 2015 in der EU zulassungspflichtig, dürfen nicht in Kinderspielzeug und Elektronikprodukten verwendet werden und kamen schon vor dem Anmeldezeitpunkt in Bodenbelägen vor. Erst seit dem 7. Juli 2020 gilt nach der Europäischen Chemikalien-Verordnung REACH zumindest für die vier Phthalate DEHP (Di(2-ethylhexyl)phthalat), DBP (Dibutylphthalat), DiBP (Diisobutylphthalat) und BBP (Benzylbutylphthalat) der strenge Grenzwert von 0,1 Prozent für bestimmte Alltagsprodukte, der bislang nur für Babyartikel und Spielzeug vorgeschrieben war, weil sie nachgewiesenermaßen auf das Hormonsystem wirken, die menschliche Fortpflanzungsfähigkeit beeinflussen und sich schädlich auf die Entwicklung von Kindern im Mutterleib auswirken können (https://www.dekra.de/de/neue-verbote-fuer-weichmacher/; https://www.eggbi.eu/forschung-und-lehre/zudiesemthema/phthalate-und-andere-weichmacher-in-bauprodukten/
https://www.eggbi.eu/forschung-und-lehre/zudiesemthema/phthalate-und-andere-weichmacher-in-bauprodukten/; https://www.bmu.de/pressemitteilung/schaerfere-https://www.eggbi.eu/forschung-und-lehre/zudiesemthema/phthalate-und-andere-weichmacher-in-bauprodukten/; https://www.bmu.de/pressemitteilung/schaerfere-eu-regeln-fuer-weichmacher-in-kunststoffen).
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Die gesundheitliche Unbedenklichkeit ist auch bei den Waren „Teppiche“ von Bedeutung, da diese auch aus reinem Vinyl gefertigt werden, weil sie dann extrem leicht sind. Dies gilt auch für „Linoleum“, weil es sich ebenfalls um einen faserverstärkten Kunststoff handelt (https://de.wikipedia.org/wiki/Linoleum).
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bbb) Auch für die in Klasse 19 angemeldeten Waren
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„Baumaterialien, nicht aus Kork; Rohre für Bauzwecke; Profile, Profilleisten, Leisten, Platten, Bretter, Verkleidungsteile, alle vorgenannten Waren, nicht aus Metall und nicht aus Kork, für Bauzwecke; Kantenabschlüsse, nicht aus Metall, für Baumaterialien; Bauteile und Baumaterialien, nicht aus Kork, zur Dämmung; Fußböden, nicht aus Metall und nicht aus Kork; Wand- und Deckenverkleidungsteile, nicht aus Metall und nicht aus Kork; Fußbodenplatten, Fußbodenbretter und Fußbodenpaneele, nicht aus Metall und nicht aus Kork; Fußbodenplatten, Fußbodenbretter und Fußbodenpaneele aus Laminat, Holzersatzstoffen, Kunststoff, nicht aus Metall und nicht aus Kork; Fußbodenplatten, Fußbodenbretter und Fußbodenpaneele aus Laminat, Holzersatzstoffen, Kunststoff, nicht aus Metall und nicht aus Kork, ausgestattet mit integrierten Verriegelungselementen; Platten, Bretter und Paneele als Wand- und Deckenverkleidungen aus Laminat, Holzersatzstoffen, Kunststoff, nicht aus Metall und nicht aus Kork; Platten, Bretter und Paneele als Wand- und Deckenverkleidungen aus Laminat, Holzersatzstoffen, Kunststoff, nicht aus Metall und nicht aus Kork, ausgestattet mit integrierten Verriegelungselementen“
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stellt das Anmeldezeichen nur eine unmittelbar beschreibende Beschaffenheitsangabe dar, nämlich dass sie aus einem unschädlichen Kunststoffmaterial biologischen Ursprungs bestehen.
53
ccc) Die in derselben Klasse angemeldeten Produkte
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„Holz für Bauzwecke; bearbeitetes Holz, Nutzholz; Konstruktionsholz, verleimtes Holz, Furnierholz; Fußbodenplatten, Fußbodenbretter und Fußbodenpaneele aus Holz, Leder und/oder anderen Stoffen, nicht aus Metall und nicht aus Kork; Fußbodenplatten, Fußbodenbretter und Fußbodenpaneele aus Holz, Leder und/oder anderen Stoffen, nicht aus Metall und nicht aus Kork, ausgestattet mit integrierten Verriegelungselementen; Platten, Bretter und Paneele als Wand- und Deckenverkleidungen aus Holz, Leder und/oder anderen Stoffen, nicht aus Metall und nicht aus Kork; Platten, Bretter und Paneele als Wand- und Deckenverkleidungen aus Holz, Leder und/oder anderen Stoffen, nicht aus Metall und nicht aus Kork, ausgestattet mit integrierten Verriegelungselementen“
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bestehen aus Holz, Leder oder anderen Stoffen als Kunststoff, Metall oder Kork, so dass sie zwar nicht aus PVC hergestellt sein können, aber die verschiedenen genannten Holzarten sowie die „Fußbodenplatten, Fußbodenbretter und Fußbodenpaneele“ und die „Platten, Bretter und Paneele als Wand- und Deckenverkleidungen“ mit und ohne „integrierten Verriegelungselementen“ können dazu bestimmt sein, als Trägermaterial bzw. Trägerplatten für einen Biovinylbelag zu dienen (Baustoffwissen, Grundstoffe des Bauens, Kunststoffe: Welche Eigenschaften hat PVC?, Anlage 24 zum gerichtlichen Hinweis; Google Bildersuche, Stichwort: Vinylboden, Anlage 25 zum gerichtlichen Hinweis), so dass das Anmeldezeichen insoweit den Bestimmungs- und Verwendungszweck angibt.
56
ff) Eine Sachaussage trifft das Anmeldezeichen auch über die Produkte der Klasse 6
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„Schlosserwaren und Kleineisenwaren; Waren aus Metall, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, nämlich Verbindungs- und Befestigungselemente aus Metall für Fußbodenplatten, Fußbodenbretter, Fußbodenpaneele und für Wand- und Deckenverkleidungsteile sowie Metallriegel zum Überbrücken und Zusammenhalten der Fußbodenplatten, Fußbodenbretter, Fußbodenpaneelen sowie der Wand- und Deckenverkleidungsteile; Verbindungs- und Befestigungselemente aus Metall für Fußbodenplatten, Fußbodenbretter, Fußbodenpaneele und für Wand- und Deckenverkleidungsteile; Metallrahmen für Bauzwecke; Haken (Kleineisenwaren); Stifte (Kleineisenwaren); Dübel (Verbindungsdübel, Stifte) aus Metall“.
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Denn bei ihnen weist das Anmeldezeichen nur darauf hin, dass sie geeignet sind, bei Materialien aus biologischem Kunststoff zum Einsatz zu kommen. Beispielsweise können sich die Verbindungs- und Befestigungselemente aus Metall für Fußbodenplatten, Fußbodenbretter, Fußbodenpaneele und für Wand- und Deckenverkleidungsteile jeweils aus natürlichem Vinyl eignen. Auch „Schlosserwaren und Kleineisenwaren; Metallrahmen für Bauzwecke; Haken (Kleineisenwaren); Stifte (Kleineisenwaren); Dübel (Verbindungsdübel, Stifte) aus Metall“ können dem Einbau von Materialien aus gesundheitlich unbedenklichem PVC dienen.
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gg) Da die Eignung zur Beschreibung festgestellt worden ist, bedarf es für die Begründung des Eintragungshindernisses wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses keines weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweises, dass und in welchem Umfang die angegriffene Marke als beschreibende Angabe bereits vor dem Anmeldezeitpunkt bekannt war oder verwendet wurde. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt, dass sie diesem Zweck dienen kann.
60
hh) Auch wenn es sich um eine Wortneuschöpfung handelt, fehlt es dem Anmeldezeichen an Besonderheiten in syntaktischer oder semantischer Hinsicht. Da das Anmeldezeichen sprachüblich aus einer Vorsilbe und einem Substantiv besteht, die einen sinnvollen Gesamtbegriff bilden (vgl. BPatG 29 W (pat) 26/09 – BioResin; 30 W (pat) 501/17 – BioSol), der sich in vergleichbare deutsche Wortverbindungen wie „Biobeständigkeit, Biofilm, Biomasse, Biostoff-Verordnung, Biozide, Biofarben, Biolacke“ einreiht, fehlt es an einer ungewöhnlichen Änderung, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH GRUR 2004, 674 Rdnr. 98 – 100 – Postkantoor; GRUR 2004, 680 Rdnr. 39 – 41 – BIOMILD; BGH GRUR 2009, 949 Rdnr. 13 – My World). Die Zusammenschreibung ist zudem ein in der Produktwerbung verbreitetes stilistisches Mittel, das die Sachaussage nicht in Frage stellt (vgl. BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 16 – DüsseldorfCongress; BPatG 30 W (pat) 36/17 – CLEANGAS; 28 W (pat) 555/17 – EASYCLIP; MarkenR 2008, 413, 416 – Saugauf; 25 W (pat) 2/16 – findwhatyoulike; 30 W (pat) 2/16 – hansedeal; 26 W (pat) 122/09 – mykaraokeradio; 29 W (pat) 104/13 – edatasystems; 33 W (pat) 511/13 – klugeshandeln; 26 W (pat) 3/15 – dateformore; 29 W (pat) 192/01 – Travelagain).
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ii) Soweit dem Anmeldezeichen nicht konkret entnommen werden kann, in welcher Hinsicht das Vinyl biologisch ist, vermag dieser Umstand nichts an der Eignung zur Merkmalsbeschreibung zu ändern. Denn die Annahme einer beschreibenden Bedeutung eines Begriffs setzt nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Konturen erlangt und sich damit eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet hat. Von einem beschreibenden Begriff kann vielmehr auch auszugehen sein, wenn das Zeichenwort verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage und nicht klar umrissen ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren beschreibt (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; GRUR 2004, 680 Rdnr. 38 – 42 – BIOMILD; BGH GRUR 2017, 520 Rdnr. 32 – MICRO COTTON; GRUR 2014, 872 Rdnr. 25 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569, Rdnr. 18 – HOT; GRUR 2013, 522, Rdnr. 13 – Deutschlands schönste Seiten).
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jj) Allein der Umstand, dass der Begriff „biovinyl“ lexikalisch nicht nachweisbar ist, steht der Annahme des Schutzhindernisses ebenfalls nicht entgegen. Der Verkehr ist daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen vermittelt werden sollen. Er wird daher auch bisher noch nicht verwendete, ihm aber gleichwohl verständliche Sachaussagen als solche und damit nicht als betriebliche Herkunftshinweise auffassen (BPatG 28 W (pat) 33/15 – Traumtomaten).
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c) Soweit für die Waren der Klassen 19 und 27 die Beschränkung erklärt worden ist „alle zuvor genannten Waren nicht aus Polyvinylchlorid (PVC)“ ist dieser negativ formulierte Disclaimer nicht geeignet, aus dem Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit herauszuführen.
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aa) Die Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses gemäß § 39 Abs. 1 MarkenG muss dem Gebot der Rechtssicherheit entsprechen (EuGH GRUR 2004, 674 Rdnr. 114 – 117 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 778 Rdnr. 9 – Willkommen im Leben). Dieses gebietet, dass der Umfang des Markenschutzes für Dritte und insbesondere Konkurrenten aus dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis klar und eindeutig hervorgehen muss (EuGH GRUR 2012, 822 Rdnr. 46 ff. – IP TRANSLATOR). Dazu muss die Einschränkung die allgemeinen und objektiven Eigenschaften und Zweckbestimmungen der Waren und Dienstleistungen in einer wirtschaftlich nachvollziehbaren und damit rechtlich abgrenzbaren Weise betreffen, wobei es auf dauerhafte charakteristische Kriterien ankommt (BGH GRUR 2002, 340 Rdnr. 29 – Fabergé; GRUR 2013, 725 Rdnr. 33 – Duff Beer). Nicht zulässig ist es, sich darauf zu beschränken anzugeben, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen ein bestimmtes Merkmal nicht aufweisen (EuGH a. a. O. Rdnr. 114 – Postkantoor; BGH a. a. O. – Willkommen im Leben). Eine solche Praxis würde zu Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Umfangs des Markenschutzes führen. Dritte – insbesondere Konkurrenten – wären im Allgemeinen nicht darüber informiert, dass sich bei bestimmten Waren oder Dienstleistungen der durch die Marke verliehene Schutz nicht auf diejenigen Waren oder Dienstleistungen erstreckt, die ein bestimmtes Merkmal aufweisen, und könnten so dazu veranlasst werden, bei der Beschreibung ihrer eigenen Produkte auf die Verwendung der Zeichen oder Angaben zu verzichten, aus denen die Marke besteht und die dieses Merkmal beschreiben (EuGH a. a. O. Rdnr. 115 – Postkantoor).
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bb) Um einen solchen unzulässigen negativen Disclaimer handelt es sich hier. Bei der Formulierung „alle zuvor genannten Waren nicht aus Polyvinylchlorid (PVC)“ wird die Anmeldung in der Art und Weise eingeschränkt, dass die Waren der Klassen 19 und 27 ein bestimmtes durch die Marke beschriebenes Merkmal nicht aufweisen, dass sie nämlich nicht aus Polyvinylchlorid (PVC) hergestellt und/oder nicht für die Verarbeitung dieses Kunststoffes bestimmt sind. Eine solche Einschränkung würde zu Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Umfangs des Markenschutzes führen. Denn durch eine Benennung dieses Merkmals in der angemeldeten Bezeichnung könnten die angesprochenen Verkehrskreise zu dem Schluss kommen, die damit gekennzeichnete Ware verfüge über die fragliche Eigenschaft (vgl. BPatG 26 W (pat) 513/18 – Popcorn; BPatGE 30, 196, 200 – ORTHOTECH).
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cc) Auf die Unzulässigkeit dieses erst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgenommenen Disclaimers ist die Beschwerdeführerin mit dem Ladungszusatz vom 7. Juli 2021 ausdrücklich hingewiesen worden. Da sie diesen nicht zurückgenommen hat, kommt eine Schutzfähigkeit für die Waren der Klassen 19 und 27 schon aus formellen Gründen nicht in Betracht.
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2. Für die übrigen in Klasse 6 angemeldeten Produkte
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„Unedle Metalle und deren Legierungen; Baumaterialien aus Metall; Bauteile aus Metall; transportable Bauten aus Metall; Kabel und Drähte aus Metall (nicht für elektrische Zwecke); Metallrohre; Scharniere aus Metall; Scharnierbänder aus Metall“
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ist das Anmeldezeichen „biovinyl“ eine ersichtlich täuschende Angabe gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 4, 37 Abs. 3 MarkenG.
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a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die geeignet sind, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu täuschen. Die Täuschungseignung muss dabei ersichtlich sein (§ 37 Abs. 3 MarkenG). Bei der Beurteilung, ob ein solches Schutzhindernis besteht, geht es um die Irreführung durch den Zeicheninhalt und nicht um die Prüfung, ob das Zeichen bei einer besonderen Art der Verwendung im Geschäftsverkehr geeignet sein kann, irreführende Vorstellungen zu erwecken. Dabei wird der Zeicheninhalt im Wesentlichen geprägt durch die Waren oder Dienstleistungen, für die der markenrechtliche Schutz beansprucht wird (BGH GRUR 2002, 540, Juris-Tz. 24 – OMEPRAZOK). Ist für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen eine Markenbenutzung möglich, bei der keine Irreführung des Verkehrs erfolgt, liegt das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG insoweit nicht vor (vgl. BGH GRUR 2017, 186 Rdnr. 21 – Stadtwerke Bremen; a. a. O., Juris-Tz. 25 – OMEPRAZOK). Die Täuschungseignung ist hier aber zu bejahen.
71
b) Denn die angesprochenen maßgeblichen Verkehrskreise erwarten bei den damit gekennzeichneten Metallwaren, dass sie zumindest in Anteilen biologischen Kunststoff enthalten. Das Publikum wird deshalb bei einer Verwendung der angemeldeten Bezeichnung für die im Warenverzeichnis aufgeführten Metallwaren stets in seiner berechtigten Erwartung getäuscht, ein Produkt zu erhalten, das zumindest teilweise aus natürlichem Vinyl besteht, weshalb die Eignung zur Täuschung ersichtlich im Sinne des § 37 Abs. 3 MarkenG ist. Es besteht auch keine Möglichkeit einer nicht täuschenden Verwendung der fraglichen Bezeichnung im Zusammenhang mit diesen Waren, die ausschließlich aus Metall bestehen. Auf die Modalitäten der Markenbenutzung kommt es dabei nicht an. Ein in der angemeldeten Form täuschendes Zeichen wird nicht dadurch eintragbar, dass möglicherweise mittels erläuternder Zusätze bei der Benutzung die Irreführungsgefahr ausgeschlossen werden könnte (BPatG 28 W (pat) 578/12 – kyrillische Schriftzeichen: Omas Gurken; BPatGE 45, 1, 3 – Kombucha; BPatG 26 W (pat) 57/10 – Schlehdorn; 28 W (pat) 546/10 – Catz).
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3. Da schon die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 und 4 MarkenG vorliegen, kann dahinstehen, ob dem angemeldeten Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG die Unterscheidungskraft für die in Rede stehenden Waren fehlt.


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