Patent- und Markenrecht

28 W (pat) 509/21

Aktenzeichen  28 W (pat) 509/21

Datum:
17.5.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:170521B28Wpat509.21.0
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2020 006 169.5
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 17. Mai 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein sowie der Richter Hermann und Schödel
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Januar 2021 wird aufgehoben.

Gründe

I.
1
Das Wort-/Bildzeichen
2
ist am 18. März 2020 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Dienstleistungen angemeldet worden:
3
Klasse 35: Dateienverwaltung mittels Computer; Datenrecherchen für Dritte in Computerdateien;
4
Klasse 38: Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer;
5
Klasse 41: Veranstaltung von Wettbewerben [Erziehung und Unterhaltung]; Veröffentlichung von Büchern; Veranstaltung und Leitung von Kolloquien; Informationen über Unterhaltungsveranstaltungen; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke; Durchführung von Live-Veranstaltungen; Dienstleistungen von Museen [Darbietung, Ausstellungen]; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Desktop-Publishing [Erstellen von Publikationen mit dem Computer]; Online-Bereitstellung von nicht herunterladbaren elektronischen Publikationen; Erstellen von Bildreportagen; Veranstaltung und Durchführung von Workshops [Ausbildung]; Veranstaltung von Führungen; Vermietung von Kunstgegenständen.
6
Die Anmeldung wird beim DPMA unter der Nummer 30 2020 006 169.5 geführt.
7
Mit Beschluss vom 27. Januar 2021 hat die Markenstelle für Klasse 41 des DPMA durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Dienstleistungen der
8
Klasse 38: Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer;
9
Klasse 41: Veröffentlichung von Büchern; Veranstaltung und Leitung von Kolloquien; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke; Durchführung von Live-Veranstaltungen; Dienstleistungen von Museen [Darbietung, Ausstellungen]; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Desktop-Publishing [Erstellen von Publikationen mit dem Computer]; Online-Bereitstellung von nicht herunterladbaren elektronischen Publikationen; Erstellen von Bildreportagen; Veranstaltung und Durchführung von Workshops [Ausbildung]; Veranstaltung von Führungen.
10
Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen erschöpfe sich in der Kombination des Ausrufs „AHA!“ und der Sachangabe „Holz“. Es bringe unabhängig von den beanspruchten Dienstleistungen nur das Erstaunen über Holz zum Ausdruck. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf Medien und Träger redaktionellen Inhalts. Zu deren Erstellung seien die zurückgewiesenen Dienstleistungen der Klasse 38 sowie die Publizierungsdienstleistungen der Klasse 41 nötig, so dass das Zeichen zu ihnen einen engen beschreibenden Bezug aufweise. In Verbindung mit den übrigen zurückgewiesenen Veranstaltungsdienstleistungen der Klasse 41 sei es als unmittelbar verständliche Inhalts- und Themenangabe anzusehen, da es zum Ausdruck bringe, dass es bei diesen Veranstaltungen um Erstaunliches rund um das Thema Holz gehe. Die graphische Gestaltung verhelfe dem Anmeldezeichen nicht zur Schutzfähigkeit, da sie marginal sei und sich auf zwei unterschiedliche Schriftgrößen sowie die Drehung des Zeichenbestandteils „AHA!“ um 90 Grad nach links beschränke. Im Übrigen könne sich die Anmelderin nicht auf vergleichbare Voreintragungen berufen, da diese nicht mit der vorliegenden Anmeldung vergleichbar seien und die Frage der Schutzfähigkeit keine Ermessensfrage, sondern eine Rechtsfrage sei.
11
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, wegen der Verwendung von Großbuchstaben erkenne der Verkehr in dem Bestandteil „AHA!“ nicht zwingend den Ausruf „aha“, sondern sehe hierin unter Umständen eine Abkürzung wie für die seit der Corona-Pandemie propagierten „AHA-Regeln“. Die Partikel „aha“ sei kein Ausruf des Erstaunens, sondern diene nach der Definition des Dudens dazu, Informationen zu bestätigen oder auszudrücken, dass jemand etwas verstanden habe. Zudem finde das Wort nur in der gesprochenen Sprache Verwendung. Grammatikalisch und orthographisch korrekt müssten das Ausrufezeichen hinter dem Wort „HOLZ“ stehen und davor noch ein Komma eingefügt sein. Mit dem Ausrufezeichen nach dem Zeichenbestandteil „AHA“ werde dieser Ausruf förmlich beendet, so dass das nachfolgende, auch graphisch losgelöste Element „HOLZ“ zusammenhanglos erscheine und den Betrachter des Zeichens irritiere. Jedenfalls genüge nach der „Gemeinsamen Mitteilung zur Gemeinsamen Praxis zur Unterscheidungskraft“ der europäischen Markenämter die Anordnung der beiden Wortbestandteile zueinander, um dem Anmeldezeichen zur Schutzfähigkeit zu verhelfen.
12
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
13
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Januar 2021 aufzuheben.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
15
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.
16
Der Eintragung des Wort-/Bildzeichens für die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klassen 38 und 41 stehen keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere fehlt dem Anmeldezeichen nicht jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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1. Unterscheidungskraft im Sinne der eben genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2015, 1198, Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH GRUR 2018, 932, Rdnr. 7 – #darferdas?; GRUR 2018, 301, Rdnr. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934, Rdnr. 9 – OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010, 228, Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH, a. a. O.– #darferdas?; a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, Rdnr. 53 – Henkel; BGH, a. a. O., Rdnr. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
18
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, Rdnr. 24– Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376, Rdnr. 11 – grill meister).
19
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH, a. a. O., Rdnr. 8 – #darferdas?; GRUR 2012, 270, Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH, a. a. O. – #darferdas?; a. a. O., Rdnr. 12 – OUI; GRUR 2014, 872, Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne Weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht (BGH, a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146, Rdnr. 32 – DOUBLEMINT; BGH GRUR 2014, 569, Rdnr. 18 – HOT). Dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachangabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH MarkenR 2007, 204, Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH GRUR 2014, 1204, Rdnr. 16 – DüsseldorfCongress).
20
Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt das Wort-/Bildzeichen , weil es weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt noch einen engen beschreibenden Bezug zu den versagten Dienstleistungen der Klassen 38 und 41 aufweist.
21
Nach der Duden-Definition dient die Partikel „aha“ dazu, „eine Information zu bestätigen oder auszudrücken, dass man etwas verstanden hat“ (vgl. unter „www.duden.de“, Suchbegriff: „aha“). Ein „Aha-Erlebnis“ ist das „plötzliche Erkennen eines Zusammenhangs zweier Vorgänge“. Synonym hierzu sind die Begriffe „Erkenntnis“ und „Erleuchtung“ (vgl. unter „www.duden.de“, Suchbegriff: „Aha-Erlebnis“). Nach Auffassung des Senats wird der Ausruf im allgemeinen Sprachgebrauch zudem – meist mit einem fragenden Unterton – verwendet, um Erstaunen, aber auch Missbilligung oder Entrüstung auszudrücken. Der genaue Bedeutungsgehalt ergibt sich dabei jeweils nur aus dem Kontext. Aus der konkreten Verwendung in dem Anmeldezeichen lässt sich jedoch auch in Verbindung mit den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen nicht entnehmen, welche Aussage das Element „AHA!“ in Bezug auf Holz trifft. So könnte damit schlagwortartig auf die erstaunlichen Eigenschaften des Rohstoffs Holz hingewiesen, aber auch in missbilligender Weise deutlich gemacht werden, dass Holz Ressourcen verschwendend oder nicht fachgemäß bzw. an ungeeigneter Stelle zum Einsatz kommt. Als Bestätigung gibt der Ausruf in diesem Zusammenhang keinen Sinn, denn es bleibt unklar, in welcher Weise Holz bestätigt werden soll.
22
Es gibt folglich eine Vielzahl an Deutungsmöglichkeiten, von denen keine klar hervortritt und die erst weitere Überlegungen erfordern, um als beschreibend interpretiert werden zu können. Ergänzend ist in Betracht zu ziehen, dass sie teilweise keinen Sinn ergeben. Demzufolge ist es unwahrscheinlich, dass die Wortkombination „AHA! HOLZ“ als Angabe des Inhalts oder Themas von Nachrichten, Bildern, Büchern, Kolloquien, Ausstellungen, Live-Veranstaltungen, Darbietungen, Seminaren, Publikationen, Bildreportagen, Workshops oder Führungen verwendet und von den angesprochenen Verkehrskreisen, bei denen es sich um Fachleute und Durchschnittsverbraucher handelt, so verstanden wird. Das Anmeldezeichen ist deshalb auch in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen als unterscheidungskräftig anzusehen.
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2. Aus vorgenannten Gründen kann darüber hinaus nicht davon ausgegangen werden, dass an dem Anmeldezeichen ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht.
24
Diesem Schutzhindernis unterfallen solche Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben zusammengesetzt sind, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. EuGH GRUR 2004, 680– BIOMILD; GRUR 1999, 723 – Chiemsee).
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Der unklare Aussagegehalt der gegenständlichen Wortfolge lässt nicht erwarten, dass sie Mitbewerber der Anmelderin als unmittelbar beschreibende Angabe einsetzen und benötigen.
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3. Weitere Schutzhindernisse sind nicht erkennbar, so dass der Beschwerde stattzugeben war.


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