Patent- und Markenrecht

29 W (pat) 9/20

Aktenzeichen  29 W (pat) 9/20

Datum:
9.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2022:090222B29Wpat9.20.0
Spruchkörper:
29. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung
30 2016 226 264.1
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. Februar 2022 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Lachenmayr-Nikolaou und die Richterin Seyfarth
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Bezeichnung
2
Heimathafen Düsseldorf
3
ist am 16. September 2016 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
4
Klasse 16: 3D-Abziehbilder zur Verwendung auf allen Oberflächen; Abziehbilder; Adressbücher; Anhänger aus Papier; Aufkleber; Aufkleber [Abziehbilder]; Aufkleber, Stickers [Papeteriewaren]; Autoaufkleber; Bedruckte Klebeetiketten; Bedruckte Verpackungsmaterialien aus Papier; Bedruckte Werbetafeln aus Papier; Bedruckte Werbetafeln aus Pappe; Beschreibbare Blöcke; Bierdeckel; Blöcke [Papier- und Schreibwaren]; Büroartikel; Büroartikel [ausgenommen Möbel]; Drucke; Druckereierzeugnisse; Etuis zur Aufbewahrung von Schreibwaren; Fahnen, Wimpel [aus Papier]; Farbdrucke; Fähnchen [aus Papier];
5
Klasse 25: Arbeitskittel; Arbeitskleidung; Baby-Bodysuits; Baby-Oberteile; Baby-Unterteile; Baby-Winteranzug; Babyausstattung [Bekleidungsstücke]; Babyausstattung [Wäschestücke]; Babydoll-Pyjamas; Babyhöschen; Babyhöschen [Bekleidung]; Babyhöschen [Unterwäsche]; Babylätzchen aus Kunststoff; Babyschlafsäcke [Bekleidung]; Babystiefelchen aus Wolle; Babyunterhosen; Ba-bywäsche; Badekleidung; Baseball-Trikots; Baseballcaps; Baseballkappen; Baskenmützen; Basketballschuhe; Bauchfreie Tops [Crop tops]; Bedruckte T-Shirts; Bekleidung aus Kaschmir; Bekleidung aus Lederimitat; Bekleidung für Autofahrer; Bekleidung für Babys; Bekleidung für Kinder; Bekleidung für Kleinkinder; Bekleidung für Mädchen; Bekleidung für Sportler; Bekleidungsstücke; Bekleidungsstücke aus Leder; Bekleidungsstücke aus Leinen; Bekleidungsstücke aus Papier; Bekleidungsstücke aus Seide; Bekleidungsstücke für den Sport; Bekleidungsstücke für Jungen; Bekleidungsstücke für Schwangere; Bequeme Hosen; Boas [Bekleidung]; Bodys; Bommelmützen; Capes; Damenbekleidung; Fußballdress-Nachbildungen; Fußballtrikots; Gestrickte Bekleidungsstücke; Gestrickte Leibwäsche; Gestrickte Wollpullover; Golfhemden; Golfhosen, -hemden und -röcke; Golfmützen; Gürtel [Bekleidung]; Halsband [Bekleidung]; Halsbe-kleidung; Handschuhe [Bekleidung]; Hauben [Kopfbedeckung]; Hauskleidung; Hemden; Herrenbekleidungsstücke; Herrenoberbekleidung; Hoodies [Kapuzenpullover]; Hosen für Babys; Hosen für Kinder; Kappen mit Schirmen; Kappenschirme; Kapuzenpullover; Kapuzensweatshirts; Kombinationen aus Shorthosen [Bekleidung]; Kopfbedeckungen; Kopfbedeckungen für Kinder; Kopfbedeckungen mit Schirm; Kopfschals; Kopftücher; Kurz- oder langärmelige T-Shirts; Kurze Hosen; Kurzärmelige Shirts; Kurzärmelige T-Shirts; Kurzärmlige Hemden; Käppchen [Kopfbedeckungen]; Lange Jacken; Langärmelige Hemden; Langärmelige Pullover; Langärmelige Unterhemden; Polohemden; Polohemden [Bekleidung]; T-Shirts; Ärmellose Trikots; Ärmellose Umhänge;
6
Klasse 26: Abzeichen, nicht aus Edelmetall; Accessoires für Bekleidung, Nähartikel und schmückende textile Artikel; Anstecker [Buttons]; Applikationen [Kurzwaren]; Aufnäher für Bekleidungsstücke; Aufnäher zur Reparatur von Bekleidungsstücken; Bänder aus transparentem Kunststoff für Dekorationszwecke; Bänder zum Tragen im Haar; Gestickte Aufnäher; Gestickte Aufnäher für Bekleidungsstücke; Namensbänder aus textilem Material zur Identifizierung von Bekleidung; Na-mensbänder aus textilem Material zur Identifizierung von Wäsche; Namensbänder aus textilem Material zur Kennzeichnung von Bekleidungsstücken; Stoffapplikationen; Textile Aufbügelbilder; Textile Bänder für Verpackungszwecke; Textile Namensbänder zur Identifizierung der Bekleidung; Textile Namensbänder zur Identifizierung von Wäsche; Textile Namensbänder zur Markierung von Bekleidung;
7
Klasse 40: Anbringen von Applikationen auf Kleidung; Anbringen von Motiven auf Kleidung; Aufbringen von Applikationen auf Bekleidung; Aufbringen von Motiven auf Bekleidung; Aufdrucken von Mustern; Aufdrucken von Mustern auf Fußbodenbelägen; Aufdrucken von Mustern auf Stoffen; Aufdrucken von Mustern auf Textilien; Aufdrucken von Mustern auf Wandbekleidungen; Bedrucken von Stoffen mit Mustern; Bedrucken von T-Shirts; Bedrucken von Textilien mit Mustern; Behandlung von Textilien; Behandlung von Textilien und Webstoffen; Behandlung von Webstoffen und Textilien; Beschriften von Schildern; Besticken von T-Shirts; Designdruck für Dritte; Färben von Textilien; Imprägnierung von Textilien; Kundenspezifisches Bedrucken von Bekleidungsstücken mit dekorativen Mustern; Kundenspezifisches Drucken von Firmennamen und -logos zur Verkaufsförderung und Werbung auf Produkte von anderen; Veredeln von Textilien; Veredlung von Textilien; Änderung von Bekleidungsstücken;
8
Klasse 42: Design für Dritte auf dem Gebiet der Bekleidung; Design neuer Produkte; Design von Bekleidung, Schuhwaren und Kopfbedeckungen; Design von Druckereierzeugnissen; Design von Druckerzeugnissen; Design von Glas und Glaswaren; Design von Kopfbedeckungen; Design von Modeaccessoires; Design von Produkten; Design von Schmuckwaren; Design von Schreibwaren; Design von Schriftarten; Design von Webseiten; Entwurf von Logos für T-Shirts; Erstellen von Design-Entwürfen.
9
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2017 hat die Markenstelle für Klasse 25 des DPMA die Anmeldung unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid vom 19. Januar 2017 teilweise wegen fehlender Unterscheidungskraft, teilweise wegen Vorliegens einer freihaltebedürftigen Angabe zurückgewiesen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 i. V. m. § 37 Abs. 1 MarkenG).
10
Zur Begründung ist ausgeführt, der Begriff „Heimathafen“ werde umgangssprachlich für „Heimat“ oder „zu Hause“ verwendet. In Bezug zu den angemeldeten Waren der Klassen 16, 25 und 26 bringe die Kombination dieses Begriffes mit der Ortsangabe Düsseldorf die Verbundenheit des Trägers bzw. Nutzers dieser Waren mit der Stadt Düsseldorf zum Ausdruck und sei daher nicht als Herkunftshinweis geeignet. Das angemeldete Zeichen werde in seiner wahrscheinlichsten Verwendungsform an einer gut sichtbaren Stelle auf den jeweiligen Waren allein als Statement und somit als gestalterisches Element bzw. als integraler Bestandteil der Ware selbst aufgefasst. Bei Oberbekleidung aller Art seien großflächige zentrierte Aufdrucke an der Vorderseite üblich. Häufig befänden sich derartige Aufdrucke auch auf der Rückseite, bei Kappen und Kopfbedeckungen an der Stirnseite, bei Handschuhen im Bereich des Handrückens, bei Gürteln, Schals und Kopftüchern als sichtbar verlaufender Schriftzug. Die beanspruchten Waren der Klassen 16 und 26 würden regelmäßig mit entsprechenden Aufdrucken versehen, die lediglich bestimmte Aussageinhalte nach außen kundtun sollten und gerade nicht als Herkunftshinweis verstanden würden. Die wahrscheinlichste Verwendung des angemeldeten Zeichens bestehe daher in der Darstellung an einer zentralen und nach außen wahrnehmbaren Position auf der jeweiligen Ware, so dass eine herkunftshinweisende Funktion nicht vorliege. Bezüglich der in den Klassen 40 und 42 beanspruchten Dienstleistungen sei das angemeldete Zeichen eine beschreibungsgeeignete Angabe betreffend die Herkunft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Bei Düsseldorf als Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens mit rund 635.000 Einwohnern spreche eine grundsätzliche Vermutung für ein Verkehrsverständnis als geografische Herkunftsangabe. Zudem sei Düsseldorf für seine ausgeprägte Kreativ- und Modewirtschaft sowie als Sitz zahlreicher Modeunternehmen bekannt. In Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen werde der angesprochene Verkehr „Düsseldorf“ daher als Erbringungsort oder als Angabe des Unternehmenssitzes verstehen. Die Kombination mit dem Begriff „Heimathafen“ stelle lediglich die besondere emotionale Nähe zu der Stadt Düsseldorf heraus, sei werbeüblich und hebe die geografische Herkunft der Dienstleistungen hervor.
11
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,
12
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 7. Dezember 2017 aufzuheben.
13
Der Beschwerdeführer hat seine Beschwerde nicht begründet. Mit Hinweis vom 27. Juli 2021 hat der Senat den Beschwerdeführer unter Beifügung von Rechercheunterlagen (Bl. 22-33 d. A.) darauf hingewiesen, dass er die angemeldete Wortfolge in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht für schutzfähig erachte.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
15
Die gemäß § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge „Heimathafen Düsseldorf“ steht in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
16
1. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht (BGH GRUR 2020, 411 Rn. 8 – #darferdas? II). Die Eintragungshindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und des Freihaltebedürfnisses aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/95/EG (MarkenRL a. F.) finden sich nun in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie (EU) 2015/2436 (MarkenRL) und werden unverändert umgesetzt durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG.
17
2. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH MarkenR 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. – Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; BGH GRUR 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas?, GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2015, 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a. O. – Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; GRUR 2006, 229 Rn. 27 – BioID AG/HABM [BioID]; BGH GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook).
18
Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 9 – OUI). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 53 – Henkel KGaA; BGH GRUR 2018, 301 Rn. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rn. 10 – OUI; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – Gute Laune Drops).
19
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013,1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2019, 1194 Rn. 20 – AS/DPMA [#darferdas?]; GRUR 2008, 608 Rn. 67 – Eurohypo AG/HABM [EUROHYPO]; GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord AG/Hukla Germany SA [MATRATZEN]; BGH GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).
20
An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH GRUR Int. 2012, 914 Rn. 25 – Smart/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; a. a. O. Rn. 36 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027, Rn. 33 und 34 – Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; BGH a. a. O. Rn. 17 – for you). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer kürzeren Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen (BGH a. a. O. Rn. 14 – Gute Laune Drops).
21
Gleichwohl werden Wortmarken in Form von Werbeslogans vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie andere Markenkategorien. Insoweit ist bei Slogans, die eine im Vordergrund stehende Werbefunktion ausüben, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Durchschnittsverbraucher aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen schließen. Wortfolgen, die nach Art eines Slogans gebildet sind, wird der Verkehr daher als eine Beschreibung oder Anpreisung des Inhalts oder Gegenstands entsprechender Waren und Dienstleistungen auffassen (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 35 – Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; BGH GRUR 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt; BGH GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft). Der anpreisende Sinn einer angemeldeten Wortfolge schließt deren Eignung als Herkunftshinweis dann aus, wenn der Verkehr sie ausschließlich als werbliche Anpreisung versteht (BGH a. a. O. Rn. 23 – OUI).
22
3. Nach diesen Grundsätzen ist die Unterscheidungskraft der angemeldeten Wortfolge „Heimathafen Düsseldorf“ im hier relevanten Waren- und Dienstleistungszusammenhang zu verneinen, da die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung lediglich als anpreisende Sachaussage auffassen, so dass sie darin keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen oder von einem bestimmten Dienstleister erkennen werden.
23
a) Bei der Beurteilung des Verständnisses des angemeldeten Zeichens ist hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen sowohl auf das allgemeine Publikum als auch auf unternehmerische Fachkreise abzustellen.
24
b) Die angemeldete Wortfolge „Heimathafen Düsseldorf“ setzt sich aus dem Wort „Heimathafen“ und dem Städtenamen „Düsseldorf“ zusammen. Bei solchen aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 – SAT.2; GRUR 2006, 229 – BioID; BGH MittdtPatA 2021, 45 Rn. 9 – Lichtmiete).
25
aa) Unter dem Begriff „Heimathafen“ versteht man den Hafen, in dessen Schiffsregister ein Schiff eingetragen oder in dem jemand (z. B. ein Matrose) stationiert ist (vgl. https://de.wiktionary.org/wiki/Heimathafen; https://de.wikipedia.org/wiki/Heimathafen). Über diese originäre Bedeutung hinaus wird „Heimathafen“ auch für einen Ort verwendet, der jemandem – sowohl örtlich als auch emotional – eine Heimat ist und an dem man sich zu Hause fühlt. Der Begriff beinhaltet damit sowohl den Ort im geografischen Sinne als auch das mit Heimat verbundene subjektive Empfinden, das unabhängig von politisch-juristischen Definitionen eine psychologische Dimension hat, die aus individuellen Einstellungen zu Ort, Gesellschaft und persönlicher Entwicklung des Einzelnen besteht. Aus den dem Beschwerdeführer vorab übermittelten Rechercheunterlagen geht hervor, dass „Heimathafen“ in unterschiedlichen Zusammenhängen in diesem Sinne verwendet wird. Als Bezeichnung eines Bauprojekts wird damit zum Ausdruck gebracht, dass etwas geschaffen werden soll, was den Bewohnern Zuflucht und Heimat bietet („Dortmund will Fremden Heimat sein, der ‘Heimathafen‘ Zuflucht und Zukunft. Das Haus (…) könnte dieser ‘Heimathafen‘ sein, …“, vgl. Bl. 28 bis 33 d. A.). In Zusammenhang mit dem Arbeitsumfeld steht Heimathafen für das Gefühl, sich an seinem Arbeitsplatz besonders wohl zu fühlen („Ein Heimathafen für Mitarbeiter“, „Kann auch der Arbeitsplatz ein Heimathafen sein?“, vgl. Bl. 22 bis 24 d. A.). Darüber hinaus wird „Heimathafen“ insbesondere auch als Ausdruck für die besondere Verbindung zur Heimatstadt verwendet („eine faszinierende Hommage an die Heimatstadt (…) war die Stadt ein Heimathafen verschiedener Kulturen, Religionen und ethnischer Gesellschaften“, vgl. Bl. 27 d. A.). Dementsprechend wirbt der Beschwerdeführer selbst auf seiner Homepage: „Mit der Marke ‘Heimathafen Düsseldorf‘ kann jedermann die Liebe und Verbundenheit mit dieser Stadt zum Ausdruck bringen“; „Unsere Mottos: Heimat tragen, Heimat zeigen“. In diesem anpreisenden Sinne werden die angesprochenen Verkehrskreise den Begriff „Heimathafen“ auch verstehen, so dass er nicht als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen geeignet ist.
26
bb) Düsseldorf ist die Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens. Als siebtgrößte Stadt Deutschlands und Teil der Metropolregion Rhein-Ruhr ist sie bei den inländischen Verkehrskreisen allgemein bekannt. In Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen wird der angesprochene Verkehr Düsseldorf als Hinweis auf die geografische Herkunft dieser Waren bzw. auf den Erbringungsort der Dienstleistungen auffassen.
27
cc) Die Kombination des Bestandteils „Heimathafen“ mit der geografischen Angabe „Düsseldorf“ geht nicht über die Summe ihrer Bestandteile hinaus und vermittelt den angesprochenen Verkehrskreisen lediglich einen Hinweis auf die Stadt Düsseldorf, kombiniert mit dem Ausdruck einer besonderen Verbundenheit zu dieser Stadt. Eine über dieses Wortverständnis als Botschaft sozialer Kommunikation hinausgehende Aussage zur betrieblichen Herkunft der Waren und Dienstleistungen weist die Wortfolge nicht auf. Zur Erfassung ihres werbenden Sinngehalts bedarf es auch keiner gedanklichen Analyse und/oder Interpretation.
28
c) Ob in Bezug auf alle beanspruchten Waren der Klassen 16, 25 und 26 ein enger beschreibender Bezug zu den verfahrensgegenständlichen Waren in Betracht kommt, braucht nicht abschließend beurteilt zu werden. Denn jedenfalls handelt es sich bei der angemeldeten Wortfolge um ein üblich gebildetes Statement, das vom angesprochenen Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird.
29
Ob der Durchschnittsverbraucher die angemeldete Wortfolge als Hinweis auf die betriebliche Herkunft oder lediglich als dekoratives Element bzw. als Botschaft sozialer Kommunikation wahrnehmen wird, kann dabei von der tatsächlichen Verwendungsform des Zeichens abhängen.
30
Nach dem aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des Bundesgerichtshofs ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union muss die Unterscheidungskraft eines als Marke angemeldeten Zeichens unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen und Umstände, einschließlich sämtlicher wahrscheinlicher Verwendungsarten der angemeldeten Marke, geprüft werden (EuGH, GRUR 2019, 1194 Rn. 33 – AS/DPMA [#darferdas?]). Sind in der maßgeblichen Branche mehrere Verwendungsarten praktisch bedeutsam, müssen bei der Prüfung der Unterscheidungskraft alle diese verschiedenen Verwendungsarten berücksichtigt werden, um zu klären, ob der Durchschnittsverbraucher der erfassten Waren oder Dienstleistungen das Zeichen als Hinweis auf ihre betriebliche Herkunft wahrnehmen kann (EuGH, a. a. O., Rn. 25 – AS/DPMA [#darferdas?]). Bei der Beurteilung der zu berücksichtigenden Verwendungsformen sind die einschlägigen Kennzeichnungsgewohnheiten maßgeblich, wobei es auf die Art und Weise ankommt, in der Kennzeichnungsmittel bei den einschlägigen Waren/Dienstleistungen üblicherweise verwendet werden, insbesondere wo solche Kennzeichen angebracht werden (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 8 Rn. 166).
31
Demnach gilt auf den einschlägigen Warengebieten in Bezug auf die in den Klassen 16, 25 und 26 beanspruchten Waren Folgendes:
32
Die in Klasse 16 beanspruchten Waren, wie z. B. Abziehbilder, bedruckte Verpackungsmaterialien, Fahnen oder Wimpel sind klassische Träger derartiger Statements. Wie die Markenstelle unter Hinweis auf zahlreiche Verwendungsbeispiele dargelegt hat, sind auch bei Bekleidungsstücken der Klasse 25, wie z. B. T-Shirts, Kapuzenpullis, Schals oder Kopfbedeckungen großflächige Aufdrucke mit bekenntnishaften Aussagen an deutlich sichtbarer Stelle üblich. Allerdings gibt es auch andere Arten der Kennzeichnung z. B. in Innenetiketten oder Hangtags. Ob eine (möglicherweise für die Unterscheidungskraft sprechende) Anbringung der Marke auf dem Etikett oder eine (die Schutzfähigkeit eher ausschließende) auffällige Platzierung an der Vorder- oder Rückseite von Bekleidungsstücken zu erwarten ist, hängt in erster Linie von dem Zeichen selbst ab. Soweit Wortfolgen – wie hier „Heimathafen Düsseldorf“ – nur als hervorgehobene Abgabe einer gesellschaftlich relevanten Botschaft nach außen bzw. eines Statements zu verstehen sind, ist von der zuletzt genannten gut sichtbaren Anbringung auszugehen. Die in Klasse 26 beanspruchten Waren, wie z. B. Anstecker, Abzeichen oder Aufnäher für Bekleidungsstücke sind ebenfalls typischerweise Träger solcher Aussagen. Die Markenstelle hat zutreffend ausgeführt, dass die beschwerdegegenständlichen Waren wie Anhänger und Aufkleber, T-Shirts, Kappen, aber auch Handschuhe, Arbeitsbekleidung oder Babybekleidungen sowie Anstecker und Applikationen regelmäßig großflächig mit Statements und bekenntnishaften Aussagen versehen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 15.04.2021, I ZB 67/20 Rn. 14 – Schalker Meile; BPatG GRUR-RR 2020, 203 Rn. 28 – Mir all sin Kölle). Nicht festgestellt werden konnte dagegen, dass derartige Aussagen und sonstige „Botschaften an die Umwelt“ auf einem in der Innenseite der Waren befindlichen Etikett, an der Unterseite von Schreibblöcken oder an einer anderen „versteckten Stelle“ an den Waren angebracht werden. Gerade durch die exponierte Anbringung der Wortfolge „Heimathafen Düsseldorf“ an gut sichtbarer Stelle will sowohl der Anbieter der Waren als auch der Erwerber seine Verbundenheit mit der Stadt Düsseldorf, die ihm Heimat ist, zeigen. Auch für den Beschwerdeführer steht diese Aussage im Vordergrund, wenn er auf seiner Homepage hervorhebt, „Mit der Marke „Heimathafen Düsseldorf“ kann jedermann die Liebe und Verbundenheit mit dieser Stadt zum Ausdruck bringen“; „Unsere Mottos: Heimat tragen, Heimat zeigen“.
33
Das angesprochene Publikum wird in der angemeldeten Wortfolge nach dem Vorgesagten nur ein Statement für die Stadt Düsseldorf, mithin lediglich ein dekoratives Gestaltungsmittel und keinen Herkunftshinweis erblicken, so dass dem Anmeldezeichen in Bezug auf die beanspruchten Waren die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt.
34
d) Auch in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 40 und 42 stellt die Wortfolge „Heimathafen Düsseldorf“ ein werbendes Bekenntnis zu der Stadt Düsseldorf dar. Die angesprochenen Verkehrskreise werden „Heimathafen Düsseldorf“ als geografischen Hinweis auf den Erbringungsort der Dienstleistungen und gleichzeitig als Ausdruck der Verbundenheit des Dienstleistungserbringers mit „seiner“ Stadt verstehen. Eine über das bloße Wortverständnis hinausgehende Aussage zur betrieblichen Herkunft der zurückgewiesenen Dienstleistungen weist das Anmeldezeichen nicht auf.
35
Das angemeldete Zeichen eignet sich somit nicht als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen, so dass ihm die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.
36
4. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann dahinstehen, ob die angemeldete Bezeichnung darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die fraglichen Waren freihaltebedürftig ist bzw. ob es sich in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen um eine geografische Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG handelt.


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