Patent- und Markenrecht

30 W (pat) 27/20

Aktenzeichen  30 W (pat) 27/20

Datum:
17.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die geografische Angabe 31 2017 001 169.4
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 17. Februar 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin Dr. Weitzel und des Richters Merzbach
beschlossen:
I. Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag des Antragstellers, der Einsprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller hat am 12. Januar 2017 beim Deutschen Patent-und Markenamt für das Erzeugnis
2
„Klasse 1.2: Fleischerzeugnisse“
3
für die Bezeichnung
4
Berliner Currywurst ohne Darm
5
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (im Folgenden: VO 1151) einen Antrag auf Eintragung als geographische Angabe in das Register der geschützten geographischen Angaben und der geschützten Ursprungsbezeichnungen eingereicht, das von der Kommission der Europäischen Union geführt wird. Mit dem Antrag hat er eine Spezifikation vorgelegt.
6
Die Markenabteilung 3.2 des Deutschen Patent-und Markenamtes hat nach § 130 Abs. 3 MarkenG Stellungnahmen sachkundiger und interessierter Stellen eingeholt.
7
Im Verlauf des Verfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hat der Antragsteller überarbeitete Spezifikationen vorgelegt, zuletzt vom 11. Februar 2020.
8
Die Veröffentlichung des Antrags auf Eintragung als geographische Angabe erfolgte im Markenblatt Heft 32 vom 9. August 2019, Seite 24018 ff.
9
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2019 (Eingang beim Deutschen Patent- und Markenamt am gleichen Tag) hat die Beschwerdeführerin gegen diesen Antrag Einspruch eingelegt. Zur Begründung ist geltend gemacht, die Bezeichnung erfülle nicht die Voraussetzungen für eine geografische Angabe im Sinne der VO 1151. Ferner seien nachteilige Auswirkungen auf das Bestehen eines gleichlautenden Namens und Erzeugnisses der Einsprechenden zu befürchten, obwohl diese ihre entsprechenden Artikel seit mehr als fünf Jahren vertreibe. Wäre die Einsprechende künftig von der Bezeichnung „Berliner Currywurst ohne Darm“ ausgeschlossen, käme es zu einer nicht gerechtfertigten Diskriminierung.
10
Die Markenabteilung 3.2 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 5. März 2020 festgestellt, dass der Antrag den Voraussetzungen der VO 1151 entspricht.
11
Zur Begründung ist ausgeführt, der Antragsteller sei ein Zusammenschluss von derzeitigen Herstellern des vorliegenden Erzeugnisses in der Rechtsform des eingetragenen Vereins. Er stelle eine Vereinigung i.S.v. Art. 49 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Ziff. 2 VO 1151 dar und sei somit antragsbefugt.
12
In der Sache seien die Voraussetzungen für den Schutz als geografische Angabe gemäß Art. 5 Abs. 2 i. V. m. Art. 7 VO 1151 erfüllt. Bei der Wortfolge „Berliner Currywurst ohne Darm“ handele es sich um einen Namen, der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendet werde, dessen Ursprung in einem bestimmten Ort, nämlich dem Stadtgebiet Berlin, liege. Die Abgrenzung des geografischen Gebiets sei eindeutig erfolgt und von den angehörten sachkundigen Stellen bestätigt worden.
13
Ferner seien die erzeugnisspezifischen Merkmale und das beschriebene Herstellungsverfahren (Spezifikation Abschnitte b) und e)) durch die eingeholten Stellungnahmen sachkundiger Stellen bestätigt oder nicht in Frage gestellt worden. Der schutzbegründende Zusammenhang zwischen dem Erzeugnis und seinem geografischen Ursprung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. b VO 1151) ergebe sich aus dem besonderen Ansehen, das jenes infolge seiner Herkunft genieße. Dieses besondere Ansehen sei in der Produktspezifikation zum Antrag vom 12. Januar 2017 dargelegt und durch die beigefügten Anlagen dokumentiert.
14
Zudem hätten mehrere der von der Markenabteilung angehörten Institutionen und Verbände ein solches herkunftsbezogenes Ansehen bzw. eine hohe Wertschätzung beim Publikum zumindest im Ursprungsgebiet bestätigt.
15
Für ein solches Ansehen spreche auch, dass einige nicht gebietsansässige Hersteller auf das durch die geografische Herkunft vermittelte Ansehen anspielten, indem sie z.B. Erzeugnisse unter dem Namen „Currywurst Berliner Art“ in den Verkehr brächten. Auch wenn keine Umsatzsteigerungen durch die Verwendung des Namens nachgewiesen seien, bleibe der Umstand zumindest indiziell relevant. Die Wettbewerber würden die Bezeichnung nämlich nicht verwenden, wenn sie sich davon nicht irgendeine positive Wirkung versprechen würden.
16
Schließlich stützten auch die von dem Antragsteller vorgelegten Rechnungen die Annahme, dass in Berlin die „Berliner Currywurst ohne Darm“ auch ohne die verbreitete Darreichung mit einer pikanten Currysauce in nennenswertem Umfang über den Einzelhandel und die Betriebe des Handwerks in den Verkehr gelangt sei und so über die Jahre ein besonderes Ansehen zumindest in der lokalen Bevölkerung erlangt habe und weiterhin genieße.
17
Schließlich rechtfertigten die von der in Brandenburg ansässigen Einsprechenden behaupteten negativen Auswirkungen für den Vertrieb ihrer bislang unter „Berliner Currywurst ohne Darm“ vermarkteten Produkte keine Schutzversagung.
18
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.
19
Die Bezeichnung „Berliner Currywurst ohne Darm“ erfülle aus mehreren Gründen nicht die Voraussetzungen für eine geografische Angabe i.S.d. VO 1151.
20
1. Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 VO 1151 nicht erfüllt
21
Die unzubereitete „Berliner Currywurst ohne Darm“ genieße in den Verbraucherkreisen kein besonderes Ansehen aufgrund ihrer Herkunft.
22
Deshalb habe das DPMA mit Beschluss vom 23. Februar 2011 die Eintragung der Bezeichnung „Berliner Currywurst“ als geografische Angabe rechtskräftig zurückgewiesen. Die in dem Beschluss genannten Gründe gälten entsprechend für den vorliegenden Antrag „Berliner Currywurst ohne Darm“.
23
2. Kein Nachweis eines besonderen Ansehens aufgrund geografischer Herkunft
24
Der Antragsteller habe kein besonderes Ansehen des Erzeugnisses nachgewiesen. Erst recht habe er kein Ansehen nachgewiesen, das auf den geografischen Ursprung des Erzeugnisses zurückzuführen wäre. Entgegen der Ansicht der Markenabteilung genüge es für die Annahme eines solchen Ansehens nicht, dass dieses lediglich nachvollziehbar begründet werde.
25
Die von dem Antragsteller vorgelegten Zeitungsartikel und Publikationen zur angeblichen Bekanntheit der „Berliner Currywurst“ stellten keinen solchen Nachweis dar. Sie bezögen sich nämlich auch auf Currywürste mit Darm. Zudem gehe es darin in erster Linie um die als Imbiss fertig zubereitete Currywurst mit Sauce, während der Antragsteller die Bezeichnung „Berliner Currywurst ohne Darm“ für das nicht zubereitete Produkt in Anspruch nehmen wolle.
26
Die von dem Antragsteller vorgelegten Rechnungen (Anlagen 25 bis 27 zum Antrag vom 12. Januar 2017) zeigten zwar, dass die – nicht zubereiteten – Würste unter der Bezeichnung „Berliner Currywurst ohne Darm“ vertrieben worden seien. Abnehmer seien aber vor allem Imbiss- und Gastronomiebetriebe bzw. der Einzelhandel gewesen. Die vorgelegten Rechnungen ließen deshalb nicht den Schluss zu, dass die angemeldete Bezeichnung beim Endverbraucher eine ausreichende Bekanntheit erlangt habe.
27
Das besondere Ansehen ergebe sich auch nicht aus den eingeholten Stellungnahmen der beteiligten Institutionen und Verbände. Soweit darin ein besonderes Ansehen bejaht werde, beziehe sich dieses entweder auf die zubereitete Wurst, wie sie am Imbiss verkauft werde (vgl. Stellungnahme der Fleischer-Innung Berlin und des Max-Rubner-Instituts) oder es werde kein Zusammenhang zwischen einem etwaigen Ansehen und der geografischen Herkunft hergestellt (vgl. Stellungnahme der IHK-Berlin). Teilweise sei die Frage nach dem Bestehen eines besonderen Ansehens offengelassen worden (Max-Rubner-Institut), teilweise erschöpfe sich die Stellungnahme in der schlichten Bejahung der von der Markenabteilung gestellten Fragen (DEHOGA).
28
3. Kein Zusammenhang zwischen der Geschichte des Erzeugnisses und dem angeblichen Ansehen
29
Zwar bezögen sich die Ausführungen der Markenabteilung auf die Geschichte der „Currywurst ohne Darm“. Es sei aber nicht erläutert, inwiefern daraus ein besonderes Ansehen der nicht zubereiteten Wurst in den heutigen Verkehrskreisen abgeleitet werden könne.
30
Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass es sich bei der im Antrag beschriebenen „Berliner Currywurst ohne Darm“ um ein Produkt mit langer Tradition handele, welches mit dem Gebiet und der Geschichte der Stadt Berlin zusammenhänge. Sie bestreitet zudem, dass die „Berliner Currywurst ohne Darm“ zu DDR-Zeiten ausschließlich in Ost-Berlin angeboten worden sei, während sich in West-Berlin die „Berliner Currywurst mit Darm“ durchgesetzt haben solle. Dass bereits zu Zeiten der Teilung der Stadt Berlin im Westen Currywurst ohne Darm produziert und verkauft wurde, bestätige auch die Stellungnahme der Fleischer-Innung Berlin.
31
Überdies sei die mit der „Nachkriegsmangelwirtschaft“ angeblich verbundene Erfindung, eine Currywurst ohne Darm herzustellen, den Verkehrskreisen heute nicht mehr geläufig.
32
4. Kein Anlehnen an angebliches Ansehen des Erzeugnisses durch gebietsfremde Hersteller
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Zu Unrecht begründe die Markenabteilung das Vorliegen eines besonderen Ansehens damit, dass gebietsfremde Hersteller ihre Erzeugnisse unter dem Namen „Currywurst Berliner Art“ in den Verkehr brächten. Dies sei nämlich kein Indiz für das besondere Ansehen der „Berliner Currywurst ohne Darm“, da keine Umsatzsteigerungen durch die Verwendung nachgewiesen seien. Diese seien nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts aber erforderlich, um als Indiz herangezogen werden zu können. Überdies werde die Bezeichnung „Currywurst Berliner Art“ auch für Erzeugnisse mit Darm verwendet, weshalb die Anlehnung nichts zum Ansehen der „Berliner Currywurst ohne Darm“ aussage.
34
5. Keine Berliner Verkehrsauffassung hinsichtlich der Herstellung mit Curry
35
Die von dem Antragsteller vorgelegten Zeitungsartikel und Publikationen zeigten, dass es keine Berliner Verkehrsauffassung dahingehend gebe, dass die Brühwurst mit Curry hergestellt werde. Soweit der Antragsteller zum Nachweis auf einen Artikel in der „Allgemeine(n) Fleischer Zeitung“ von 1967 abstelle, sei dieser veraltet und für die heutige Berliner Verkehrsauffassung nicht repräsentativ. Die Verbraucherkreise verbänden mit der Bezeichnung „Berliner Currywurst ohne Darm“ vielmehr den verzehrfertigen Imbiss mit Sauce, der mit einer vorwiegend aus Curry bestehenden Gewürzmischung bestreut werde.
36
6. Ungerechtfertigte Diskriminierung der Beschwerdeführerin
37
Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass sich die Eintragung der beantragten Bezeichnung nachteilig auf das Bestehen eines gleichlautenden Namens und Erzeugnisses der Einsprechenden auswirke. Werde die Bezeichnung in größerem Umfang für gleichartige Erzeugnisse benutzt, die nicht aus der bezeichneten Region, aber aus angrenzenden Gebieten stammten, könne dies ein Hinweis darauf sein, dass das geografische Gebiet in der Spezifikation zu eng bemessen sei. Wäre die Beschwerdeführerin als Brandenburger Hersteller zukünftig von der Bezeichnung „Berliner Currywurst ohne Darm“ ausgeschlossen, käme es zu einer ungerechtfertigten Diskriminierung.
38
Die Beschwerdeführerin beantragt,
39
den Beschluss der Markenabteilung 3.2 des Deutschen Patent-und Markenamtes vom 5. März 2020 aufzuheben und den Eintragungsantrag des Beschwerdegegners zurückzuweisen.
40
Der Beschwerdegegner beantragt,
41
die Beschwerde „kostenpflichtig“ zurückzuweisen.
42
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Entgegen der Ansicht der Einsprechenden genieße die „Berliner Currywurst ohne Darm“ in den Verbraucherkreisen ein besonderes Ansehen. Überdies habe der Antragsteller den Zusammenhang zwischen dem Ansehen und der Stadt Berlin nachgewiesen. Die Beschwerdeführerin behaupte lediglich ins Blaue hinein, die vorgelegten Nachweise reichten nicht aus. Zudem hätten die sachkundigen Stellen ein besonderes Ansehen des Erzeugnisses bestätigt.
43
Der Antragsteller habe in seinem Antrag dargelegt, dass die „Berliner Currywurst ohne Darm“ auf die Nachkriegszeit zurückgehe, in der Därme zur Herstellung einer Brühwurst Mangelware waren. Im Jahr 1949 sei in Berlin-Spandau der Fleischwarenbetrieb „Maximilian“ gegründet worden, der ein Verfahren zur Herstellung von Brühwürsten ohne Darm entwickelt habe. Das Ansehen der „Berliner Currywurst ohne Darm“ basiere auf der geografischen Herkunft des Erzeugnisses in Berlin.
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Zu DDR-Zeiten seien in Ost-Berlin unter einer „Berliner Currywurst“ ausschließlich Brühwürste ohne Darm angeboten worden. In West-Berlin sei zwischen Currywurst mit und ohne Darm unterschieden worden, wobei sich eher die Currywurst mit Darm durchgesetzt habe. So spiegele die Geschichte der Berliner Currywurst auch die Geschichte des geteilten Berlins wieder.
45
Es treffe nicht zu, dass sich die vorgelegten Publikationen in erster Linie auf die als Imbiss fertig zubereitete Currywurst mit Sauce bezögen. Aber selbst in diesen Fällen sei die unzubereitete „Berliner Currywurst ohne Darm“ Primärzutat für den Imbiss, wodurch ebenfalls das Ansehen der „Berliner Currywurst ohne Darm“ dargelegt werde.
46
Zudem gelangten die Erzeugnisse auch in nicht zubereiteter Form in nennenswertem Umfang in den Verkehr, was sich aus den beigefügten Rechnungen ergebe (Anlagen 25 bis 27 zum Antrag).
47
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, dass es keine Berliner Verkehrsauffassung hinsichtlich der Herstellung mit Curry gebe, seien unzutreffend. Das Landeslabor Berlin-Brandenburg habe in seiner Stellungnahme vom 3. November 2017 die Verkehrsauffassung im Hinblick auf die Beschaffenheit des hier in Rede stehenden Erzeugnisses geschildert und ausgeführt, dass die seit über 60 Jahren existierenden Qualitätsabsprechen zuletzt am 28. Oktober 2013 bestätigt und um klarstellende Parameter erweitert worden seien.
48
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
49
Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Die Markenabteilung hat zu Recht festgestellt, dass der Name „Berliner Currywurst ohne Darm“ als geografische Angaben nach der VO 1151 schutzfähig ist.
50
A. Auf den am 12. Januar 2017 eingegangenen Antrag auf Eintragung einer geografischen Angabe findet die VO 1151 Anwendung, die am 3. Januar 2013 in Kraft getreten ist. Die VO 1151 ist durch die Verordnung (EU) 2021/2117 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2. Dezember 2021 (ABl. EU Nr. L 435 v. 6.12.2021, S. 262) mit Wirkung vom 7. Dezember 2021 u.a. in den Artikeln 5 und 7 geändert worden. Auf den Streitfall haben diese Änderungen jedoch keine Auswirkung.
51
B. Der Antrag auf Eintragung der geografischen Angabe „Berliner Currywurst ohne Darm“ ist zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller antragsbefugt.
52
Antragsteller können nach Art. 49 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 VO 1151 grundsätzlich nur Vereinigungen sein, die mit den Erzeugnissen arbeiten. Art. 3 Nr. 2 VO 1151 definiert den Begriff der Vereinigung als „jede Art von Zusammenschluss, ungeachtet ihrer Rechtsform, insbesondere zusammengesetzt aus Erzeugern oder Verarbeitern des gleichen Erzeugnisses“. Der Antragsteller ist die Interessengemeinschaft Berliner Traditionswurstwaren e.V. Der Verein besteht nach den Angaben im Eintragungsantrag aus „Erzeugern/Verarbeitern“ des vorliegenden Erzeugnisses, so dass die Antragsbefugnis gegeben ist. Die Einsprechende hat dies auch nicht in Frage gestellt.
53
C. Der Eintragung des Namens „Berliner Currywurst ohne Darm“ als geografische Angabe stehen keine Schutzhindernisse nach der VO 1151 entgegen.
54
1. Entgegen der Beschwerdebegründung ergibt sich kein Schutzhindernis aus Art. 49 Abs. 3 UAbs. 2 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. c VO 1151. Nach diesen Vorschriften kann der Einspruch darauf gestützt werden, dass sich die Eintragung nachteilig auf das Bestehen eines ganz oder teilweise gleichlautenden Namens oder einer Marke oder auf das Bestehen von Erzeugnissen auswirken würde, die sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Verkehr befinden. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein Eintragungshindernis. Die Einwände entsprechend Art. 10 Abs. 1 Buchst c VO 1151 führen nicht zur Zurückweisung des Schutzantrages, da sie nicht die Schutzfähigkeit als solche betreffen (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 130 Rn. 127). Es ist auch nicht mehr – wie unter der Vorgänger-VO (EG) Nr. 510/2006 (vgl. dort Art. 7 Abs. 5 UAbs. 3) – im Wege einer Interessenabwägung eine Entscheidung über den Schutzantrag selbst zu treffen. Einzige Folge eines auf die genannte Vorschrift gestützten zulässigen Einspruchs ist vielmehr die durch Art. 15 Abs. 4 VO 1151 vorgesehene Möglichkeit, dem oder den Einsprechenden eine nationale Übergangsfrist von bis zu zehn Jahren (ab Eingang des Antrags bei der Kommission) zu gewähren (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O.).
55
Ein Übergangszeitraum i.S.d. Art. 15 Abs. 4 VO 1151 kann allerdings nur eingeräumt werden, um gebietsansässigen Erzeugern die Anpassung an die Spezifikation zu erleichtern (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 130 Rn. 135). Wie die Markenabteilung zu Recht festgestellt hat, kann sich die Einsprechende, die in Brandenburg ansässig ist, daher nicht auf Art. 15 Abs. 4 VO 1151 berufen.
56
2. Vorliegend sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es sich bei der Bezeichnung „Berliner Currywurst ohne Darm“ um eine von vornherein nicht eintragungsfähige Gattungsbezeichnung handelt (Art. 49 Abs. 3 UAbs. 2 i. V. m Art. 6 Abs. 1 VO 1151).
57
Eine geografische Angabe ist nur dann als Gattungsbezeichnung einzustufen, wenn der unmittelbare Zusammenhang zwischen dem geographischen Ursprung des Erzeugnisses einerseits und einer bestimmten Qualität, dem Ansehen oder einer anderen Eigenschaft des Erzeugnisses, die sich aus diesem geographischen Ursprung ergibt, verschwunden ist und die Bezeichnung nur noch eine bestimmte Art oder einen bestimmten Typ von Erzeugnissen beschreibt (vgl. EuGH GRUR 2009, 961, 967 Nr. 107 – Bayerisches Bier) und damit zu einer allgemeinen Bezeichnung für das Erzeugnis geworden ist. Dabei muss der Gattungscharakter zweifelsfrei feststehen (vgl. m. w. N. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 130 Rn. 42).
58
Es kann nicht festgestellt werden – und wurde von der Einsprechenden auch nicht behauptet – dass „Berliner Currywurst ohne Darm“ unabhängig von dem Ursprung in Berlin nur noch eine bestimmte Art oder einen bestimmten Typ von Erzeugnissen beschreibt. Insofern wird auf „Berlin“ als Herkunftsgebiet Bezug genommen.
59
3. Auf Schutzhindernisse nach Art. 6 Abs. 2 bis 4 VO 1151 beruft sich die Einsprechende nicht; dafür sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich.
60
4. Soweit die Beschwerdeführerin möglicherweise vortragen will, das in der Spezifikation ausgewiesene geografische Gebiet sei zu eng bemessen (Art. 7 Abs. 1 Buchst. c VO 1151), weil sie die Bezeichnung im angrenzenden Brandenburg in größerem Umfang für gleichartige Erzeugnisse nutze, kann dem nicht beigetreten werden. Der Antragsteller hat, wie im Folgenden ausgeführt wird, nachgewiesen, dass das besondere Ansehen der „Berliner Currywurst ohne Darm“ gerade mit dem Gebiet der Stadt Berlin verbunden ist. Insofern ist bei der geografischen Beschränkung nicht von einer willkürlichen Festlegung auszugehen (vgl. Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, § 130 Rn. 86).
61
D. Die Bezeichnung “Berliner Currywurst ohne Darm” ist als „geografische Angabe“ nach der VO 1151 schutzfähig.
62
Nach Art. 5 Abs. 2 VO 1151 ist „geografische Angabe“ ein Name, einschließlich eines traditionell verwendeten Namens [Einfügung vom 6. Dezember 2021], der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendet wird, (a) dessen Ursprung in einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Gegend oder in einem bestimmten Land liegt, (b) dessen Qualität, Ansehen oder eine andere Eigenschaft wesentlich auf diesen geographischen Ursprung zurückzuführen ist, und (c) bei dem wenigstens einer der Produktionsschritte in dem abgegrenzten Gebiet erfolgt.
63
1
. Name zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendet
64
Das benannte Erzeugnis „Fleischerzeugnisse (erhitzt, gepökelt, geräuchert usw.)“ ist ein Lebensmittel, das als „Zubereitungen von Fleisch“ nach Art. 2 Abs. 1 UAbs. 1 VO 1151 i. V. m. mit dem Anhang I des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in den Geltungsbereich der Verordnung fällt (vgl. Anhang I „Kapitel 16“ AEUV).
65
Die Markenstelle hat zutreffend ausgeführt, bei „Berliner Currywurst ohne Darm“ handele es sich um einen Namen, der zur Bezeichnung eines Fleischererzeugnisses verwendet werde, dessen Ursprung in einem bestimmten Ort, nämlich dem Gebiet der Stadt Berlin liege.
66
Die Verwendung des Namens für „ein Erzeugnis“ i.S.d. Art. 5 Abs. 2 VO 1151, hier die genannten „Fleischerzeugnisse (erhitzt, gepökelt, geräuchert usw.)“, ergibt sich bereits aus den vom Antragsteller vorgelegten Rechnungen (Anlagen 25 bis 27 zum Antrag vom 12. Januar 2017), wonach Packungen mit der Rohware unter der Bezeichnung „Berliner Currywurst ohne Darm“ außer an Gastronomiebetriebe auch an den Einzelhandel und darüber weiter an Endverbraucher vertrieben wurden.
67
Das Erfordernis, dass der Name zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendet wird, ist damit erfüllt. Ob die Verwendung des Namens für die unzubereitete Wurst den Endverbrauchern hinreichend bekannt ist, was die Einsprechende bestreitet, ist im Rahmen des Ansehens i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. b VO 1151 zu erörtern.
68
2.
Ursprung des Erzeugnisses in einem bestimmten Ort
69
Die Markenabteilung ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Ursprung der benannten „Fleischereierzeugnisse“ in einem bestimmten Ort i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a VO 1151 liegt. Es handelt sich dabei um das Gebiet der Stadt Berlin. Die Abgrenzung des geografischen Gebiets ist eindeutig und wurde von den angehörten sachkundigen Stellen bestätigt (vgl. Stellungnahme DEHOGA, Fleischer-Innung Berlin, IHK Berlin, Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung).
70
3.
Wenigstens einer der Produktionsschritte in dem abgegrenzten Gebiet
71
Unproblematisch erfüllt ist auch die Voraussetzung gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. c VO 1151, wonach wenigstens einer der Produktionsschritte in dem abgegrenzten Gebiet erfolgen muss. Ausweislich der aktuellen Spezifikation vom 11. Februar 2020 (Buchst. e, „Herstellungs-/Gewinnungsverfahren“) müssen alle Herstellungsschritte der „Berliner Currywurst ohne Darm“, also Brätherstellung, Füllen und Brühen, im geografischen Gebiet der Stadt Berlin durchgeführt werden.
72
4.
Qualität, Ansehen oder eine andere Eigenschaft ist wesentlich auf den geografischen Ursprung zurückzuführen
73
a) Art. 5 Abs. 2 Buchst. b VO 1151 fordert, dass die Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft des Erzeugnisses wesentlich auf den bezeichneten geographischen Ursprung zurückzuführen ist. Die Markenabteilung hat diese Voraussetzungen zutreffend bejaht.
74
aa) Objektive Eigenschaften des Erzeugnisses
75
Die erzeugnisspezifischen Merkmale und das beschriebene Herstellungsverfahren (vgl. Spezifikation, Abschnitte b) und e)) sind durch die vorliegenden Stellungnahmen sachkundiger Stellen bestätigt oder jedenfalls nicht in Frage gestellt worden. Daraus ergibt sich unter anderem, dass die besonderen Eigenschaften der „Berliner Currywurst ohne Darm“, nämlich „ohne Darm“ und „mit Curry“ wesentlich auf die Stadt Berlin und damit auf den geografischen Ursprung zurückzuführen sind.
76
Zunächst handelt es sich bei der „Berliner Currywurst ohne Darm“ um eine fein gekutterte, ungeräucherte und nicht umgerötete Brühwurst mittlerer Qualität, die aus Schweine- und/oder Rindfleisch zubereitet ist. Sie ist eine hitzebehandelte Wurstware, bei der zerkleinertes rohes Fleisch unter Zusatz von Kochsalz, Eis oder Eiswasser ganz oder teilweise aufgeschlossen wird und deren Muskeleiweiß beim Brühen zusammenhängend koaguliert ist. Die Wurst bleibt auch bei erneutem Erhitzen schnittfest. Der Durchmesser beträgt 18 bis 36 mm mit einem Gewicht von 80 bis 120 g und einer Länge von 10 bis 18 cm. Darüber hinaus zeichnet sie sich durch die gleichmäßige, fein zerkleinerte und bissfeste Grundmasse ohne wahrnehmbare Bindegewebsanteile aus. Der Muskelfleischanteil im Wurstbrät ist geschmacklich deutlich wahrnehmbar. Sie ist schnittfest und muss gemäß dem DLG-Prüfschema für Brühwürste in jedem Prüfmerkmal mindestens 3 Punkte erreichen.
77
Dass es nach der Spezifikation keine Rohstoffbindung gibt, mithin nicht aus Berlin stammendes Fleisch zur Herstellung einer „Berliner Currywurst ohne Darm“ verwendet werden kann, steht der Eintragung als geschützte geografische Angabe nicht entgegen. Bei einer geschützten geografischen Angabe gibt es grundsätzlich – anders als bei der geschützten Ursprungsbezeichnung – keine Rohstoffbindung (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 130 Rn. 22). Insoweit ist es nicht zu beanstanden, dass die Spezifikation nicht die Verwendung regionalen Schweine- bzw. Rindfleisches fordert. Im Gegenteil: Rohstoffbindungen sind bei geschützten geografischen Angaben regelmäßig nicht zulässig, sondern erfordern eine besondere Begründung im Einzelfall (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 130 Rn. 85).
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(1) Erzeugniseigenschaft „Ohne Darm“
79
Nach der Spezifikation ist die „Berliner Currywurst ohne Darm“ eine nicht umgerötete Brühwurst, die ohne Darm aus Schweine- oder Rindfleisch hergestellt wird. Das helle Brät wird in Schäldärme abgefüllt und gebrüht oder direkt in 90 Grad heißes Wasser gespritzt. Dadurch erhält die Berliner Currywurst ohne Darm ihre helle, fast weiße Farbe.
80
Die Rohware, nämlich die vorgenannte Brühwurst ohne Darm, wird als „Berliner Currywurst ohne Darm“ etikettiert in den Verkehr gebracht (vgl. Anlage 26 zum Antrag mit Aufnahmen des verpackten Erzeugnisses aus den Jahren 2006 bis 2013), damit sie bestimmungsgemäß u.a. als Currywurst (im Sinne des Fertiggerichts) zubereitet werden kann. Die „Darmlosigkeit“ ist damit ein objektives Merkmal der unzubereiteten, zur Zubereitung des Fertiggerichts „Currywurst“ bestimmten (Brüh-)Wurst als solcher. Dabei handelt es sich um eine Berliner Besonderheit, was die Einsprechende nicht bestritten hat und was auch dem Kenntnisstand des Senats entspricht. Soweit sie vorbringt, die objektive Eigenschaft „ohne Darm“ sei lediglich ein Merkmal des zubereiteten Imbisses, im Übrigen handele es sich um eine normale darmlose Brühwurst, wie sie auch andernorts hergestellt und z.B. unter der Bezeichnung „Geschwollene“ in Verkehr gebracht werde, kann dem nicht gefolgt werden, da die wesentliche Zutat des Fertiggerichts „Currywurst“ die als „Berliner Currywurst ohne Darm“ in den Verkehr gebrachte Rohware (ohne Darm) ist.
81
(2) Erzeugniseigenschaft „mit Curry“
82
Als weitere Besonderheit wird die Berliner Currywurst ohne Darm mit Curry, regelmäßig mit einem Anteil von zwischen 0,1 und 0,2 % in dem fertigen Erzeugnis, hergestellt. Das Curry wird bereits dem Brät zugesetzt, was die „Currywurst“ von anderen feingekutterten Bratwürsten unterscheidet. Gegenstand des Schutzantrags ist die unzubereitete Wurst. Betrachtet man die Wurst ohne Hinzunahme einer bestimmten Sauce, die für den Verzehr auch weggelassen werden kann, ist der Markenabteilung beizupflichten, dass durchaus ein Unterschied besteht, ob dem Wurstbrät Curry zugesetzt ist oder nicht. Dies ergibt sich auch aus den „Richtlinien für Fleischerzeugnisse Berlin“, in denen die „Currywurst“ (mit Curry) von der „Bratwurst, feingekuttert“ (ohne Curry) unterschieden wird (Anlage 4 zum Antrag, S. 6).
83
Die – seit 60 Jahren existierende – Herstellung mit Curry hat die Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Landeslabors Berlin-Brandenburg bestätigt (Stellungnahme vom 10. November 2017). Sie ergibt sich überdies aus den vorgenannten „Richtlinien für Fleischerzeugnisse in Berlin“ (Anlage 4 zum Antrag, S. 6): „die dazu bestimmt ist, mit Curry zubereitet zu werden“, sowie aus der Mitteilung in der Allgemeinen Fleischerzeitung von 1969 (Anlage 23 zum Antrag), die zufolge der Einsprechenden zwar veraltet sein soll, deren inhaltliche Richtigkeit sie aber nicht bestreitet und deren auch aktuelle Geltung die Berliner Senatsverwaltung in dem genannten Schreiben explizit bestätigt hat. Danach handelt es sich bei der sog. „Currywurst“ um eine feine Bratwurst, die mit Curry zubereitet ist und sich von anderen Bratwurstarten unterscheidet. Werden letztere mit Curry zubereitet, so müssen sie – in Abgrenzung zur „Currywurst“ – z.B. als „Grobe Bratwurst mit Curry“ oder eine „Berliner Bratwurst mit Curry“ bezeichnet werden.
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Der Unterschied, ob dem Brät Curry zugesetzt ist oder nicht, wirkt sich auf den Geschmack der Wurst aus. Bei Curry handelt es sich nämlich um ein sehr intensives Gewürz, welches auch in kleinen Anteilen eine den Geschmack beeinflussende Wirkung hat. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die „Currywurst“ den Geschmack des zubereiteten Imbisses mitbestimmt, zumal die Sauce variiert werden und z.B. mit Chili verfeinert werden kann (Anlage 11 zum Antrag, S. 1).
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Die Beschwerdeführerin hat nicht in Abrede gestellt, dass das Brät der „Berliner Currywurst ohne Darm“ Curry enthält und dies ein herkunftsspezifisches Qualitätsmerkmal darstellt. Sie bestreitet aber, dass es eine entsprechende Verkehrsauffassung gibt. Die Verbraucherkreise verbänden mit der Bezeichnung „Berliner Currywurst ohne Darm“ lediglich den verzehrfertigen Imbiss mit Sauce, der mit einer vorwiegend aus Curry bestehenden Gewürzmischung bestreut werde. Dieses Vorbringen zur Verkehrsauffassung ist in Zusammenhang mit den objektiven Erzeugniseigenschaften, um die vorliegend geht, irrelevant. Für die Feststellung objektiver Merkmale ist nicht maßgeblich, was die Verbraucher wissen oder denken. Zur Feststellung der objektiven Eigenschaft i.S.v. Art. 5 Abs. 2 VO 1151 ist lediglich erforderlich, dass die „Berliner Currywurst ohne Darm“ tatsächlich Curry enthält, was – wie ausgeführt – belegt ist.
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Im Ergebnis wird der Name „Berliner Currywurst ohne Darm“ zur Bezeichnung eines Erzeugnisses i.S.d. Art. 5 Abs. 2 VO 1151 verwendet, dessen objektive Eigenschaften „ohne Darm“ und „mit Curry“ auf den Ursprungsort Berlin zurückzuführen sind. Bereits aus diesem Grund erweist sich der Antrag als begründet.
87
bb)
Ansehen des Erzeugnisses
88
Der schutzbegründende Zusammenhang zwischen dem Erzeugnis und seinem geografischen Ursprung ergibt sich überdies aus dem besonderen Ansehen, das jenes infolge seiner Herkunft genießt.
89
Art. 5 Abs. 2 Buchst. b VO 1151 fordert, dass die Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft des Erzeugnisses wesentlich auf den bezeichneten geografischen Ursprung zurückzuführen ist. Damit ist auch das bloße Ansehen eines aus dem bezeichneten Gebiet stammenden Erzeugnisses geeignet, die Schutzfähigkeit der Herkunftsbezeichnung zu begründen (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 130 Rn. 21). Das auf den geografischen Ursprung zurückgehende „Ansehen“ i. S. v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. b VO 1151 darf allerdings nicht nur behauptet, sondern muss nachgewiesen, d. h. nachvollziehbar begründet sein (BPatGE 53, 95, 100 – Hiffenmark). Dieser Nachweis wird in der Regel leichter zu führen sein, wenn das Erzeugnis geografisch bedingte oder – wie vorliegend der Fall (s.o.) – mit seiner Herkunft zusammenhängende objektiv-qualitative Eigenschaften aufweist. Das Ansehen kann aber auch auf anderen Umständen beruhen (vgl. hierzu m. w. N. BPatGE 53, 95, 100 – Hiffenmark). Es reicht überdies aus, wenn das Ansehen im Ursprungsgebiet besteht (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O.,  §  130  Rn. 23).
90
Ausgehend von diesem rechtlichen Hintergrund ist vorliegend festzustellen, dass es sich bei „Berliner Currywurst ohne Darm“ um ein traditionelles Produkt der Stadt Berlin mit herkunftsspezifischen Eigenschaften (s.o.) handelt, das jedenfalls innerhalb dieses Ursprungsgebiets ein besonderes, wesentlich auf den geografischen Ursprung zurückzuführendes Ansehen genießt.
91
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin folgt etwas Anderes nicht aus dem Zurückweisungsbeschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom  23.  Februar 2011. Dieser bezog sich auf die beantragte Bezeichnung „Berliner Currywurst“. Umfasst waren somit auch Würste mit Darm. Im Gegensatz dazu kann für die Bezeichnung „Berliner Currywurst ohne Darm“ ein besonderes Ansehen festgestellt werden, das auf den geografischen Ursprung in der Stadt Berlin zurückzuführen ist.
92
Der Antragsteller hat auch nachgewiesen, dass das Ansehen auf den geografischen Ursprung zurückzuführen ist.
93
(1) Geschichtliche Wurzeln und Entwicklung des „Ansehens“
94
Der Antrag vom 12. Januar 2017 stützt sich auf das besondere Ansehen (vgl. S. 8 der Produktspezifikation zum Antrag vom 12.01.2017). Unter Abschnitt f) der Produktspezifikation ist dargelegt, dass Berlin eine lange Tradition in der Herstellung von Currywürsten hat, die bis in die Nachkriegszeit zurückreicht. Därme zur Herstellung einer Brühwurst waren nach dem Ende des 2. Weltkriegs Mangelware. Im Jahr 1949 wurde in Berlin-Spandau der Fleischwarenbetrieb „Maximilian“ gegründet, der ein Verfahren zur Herstellung von Brühwürsten ohne Darm entwickelte. Anfang der 50er Jahre begann in Berlin die Produktion dieser Würste, die zunächst als „Spandauer ohne Pelle“ verkauft wurden.
95
Die Geschichte der „Berliner Currywurst ohne Darm“ ist eng mit der Geschichte des Imbissbetriebs „Konnopke“ im Ostteil der Stadt verbunden. Das Traditionsunternehmen vertrieb ab 1960 Brühwürste ohne Darm als sog. „weiße Ware“. Bis heute wird hier ausschließlich das Erzeugnis „Currywurst ohne Darm“ zur Zubereitung des Imbisses verwendet.
96
Zu DDR-Zeiten wurden in Ost-Berlin unter einer „Berliner Currywurst“ ausschließlich Brühwürste ohne Darm angeboten, in West-Berlin wurde zwischen Currywurst mit und ohne Darm unterschieden, wobei sich eher die Currywurst mit Darm durchgesetzt hat. Die Berliner Currywurst mit und ohne Darm existieren beide bis heute nebeneinander.
97
In Berlin existieren heute ca. 1500 Imbissstände, welche die Erzeugnisse verkaufen; im Stadtgebiet werden jährlich ca. 70 Mio. Berliner Currywürste (mit und ohne Darm) verzehrt. Daneben gelangen die Berliner Currywürste auch in nicht zubereiteter Form (d.h. nicht als Imbissprodukt) in nennenswertem Umfang über den Lebensmitteleinzelhandel und Verkaufsstätten des Handwerks an den Verbraucher (vgl. Anlagen 25 bis 27 zum Antrag vom 12.01.2017; Stellungnahme der Fleischer-Innung Berlin vom 10.07.2017).
98
(2) Nachweis der Zurückführung des Ansehens auf den geografischen Ursprung
99
Die historische Entwicklung und Verankerung der „Berliner Currywurst ohne Darm“ im kollektiven Gedächtnis der Stadt Berlin wird durch die Darlegungen und angeführten Nachweise in der Spezifikation nachvollziehbar belegt. Zwar bestand der Mangel an Wurstdärmen auch in anderen Teilen Nachkriegsdeutschlands und führte mitunter zu Erfindungen von darmlosen Würsten, bei denen es sich allerdings nicht um den Zusatz „Curry“ enthaltende und explizit zur Zubereitung des Fertiggerichts „Currywurst“ bestimmte „Currywürste“ handelt (z.B. Rostocker Bratwurst ohne Darm).
100
Der Zusammenhang des besonderen Ansehens der „Berliner Currywurst ohne Darm“ mit der Stadt Berlin liegt darin begründet, dass die Currywurst ohne Darm die Geschichte der geteilten Stadt wiederspiegelt. Die Wurst ohne Darm wurde zu DDR-Zeiten traditionell in Ost-Berlin hergestellt und angeboten. In West-Berlin hatte sich zu der Zeit eher die Currywurst mit Darm durchgesetzt. Seit der Wiedervereinigung existieren beide Arten nebeneinander.
101
Entgegen der Wertung der Beschwerdeführerin ist damit der Nachweis der Verbindung zwischen dem besonderen Ansehen der „Berliner Currywurst ohne Darm“ und der Stadt Berlin gelungen.
102
(2.1) Das dokumentieren die vom Antragsteller vorgelegten Internetauszüge und Zeitungsartikel. Anders als die Beschwerdeführerin meint, kann daraus, dass sich die Texte nicht ausdrücklich auf die „Berliner Currywurst ohne Darm“ beziehen, nicht geschlossen werden, dass sie zum Nachweis des besonderen Ansehens der „Berliner Currywurst ohne Darm“ ungeeignet sind. Zum einen umfassen die Artikel zur Popularität der „Berliner Currywurst“ auch bzw. in erster Linie solche ohne Darm. Letzteres ergibt sich beispielsweise aus der Anlage 20 zur Berliner Currywurst in der regionalen und überregionalen Werbung. Unter der Überschrift „Currywurst das Original gibt’s nur in Berlin“ heißt es: „Die echte Berliner Currywurst ist eine nicht umgerötete (helles Brät) darmlose Bratwurst (…)“. Der vorgenannte Artikel zeigt auch – zusammen mit dem in der Spezifikation unter Buchst. e beschriebenen „Herstellungs-/Gewinnungsverfahren“ und der Anlage 9 -, dass die als Rohware verwendete Wurst bestimmte Eigenschaften aufweisen muss, um eine „Berliner Currywurst ohne Darm“ zu sein. Insofern spielt die Wurst in dem mit Sauce zubereiteten Imbiss eine wesentliche Rolle. In einem Artikel zur Popularität der Berliner Currywurst am Beispiel des Imbisses Konnopke heißt es dazu: „Das Geheimnis betrifft eigentlich nur unsere hausgemachte Currysoße, der Rest ist kein Geheimnis, es ist einfach unsere Qualität“ (Anlage 17, Titel: „Wenn’s um die Wurst geht“). Dabei bietet Konnopke ausschließlich eine Wurst ohne Darm an (Anlage 17, „Der Klassiker expandiert“).
103
(2.2) Anders als die Beschwerdeführerin meint, ergibt sich aus den vorgelegten Rechnungen (Anlagen 25 bis 27 zum Antrag), dass die angemeldete Bezeichnung beim relevanten Endverbraucher eine ausreichende Bekanntheit erlangt hat. Zum einen zeigen die Rechnungen, dass die Rohware in nennenswertem Umfang an den Einzelhandel (z.B. Kaufland, Rewe, Edeka, Karstadt) geliefert wurde. Dort konnten die Endverbraucher die Würste kaufen.
104
Gleichermaßen belegen die Anlagen, dass Endverbraucher die abgepackte Rohware beispielsweise im Direktverkauf bei der Maximilian Fleischwaren GmbH (z.B. „Currywurst ohne Darm 10 Stk. à 100 g, pro Packung 5,59 €“) erwerben konnten.
105
(2.3) Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, das besondere Ansehen ergebe sich nicht aus den eingeholten Stellungnahmen der beteiligten Institutionen und Verbände, kann auch dem nicht gefolgt werden. Zum Ansehen der unzubereiteten Wurst führt die Fleischer-Innung Berlin in der Stellungnahme vom 10 Juli 2017 zur „Berliner Currywurst ohne Darm“ aus: „Es kann eindeutig davon ausgegangen werden, dass (…) die genannte geografische Angabe in Folge ihrer Benutzung beim Verbraucher für die nicht zubereitete Wurst eine deutliche Bekanntheit erlangt hat und das entsprechend gekennzeichnete Produkt wegen seiner regionalen Herkunft ein besonderes Ansehen genießt“. Entsprechendes ergibt sich auch aus der Stellungnahme der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung vom 9. Februar 2018. Darin wird ein „enger Zusammenhang zwischen der Qualität, dem Ansehen bzw. den Eigenschaften des Produkts „Berliner Currywurst ohne Darm“ (…) und seinem Ursprung“ bestätigt. Die IHK führt in ihrer Stellungnahme vom 11. August 2017 aus, die „Berliner Currywurst ohne Darm“ werde als „typische kulinarische Besonderheit der Stadt in allen Gesellschaftsschichten präsentiert“; das treffe auch auf die unzubereitete Wurst zu. Die typische Ummantelung der Wurst in Folge des Ausbratens in Fett mache „unter anderem den typischen Charakter und den Wiedererkennungswert des Produkts“ aus. Die DEHOGA (Hotel- und Gaststättenverband Berlin e.V.) hat dies in der Stellungnahme vom 2. Juni 2017 ebenfalls bestätigt.
106
(2.4) Nach alldem ist nachgewiesen, dass es sich bei der im Antrag beschriebenen „Berliner Currywurst ohne Darm“ um ein Produkt mit langer Tradition handelt, dessen besonderes Ansehen mit dem Gebiet und der Geschichte der Stadt Berlin zusammenhängt.
107
Letztlich bestätigen dies auch die Ausführungen der in Brandenburg ansässigen Beschwerdeführerin, die Eintragung der beantragten Bezeichnung „Berliner Currywurst ohne Darm“ wirke sich nachteilig auf das Bestehen eines von ihr unter dem gleichen Namen angebotenen Erzeugnisses aus (vgl. Einspruchsschrift vom 7. Oktober 2019, S. 2). Jedenfalls besteht kein berechtigtes Interesse eines nicht in Berlin ansässigen Betriebs, Fleischerzeugnisse unter dem Namen „Berliner Currywurst ohne Darm“ zu vertreiben.
108
5. Nach alldem hat die Markenabteilung zu Recht die Schutzfähigkeit der Bezeichnung „Berliner Currywurst ohne Darm“ als geografische Angabe nach VO 1151 festgestellt, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.
109
E. Der Antrag des Beschwerdegegners, der Einsprechenden und Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (die Beschwerde „kostenpflichtig“ zurückzuweisen), ist jedoch nicht begründet. Es liegen keine besonderen Umstände vor, die aus Billigkeitsgründen eine Abweichung von dem gemäß §§ 133 Satz 3 i.V.m. § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG geltenden Grundsatz rechtfertigen, dass jeder Beteiligte unabhängig vom Ausgang des Verfahrens die ihm erwachsenen Kosten der Beschwerde selbst trägt. Eine Kostenentscheidung aus Billigkeitsgründen zu Lasten eines Beteiligten kommt nur in Frage, wenn die Beschwerde von vorn herein völlig aussichtslos war oder die fehlende Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Gegners bei der Verfahrensführung Anlass zu einer Billigkeitsentscheidung bietet. Diese Voraussetzungen sind vorliegend weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich.


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