Patent- und Markenrecht

30 W (pat) 8/20

Aktenzeichen  30 W (pat) 8/20

Datum:
7.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:071021B30Wpat8.20.0
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 7. Oktober 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie des Richters Merzbach und der Richterin Dr. Weitzel
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die am 5. Juli 2006 angemeldete Wort-/Bildmarke
2
wurde am 10. November 2006 für die Waren
3
 „Klasse 29: Fleisch; Fleischwaren, eingesalzen, Fleischkonserven; Wurst; Wurstwaren; Schinken; Fisch; Geflügel; Wild; Fleischextrakte; Pasteten und Teigtaschen als Backwaren mit Fleischfüllungen, insbesondere Hackfleischfüllungen, soweit in Klasse 29 enthalten; Feinkostsalate mit Erzeugnissen tierischer Herkunft, soweit in Klasse 29 enthalten
4
Klasse 30: Pasteten und Teigtaschen als Backwaren mit Fleischfüllungen, insbesondere Hackfleischfüllungen, soweit in Klasse 30 enthalten; Feinkostsalate mit Erzeugnissen pflanzlicher Herkunft, soweit in Klasse 30 enthalten“
5
unter der Nummer 306 41 877 in das Markenregister eintragen. Ihre Schutzdauer wurde am 1. August 2016 verlängert.
6
Mit einem am 22. April 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin die vollständige Löschung dieser Marke wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG beantragt.
7
Die Markeninhaberin und Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag, der ihr am 20. Juli 2015 zugestellt worden ist, mit am 21. September 2015 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenem Schriftsatz widersprochen.
8
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 8. Mai 2019 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.
9
Zur Begründung ist ausgeführt, dass die angegriffene Marke sowohl im Anmeldezeitpunkt als auch im Entscheidungszeitpunkt für die beanspruchten Waren eine beschreibende Angabe i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (gewesen) sei. Russische Waren würden in beachtlichem Umfang nach Deutschland exportiert. Wie sowohl die vielen Lebensmittelgeschäfte, die speziell auf russische und osteuropäische Produkte ausgerichtet seien, als auch die Angebotspalette vieler großer Vollsortimenter, die ebenfalls russische Spezialitäten umfassten, zeigten, finde in Deutschland in nennenswertem Umfang Handel mit russischen Lebensmitteln statt. Angeboten würden die Produkte dabei regelmäßig unter ihren originären russischen Bezeichnungen, teilweise in kyrillischer Schreibweise. Damit könne von einem Verständnis des einschlägigen Fachhandels sowie des angesprochenen russischsprachigen Publikums ausgegangen werden.
10
Das in kyrillischen Buchstaben wiedergegebene Markenwort könne mit „Berg-“ übersetzt werden. Bezeichnungen, wie „Bergwurst“ oder „Bergschinken“ würden häufig als Gattungsangabe verwendet, was bereits zum Anmeldetag belegbar sei. Unter einem „Bergschinken“ oder einer „Bergsalami“ werde allgemein ein besonders würziges Produkt verstanden, das ggf. mit einer speziellen Bergkräutermischung gewürzt sei und aus einer Bergregion stamme bzw. auf einer dort entwickelten Rezeptur beruhe. Damit handele es sich um eine glatt beschreibende Gattungs- oder Sortenbezeichnung, die auch für Mitbewerber, die vergleichbare Produkte auf den Markt brächten, frei von Monopolrechten Dritter verwendbar sein müsse.
11
Darüber hinaus stelle sich ein Hinweis darauf, dass ein Lebensmittel aus einer Bergregion stamme bzw. dortigen Verarbeitungsmethoden entspreche, auch als indirekte Qualitätsangabe dar, wie die EU-Verordnung Nr. 1151/2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel zum Begriff “Bergerzeugnis” belege. Auch die bloße Voranstellung der Vorsilbe „Berg-“ könne beim Verbraucher bereits die Assoziation an „Bergerzeugnis“ und damit eine Qualitätsvorstellung auslösen. Insofern komme dem Markenwort auch in dieser Hinsicht eine rein warenbeschreibende Bedeutung zu.
12
Die festgestellte Beschreibungseignung beziehe sich auf alle mit der Marke umfassten Waren, weil sie sämtlich aus Bergregionen stammen bzw. traditionellen Rezepturen für Bergerzeugnisse entsprechen könnten. Entsprechend den beigefügten Belegen könne auch Geflügel in Almwirtschafts- bzw. Berglandwirtschaftsbetrieben gehalten werden und als Bergerzeugnis vertrieben werden. Gleiches gelte für Fisch. Beispielsweise Forellen, Saiblinge und Renken seien in Gebirgsseen heimisch. Insofern kämen Bezeichnungen wie „Bergsaibling“ oder „Bergrenke“ – entsprechend der im Anmeldezeitpunkt nachweisbaren Bezeichnung „Alpenlachs“ – auch in Betracht, um auf ihre Herkunft aus einem besonders sauberen Gewässer hinzuweisen.
13
Gegen die Nichtigerklärung und Löschungsanordnung durch die Markenabteilung 3.4 wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde, zu der sie jedoch weder einen Antrag gestellt noch eine Begründung eingereicht hat.
14
Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, sei kein Eigenschaftswort für „Berg-“, „Gebirgs-“ oder „Gebirgig“, sondern müsse korrekt mit „Berg/Gebirge“ übersetzt werden. Die Begriffe „Berg/Gebirge“, aber auch die adjektivische Form seien keine Beschaffenheitsangaben und existierten im Bereich Wurst- und Fleischwaren nicht. Eine Internetabfrage zum Begriff „Berg-, Gebirge- oder Gebirgig Fleisch“ habe deshalb keine einschlägigen Treffer ergeben. Das gelte auch für die übrigen von der Marke umfassten Waren. Seien diese mit „Berg/Gebirge“ gekennzeichnet, weise dies deshalb auf einen bestimmten Inhaber hin. An der Marke bestehe insofern kein Freihaltungsbedürfnis und ihr fehle auch nicht jegliche Unterscheidungskraft.
15
Auch die Antragstellerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert und keinen Antrag gestellt.
16
Vor der Markenabteilung hat sie geltend gemacht und belegt, dass es sich bei dem russischen, in kyrillischen Buchstaben wiedergegebenen Markenwort , das mit „Gornaja“ transliteriert werde, um ein Adjektiv in femininer Form handele, das von dem Substantiv für „Berg“ abstamme. Es bedeute im Deutschen so viel wie „Berg-“, „Gebirgs-“ oder „gebirgig“. Der Begriff sei eine gebräuchliche Bezeichnung für eine bestimmte Gattung von Wurst und Fleischwaren. Der Verkehr verbinde mit der Bezeichnung eine bestimmte Rezeptur und Herstellungsweise, die für Bergregionen typisch sei. Es werde eine ganze Reihe von Produkten mit dem Zusatz „Berg-“ angeboten, z.B. „Berg-Salami“, „Berg-Wurst“ oder „Berg-Käse“. Vor diesem Hintergrund verstünden die maßgeblichen russischsprachigen Verkehrskreise die streitgegenständliche Bezeichnung im Zusammenhang mit den umfassten Waren vorliegend als „Bergwurst“ oder „Bergfleisch“ bzw. als Hinweis auf ein sonstiges Bergerzeugnis. Die fehlende Schutzfähigkeit der Streitmarke ergebe sich zudem aus Art. 31 VO (EU) Nr. 1151/2012, wo der Begriff „Bergerzeugnis“ als fakultative Qualitätsangabe definiert sei und deshalb als reine Beschaffenheitsangabe keine Herkunftsfunktion erfüllen könne.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
18
Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist für ihre Zulässigkeit kein (konkreter) Antrag erforderlich. Fehlt, wie vorliegend, ein Antrag, muss von einer Anfechtung des Beschlusses in vollem Umfang ausgegangen werden (vgl. Ströbele/Hacker/ Thiering, Markengesetz, 13. Aufl., § 66 Rn. 40).
19
Die Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, denn die Marke ist entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eingetragen worden. Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat daher zu Recht die Löschung der Marke angeordnet (§ 50 Abs. 1 MarkenG, §§ 50 Abs. 2, 54 MarkenG a.F.).
20
A. Schon während des Löschungsverfahrens vor der Markenabteilung ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (BGBl. I 2018, S. 2357) mit Wirkung vom 14. Januar 2019 novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus jedoch nicht.
21
Da der Löschungsantrag am 22. April 2015 und damit vor dem 14. Januar 2019 gestellt worden ist, ist § 50 Abs. 2 MarkenG in seiner bisher geltenden Fassung anzuwenden (§ 158 Abs. 8 MarkenG n. F.). Die neue Fassung des § 50 Abs. 1 MarkenG ist seit ihrem Inkrafttreten am 14. Januar 2019 anwendbar, da insoweit keine Übergangsregelung existiert (vgl. BGH I ZB 42/19 Rn. 24 – Quadratische Tafelschokoladenverpackung II; BGH I ZB 21/20 Rn. 10 – Black Friday).Weiter anzuwenden ist die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 54 MarkenG in der bis zum 30. April 2020 geltenden Fassung (vgl. Art. 5 Abs. 3  MarkenrechtsmodernisierungsG ).
22
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat dem ihr am 20. Juli 2015 zugestellten Löschungsantrag, der innerhalb der 10-Jahresfrist des § 50 Abs. 2 MarkenG a. F. MarkenG gestellt worden ist, innerhalb der 2-Monatsfrist des § 54 Abs. 2 MarkenG a.F. und daher fristgerecht widersprochen, so dass das Löschungsverfahren durchzuführen war.
23
B. Für die Nichtigkeitsgründe nach § 50 Abs. 1 MarkenG gilt – wie nach altem Recht für die absoluten Löschungsgründe – gelten, dass eine Nichtigerklärung nur erfolgen kann, wenn das Vorliegen von Schutzhindernissen zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Wird geltend gemacht, die Eintragung habe gegen einen oder mehrere Tatbestände des § 8 Abs. 2 MarkenG verstoßen, kann eine Löschung nur erfolgen, wenn das Eintragungshindernis sowohl im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke (BGH GRUR 2014, 565 (Nr. 10) – smartbook; GRUR 2014, 483 (Nr. 22) – test; GRUR 2013, 1143 (Nr. 15) – Aus Akten werden Fakten) bestanden hat als auch – soweit es um die Tatbestände nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-9 MarkenG a.F. geht – im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch besteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG a.F.). Ist eine solche Feststellung, auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen, nicht möglich, muss es – gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen – bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (BPatG GRUR 2006, 155 – Salatfix).
24
1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge und der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele in Ströbele/ Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 8 Rn. 408). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Rn. 30, 31 – Chiemsee; GRUR 2004 Rn. 56 – Postkantoor).
25
Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der Waren als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla). Hierbei muss der Formulierung „und/oder“ entnommen werden, dass auch das Verständnis der (am Handel) beteiligten Fachkreise allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., § 8 Rn. 443).
26
Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird; vielmehr reicht aus, dass sie zu diesem Zweck verwendet werden kann (st. Rspr., vgl. z. B. EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 97 – Postkantoor; MarkenR 2008, 160 Rn. 35 – HAIRTRANSFER; GRUR Int. 2010, 503 Rn. 37 – Patentconsult; GRUR 2010, 534 Rn. 52 – PRANAHAUS; BGH GRUR 2012, 272 Rn. 12, 17 – Rheinpark-Center Neuss; GRUR 2012, 276 Rn. 8 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.; siehe auch Ströbele in Ströbele/ Hacker/Thiering, a.a.O., § 8 Rn. 431 ff.). Dies ist bei einem Wortzeichen dann der Fall, wenn es – in üblicher Sprachform und für die beteiligten Verkehrskreise verständlich – ein oder mehrere Merkmale der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH GRUR 2004, 146 Rn. 32 – DOUBLEMINT).
27
2. Nach diesen Maßstäben besteht an der streitgegenständlichen Marke   als unmittelbar beschreibender, objektiver Eigenschaftsbezeichnung für die registrierten Waren ein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
28
a. Wie die Antragstellerin korrekt ausgeführt und belegt hat, handelt es sich bei der streitgegenständliche Marke um die feminine, adjektivische Form des Substantivs (= Berg, Gebirge). Der Begriff , der mit „Gornaja“ transliteriert wird, kann mit „gebirgig“ oder als Vorsilbe „Berg-“, „Gebirgs-“ bzw. im Sinne von „aus den Bergen“ übersetzt werden (vgl. BPatG 28 W (pat) 13/18, wonach „Posolskaja“ das Adjektiv zum russischen Wort für „Botschafter“ ist und mit „Botschafter-“, „für den Botschafter“, „nach Botschafterart“ übersetzt werden kann). Dagegen kann nicht festgestellt werden, dass die streitgegenständliche Marke in ihrer adjektivischen Form im Deutschen die Bedeutung des Substantivs (= „Berg“ oder „Gebirge“) hat. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin stellt sich die Marke aber auch in ihrer adjektivischen Form für die maßgeblichen inländischen (Fach-)Verkehrskreise sowohl im Anmeldezeitpunkt als auch im Entscheidungszeitpunkt als unmittelbar beschreibende Eigenschaftsbezeichnung für die beanspruchten Lebensmittel dar.
29
Entsprechend den zutreffenden Ausführungen und Belegen der Markenabteilung wurden Bezeichnungen wie „Bergwurst“ oder „Bergschinken“ bereits im Anmeldezeitpunkt als Gattungsangaben verwendet. Unter mit „Berg-“ gekennzeichneten Lebensmitteln wird allgemein ein besonders würziges Produkt verstanden, das aus einer Bergregion stammt bzw. auf einer dort entwickelten Rezeptur beruht. Bei dem Markenwort „Berg-“ handelt es sich insofern um eine glatt beschreibende Gattungsbezeichnung, die auch für Mitbewerber, die vergleichbare Produkte auf den Markt bringen, frei von Monopolrechten Dritter verwendbar sein muss. Darüber hinaus beinhaltet ein Hinweis darauf, dass ein Lebensmittel aus einer Bergregion stammt bzw. dortigen Verarbeitungsmethoden entspricht, auch eine mittelbare Qualitätsangabe. Das ergibt sich aus den entsprechenden Vorschriften der EU-Verordnung Nr. 1151/2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel zur Verwendung des Begriffs „Bergerzeugnis“. Wie die Markenabteilung zutreffend ausgeführt hat, kann die bloße Voranstellung der Vorsilbe „Berg-“ beim Verbraucher Assoziationen an „Bergerzeugnis“ auslösen. Insofern kommt dem Markenwort auch vor diesem Hintergrund eine warenbeschreibende Bedeutung zu.
30
Wie die Markenabteilung darüber hinaus zutreffend ausgeführt und belegt hat, umfasst die beschreibende Bedeutung des Markenwortes alle registrierten Waren, weil sie aus Bergregionen stammen bzw. auf einer dort entwickelten Rezeptur beruhen können. Das gilt auch für Geflügel, das in Berglandwirtschaftsbetrieben gehalten werden und als Bergerzeugnis vertrieben werden kann oder für Fische die in Gebirgsseen heimisch sind. Die Bezeichnung „Bergsaibling“ oder „Bergforelle“ kommen, entsprechend der bereits zum Anmeldezeitpunkt nachweisbaren Bezeichnung „Alpenlachs“ in Betracht, um z.B. auf die Herkunft der Fische aus einem Bergsee bzw. einem besonders sauberen (Berg-)Gewässer hinzuweisen.
31
b) Das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entfällt trotz der rein warenbeschreibenden Bedeutung des Markenworts nicht deshalb, weil der Sinngehalt und damit die beschreibende Bedeutung der streitgegenständlichen Marke von dem überwiegenden Teil der allgemeinen Verkehrskreise aufgrund der, gemessen an der Gesamtbevölkerung, eher geringen Zahl der im Inland lebenden russischen Staatsbürger bzw. der über Kenntnisse der russischen Sprache verfügenden deutschen Staatsangehörigen (einschließlich derjenigen, die aus Russland stammen bzw. der (Ost-)Deutschen, die Russisch z.B. in der Schule gelernt haben) nicht erkannt und als Phantasiebegriff wahrgenommen wird.
32
Zu Recht hat die Markenabteilung bei ihrer Bewertung der Schutzfähigkeit der Marke deshalb nicht nur auf das Verständnis des einschlägigen Fachhandels abgestellt, sondern auch das Verständnis russisch-sprachiger Verbraucher in Deutschland einbezogen.
33
aa) Zwar kann das Abstellen auf einen inländischen Durchschnittsverbraucher, der regelmäßig der deutschen, der englischen und – mit Einschränkungen – der französischen Sprache mächtig ist, dazu führen, dass einem durch eine bestimmte Kultur und Sprache geprägten Segment des inländischen Marktes  keine maßgebliche Bedeutung bei der Beurteilung des Freihaltungsbedürfnisses zukommt, obwohl sich das in Rede stehende Zeichen auch an Marktteilnehmer mit diesen besonderen Fremdsprachenkenntnissen richten kann (vgl. BPatG GRUR-RS 2019, 10782 Rn. 19 – Kasap).
34
Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ausnahmsweise die Bildung und Berücksichtigung verschiedener Verkehrskreise gerechtfertigt ist, sofern solche sich – wie insbesondere bei unterschiedlichen Sprachkreisen – objektiv voneinander abgrenzen lassen, so dass es für eine Verwechslungsgefahr ausreicht, wenn diese bei einem der angesprochenen Verkehrskreise besteht (vgl. BGH GRUR 2012, 64, Rn. 9 – Maalox/Melox-GRY; GRUR 2013, 631, Rn. 64 – AMARULA/Marulablu; ferner in Zusammenhang mit der Frage einer rechtserhaltenden Benutzung nach § 26 Abs. 3 MarkenG: BGH GRUR GRUR 2015, 587, Rn. 23 ff. – PINAR), ist jedoch auch bei der Prüfung der Frage, ob die beteiligten inländischen Verkehrskreise das streitgegenständliche Zeichen als beschreibende Angabe i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verstehen, nicht notwendig ein einheitliches Verkehrsverständnis zugrunde zu legen, sondern es sind gegebenenfalls die Auffassungen mehrerer Verkehrskreise, die durch ihre Sprachkenntnisse objektiv abgrenzbar sind, zu berücksichtigen. Dies gilt zumindest dann, wenn der betreffende fremdsprachige Verkehrskreis nach den gegebenen Verhältnissen des Marktes für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen, insbesondere auf Grund seiner Größe und Ausrichtung, eine selbständige Bedeutung hat (vgl. BPatG, aaO. Rn. 19 – Kasap).
35
bb) Im vorliegend relevanten Warenbereich ist dies zu bejahen, da – wie die Markenabteilung zutreffend ausgeführt und belegt hat – sich im Inland eine Vielzahl von Geschäften nachweisen lässt, die allein oder zumindest schwerpunktmäßig (typisch) russische Lebensmittel mit russischen Produktangaben und/oder -bezeichnungen im Sortiment führen. Diese Geschäfte und die darin angebotenen Produkte richten sich zwar nicht ausschließlich, so jedoch in erster Linie an aus Russland stammende und/oder der russischen Sprache mächtige Verbraucher.
36
Angesichts dieser zum Zeitpunkt der Anmeldung vorhandenen spezifischen Marktstruktur für russische und/oder aus Russland stammende Produkte und Lebensmittel sind daher in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren, welche russische Produkte umfassen und daher in solchen speziell auf den Vertrieb solcher Produkte ausgerichteten Geschäften angeboten werden können, russisch-sprachige Verbraucher als relevanter inländischer und damit bei der Beurteilung des Freihaltungsbedürfnisses selbständig zu berücksichtigender Verkehrskreis anzusehen. Dieser und der Handelsbeziehungen zu Russland unterhaltende Fachhandel, wie z.B. die Inhaber der vorgenannten Lebensmittelgeschäfte, werden der streitgegenständlichen Marke in Bezug auf die registrierten Waren – wie ausgeführt – lediglich einen sachbeschreibenden Hinweis auf deren Eigenschaften bzw. Herkunft entnehmen.
37
3. Die streitgegenständliche Marke unterlag nach alldem sowohl im Anmeldezeitpunkt als auch im Entscheidungszeitpunkt einem Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.
38
C. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben