Patent- und Markenrecht

6 Ni 4/20

Aktenzeichen  6 Ni 4/20

Datum:
12.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:120321U6Ni4.20.0
Spruchkörper:
6. Senat

Tenor

I. Das Deutsche Patent 198 54 241 wird in vollem Umfang für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte ist Inhaberin des aufgrund der Anmeldung vom 24. November 1998 erteilten deutschen Patents 198 54 241 (Streitpatent). Das Streitpatent ist am 24. November 2018 durch Zeitablauf erloschen.
2
Das Streitpatent trägt die Bezeichnung
3
„Verfahren zum Darstellen von an einem Anzeigemonitorwiedergebbaren Bildern sowie Vorrichtung zum Verarbeiten undWiedergeben digitaler Bilder“
4
und umfasst in der erteilten Fassung 29 Patentansprüche, die die Klägerin mit der am 25. September 2018 eingereichten Nichtigkeitsklage insgesamt angreift.
5
Die unabhängigen, nebengeordneten Patentansprüche 1, 15 und 29 lauten:
6
Die ebenfalls angegriffenen Patentansprüche 2 bis 14 und 16 bis 28 sind auf die Patentansprüche 1 und 15 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen.
7
Die Beklagte machte seit 2015 außergerichtlich Ansprüche gegen die Klägerin geltend, u. a. mit Schreiben vom 21. August 2015 zunächst eine vermeintliche Verletzung von drei deutschen Patenten, darunter auch des Streitpatents. In der Folgezeit erweiterte die Beklagte die Anzahl der Schutzrechte, von denen sie behauptete, dass die Klägerin sie verletze, und schlug der Klägerin mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 vor, für die Laufzeit der von ihr als beansprucht betrachteten 14 Schutzrechte eine Gesamtlizenzgebühr von insgesamt … € zu zahlen. Im Jahr 2019 erhob sie eine auf eine beschränkte Fassung des Streitpatents gestützte Schadensersatzfeststellungsklage gegen die Klägerin vor dem Landgericht.
8
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie aufgrund der undifferenzierten außergerichtlichen Verletzungsvorwürfe damit rechnen müsse, dass die Beklagte trotz Ablauf des Patents die beim Landgericht anhängige Verletzungsklage gegebenenfalls noch auf weitere Ansprüche aus dem Streitpatent stützen könnte. Das Streitpatent sei allerdings mangels Patentfähigkeit für nichtig zu erklären. Dies stützt die Klägerin unter anderem auf folgende Druckschriften (Nummerierung und Kurzzeichen nach Klageschriftsatz):
9
NK21 WO 98/16903 A1
10
NK39 deutsche Übersetzung der WO98/16903 A1 (NK21).
11
Die Klägerin beantragt,
12
das deutsche Patent 198 54 241 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
13
Die Beklagte beantragt,
14
die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in der Fassung der Patentansprüche in der beschränkten Verteidigung gemäß Schriftsatz vom 11. Februar 2019 richtet, der als nicht geschlossener Anspruchssatz mit den Patentansprüchen in numerischer Reihenfolge gestellt ist,
15
hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit sie sich auch gegen eine der Fassungen des Streitpatents nach den Hilfsanträgen 1 bis 8 gemäß Schriftsatz vom 17. Februar 2021 und Hilfsantrag 9 aus der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2021 (nicht als geschlossene Anspruchsätze) richtet, wobei die Hilfsanträge in der Reihenfolge 1 bis 3, 9 und 4 bis 8 gestellt sind und die Patentansprüche in numerischer Reihenfolge geprüft werden sollen.
16
Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in der Hauptsache in beschränktem Umfang mit nun 25 Patentansprüchen. Der beschränkte Patentanspruch 1 stelle eine Kombination der ursprünglich erteilten Ansprüche 1, 10 und 11 dar. Der neue gefasste nebengeordnete Anspruch 13 sei eine Kombination der ursprünglich erteilten Ansprüche 15, 24 und 25. Der vormalige nebengeordnete Patentanspruch 29 sei nun Patentanspruch 25.
17
Die nebengeordneten Patentansprüche 1, 13 und 25 haben danach folgende Fassung:
18
1. Verfahren zum Darstellen von an einem Anzeigemonitor (7) wiedergebbaren Bildern (A, B, C), bei dem mittels eines Bildaufnahmesystems (2) einer Untersuchungsanlage digitale Bilddaten eines Untersuchungsvolumens eines Objekts (O) aufgenommen werden, bei welchem Verfahren am Anzeigemonitor (7) gleichzeitig wenigstens zwei Bilder (A, B, C) des Untersuchungsvolumens als Projektionsbilder oder Schnittbilder mit beliebiger Orientierung ihrer Bildebenen zueinander angezeigt werden, wobei in jedem Bild wenigstens eine Markierung (M) angezeigt wird, die eine Information über die Lage der Bildebene eines der anderen Bilder bezüglich des Bildes, in dem die Markierung angezeigt wird, angibt, wobei die Orientierung der Bildebene eines Bilds (A, B, C) und damit die Ansicht des Bilds unter entsprechend angepasster Darstellung der Markierungen (M) geändert werden kann, und wobei die Änderung durch Bewegen der Markierungen (M), insbesondere Verschieben oder Verdrehen der Linien mittels geeigneter Steuermittel, insbesondere umfassend eine Steuerungsmaus (8) erfolgt.
19
13. Vorrichtung zum Verarbeiten und Wiedergeben digitaler Bilder (A, B, C), umfassend eine Bildverarbeitungseinrichtung (6), in welcher digitale Bilddaten eines Untersuchungsvolumens eines Objekts (O) vorhanden sind, sowie einen Anzeigemonitor (7) zum Wiedergeben eines Bilds, dadurch gekennzeichnet, dass am Anzeigemonitor (7) gleichzeitig wenigstens zwei Bilder (A, B, C) des Untersuchungsvolumens als Projektionsbilder oder Schnittbilder mit beliebiger Orientierung ihrer Bildebenen zueinander anzeigbar sind, und dass die Bildverarbeitungseinrichtung (6) zum Erzeugen von In den Bildern (A, B, C) wiedergebbaren Markierungen (M) ausgebildet ist, wobei in jedem Bild (A, B, C) wenigstens eine Markierung (M) anzeigbar ist, die eine Information über die Lage der Bildebene eines der anderen Bilder bezüglich des Bildes, In dem die Markierung (M) angezeigt wird, angibt, wobei die Orientierung der Bildebene eines Bilds (A, B, C) und damit die Ansicht des Bilds unter entsprechend angepasster Darstellung der Markierungen (M) veränderbar Ist, wobei zur Änderung die Markierungen (M), insbesondere die Linien (a, b, c) unter Verwendung eines Steuermittels, Insbesondere in Form einer Steuerungsmaus (8) bewegbar. insbesondere verschiebbar oder verdrehbar sind.
20
25. Medizinische Untersuchungsanlage, umfassend ein Bildaufnahmesystem zum Aufnehmen von Bilddaten eines Untersuchungsobjekts, sowie eine Vorrichtung nach einem der Ansprüche 13 bis 24, an die die Bilddaten in digitaler Form gebbar sind.
21
Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin entgegen und hält den Gegenstand des Streitpatents in der beschränkt verteidigten Fassung oder wenigstens in einer der in den Hilfsanträgen formulierten Fassung für schutzfähig und bezieht sich dabei u. a auf folgende Unterlagen:
22
NiB1 Seminararbeit von … „Computertomographie“, Abgabetermin: 07.12.2005
23
NiB2 PowerPoint-Präsentation bezüglich der Grundlagen der Computertomographie
24
NiB10 A. C. Kak, Malcom Slaney: „Principles of Computerized Tomographic Imaging“, 1988
25
NiB11 Thorsten M. Buzug: “Einführung in die Computertomographie”, Buzug, 2003
26
NiB12 Konvolut an erteilten Patenten, die sich mit Eingabeverfahren und Bedienungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Bilddarstellung um den Prioritätszeitpunkt befassen (DE19817142B4, EP880091B1, US5883626, US5960411, US5999176, US6049326, US6175610 B1, US6262717B1, US6283763B1, US6496206B1, US6597374B1, US6662023B1) [154 Seiten].
27
Die jeweiligen Patentansprüche 1, 13 und 25 nach den Hilfsanträgen haben folgenden Inhalt:
28
Patentansprüche 1, 13 und 25 nach Hilfsantrag 1 lauten:
29
Patentansprüche 1, 13 und 25 nach Hilfsantrag 2 lauten:
30
Patentansprüche 1, vormals 13 und vormals 25 nach Hilfsantrag 3 lauten:
31
Patentansprüche 1 und vormals 13 mit 25 nach Hilfsantrag 9 lauten:
32
Patentansprüche 1, vormals 13 und vormals 25 nach Hilfsantrag 4 lauten:
33
Patentansprüche 1 und vormals 13 mit 25 nach Hilfsantrag 5 lauten:
34
Patentansprüche 1 und vormals 13 mit 25 nach Hilfsantrag 6 lauten:
35
Patentansprüche 1 und vormals 13 mit 25 nach Hilfsantrag 7 lauten:
36
Patentansprüche 1 und vormals 13 mit 25 nach Hilfsantrag 8 lauten:
37
Wegen des Wortlauts der abhängigen Patentansprüche nach den Hilfsanträgen wird auf die Akte verwiesen.
38
Die Klägerin wendet gegen die Ansprüche in der beschränkt verteidigten Fassung des Patents den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit ein und hält das Streitpatent weiter sowohl in der beschränkt verteidigten als auch in jeder der hilfsweise verteidigten Fassungen für nicht patentfähig. Der in der mündlichen Verhandlung erstmals gestellte Hilfsantrag 9 sei bereits als verspätet zurückzuweisen.
39
Der Senat hat den Parteien einen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet und hierin Fristen zur Stellungnahme auf den Hinweis und auf etwaiges Vorbringen der jeweiligen Gegenpartei gesetzt.
40
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben