Patent- und Markenrecht

Geschmacksmusterbeschwerdeverfahren – “NOR DER NEY” – monolithischer Buchstabenblock – besonders grafisch gestaltete Form – Eintragungsfähigkeit

Aktenzeichen  30 W (pat) 701/13

Datum:
13.2.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 1 Nr 1 GeschmMG 2004
§ 1 Nr 2 GeschmMG 2004
Spruchkörper:
30. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Geschmacksmusteranmeldung 40 2009 003 417.4
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 13. Februar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters Jacobi
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts  – Geschmacksmusterstelle – vom 10. November 2009 aufgehoben.

Gründe

I.
1
Am 16. Juli 2009 hat der Anmelder beim Deutschen Patent- und Markenamt einen Antrag auf Eintragung eines Geschmacksmusters unter Angabe der Erzeugnisse „Aufkleber, Postkarten, Bücher, Werbeartikel, Drucksachen Kleidung, Geschirr“ mit folgender Musterdarstellung (hier verkleinert wiedergegeben) eingereicht:
2
NOR
3
DER
4
NEY
5
Im Anschluss an einen Zwischenbescheid hat die Geschmacksmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung mit Beschluss vom 10. November 2009 zurückgewiesen, weil der Gegenstand der Anmeldung kein Muster im Sinne von § 1 Nr. 1 GeschMG sei. Zur Begründung ist ausgeführt, dass Buchstaben lediglich in besonderer Ausgestaltung als typografische Schriftzeichen Schutz erlangen könnten, was hier nicht in Rede stehe. Im Übrigen seien besondere grafische Ausgestaltungen nur dann musterfähig, wenn sie einem Erzeugnis, z. B. einem Werbeschild, zugeordnet seien. Im vorliegenden Fall lasse die eingereichte Wiedergabe keine konkrete Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon erkennen. Die Wiedergabe zeige lediglich eine Folge von neun einzelnen, in Majuskeln/Versalien dargestellten Buchstaben, welche in horizontaler und vertikaler Anordnung eine Art Blocksatz bilde. Eine besondere Form- und Farbgestaltung sei nicht erkennbar. Vielmehr handele es sich um eine Standardschriftart. Die Auflösung des Ortsnamens „Norderney“ in seine Silben „NOR“, „DER“ und „NEY“ sei geschmacksmusterrechtlich nicht relevant, da die gedankliche Bedeutung von Buchstaben und Worten nicht vom Geschmacksmusterschutz umfasst werde. Zur Fortbildung des Rechts, insbesondere zu der Frage, ob eine blocksatzartige Anordnung von Buchstaben eine besondere grafische Ausgestaltung darstelle, die in den Begriff des musterfähigen Gegenstandes einbezogen sei, sei die Einlegung einer Beschwerde wünschenswert.
6
Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt. Unter Bezugnahme auf sein Schreiben im Patentamtsverfahren hält er die Darstellung mit der Auflösung des Ortsnamens „Norderney“ in seine Silben „NOR“, „DER“ und „NEY“, formend daraus in serifenlosen Versalien übereinander gestellt einen nahezu monolithischen Block, als Geschmacksmuster für schutzfähig. Zu praktischen Anwendungen hat er im Beschwerdeverfahren Bücher, Werbepostkarten und Aufkleber eingereicht.
7
Der Senat hat der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 20. Juni 2013 den Beitritt zum Beschwerdeverfahren anheimgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass der Senat der Auffassung zuneige, dass Darstellungen von Buchstaben oder Buchstabenkombinationen, denen gestalterisch-kreative Aspekte innewohnen, die nicht der normalen Schreibweise entsprechen, besondere Ausgestaltungen aufweisen und den grafischen Symbolen des § 1 Nr. 2 GeschMG zugeordnet werden könnten (Klasse 32 der Klassifikation für Geschmacksmuster).
8
Die Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts ist dem Verfahren nicht beigetreten. Sie hat mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 eine Erklärung abgegeben und die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand der Anmeldung kein Muster i. S. v. § 1 Nr. 1 GeschMG sei, weil besondere gestalterische Aspekte nicht vorlägen. Den einzelnen Buchstaben wohnten weder in der Formgebung noch in ihrer Farbe charakteristische gestalterische Aspekte inne. Auch die horizontal-vertikale Anordnung serifenloser Majuskeln in Form eines monolithischen Blocks entfalte keine besondere Wirkung auf den Formensinn eines Betrachters. Sie hat nochmals darauf hingewiesen, dass die Auflösung des Ortsnamens „Norderney“ in seine Silben „NOR“, „DER“ und „NEY“ den Schutz nicht begründen könne, weil die gedankliche Bedeutung eines Wortes nicht vom Geschmacksmusterschutz umfasst werde.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
10
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
11
Für das am 16. Juli 2009 angemeldete Geschmacksmuster finden mangels besonderer Übergangsregeln die Vorschriften des am 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Gesetzes über den rechtlichen Schutz von Design (Designgesetz) Anwendung. Für den hier vorliegenden Fall beinhalten die Vorschriften des Designgesetzes sachlich keine Änderung gegenüber den Vorschriften des früheren Geschmacksmustergesetzes.
12
Das zur Eintragung angemeldete Design erfüllt als grafisches Symbol i. S. v. § 1 Nr. 2 DesignG die Voraussetzungen für die Eintragung.
13
Besondere Ausgestaltungen von Buchstaben oder Buchstabenkombinationen können den grafischen Symbolen zugerechnet werden und Designschutz erlangen (vgl. Eichmann/von Falckenstein, GeschmMG, 4. Aufl., § 1 Rdn. 19). Die hier beanspruchte Erscheinungsform von neun in serifenlosen Versalien gestalteten Einzelbuchstaben, angeordnet in drei Zeilen aus jeweils drei Buchstaben, übereinander gestellt, insgesamt einen monolithischen Block bildend, stellt nach Auffassung des Senats eine besondere Ausgestaltung dar, die unter dem Gesichtspunkt eines grafischen Symbols ein Design i. S. v. § 1 Nr. 1 und Nr. 2 DesignG ist.
14
Die Gestaltung von Schriftzügen gehört zu den Tätigkeiten eines Grafik- und Kommunikationsdesigners, und berührt unter anderem Arbeitsbereiche von Druckern, Typografen und/oder Schriftsetzern. Dabei kann die Wahl der Schriftart, Schriftgröße, Schriftstärke oder Groß- oder Kleinschreibung ein Teil des unter ästhetischen Gesichtspunkten stehenden kreativen Gestaltungsprozesses sein, auch in der Verwendung von Standardschriftarten, zumal in der Werbung Schriften in Abhängigkeit von der Zielgruppe unterschiedliche Assoziationen auslösen können (vgl. W. Koschnick, Standard-Lexikon Werbung Verkaufsförderung Öffentlichkeitsarbeit, Band 2, S. 936). Anwendungsbereiche für Grafikdesign der vorliegenden Art können die in der Anmeldung genannten Erzeugnisse sein. Das vom Anmelder vorgelegte Muster eines Buches (der Buchdeckel hier verkleinert wiedergegeben)
15
zeigt im Übrigen, dass die vorliegende, von einer einzeiligen Normalschrift deutlich abweichende Buchstabenanordnung – wie NORDERNEY oder Norderney – für den Betrachter als besonders grafisch gestaltete Form wirkt. Der Auffassung der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts, dass die angemeldete Buchstabenanordnung keine Wirkung auf den Formensinn des Betrachters entfalte, vermag der Senat daher nicht beizutreten. Es trifft auch nicht zu, dass sich die betreffende Anordnung mittels eines handelsüblichen Textverarbeitungsprogramms erzielen lasse. Der hierzu vorgelegte Ausdruck zeigt keinen monolithischen Buchstabenblock wie die Anmeldung, sondern ist durch eine rechtsseitige Verjüngung gekennzeichnet.
16
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben.


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