Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “1. gut (Wort-Bild-Marke)” – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  28 W (pat) 80/12

Datum:
9.3.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Verfahrensgang

nachgehend BGH, 2. Dezember 2015, Az: I ZB 75/15, Beschluss

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 041 802.8
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 9. März 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Friehe sowie der Richterin Dorn und des Richters Dr. Himmelmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Der Markenanmelder hat nach vorangegangenen Beanstandungen der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. September 2010, 29. Oktober 2010 und 25. November 2010 mit am 18. Januar 2011 eingegangenem Schreiben die Wort-/Bildmarke
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,
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die in grüner Schrift auf gelbem Grund gehalten ist, zur Eintragung in das Register für die Ware „Elektrischer Strom aus erneuerbaren Energien (kein Strom aus fossilen Stoffen oder auf der Basis der Atomkraft)“ der Klasse 4 angemeldet.
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Die Markenstelle hat durch einen Beamten des gehobenen Dienstes mit Beschluss vom 20. Juli 2011 die Anmeldung zurückgewiesen, weil die angemeldete Marke von den Verkehrskreisen als Begriff der Werbesprache aufgefasst werde und die beanspruchte Ware lediglich werbemäßig beschreibe, ohne auf ihre betriebliche Herkunft hinzuweisen. Die angemeldete Marke sei deshalb nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.
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Die gegen diesen Beschluss gerichtete, am 26. August 2011 eingegangene Erinnerung des Markenanmelders hat die Markenstelle durch einen Beamten des höheren Dienstes mit Beschluss vom 6. Juni 2012 zurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke für die angemeldete Ware jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle. Das angemeldete Zeichen wende sich sowohl an Unternehmen als auch an Endverbraucher. Diese würden in dem Zeichen lediglich eine werbemäßige Anpreisung, nämlich die Herausstellung besonderer Qualität des hiermit bezeichneten Produkts sehen. Das sprachüblich gebildete Anmeldezeichen sage lediglich aus, dass die so bezeichnete Ware „Erstens gut“, also „vor allem bzw. in erster Linie“ „gut“ sei. Der Verkehr werde in diesem Zeichen lediglich den Beginn einer Aufzählung der positiven Eigenschaften des Produkts erblicken. Denn es sei werbeüblich, die Vorteile eines Produkts im Wege einer Aufzählung herauszustellen, wie zum Beispiel 1. gut, 2. günstig, 3. ökologisch, 4. regional usw. Sollte der Verkehr stattdessen das Gesamtzeichen als „Erster“ und „gut“ verstehen, werde er hierin ebenfalls nur die Herausstellung besonderer Qualität des bezeichneten Produktes erblicken, nämlich dass die Ware eine Spitzenstellung einnehmen würde („Erster“) und „gut“, also insbesondere von guter Qualität sei. Auch in diesem Fall fehle der Bezeichnung die Unterscheidungskraft. Der vom Anmelder vorgebrachten Argumentation, „gut“ stehe als Abkürzung für „grüne Umwelttankstelle“ und werde so auch vom Verkehr verstanden, könne nicht gefolgt werden, weil angesichts der klar im Vordergrund stehenden Bedeutung von „gut“ als Wort der deutschen Alltagssprache nicht zu erkennen sei, weshalb der Verkehr es hier als Abkürzung für „grüne Umwelttankstelle“ verstehen solle. Doch selbst eine Mehrdeutigkeit der Wortbestandteile könne nicht zur Überwindung des Schutzhindernisses der mangelnden Unterscheidungskraft führen, da es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausreiche, dass ein beschreibender Begriffsgehalt vorliege, um die Schutzfähigkeit zu verneinen.
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Für die beteiligten Verkehrskreise stehe deshalb der beschreibende Sinngehalt im Vordergrund. Ein Herkunftshinweis könne dem angemeldeten Zeichen hinsichtlich der angemeldeten Ware nicht entnommen werden. Es sei unerheblich, ob der Begriff vom Anmelder „erfunden“ und gegebenenfalls bisher nur von ihm benutzt worden sei. Auch die graphische Ausgestaltung der angemeldeten Marke sei nicht geeignet, ihr das notwendige Maß an Unterscheidungskraft zu vermitteln. Diese beschränke sich auf handelsübliche Druckschrifttypen ohne Verfremdung oder charakteristische Merkmale in grüner Farbe auf einem rechteckigen gelben Hintergrund. Die Gestaltung sei werbeüblich, die verwendeten Stilmittel seien von einfachster Art und würden sich in schlichten Elementen, nämlich Verwendung einer Standardschrift, einer einfachen geometrischen Form und der Farben Gelb und Grün erschöpfen. Die verwendeten Farben würden zudem in der relevanten Branche als Hinweis auf ökologische Herstellung (Grün) und die Sonne (Gelb) inflationär oft verwendet und seien daher werbeüblich. Insofern hebe sich die graphische Gestaltung der angemeldeten Marke nicht von dem üblichen werbegraphischen Standard ab. Solche schlichten und gängigen Mittel werbemäßiger Hervorhebung könnten den angesprochenen Verkehrskreisen im optischen Eindruck nicht die charakteristischen Merkmale bieten, die für eine herkunftshinweisende Funktion der Marke erforderlich wären. Ob darüber hinaus auch das Eintragungshindernis des Freihaltebedürfnisses i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben sei, könne dahingestellt bleiben.
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Hiergegen wendet sich der Markenanmelder mit seiner Beschwerde, mit der er vorgetragen hat, das graphische Zeichen „gut“ bedeute „grüne, Umwelt, Tankstelle“. Der Begriff „gut“ habe keinen im Vordergrund stehenden Begriffsinhalt.
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Der Markenanmelder und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
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die Beschlüsse der Markenstelle vom 20. Juli 2011 und 6. Juni 2012 aufzuheben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
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Die nach § 66 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist nicht begründet, weil der angemeldeten Marke für die beanspruchte Ware „Elektrischer Strom aus erneuerbaren Energien (kein Strom aus fossilen Stoffen oder auf der Basis der Atomkraft)“ (Klasse 4) jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.
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Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT).
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Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden. Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten), wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Wortmarken besitzen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen. Wörter und Wortfolgen sind insbesondere dann nicht unterscheidungskräftig, wenn sie ausschließlich als werbewirksame Anpreisungen, allgemeine Qualitätsversprechen oder auch nur positiv besetzte Aussagen wirken. Dann nämlich werden sie nicht auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren bzw. Dienstleistungen aufgefasst.
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Unter Anwendung dieser Grundsätze fehlt der angemeldeten Marke für die beanspruchte Ware jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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Die angemeldete Wort-/Bildmarke
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beschränkt sich auf eine allgemeine Anpreisung, die eine ohne Weiteres verständliche positiv besetzte Aussage enthält. Die mit diesem Zeichen versehene Ware soll erstens („1.“), also vor allem „gut“ sein und damit eine besondere Qualität aufweisen. Der hier angesprochene Verkehr, nämlich der Handel und der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, wird deshalb in der angemeldeten Marke lediglich eine allgemeine werbliche Anpreisung der beanspruchten Ware erblicken, nicht aber einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft dieser Ware. Der angesprochene Verkehr versteht die angemeldete Marke ausschließlich als werbewirksame Anpreisung einer besonderen Qualität der mit dem Zeichen gekennzeichneten Ware, nicht aber als Hinweis auf ihre betriebliche Herkunft.
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Wie die Markenstelle in ihrem Erinnerungsbeschluss vom 6. Juni 2012 zutreffend festgestellt hat, wird der Verkehr in der angemeldeten Marke
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den Beginn einer Aufzählung der positiven Eigenschaften des mit diesen Zeichen versehenen Produkts erblicken, weil eine solche Aufzählung eine in der Werbung übliche Vorgehensweise ist. Auch aus diesem Grund fehlt der Marke die erforderliche Unterscheidungskraft.
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Ebenfalls zutreffend hat die Markenstelle erläutert, dass dann, wenn der Verkehr die angemeldete Marke als „Erster“ und „gut“ verstehen sollte, sich das Gesamtzeichen ebenfalls in einer Werbeaussage erschöpft, ohne auf die betriebliche Herkunft der mit dem Zeichen versehenen Ware hinzuweisen. Denn insoweit versteht der Verkehr das Zeichen dahin, dass die mit ihm gekennzeichnete Ware eine Spitzenstellung einnimmt („Erster“) und von besonderer Qualität („gut“) ist.
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Der Auffassung des Markenanmelders, der angesprochene Verkehr verstehe „gut“ als „grüne Umwelttankstelle“ kann nicht gefolgt werden. So weist der Duden (http://www.duden.de/rechtschreibung/gut) dem Adjektiv „gut“ beispielsweise die Bedeutungen „von zufriedenstellender Qualität, ohne nachteilige Eigenschaften oder Mängel“ oder „tadellos, anständig“ zu. Ein ähnliches Ergebnis ergibt die Suche bei dem Wortschatz der Universität Leipzig (http://wortschatz.uni-leipzig.de/abfrage/). Dort werden als Synonyme für das Adjektiv „gut“ beispielsweise genannt „anständig, edel, einwandfrei, korrekt, solide, tüchtig, empfehlenswert, hundertprozentig, trefflich oder unangreifbar“. Die Bedeutung, die der Markenanmelder der Bezeichnung „gut“ beimisst, ist nicht erkennbar und kommt ihr nicht zu.
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Im übrigen würde selbst die mögliche Mehrdeutigkeit des Markenbestandteils „gut“ für sich gesehen noch nicht zwangsläufig zur Unterscheidungskraft des Gesamtzeichens führen, weil Unterscheidungskraft insbesondere mehrdeutigen Wer-beaussagen auch dann fehlt, wenn diese jedenfalls einen unmittelbar beschreibenden Gehalt aufweisen. Denn der Verkehr fasst regelmäßig Angaben über Art und Eigenschaften der betroffenen Waren bzw. Dienstleistungen nicht gleichzeitig auch als Hinweis auf deren betriebliche Herkunft auf, worauf die Markenstelle in ihrem Erinnerungsbeschluss vom 6. Juni 2012 bereits zutreffend hingewiesen hat.
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Auch die graphische Ausgestaltung vermittelt der angemeldeten Kennzeichnung keine Unterscheidungskraft. Zwar kann eine Wort-/Bildmarke, deren Wortbestandteil nicht unterscheidungskräftig ist, aufgrund der Gesamtgestaltung über Unterscheidungskraft verfügen, wenn die graphischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht. Einfache graphische Gestaltungselemente oder Verzierungen des Schriftbildes, an die sich der Verkehr durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, reichen jedoch nicht aus, um in Kombination mit einem nicht unterscheidungskräftigen Wortbestandteil dem Gesamtzeichen Unterscheidungskraft zu verschaffen (BGH GRUR 2009, 954 Rn. 16 – Kinder III). Angesichts des glatt beschreibenden Charakters des Wortbestandteils hätte es aber erheblicher gestalterischer Elemente bedurft, um einen Herkunftshinweis zu vermitteln.
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Insofern kommt – worauf die Markenstelle in ihrem Erinnerungsbeschluss vom 6. Juni 2012 mit Recht hingewiesen hat – der hier angemeldeten Marke weder unter dem Gesichtspunkt ihrer graphischen Ausgestaltung noch ihrer Farbgestaltung die erforderliche Unterscheidungskraft zu. Denn ihre in handelsüblichen Druckschrifttypen gehaltene graphische Ausgestaltung ohne Verfremdung ist werbeüblich und mit Stilmitteln einfachster Art gestaltet. Die Farbe Grün, in der die Wortbezeichnung „1. gut“ gestaltet ist, weist auf die ökologische Herstellung der beanspruchten Ware „Elektrischer Strom aus erneuerbaren Energien (kein Strom aus fossilen Stoffen oder auf der Basis der Atomkraft)“ hin. Die Hintergrundfarbe Gelb verweist auf die Sonne. Beide Farben werden in der hier relevanten Branche häufig verwendet und eignen sich deshalb nicht als betrieblicher Herkunftshinweis.
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Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob die angemeldete Marke auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist.


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