Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Berliner Wasserstoff Union” – keine Unterscheidungskraft

Aktenzeichen  28 W (pat) 102/10

Datum:
11.10.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
Spruchkörper:
28. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 043 004.4
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 11. Oktober 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Klante, der Richterin Martens und des Richters Schell
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Angemeldet ist die Wortmarke
2
Berliner Wasserstoff Union
3
als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 4, 35, 39 und 40
4
„chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, photographische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke, nämlich flüssige und gasförmige Wasserstoffe; Brennstoffe, insbesondere flüssige und gasförmige Brennstoffe einschließlich und insbesondere Motorentreib- und Kraftstoffe, nämlich flüssige und gasförmige Wasserstoffe (soweit in Klasse 4 enthalten); Brennstoffe, insbesondere flüssige und gasförmige Brennstoffe einschließlich und insbesondere Motorentreib- und Kraftstoffe, nämlich solche, die aus regenerativer Energie/regenerativen Energiequellen, insbesondere Windenergieanlagen gewonnen werden; elektrische Energie, nämlich solche, die aus regenerativer Energie/regenerativen Energieanlagen, insbesondere Windenergieanlagen gewonnen wird; Strom, nämlich solcher, der aus regenerativer Energie/regenerativen Energieanlagen, insbesondere Windenergieanlagen gewonnen wird; Dienstleistungen eines Einzel- und Großhändlers mit vorgenannten Waren; Erteilung von Auskünften (Information) und Beratung für Dritte in Bezug auf vorgenannte Waren sowie in Produkt-, Handels- und Geschäftsangelegenheiten (Verbraucherberatung); Vermittlung von Verträgen für Dritte, über die Erbringung von Dienstleistungen, auch im Rahmen von e-commerce und über das Internet; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über den An- und Verkauf von Waren, auch im Rahmen von e-commerce und über das Internet; Büroarbeiten, insbesondere Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung, auch im Rahmen von e-commerce und über das Internet; Transportwesen, nämlich Transport, Durchleitung, Leitung, Verteilung, Lieferung, Anlieferung und Versorgung von Dritten durch Lieferung und Anlieferung der vorgenannten Waren; Lagerung und Speicherung der vorgenannten Waren; Materialbearbeitung, nämlich Erzeugung der vorgenannten Waren; Erzeugung von flüssigen und gasförmigen Wasserstoffen durch Elektrolyse von Strom, der insbesondere aus regenerativer Energie/regenerativen Energiequellen, insbesondere Windenergieanlagen gewonnen wird; Erzeugung von Strom durch Elektrolyse von flüssigen und gasförmigen Wasserstoffen“.
5
Die Markenstelle für Klasse 4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen zurückgewiesen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist. Zur Begründung wurde ausgeführt, der angemeldeten Marke fehle jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Sie werde aufgrund ihres sachbezogenen Aussagegehalts von den angesprochenen Verkehrskreisen nur als Sachhinweis aufgefasst, nicht jedoch als betrieblicher Herkunftshinweis. Zwar sei die Sachbezeichnung „Berliner Wasserstoff Union” sehr umfassend, eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit sei aber nicht gegeben.
6
Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Zur Sache selbst hat sie nicht erneut Stellung genommen, sondern insoweit lediglich auf ihre Erinnerungsbegründung im Verfahren vor der Markenstelle verwiesen. Hier hatte sie im Wesentlichen vorgetragen, der Wortbestandteil „Union“ beschreibe weder unmittelbar noch mittelbar produktbezogene Merkmale, da mit der Anmeldung gerade keine Dienstleistungen einer Vereinigung beansprucht würden. Bei Anlegung des von der Rechtsprechung geforderten, großzügigen Beurteilungsmaßstabs könne der Marke die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen und auch ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an der freien Verwendbarkeit des Zeichens nicht bejaht werden. Die Schutzfähigkeit der Anmeldemarke werde nicht zuletzt auch durch verschiedene Markeneintragungen mit dem Wortbestandteil „Union“ bestätigt.
7
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
8
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 4 vom 9. April 2009 und vom 8. Juli 2010 aufzuheben.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
10
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der beantragten Eintragung der Anmeldemarke steht bereits das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
11
Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch von denen anderer Anbieter für den Verkehr unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH MarkenR 2006, 19, 22, Rdn. 45 – Standbeutel; BGH GRUR 2006, 850, 854 – FUSSBALL WM 2006). Kann ein Zeichen diese Herkunftsfunktion nicht erfüllen, widerspricht es dem Allgemeininteresse, es durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 – SAT.2). Wortmarken ist die erforderliche Unterscheidungskraft vor allem dann abzusprechen, wenn sie sich als bloße produktbeschreibende bzw. anpreisende Aussagen darstellen oder wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Produkten oder Leistungen hergestellt wird (vgl. nochmals BGH GRUR 2009, 778, Rdn. 11, 14 – Willkommen im Leben; sowie Ströbele a. a. O., § 8 Rdn. 144 m. w. N.). Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Wortfolge „Berliner Wasserstoff Union“ jegliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, da sie sich bezüglich aller verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen in einem ohne weiteres erkennbaren, produktbezogenen Aussagegehalt erschöpft.
12
Für die Beurteilung der Frage, ob eine Marke die erforderliche Unterscheidungskraft aufweist, ist immer ihr Gesamteindruck maßgeblich (vgl. EuGH MarkenR 2007, 204, 209, Rdn. 79 – Celltech; EuGH GRUR Int 2005, 1012, 1014, Rdn. 31 – BioID; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 28 – SAT.2). Die Prüfung erfolgt dabei im Hinblick auf die Auffassung derjenigen Verkehrskreise, in denen die angemeldete Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8, Rdn. 23 ff.), im vorliegenden Fall somit Fachkreise aus dem Energiesektor sowie teilweise auch die allgemeinen Endabnehmer.
13
Wasserstoff gilt als reproduktive und damit umweltneutrale Energiequelle mit einem bedeutsamen Zukunftspotenzial. Im Hinblick auf die Nutzung von Wasserstoff als ökologisch nachhaltiger Kraftstoff, kommen für die Wasserstoff-Gewinnung vornehmlich regenerative Energiequellen in Betracht, wie vor allem die Solarenergie. In diesem Sinne wird die Wasserstofftechnologie sowohl auf europäischer als auch auf nationaler und regionaler Ebene als wichtiges Energiekonzept angesehen, um die angestrebten, energie- und klimapolitischen Ziele erreichen zu können. Auch wenn eine diesen Zielsetzungen entsprechende Wasserstoffwirtschaft aktuell noch nicht in großem Umfang verwirklicht ist, kommt Wasserstoffenergie bereits heute in verschiedenen stationären oder mobilen Anwendungen zum Einsatz. Zudem werden fortlaufend weitere Anwendungsbereiche der Wasserstoff- und Brennstoffzelltechnologie erschlossen, wie beispielsweise in der Automobilindustrie.
14
Bei den beanspruchten Waren kann es sich um flüssige oder gasförmige Wasserstoffe selbst handeln oder um aus regenerativen Energiequellen gewonnene, zur Herstellung von Wasserstoff bestimmte Primärenergie (Brennstoffe, elektrische Energie, Strom). Die mit der Anmeldung beanspruchten Dienstleistungen gehören sämtlich zum einschlägigen Leistungsspektrum von Energieversorgern, wie auf den Handel mit Wasserstoff bezogene Dienstleistungen, entsprechende Informations- und Beratungsleistungen, die Vermittlung von Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Nutzung, Lieferung oder Produktion von Wasserstoff sowie so genannte begleitende Dienstleistungen, wie Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung. Die beanspruchten Logistikleistungen können ebenfalls im Zusammenhang mit Wasserstoff stehen und sich bspw. mit dem Transport, der Durchleitung, Anlieferung und Verteilung sowie mit der Versorgung mit Wasserstoff befassen. Darüber hinaus wird die Erzeugung entsprechender Produkte beansprucht, wie flüssige und gasförmige Wasserstoffe sowie die Erzeugung von Strom durch Elektrolyse von flüssigen und gasförmigen Wasserstoffen. Die Anmeldemarke erweist sich somit hinsichtlich aller beanspruchten Waren und Dienstleistungen als gattungsmäßige Angabe, die den Unternehmensgegenstand bzw. das Leistungsspektrum (irgend)einer Berliner Firmenvereinigung beschreibt (vgl. zum Begriffsgehalt des Wortes „Union“: Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM]). Es ist deshalb davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Wortfolge „Berliner Wasserstoff Union“ lediglich als eine branchenübliche Sachbezeichnung ansehen, ihr aber keinen betriebskennzeichnenden Hinweis entnehmen werden. Der beantragten Eintragung in das Register steht somit auch bei Anlegung des gebotenen, großzügigen Prüfungsmaßstabs das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Frage, ob an der freien Verwendbarkeit der angemeldeten Wortfolge auch ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht, ist bei dieser Sachlage nicht entscheidungserheblich und kann somit dahingestellt bleiben.
15
Soweit sich die Beschwerdeführerin auf die Eintragung von vermeintlich vergleichbaren Marken beruft, begründet dies keine andere Wertung. Die Schutzfähigkeit einer Marke ist ausschließlich auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben und nicht etwa auf der Grundlage von Voreintragungen zu beurteilen (vgl. EuGH, MarkenR 2009, 478, 484, Rdn. 57 – American Clothing; BGH, GRUR 2011, 230, Rdn. 10 ff. – SUPERgirl). Dies gilt selbst für den Fall, dass die identische Marke für denselben Anmelder bereits einmal für schutzfähig erachtet und eingetragen wurde (vgl. BGH, GRUR 2009, 411, 412, Rdn. 14 – STREETBALL). Der Umstand, dass Voreintragungen – zu Recht oder zu Unrecht – erfolgt sind, kann lediglich in die Schutzfähigkeitsprüfung des konkreten Einzelfalls miteinbezogen werden (vgl. EuGH, MarkenR 2009, 201 – Schwabenpost; BGH, GRUR 2009, 778, 779, Rdn. 18 – Willkommen im Leben). In diesem Sinne hat der Senat bei der Beurteilung des streitgegenständlichen Zeichens die vom Anmelder angeführte Voreintragung berücksichtigt, ohne dass sich hieraus jedoch schutzfähigkeitsbegründende Gesichtspunkte ergeben hätten.
16
Die Beschwerde war somit zurückzuweisen. Nachdem das Bundespatentgericht über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 69 MarkenG) und im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung weder von der Beschwerdeführerin beantragt wurde noch nach Wertung des Senats sachdienlich gewesen wäre, konnte diese Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben